VwGH 2009/18/0273

VwGH2009/18/02739.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer, Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde der S S in W, geboren am 25. Dezember 1956, vertreten durch Dr. Tassilo Wallentin, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Gonzagagasse 14/10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 2. Juni 2009, Zl. E1/181.015/2009, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13a;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z4;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z5;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z7;
EMRK Art8 Abs2;
AVG §13a;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z4;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z5;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z7;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 2. Juni 2009 wurde die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass die Beschwerdeführerin am 13. April 2009 wegen ihres unrechtmäßigen Aufenthalts in Österreich vorläufig festgenommen worden sei. Nach ihren Behauptungen halte sie sich seit 1990 unrechtmäßig in Österreich auf. Belege hiefür habe sie allerdings keine vorlegen können; sie scheine auch im zentralen Melderegister nicht auf.

Die Beschwerdeführerin sei geschieden und habe keine Sorgepflichten; ihre Familie (eine Tochter) lebe in Serbien. Familiäre Bindungen der Beschwerdeführerin zum Bundesgebiet bestünden nicht; sie gehe auch keiner Beschäftigung nach.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Voraussetzungen zur Erlassung der Ausweisung - vorbehaltlich der Bestimmung des § 66 Abs. 1 FPG - im Grunde des § 53 Abs. 1 FPG gegeben seien. Angesichts der festgestellten Umstände sei zwar von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin auszugehen, dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten sei. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses hohe öffentliche Interesse verstoße der langjährige unrechtmäßige Aufenthalt der Beschwerdeführerin jedoch gravierend.

Angesichts der festgestellten Umstände erwiesen sich deren private Interessen als keinesfalls ausgeprägt; das ihr insgesamt zuzurechnende Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet sei keinesfalls derart ausgeprägt, dass dem gegenüber das hohe öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens in den Hintergrund zu treten habe. Dass einer Ausreise der Beschwerdeführerin unüberwindliche Hindernisse entgegenstünden, sei nicht geltend gemacht worden. Dass sie "hohen Zucker, hohen Blutdruck, Probleme mit Herz und Lunge" habe, stelle keinen Grund dar, den unrechtmäßigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich weiter zu dulden. Die Erlassung der Ausweisung erweise sich daher als dringend geboten und somit zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG.

Mangels sonstiger, besonders zugunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände habe die belangte Behörde auch keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass sich die Beschwerdeführerin - seit vielen Jahren - unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die von der Behörde vertretene - unbekämpfte - Auffassung, dass somit die Tatbestandsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, begegnet daher keinen Bedenken.

2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid unter dem Blickwinkel der Interessenabwägung nach § 66 FPG (in der aufgrund des Zeitpunktes der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) und verweist dazu u.a. darauf, dass nach den "Gesetzesmaterialien" das berufliche Weiterkommen, der Eingriff in das Privat- und Familienleben sowie die Bindungen im Bundesgebiet stärker zu berücksichtigen seien. Diese Kriterien habe die belangte Behörde nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt.

2.2. Die belangte Behörde hat allerdings bei der von ihr vorgenommenen Prüfung nach § 66 FPG den langjährigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin angenommen. Ebenfalls zu Recht hat allerdings die belangte Behörde die privaten Interessen der Beschwerdeführerin als dadurch relativiert angesehen, dass deren Aufenthalt im Bundesgebiet rechtswidrig war und ist (§ 66 Abs. 2 Z. 1 FPG), sie keinerlei familiäre Bindungen im Inland hat (§ 66 Abs. 2 Z. 2 FPG) und hier jedenfalls keine berufliche Integration vorweisen kann (§ 66 Abs. 2 Z. 4 FPG). Im Übrigen hat die Beschwerdeführerin angesichts ihres langjährigen rechtswidrigen Aufenthalts in Österreich einen gravierenden Verstoß gegen das Fremdenpolizei- und Einwanderungsrecht zu verantworten (§ 66 Abs. 2 Z. 7 FPG) und verfügt - ausgehend von der nicht bekämpften Feststellung, dass ihre Tochter in Serbien lebt, - noch über Bindungen zu ihrem Heimatstaat (§ 66 Abs. 2 Z. 5 FPG).

Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 7. Juli 2009, Zl. 2009/18/0204, mwN). Gegen dieses große öffentliche Interesse hat die Beschwerdeführerin durch ihren jahrelangen unrechtmäßigen Aufenthalt schwerwiegend verstoßen. Wägt man das angeführte öffentliche Interesse gegen die - wie oben dargelegt - relativierten persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin ab, so kann die Ansicht der belangten Behörde, dass § 66 FPG einer Ausweisung der Beschwerdeführerin nicht entgegensteht, nicht beanstandet werden.

2.3. Soweit die Beschwerde - wie schon die gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung - auf den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin hinweist ("hoher Zucker, hoher Blutdruck sowie Probleme mit Herz und Lunge"), so führt dies zu keiner relevanten Verstärkung ihres persönlichen Interesses am Verbleib im Bundesgebiet, wird doch nicht behauptet, dass eine Behandlung dieser gesundheitlichen Probleme nur in Österreich möglich sei (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2008, Zl. 2007/18/0443, mwN).

2.4. Die Beschwerde führt weiters aus, die belangte Behörde habe entgegen § 37 iVm § 39 Abs. 2 AVG den maßgebenden Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt, wozu insbesondere eine "genaue Befragung der Beschwerdeführerin" notwendig gewesen wäre, legt aber nicht dar, welche konkreten und für die Beschwerdeführerin günstigen Ergebnisse solche weiteren Erhebungen erbracht hätten; es wurde daher nicht dargetan, welche Relevanz dem behaupteten Verfahrensmangel im Sinn des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG hätte zukommen können. Dasselbe gilt für den behaupteten Verfahrensmangel wegen des Unterbleibens einer mündlichen Berufungsverhandlung; auf die Durchführung einer Berufungsverhandlung besteht im Übrigen im fremdenrechtlichen Verwaltungsverfahren vor den Sicherheitsdirektionen kein Recht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 2009, Zl. 2009/18/0131, mwN).

Die im Weiteren behauptete Verletzung der Manuduktionspflicht durch die belangte Behörde kann schon deshalb nicht vorliegen, weil die Beschwerdeführerin schon im Administrativverfahren durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter vertreten war (§ 13a AVG).

3. Ferner kann keine Rede davon sein, dass der angefochtene Bescheid - wie die Beschwerde vermeint - nicht ausreichend begründet sei.

4. Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass der belangten Behörde ein (materieller) Ermessensfehler unterlaufen sei; es ergeben sich aus dem Verwaltungsakt keine besonderen Umstände, die eine Ermessensübung nach § 53 Abs. 1 FPG zugunsten der Beschwerdeführerin geboten hätten.

5. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die § 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 9. November 2009

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