VwGH 2000/10/0158

VwGH2000/10/015814.5.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des S in O, vertreten durch Dr. Günther Stanonik, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Ignaz-Harrer-Straße 13, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 1. Februar 2000, Zl. Pol.-10.166/2-2000- St/Hol, betreffend Anzeige der Anbahnung und Ausübung der Prostitution (mitbeteiligte Partei: Gemeinde O, vertreten durch Dr. Gerhard Holzinger, Rechtsanwalt in 5280 Braunau am Inn, Stadtplatz 36), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
PolStG OÖ 1979 §2 Abs1;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
PolStG OÖ 1979 §2 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde O. vom 24. August 1999 wurde auf Grund der Anzeigen des Beschwerdeführers, er beabsichtige das Objekt E. 33 in der Marktgemeinde O. für Zwecke der Anbahnung und Ausübung von Beziehungen zur sexuellen Befriedigung anderer Personen zu Erwerbszwecken (Prostitution) zu nutzen, die Verwendung dieses Objektes für den genannten Zweck gemäß § 2 Abs. 1 und 3 lit. c des Oberösterreichischen Polizeistrafgesetzes (Oö PolStG) untersagt. Gleichzeitig wurden seine Anzeigen zurückgewiesen.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde O. nicht stattgegeben. Dem Antrag des Beschwerdeführers, ihm bzw. seinem Rechtsvertreter bei der Verhandlung der belangten Behörde vom 12. Oktober 1999 Gelegenheit zu geben, mündlich die Berufung darzulegen, wurde nicht stattgegeben.

Der dagegen erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung (belangte Behörde) vom 1. Februar 2000 keine Folge gegeben.

Nach der Begründung befänden sich in dem im Spruch genannten Objekt drei Wohnungen, wobei eine vom Beschwerdeführer bewohnt würde; eine vierte Wohnung sei zwischenzeitlich konsenslos errichtet worden. Der Beschwerdeführer habe nicht mitgeteilt, dass er auch seine Wohnung für die Anbahnung und Ausübung der Prostitution zur Verfügung stellen werde. Er habe auch nicht erkennen lassen, dass er sich mit seiner Person selbst an der Prostitution beteiligen werde. Es treffe daher auch auf ihn der Verbotstatbestand des § 2 Abs. 3 lit. c Oö PolStG zu.

Die Behörde erster Instanz habe vor Erlassung einer Entscheidung die örtlich zuständige Bezirkshauptmannschaft (BH) als Strafbehörde um eine Stellungnahme ersucht. Die BH habe diesbezüglich auf die grundsätzlichen Bedenken des Gendarmeriepostens O. vom 27. Juli 1999 hingewiesen. Danach sei auf Grund der im Umkreis des genannten Objektes gelegenen Wohnhäuser und eines relativ stark frequentierten Reiterhofes, in dem vor allem an den Wochenenden Jugendliche den Reitsport ausübten, mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die Nachbarschaft durch den Betrieb des Bordells in unzumutbarer Weise belästigt und das Gemeinwesen gestört würde. Insbesondere erschienen auch die öffentlichen Interessen der Ordnung, Sicherheit und vor allem des Jugendschutzes nicht ausreichend gewahrt. Darüber hinaus dürfte es auch durch den Betrieb eines Bordells mit zehn bis zwölf Prostituierten zu einer erheblichen Zunahme des Fahrzeugverkehrs, verbunden mit Verkehrsproblemen auf den schmalen Zufahrtsstraßen und Lärmstörungen, kommen. Auf Grund dieser Ermittlungsergebnisse sei es in erster Instanz zu einer Untersagung der Nutzung des genannten Objektes für Zwecke der Anbahnung und Ausübung der Prostitution gekommen. Gleichzeitig seien die Anzeigen des Beschwerdeführers zurückgewiesen worden.

In der dagegen erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen die Auffassung vertreten, er zähle nicht zu jenem Personenkreis, der von der Verbotsnorm nach § 2 Abs. 3 lit. c erfasst sei. Im Übrigen seien die befürchteten Belästigungen von der Behörde nicht ausreichend konkretisiert worden. In der Berufung sei auch beantragt worden, dem Beschwerdeführer bzw. seinem anwaltlichen Vertreter Gelegenheit zu geben, die Berufung im Rahmen der Verhandlung vor dem Gemeinderat darzulegen.

Von der Marktgemeinde O. sei dem Beschwerdeführer daraufhin mit Schreiben vom 14. September 1999 mitgeteilt worden, es stünde ihm frei, bei der nächsten öffentlichen Gemeinderatssitzung am 12. Oktober 1999 als Zuhörer teilzunehmen. Ob und in welchem Umfang ihm dabei als Zuhörer das Wort erteilt würde, um seine Berufung auch mündlich darzulegen, könne ihm nicht zugesichert werden, weil insbesondere nicht vorhersehbar sei, ob seine Angelegenheit öffentlich oder unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgehandelt würde. Zur Wahrung des Parteiengehörs werde ihm für eine schriftliche Stellungnahme jedenfalls eine Frist bis 5. Oktober 1999 eingeräumt. Im Falle einer nicht rechtzeitigen Einbringung einer solchen Stellungnahme werde angenommen, dass er darauf verzichte.

Auf Grund einer Mitteilung des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers vom 30. September 1999, dass er das Parteiengehör in Anspruch nehme und die Berufung bei der Gemeinderatssitzung vortragen würde, habe die Gemeinde nochmals auf das Schreiben vom 14. September 1999 und die Frist zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme bis 5. Oktober 1999 verwiesen.

Wie aus der Verhandlungsschrift über die Gemeinderatssitzung vom 12. Oktober 1999 hervorgehe, sei hinsichtlich der Berufungsentscheidung des Beschwerdeführers die Öffentlichkeit ausgeschlossen und dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers keine Gelegenheit eingeräumt worden, die Berufungsschrift mündlich vorzutragen.

Nach Auffassung der belangten Behörde sei dem Beschwerdeführer sowohl im erst- als auch im zweitinstanzlichen Verfahren zur Wahrung des Parteiengehörs Gelegenheit eingeräumt worden, sich zu den jeweiligen Verfahrensergebnissen entsprechend zu äußern. Der Beschwerdeführer habe davon keinen Gebrauch gemacht. Die befürchtete Verletzung von Schutzinteressen auf Grund der konkreten örtlichen Gegebenheiten und sachlichen Zusammenhänge sei nach Auffassung der belangten Behörde schlüssig und ausreichend begründet worden. Nach der gegebenen Sach- und Rechtslage sei daher eine Verletzung von subjektiven Rechten des Beschwerdeführers durch rechtswidrige Entscheidungen der beteiligten Gemeindebehörden nicht zu erkennen.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der deren Behandlung mit Beschluss vom 26. Juni 2000, B 629/00, abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof wird beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Gemeinde - eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 Oö PolStG hat, wer beabsichtigt, für Zwecke der Anbahnung oder Ausübung von Beziehungen zur sexuellen Befriedigung anderer Personen zu Erwerbszwecken (Prostitution) ein Gebäude, eine Wohnung oder einzelne Räumlichkeiten zu nutzen oder für solche Zwecke zur Verfügung zu stellen, dies, soweit es nicht nach Abs. 3 lit. c verboten ist, der Gemeinde mindestens zwei Monate vor Aufnahme der Prostitution anzuzeigen. Die Gemeinde hat die Verwendung zu diesem Zweck innerhalb von zwei Monaten ab Einlangen der Anzeige mit Bescheid zu untersagen, wenn auf Grund der örtlichen oder sachlichen Verhältnisse zu befürchten ist, dass dadurch die Nachbarschaft in unzumutbarer Weise belästigt oder das örtliche Gemeinwesen gestört wird oder sonstige öffentliche Interessen, insbesondere solche der Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder des Jugendschutzes verletzt werden.

Nach § 2 Abs. 3 lit. c Oö PolStG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer in Gebäuden mit mehr als einer Wohnung oder in Gebäuden, in denen ein Gastgewerbe oder die Privatzimmervermietung ausgeübt wird, eine Wohnung, Teile einer Wohnung oder sonstige Räumlichkeiten oder wer einen Wohnwagen oder andere Bauten auf Rädern oder Wasserfahrzeuge und dgl. für Zwecke der Ausübung der Prostitution nutzt oder zur Verfügung stellt oder als Verfügungsberechtigter diese Verwendung gestattet oder duldet. Eine Verwaltungsübertretung liegt nicht vor, wenn und solange die Prostitution in Gebäuden ausgeübt oder angebahnt wird, die ausschließlich von Personen bewohnt oder benutzt werden, die die Prostitution ausüben.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wendet sich der Beschwerdeführer zunächst gegen die Auffassung der belangten Behörde, es sei mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die Nachbarschaft durch den Betrieb des Bordells in unzumutbarer Weise belästigt und das Gemeinwesen gestört würde. Auch der als Untersagungsgrund genannte und lediglich vermutete Anstieg des Verkehrs als Belästigung sei nicht nachvollziehbar. Das "Berufen auf Wahrscheinlichkeiten" lasse jedenfalls nicht eine Sachverhaltsfeststellung mit der erforderlichen Sicherheit zu. Das Verfahren sei auch insofern mangelhaft geblieben, als dem Beschwerdeführer vor der Berufungsbehörde (Gemeinderat) kein Parteiengehör eingeräumt worden sei.

Diesem Vorbringen kommt aus folgenden Erwägungen keine Berechtigung zu:

Die oben wiedergegebene Bestimmung des § 2 Abs. 1 Oö PolStG hat präventiven Charakter. Für die Untersagung ist es nicht erforderlich, dass mit dem Eintritt der in der Bestimmung genannten Auswirkungen sicher zu rechnen ist; vielmehr genügt es, dass hiefür die "Wahrscheinlichkeit" spricht (vgl. etwa das Erkenntnis vom 26. Jänner 1998, Zl. 97/10/0075, mit Hinweis auf Vorjudikatur).

Die Auffassung des Beschwerdeführers, eine bloße Wahrscheinlichkeit des Eintritts der in § 2 Abs. 1 Oö PolStG bezeichneten nachteiligen Folgen reiche für eine Untersagung nicht aus, ist daher unzutreffend.

Die "Befürchtung" der im § 2 Abs. 1 Oö PolStG angeführten, zur Untersagung führenden Folgen muss ihre Grundlage in den "örtlichen oder sachlichen Verhältnissen" haben. Die Gemeindebehörden haben sich diesbezüglich auf die Stellungnahme des Gendarmeriepostens O. gestützt. Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, dass diese Stellungnahme mit Mängeln behaftet oder unschlüssig wäre.

Dem Beschwerdeführer ist auch nicht zu folgen, wenn er die Auffassung vertritt, es wäre im Sinne des § 13a AVG Aufgabe der Behörde gewesen, den Beschwerdeführer anzuleiten, allenfalls weitere Bekanntgaben und fehlende Informationen zu liefern.

Die sogenannte Manuduktionspflicht der Behörde nach § 13a AVG bezieht sich auf die zur Vornahme von Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen und auf die Belehrung über die mit diesen Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen. Sie bezieht sich aber nicht darauf, ob und welches materielle Vorbringen die Partei zur Wahrung ihrer Rechte zu machen hat (vgl. dazu etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 zu § 13a wiedergegebene Rechtsprechung, E 8 ff).

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Parteiengehörs rügt, da er bei der Beratung des Gemeinderates am 12. Oktober 1999 seine Berufung nicht mündlich vortragen konnte, ist er darauf zu verweisen, dass kein subjektives Recht darauf besteht, von der Behörde mündlich gehört zu werden. Die bloße Möglichkeit zur - auch schriftlichen - Stellungnahme zu den Ergebnissen des Verwaltungsverfahrens reicht für die Wahrung des Parteiengehörs jedenfalls aus (vgl. dazu die bei Walter/Thienel, aaO, wiedergegebene Rechtsprechung zu § 45 AVG, E 297 ff). Zur schriftlichen Stellungnahme wurde dem Beschwerdeführer mit den oben wiedergegebenen Schreiben der Gemeinde Gelegenheit geboten. Er hat davon allerdings keinen Gebrauch gemacht.

Da die belangte Behörde zu Recht vom Vorliegen des Untersagungstatbestandes nach § 2 Abs. 1 Oö PolStG ausgegangen ist, war eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob auch der Verbotstatbestand nach § 2 Abs. 3 lit. c zum Tragen kommt, entbehrlich.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.

Wien, am 14. Mai 2001

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