VwGH 2005/10/0222

VwGH2005/10/022216.6.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde des M F in M, vertreten durch Dr. Wilhelm Sluka und Dr. Alfred Hammerer, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Alpenstraße 26, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 18. November 2005, Zl. 21301-RI-686/6-2005, betreffend Zurückweisung eines Antrages wegen entschiedener Sache und Auftrag nach dem Salzburger Naturschutzgesetz 1999, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §64a idF 1998/I/158;
AVG §64a;
AVG §64a idF 1998/I/158;
AVG §64a;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 28. Mai 2003 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung (BH) dem Beschwerdeführer die naturschutzrechtliche Bewilligung zum Umbau des Wohnhauses sowie zum "Anbau bzw. Neubau" einer Garage, eines überdachten Abstellplatzes und eines Wintergartens auf den jeweils im Landschaftsschutzgebiet Trumer Seen erliegenden Grundstücken Nr. 478/2 und 994/2, jeweils KG M., unter Vorschreibung näher bezeichneter Auflagen.

Die Auflagen Nr. 1 und 5 lauten wie folgt (Wiedergabe im Original der Verhandlungsschrift):

"1. Der überdachte Abstellplatz ist, wie planlich vorgesehen, mit einem Satteldach herzustellen, welches mit dunkelgrauem schieferartigen Material oder mit Kupferblech in schmalen Bahnen einzudecken ist.

...

5. Das Garagentor ist in Anpassung an das bestehende herzustellen. Der Garagenbaukörper ist an der Talseite optisch gleich auszubilden wie der bestehende. Das Vordach ist in Art des Zwischentraktes auszubilden."

Einem im Verwaltungsakt erliegenden Aktenvermerk vom 23. Juni 2004 ist zu entnehmen, dass anlässlich einer örtlichen Überprüfung festgestellt worden sei, dass der überdachte Abstellplatz und der Garagenbaukörper abweichend von den Auflagen Nr. 1 und 5 errichtet worden seien.

Am 7. September 2004 ersuchte der Beschwerdeführer um nachträgliche naturschutzrechtliche Bewilligung der abweichend von den Auflagen Nr. 1 und 5 vorgenommenen Baumaßnahmen.

Unter Spruchpunkt 1. ihres Bescheides vom 7. April 2005 erteilte die BH dem Beschwerdeführer den Auftrag, die auf den Grundstücken Nr. 478/2 und 994/2 konsenswidrig durchgeführten Maßnahmen binnen einer näher bezeichneten Frist zu entfernen und den mit Bescheid der BH vom 28. Mai 2003 bewilligten Zustand durch Einhaltung der Auflagen Nr. 1 und 5 herzustellen. Als Rechtsgrundlage zog die BH insbesondere die §§ 18, 46 Abs. 1 und 47 Abs. 1 Z. 1 des Salzburger Naturschutzgesetzes 1999 iVm.

§ 2 Abs. 1 der Trumer-Seen Landschaftsschutzverordnung iVm.

§ 2 Z. 1 der Allgemeinen Landschaftsschutzverordnung 1995 heran.

Unter Spruchpunkt 2. wies die BH den Antrag des

Beschwerdeführers vom 7. September 2004 auf nachträgliche naturschutzrechtliche Bewilligung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurück. Begründend führte die BH hiezu aus, dem nunmehrigen Ansuchen liege ein Sachverhalt zu Grunde, der " in den für die Entscheidung wesentlichen Elementen gegenüber den dem früheren Ansuchen zu Grunde gelegten Elementen keine Veränderung" erfahren habe.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wendete sich der Beschwerdeführer gegen die Auffassung der BH, es liege entschiedene Sache vor. Vielmehr sei dem Ansuchen um nachträgliche naturschutzrechtliche Bewilligung eine grundlegend geänderte Planung zu Grunde gelegt worden. Abgesehen davon habe es sich bei den vom Beschwerdeführer vorgenommenen Baumaßnahmen lediglich um eine Änderung rechtmäßig bestehender Bauten, welche zur Gänze außerhalb eines 50 m breiten Uferbereiches lägen, im Bauland gehandelt. Eine gewidmete Sonderfläche sei nicht vorgelegen. Gemäß § 3 Z. 1a der Allgemeinen Landschaftsschutzverordnung 1995 unterlägen die vom Beschwerdeführer gesetzten Baumaßnahmen daher nicht der Bewilligungspflicht. Der Beschwerdeführer beantrage daher die ersatzlose Aufhebung des erstbehördlichen Bescheides. In eventu möge dieser dahin gehend abgeändert werden, dass das Ansuchen vom 7. September 2004 naturschutzrechtlich genehmigt werde.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 16. Juni 2005 behob die BH ihren Bescheid vom 7. April 2005 gemäß § 64a Abs. 1 AVG zur Gänze.

Zur Begründung führte die BH aus, die Errichtung des Wintergartens mit dem darüber liegenden Balkon unterliege als Änderung eines rechtmäßig bestehenden Baukörpers nicht der Bewilligungspflicht nach der Allgemeinen Landschaftsschutzverordnung 1995. Hingegen sei von der Erforderlichkeit einer naturschutzrechtlichen Bewilligung in Ansehung der Errichtung der Garage und des überdachten Abstellplatzes auszugehen. Sollte gegen die Berufungsvorentscheidung kein Vorlageantrag eingebracht werden, werde über das nachträgliche Bewilligungsansuchen vom 7. September 2004 entschieden werden.

Die Auffassung, der Antrag vom 7. September 2004 auf nachträgliche naturschutzrechtliche Bewilligung sei wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, sei nicht weiter aufrecht zu erhalten.

Mit Schriftsatz vom 11. Juli 2005 stellte der Beschwerdeführer den Antrag, die Berufung der Berufungsbehörde zur Entscheidung vorzulegen. Der Beschwerdeführer verwies auf seine Auffassung, die Baumaßnahmen in Ansehung der Garage und des überdachten Abstellplatzes seien naturschutzrechtlich nicht bewilligungspflichtig.

Mit Bescheid vom 18. November 2005 gab die Salzburger Landesregierung gemäß § 66 Abs. 4 AVG der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte den erstbehördlichen Bescheid vom 7. April 2005.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Beschwerdeführer erstattete eine Gegenäußerung zur Gegenschrift der belangten Behörde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1. § 64a AVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 lautet:

"(1) Die Behörde kann die Berufung binnen zwei Monaten nach Einlangen bei der Behörde erster Instanz durch Berufungsvorentscheidung erledigen. Sie kann die Berufung nach Vornahme notwendiger Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens als unzulässig oder verspätet zurückweisen, den Bescheid aufheben oder nach jeder Richtung abändern.

(2) Jede Partei kann binnen zwei Wochen nach Zustellung der Berufungsvorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Berufung der Berufungsbehörde zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag).

(3) Mit Einlangen des Vorlageantrages tritt die Berufungsvorentscheidung außer Kraft. Die Behörde hat die Parteien vom Außerkrafttreten der Berufungsvorentscheidung zu verständigen. Verspätete oder unzulässige Vorlageanträge sind von ihr zurückzuweisen."

2. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.

2.1. Die Berufungsvorentscheidung stellt eine Entscheidung der Behörde in der Sache dar, die - ebenso wie eine Sachentscheidung der Berufungsbehörde nach § 66 Abs. 4 AVG - an die Stelle des mit Berufung angefochtenen Bescheides tritt und diesen - im Umfang, in dem er angefochten wurde - daher zur Gänze ersetzt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. November 1996, Zl. 96/10/0109). Mit ihr werden in einem einheitlichen Verfahren alle Berufungsanträge erledigt (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 64a, Rz. 28). Berufungsvorentscheidungen können gemäß § 64a Abs. 2 AVG mit Vorlageantrag bekämpft werden. Dieser ist das ordentliche Rechtsmittel gegen Berufungsvorentscheidungen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. April 2004, Zl. 2003/20/0438, und Hengstschläger/Leeb, AVG § 64a, Rz. 29). Das Einlangen eines Vorlageantrags hat gemäß § 64a Abs. 3 AVG zur Folge, dass die Berufungsvorentscheidung außer Kraft tritt. Diese Wirkung entfaltet allerdings nur ein zulässiger Vorlageantrag; ein unzulässiger Vorlageantrag hat keine Rechtswirkungen (vgl. die Erläuterungen zum AB 1167 BlgNr. 20. GP, 37, sowie das hg. Erkenntnis vom 27. Oktober 1998, Zl. 98/05/0094).

Mit dem Außerkrafttreten der Berufungsvorentscheidung infolge eines zulässigen Vorlageantrags liegt keine dem Rechtsbestand angehörende Entscheidung über die Berufung mehr vor, und die Kompetenz zur Entscheidung über die - wieder unerledigte - Berufung geht auf die Berufungsbehörde über (vgl. den Beschluss vom 17. November 1994, Zl. 92/06/0243, und erneut das erwähnte hg. Erkenntnis vom 1. April 2004).

Verspätete oder unzulässige Vorlageanträge sind von der Behörde, die die Berufungsvorentscheidung erlassen hat, gemäß § 64a Abs. 3 dritter Satz AVG zurückzuweisen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2009, Zl. 2005/09/0107).

2.2. Im Beschwerdefall ist von Bedeutung, ob der vom Beschwerdeführer gestellte Vorlageantrag im Blick auf die dem Berufungsantrag vollinhaltlich Rechnung tragende Berufungsvorentscheidung zulässig war.

Die Zulässigkeit des Rechtsmittels des Vorlageantrages setzt voraus, dass der Antragsteller einen Grund dafür hat, die Berufungsvorentscheidung zu bekämpfen; dies ist jedoch nicht der Fall, wenn bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten dem Parteiantrag ohnehin vollinhaltlich entsprochen wurde (vgl. zB. die zur Zulässigkeit des Rechtsmittels der Berufung ergangenen und insoweit übertragbaren hg. Erkenntnisse vom 22. April 1994, Zl. 93/02/0283, und 22. April 1999, Zl. 98/07/0107, jeweils mwN.).

Wie der Beschwerdeführer selbst erkennt, sind die Ausführungen zur Bewilligungspflicht der Baumaßnahmen in Ansehung der Garage und des überdachten Abstellplatzes nur in der Begründung der Berufungsvorentscheidung angeführt; der Spruch der Berufungsvorentscheidung gibt dem Berufungsantrag vollinhaltlich statt. Da nur der Spruch, nicht aber auch die Begründung der Berufungsvorentscheidung in Rechtskraft erwuchs, wurde der Beschwerdeführer durch die in der Begründung vertretene Auffassung zur Bewilligungspflicht nicht in seiner Rechtssphäre beeinträchtigt. Die vom Beschwerdeführer beanstandeten Begründungselemente waren auch nicht etwa als Auslegungsbehelf für den Inhalt des Spruches heranzuziehen, weil der Spruch der Berufungsvorentscheidung, für sich allein beurteilt, keine Zweifel an seinem Inhalt offen lässt (vgl. in diesem Zusammenhang neuerlich das hg. Erkenntnis vom 22. April 1994).

Es fehlte dem Beschwerdeführer somit an einem Grund, die Berufungsvorentscheidung zu bekämpfen, weshalb sein Vorlageantrag unzulässig war. Dieser bewirkte daher nicht das Außerkrafttreten der die Berufung erledigenden Berufungsvorentscheidung.

Indem die belangte Behörde dessen ungeachtet die Berufung abwies und den bereits durch die Berufungsvorentscheidung zur Gänze ersetzten erstbehördlichen Bescheid vom 7. April 2005 bestätigte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit (vgl. zB. die hg. Erkenntnisse vom 27. Juni 1997, Zl. 95/19/1825, vom 26. Februar 1999, Zl. 98/19/0274, vom 25. Juni 1999, Zl. 97/19/0255, vom 20. April 2004, Zl. 2004/11/0018, und vom 18. Juni 2008, Zl. 2005/11/0171).

2.3. Der angefochtene Bescheid war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 16. Juni 2009

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