VwGH 2008/03/0135

VwGH2008/03/013525.2.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des A C, in W, vertreten durch Dr. Johannes Sammer, Rechtsanwalt in 8680 Mürzzuschlag, Roseggergasse 7, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 9. Juli 2008,

1.) Zl. E1/492.395/2007, betreffend Entziehung einer Waffenbesitzkarte (protokolliert zur Zl 2008/03/0135), und

2.) Zl E11/486.994/2007, betreffend Entziehung eines Waffenpasses (protokolliert zur Zl 2008/03/0136), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §1;
SPG 1991 §10 Abs2;
SPG 1991 §10 Abs3;
SPG 1991 §2 Abs2;
SPG 1991 §7 Abs2;
SPG 1991 §8 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WaffG 1996 §25 Abs3;
WaffG 1996 §8 Abs2 Z1;
ZustG §17 Abs1;
ZustG §3;
AVG §1;
SPG 1991 §10 Abs2;
SPG 1991 §10 Abs3;
SPG 1991 §2 Abs2;
SPG 1991 §7 Abs2;
SPG 1991 §8 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WaffG 1996 §25 Abs3;
WaffG 1996 §8 Abs2 Z1;
ZustG §17 Abs1;
ZustG §3;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 2.652,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1.1. Die Bundespolizeidirektion Wien, Administrativbüro, entzog dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 25. September 2007 gemäß § 25 Abs 3 iVm § 8 Abs 2 Z 1 des Waffengesetzes 1996, BGBl I Nr 12, die diesem am 8. September 1994 ausgestellte Waffenbesitzkarte mit der Nummer 251277.

Dieser Bescheid wurde auf Grund der dagegen erhobenen Berufung von der belangten Behörde mit dem zu Zl 2008/03/0135 angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs 4 AVG behoben.

1.2. Mit Bescheid der Erstbehörde vom 25. September 2007 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs 3 iVm § 8 Abs 2 Z 1 des Waffengesetzes 1996 der diesem am 19. April 1988 ausgestellte Waffenpass mit der Nummer 110961 entzogen.

Dieser Bescheid wurde von der belangten Behörde auf Grund der dagegen eingebrachten Berufung mit dem zu Zl 2008/03/0136 angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs 4 AVG behoben.

1.3. Begründend wurde in den beiden angefochtenen Bescheiden ausgeführt, es sei aktenkundig, dass die Erstbehörde auf § 57 AVG gestützte Mandatsbescheide vom 9. März 2007 erlassen hätte, mit denen dem Beschwerdeführer die Waffenbesitzkarte bzw der Waffenpass entzogen worden seien. Ungeachtet des Umstandes, dass diese Bescheide dem Beschwerdeführer am 24. März 2007 eigenhändig zugestellt worden seien, sei aktenkundig, dass (schon davor) nach zwei Zustellversuchen am 9. März und am 10. März 2007 die genannten Mandatsbescheide am 10. März 2007 hinterlegt worden seien und ab diesem Tag zur Abholung bereitgelegen hätten. Diese Form der Zustellung stehe in Übereinstimmung mit § 17 des Zustellgesetzes. Feststellungen, dass diese Zustellungen durch Hinterlegung nicht rechtswirksam sein sollten, habe die Erstbehörde nicht getroffen, hiefür gebe auch der Verwaltungsakt keine Anhaltspunkte.

Aktenkundig sei weiters, dass der Beschwerdeführer am 6. April 2007, sohin offenbar nach Ablauf der in § 57 Abs 2 AVG normierten Frist, bezüglich beider Bescheide das Rechtsmittel der Vorstellung eingebracht habe, auf Grund dessen die Erstbehörde die beiden Bescheide vom 25. September 2007 erlassen habe.

Da nach der Aktenlage aber bereits der nach § 57 AVG erlassene Mandatsbescheid in Rechtskraft erwachsen sei, habe für eine neuerliche Entscheidung in derselben Angelegenheit kein Raum bestanden. Solcherart sei den Berufungen im Ergebnis Folge zu geben gewesen.

2. Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, sie wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die vorliegend relevanten Bestimmungen des Zustellgesetzes, BGBl Nr 200/1982 (idF vor dem BGBl I Nr 5/2008) lauten wie folgt:

"Zustellorgane

§ 3. (1) Mit der Zustellung dürfen, sofern die Behörde sie nicht durch eigene Bedienstete vornimmt, die Post, ein anderer Zustelldienst oder, wenn dies im Interesse der Zweckmäßigkeit, Einfachheit und Raschheit gelegen ist, andere Behörden oder jene Gemeinde, in deren örtlichem Zuständigkeitsbereich die Abgabestelle liegt, betraut werden.

(2) Die mit der Zustellung betrauten Organe und jene Personen, die zur Zustellung tatsächlich herangezogen werden (Zusteller), handeln hinsichtlich der Wahrung der Gesetzmäßigkeit der Zustellung für die Behörde, deren Dokument zugestellt werden soll."

"Hinterlegung

§ 17. (1) Kann die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Schriftstück im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Die hinterlegte Sendung ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 oder die im § 21 Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde."

1.2. Nach § 2 Abs 1 des Sicherheitspolizeigesetzes - SPG, BGBl Nr 566/1991, obliegt die Sicherheitsverwaltung den Sicherheitsbehörden; zur Sicherheitsverwaltung zählt gemäß § 2 Abs 2 leg cit u a das Waffenwesen. Oberste Sicherheitsbehörde ist der Bundesminister für Inneres (§ 4 Abs 1 leg cit), diesem unterstellt besorgen Sicherheitsdirektionen, ihnen nachgeordnet (u a) Bundespolizeidirektionen die Sicherheitsverwaltung in den Ländern.

Für die Sicherheitsbehörden versehen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes den Exekutivdienst (§ 5 Abs 1 leg cit idF BGBl I Nr 151/2004). Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind Angehörige u a des Wachkörpers Bundespolizei (§ 5 Abs 2 Z 1 leg cit). Zum sicherheitspolizeilichen Exekutivdienst zählt nach § 5 Abs 3 SPG der Streifen- und Überwachungsdienst, die Ausübung der allgemeinen Hilfeleistungspflicht und der Gefahrenabwehr (mit den Befugnissen nach dem 3. Teil des SPG) sowie der Ermittlungs- und der Erkennungsdienst. Die "Sicherheitsexekutive" besteht aus den Sicherheitsbehörden und den diesen beigegebenen oder unterstellten Wachkörpern (§ 5 Abs 5 leg cit). Nach § 7 Abs 2 leg cit steht an der Spitze der Sicherheitsdirektion der Sicherheitsdirektor; bei Besorgung der Sicherheitsverwaltung sind ihm das Landespolizeikommando und dessen dafür bestimmten inneren Gliederungen unmittelbar unterstellt. Nach § 7 Abs 5 leg cit ist in Wien die Bundespolizeidirektion zugleich Sicherheitsdirektion, der Polizeipräsident auch Sicherheitsdirektor. Gemäß § 8 Abs 1 SPG steht an der Spitze einer Bundespolizeidirektion der Polizeidirektor, an der Spitze der Bundespolizeidirektion Wien der Polizeipräsident; die Bezirks- oder Stadtpolizeikommanden und deren Polizeiinspektionen sind den Bundespolizeidirektionen außer Wien bei der Besorgung der Sicherheitsverwaltung unterstellt; den Exekutivdienst versehen der Polizeidirektor (Polizeipräsident) und die ihm beigegebenen, zugeteilten oder unmittelbar unterstellten Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Gemäß § 10 Abs 1 leg cit ist für jedes Bundesland ein Landespolizeikommando eingerichtet, dem u a Polizeiinspektionen untergeordnet sind. Die Angelegenheiten des inneren Dienstes, insbesondere die Festlegung und Errichtung von Dienststellen und Organisationseinheiten, ihre Systemisierung einschließlich die leistungsorientierte Steuerung des Exekutivdienstes werden von den Landespolizeikommanden in unmittelbarer Unterstellung unter dem Bundesminister für Inneres besorgt (§ 10 Abs 2 Z 1 leg cit); in Wien obliegt die Besorgung der - beides zum inneren Dienst zählend - personellen und dienstrechtlichen Angelegenheiten sowie der Angelegenheiten des Budgets, der Logistik und Infrastruktur dem Polizeipräsidenten (§ 10 Abs 3 iVm Abs 2 Z 6 und 7 leg cit).

2. Das Beschwerdevorbringen zielt u a darauf ab, dass die in den angefochtenen Bescheiden genannte Zustellung der Mandatsbescheide mangelhaft erfolgt sei. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde (im Ergebnis) zum Erfolg.

Nach § 3 des Zustellgesetzes in seiner hier maßgeblichen Fassung dürfen mit der Zustellung u a auch "eigene Bedienstete" der Behörde betraut werden. Aus den angeführten Regelungen des SPG ergibt sich, dass die Sicherheitsbehörden von den für die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes eingerichteten Polizeikommanden und Polizeiinspektionen organisatorisch jeweils selbstständig und damit getrennt eingerichtet sind. Dies ergibt sich insbesondere auch daraus, dass das Landespolizeikommando gemäß § 10 Abs 2 SPG (u a) die Festlegung und Errichtung von Dienststellen und Organisationseinheiten als Angelegenheit des inneren Dienstes besorgt. Auch die Regelung des § 10 Abs 3 SPG zeigt die im Übrigen gegebene Trennung, wobei die danach in Wien dem Polizeipräsidenten übertragenen Angelegenheiten nicht Gegenstand des vorliegenden Falles sind. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, die nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten bezüglich der beiden Mandatsbescheide vom 9. März 2007 den ersten Zustellversuch einschließlich der Ankündigung eines zweiten Zustellversuchs (am 9. März 2007), den zweiten Zustellversuch sowie die Hinterlegung der Postsendungen bei der Polizeiinspektion 22, Rennbahnweg 27 (am 10. März 2007), vornahmen, sind damit nicht in die Bundespolizeidirektion Wien, Administrationsbüro, eingegliedert und ihr damit organisatorisch nicht zuzurechnen. Ferner ist aus dem Wortlaut der Regelung des § 8 Abs 1 SPG für die Bundespolizeidirektion Wien abzuleiten, dass ihr bei der Besorgung der Sicherheitsverwaltung die Stadtkommanden und deren Polizeiinspektionen nicht direkt unterstellt sind. Dennoch kann auf Grund der Zuordnung des Landespolizeikommandos und dessen hiefür bestimmten inneren Gliederungen (zu diesem Bereich zählen die besagten Organe offensichtlich) nach § 7 Abs 2 SPG zur Sicherheitsdirektion - die in Wien zugleich Bundespolizeidirektion ist - für die Besorgung der Sicherheitsverwaltung und der solcherart auch für die Bundespolizeidirektion Wien gegebenen funktionalen Zuordnung gesagt werden, dass die Erstbehörde die in Rede stehenden Zustellungen durch "eigene Bedienstete" im Sinn des § 3 des Zustellgesetzes vornahm, zumal ihr diese Bediensteten zur Besorgung der in Rede stehenden Aufgaben jedenfalls (iS der nach dem letzten Satz des § 8 Abs 1 SPG gegebenen Möglichkeiten der Zuordnung eines Wachkörpers zur Behörde als beigegebene, zugeteilte oder unmittelbar unterstellte Organe, vgl idS Pürstl/Zirnsack, SPG (2005) § 8 Anm. 11 und § 5 Anm. 9) beigegeben waren.

Wenn aber die Hinterlegung dieser beiden Bescheide nach dem zweiten Zustellversuch bei der schon genannten Polizeiinspektion vorgenommen wurde, so erfolgte diese entgegen dem § 17 Abs 1 des Zustellgesetzes in seiner vorliegend maßgeblichen Fassung - im Hinblick auf die dargestellte organisatorische Unterscheidung zwischen der Bundespolizeidirektion als Sicherheitsbehörde und der genannten Polizeiinspektion - eben nicht bei der Behörde, die die angesprochenen Mandatsbescheide erließ.

Insofern wurde die Zustellung dieser Mandatsbescheide - anders als die belangte Behörde meint - nicht im Einklang mit § 17 Abs 1 des Zustellgesetzes vorgenommen, weshalb die angefochtenen Bescheide mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet sind.

3. Schon deshalb waren die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben, weshalb es entbehrlich war, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am 25. Februar 2009

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