VwGH 97/10/0149

VwGH97/10/014927.3.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, in der Beschwerdesache 1.) des B und 2.) des O, beide in Imst, vertreten durch Dr. Ingrid Hochstaffl - Salcher, Rechtsanwältin in 6300 Wörgl, Bahnhofstraße 37, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 7. Juli 1997, Zl. U-12.894/19, betreffend naturschutzbehördliche Bewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
NatSchG Tir 1997 §27 Abs1 litb;
NatSchG Tir 1997 §27 Abs2 Z2;
NatSchG Tir 1997 §27 Abs3;
NatSchG Tir 1997 §3 Abs7;
NatSchG Tir 1997 §41 Abs3;
NatSchG Tir 1997 §6 lith;
NatSchG Tir 1997 §9;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
NatSchG Tir 1997 §27 Abs1 litb;
NatSchG Tir 1997 §27 Abs2 Z2;
NatSchG Tir 1997 §27 Abs3;
NatSchG Tir 1997 §3 Abs7;
NatSchG Tir 1997 §41 Abs3;
NatSchG Tir 1997 §6 lith;
NatSchG Tir 1997 §9;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat den Beschwerdeführern Aufwendungen von S 12.890.- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einem im Instanzenzug erlassenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. Dezember 1989 war ein Antrag des damaligen Eigentümers des Grundstückes Nr. 353/11 KG L, für eine Aufschüttung in der Höhe von ca. 1 m auf einer Fläche des Grundstückes von 17.741 m2 die naturschutzrechtliche Bewilligung zu erteilen, gemäß § 24 Abs. 1 und 3 in Verbindung mit den §§ 20 Abs. 5, 21, Abs. 7 des Tiroler Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 15/1975, abgewiesen worden. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof war mit Erkenntnis vom 27. Februar 1995, Zl. 90/10/0130, als unbegründet abgewiesen worden.

Am 5. Jänner 1996 beantragten die Beschwerdeführer die Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung für näher beschriebene bauliche Maßnahmen auf dem Grundstück Nr. 353/11 KG L.; sie legten dar, die Bauführung solle nur auf jenem Teil des Grundstückes erfolgen, der nach dem vorliegenden ökologischen Gutachten derzeit als Intensivwiese genutzt werde und nicht als Feuchtbiotop anzusehen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid versagte die belangte Behörde gemäß § 27 Abs. 6 des Tiroler Naturschutzgesetzes 1997, LGBl. Nr. 33 (NSchG) "dem mit Eingabe vom 5. Jänner 1997 beantragten Vorhaben (Errichtung von zwei Flugdächern für Schnittholz, einer Holzsortierungsanlage für Rundholz und von Lagerflächen auf einer Teilfläche des Grundstückes Nr. 353/11 KG L.)" die naturschutzrechtliche Bewilligung. Begründend wurde dargelegt, an der nördlichen Seite der Parzelle sollten zwei Flugdächer errichtet werden. Der Großteil der Fläche des Grundstückes ("ausgenommen schutzwürdiger Lebensraum") solle mit einer mineralischen Befestigung versehen werden. Das Projektgebiet liege außerhalb geschlossener Ortschaften im Sinne des § 3 Abs. 2 NSchG. Nach dem Lageplan habe die mit einer Schüttung zu versehende Fläche ein Ausmaß von mehr als 5.000 m2. Auf der Schüttfläche befänden sich zahlreiche durch die Tiroler Naturschutzverordnung 1975 geschützte Pflanzenarten, wie z. B. Epipactis palustris, Dactylorhiza incarnata,

Gymnadenia conopsea. Das Vorhandensein geschützter Pflanzen auf der Schüttfläche sei vom Amtssachverständigen am 4. Juni 1996 erhoben worden. Daraus folge die naturschutzrechtliche Bewilligungspflicht nach § 6 Abs. 1 lit. h und § 22 Abs. 1 NSchG. Sowohl durch das Gutachten des Amtssachverständigen als auch durch die von den Beschwerdeführern vorgelegte Stellungnahme eines Privatsachverständigen werde die besondere naturkundliche Wertigkeit des im südlichen Teil des Grundstückes Nr. 353/11 KG L. befindlichen Feuchtgebietes hervorgehoben. Bei diesen Feuchtgebietsflächen handle es sich um einen ausgesprochen sensiblen Bereich, der die Restfläche eines ursprünglich ca. 100 ha großen komplexen Feuchtgebietes darstelle. Durch menschliche Eingriffe sei die Feuchtgebietsfläche auf ca. 7,4 ha reduziert worden. Als noch verbleibender Rest eines Niedermoorkomplexes in der Talsohle käme dem in Rede stehenden Feuchtgebiet besondere Bedeutung als Rückzugslebensraum für bedrohte und gefährdete Tier- und Pflanzenarten der tieferen Lagen zu. Daneben hätte das Feuchtgebiet auch eine wesentliche Funkton als Korridor zu den westlich bzw. südöstlich angrenzenden Feuchtgebietsflächen. Zwischen den Sachverständigen bestünden unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der räumlichen Ausdehnung des Feuchtgebietes. Aus im Einzelnen näher dargelegten Gründen sei die belangte Behörde zur Ansicht gelangt, dass die nördliche Begrenzung der Feuchtgebietsfläche auf dem Grundstück Nr. 353/11 KG L so verlaufe, wie dies im ökologischen Gutachten des Privatsachverständigen vom 31. Mai 1996 dargestellt werde. Wenngleich somit die Durchführung von Schüttungen bzw. die Errichtung von Anlagen im unmittelbaren Feuchtgebietsbereich nicht angenommen werden könne, sei die Behörde dennoch zur Ansicht gelangt, dass das beantragte Bauvorhaben mit nachteiligen Auswirkungen auf das südlich anschließende Feuchtgebiet verbunden sei. Die Schüttungen bzw. Baumaßnahmen erfolgten bis direkt an die Grenze des Feuchtgebietes. Der Amtssachverständige habe bereits in seinem Gutachten vom 21. Mai 1996 schlüssig die Bedeutung eines Pufferraumes zwischen einem Feuchtgebiet und den angrenzenden Nutzungen, sei es durch Landwirtschaft oder Industrie, dargelegt. Wie dem Gutachten entnommen werden könne, könne es durch Einträge auf Grund abrinnender Oberflächenwässer (Nährstoffeintrag) sowie durch andere Störungen (Lärmemissionen) zu einer massiven Änderung der ursprünglichen Standortfaktoren kommen, die sich sowohl auf die Pflanzen- als auch auf die Tierarten, denen das Feuchtgebiet einen wertvollen Lebensraum biete, auswirken würden. Dies werde auch vom Privatsachverständigen bestätigt, der ausführe, dass sich die Fläche einer Industrieanlage bei sonniger Witterung schneller erwärme als eine Intensivwiese und durch die heiße und trockene Luft aus dieser Anlage sohin auch das Mikroklima der anliegenden Flächen beeinträchtigt werde. Die Veränderung der Luftfeuchtigkeit könne somit die tierische und pflanzliche Welt in den angrenzenden Gebieten verändern. Wenngleich hinsichtlich des Ausmaßes der erforderlichen Pufferzone unterschiedliche Fachmeinungen bestünden - der Amtssachverständige halte 300 m, der Privatgutachter 10 m für erforderlich - stehe für die Behörde fest, dass die Errichtung einer gewerblichen Anlage im unmittelbaren Anschluss an das Feuchtgebiet zu einer Beeinträchtigung desselben führe, weil dadurch die Lebensbedingungen der dort vorkommenden gefährdeten Tier- und Pflanzenarten nachteilig verändert würden. Auf Grund der geringen räumlichen Ausdehnung der in Rede stehenden Feuchtgebietsflächen mit ca. 40 m Breite werde diese Beeinträchtigung im Randbereich als besonders nachteilig beurteilt. Die Behörde habe somit zu prüfen, ob das Bauvorhaben im (langfristigen) öffentlichen Interesse gelegen sei. Die Antragsteller seien aufgefordert worden, das für den Anlagenbau sprechende öffentliche Interesse darzulegen und zu belegen. Die Antragsteller hätten darauf hingewiesen, dass das die Vermeidung von Naturschutzbeeinträchtigungen überwiegende öffentliche Interesse bereits durch die Widmung des Grundstückes als Gewerbe- und Industriegebiet belegt sei. Darüber hinaus hätten sie das öffentliche Interesse damit begründet, dass die Errichtung der Anlage zur Erhaltung bzw. Schaffung von 50 Arbeitsplätzen beitrage. Nach Errichtung zusätzlicher Lager- und Manipulationsflächen auf der Liegenschaft könnten die neuen Werke "Zerspaneranlage" und "Brettersortieranlage" in Betrieb und das mit der Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze verbundene Projekt "Pelletsfabrikation" in Angriff genommen werden. Den Antragstellern sei dahin Recht zu geben, dass die Widmung des Grundstückes als Gewerbe- und Industriegebiet ein öffentliches Interesse an einer entsprechenden Nutzung dieser Fläche indiziere. Es sei jedoch die Rechtsansicht verfehlt, dass durch die entsprechende Widmung der Ausgang eines nachfolgenden naturschutzrechtlichen Verfahrens präjudiziert werde. Die Naturschutzbehörde habe somit ohne Bindung an den Flächenwidmungsplan zu beurteilen, ob langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes überwiegen. Die Schaffung bzw. Erhaltung von 50 Arbeitsplätzen läge sicherlich im langfristigen öffentlichen Interesse. Dieses Interesse sei jedoch nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Die Ausführungen der Antragsteller beschränkten sich auf die Behauptung, dass die Errichtung der Anlage Voraussetzung für die Inbetriebnahme neuer Werke sei; nähere Angaben (z.B. Anzahl der in den geplanten neuen Werken benötigten Arbeitskräfte, Zeitrahmen für die Realisierung dieser Betriebserweiterung etc.) fehlten jedoch. Dem Vorhaben wäre aber auch die naturschutzrechtliche Bewilligung zu versagen, wenn man davon ausginge, dass 50 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen würden. Den gegenständlichen Feuchtgebietsflächen käme eine überregionale Bedeutung zu. Das ursprünglich ca. 100 ha große Feuchtgebiet sei durch menschliche Nutzungen bis auf wenige Prozent reduziert worden. Die Bewahrung der Restflächen als bedeutendes Rückzugsgebiet gefährdeter Tiere und Pflanzen sei daher besonderes Gewicht beizumessen. Vergleichbare Feuchtgebietsflächen seien in den Tallagen des Inntales kaum mehr vorhanden. Der Bewahrung dieser Feuchtgebietsflächen sei daher auch unter dem Gesichtspunkt der Bewahrung der Natur für nachfolgende Generationen besonderes Gewicht beizumessen. Ungeachtet einer allenfalls gegebenen wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit des Bauvorhabens sei dem Interesse an der Vermeidung einer zusätzlichen Beeinträchtigung dieses Feuchtgebietes ein höheres Gewicht beizumessen als der Realisierung des Einreichprojektes.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Außerhalb geschlossener Ortschaften bedürfen gemäß § 6 lit. h NSchG Geländeabtragungen und Geländeaufschüttungen außerhalb eingefriedeter bebauter Grundstücke in einem Ausmaß von mehr als 5000 m2 berührter Fläche einer naturschutzrechtliche Bewilligung, sofern sich dafür nicht eine Genehmigungspflicht nach dem Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz, dem Abfallwirtschaftsgesetz oder dem § 31b des Wasserrechtsgesetzes 1959 ergibt.

Nach § 9 NSchG bedürfen in Feuchtgebieten außerhalb geschlossener Ortschaften folgende Vorhaben einer naturschutzrechtlichen Bewilligung:

  1. a) das Einbringen von Material;
  2. b) das Ausbaggern;
  3. c) die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen sowie die Änderung von Anlagen, sofern die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 berührt werden;

    d) jede über die bisher übliche Art und den bisher üblichen Umfang hinausgehende Nutzung;

    e) Geländeabtragungen und Geländeaufschüttungen sowie jede sonstige Veränderung der Bodenoberfläche;

  1. f) Entwässerungen;
  2. g) die Verwendung von Kraftfahrzeugen.

    Gemäß § 2 Abs. 4 Naturschutzverordnung in der im gegenständlichen Fall anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 29/1975, ist es unbeschadet der hier nicht in Betracht kommenden Bestimmungen des Abs. 2 verboten, alle Orchideen (Orchidaceae) mit Ausnahme des Frauenschuhs und des Kohlröschens, sowie deren Teile (Wurzeln, Zwiebeln, Knollen, Blüten, Blätter, Zweige, Früchte u. dgl.) von ihren Standort zu entfernen, zu beschädigen oder zu vernichten, in frischem oder getrocknetem Zustand zu befördern, feilzubieten, zu veräußern oder zu erwerben.

    Gemäß § 27 Abs. 1 NSchG ist eine naturschutzrechtliche Bewilligung, soweit in den Abs. 2 und 3 nichts anderes bestimmt ist, zu erteilen,

    a) wenn das Vorhaben, für das die Bewilligung beantragt wird, die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht beeinträchtigt oder

    b) wenn andere öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 überwiegen.

    Nach § 27 Abs. 2 lit. a NSchG darf eine naturschutzrechtliche Bewilligung (ua) für Vorhaben nach § 9 nur erteilt werden,

    1. wenn das Vorhaben, für das die Bewilligung beantragt wird, die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht beeinträchtigt oder

    2. wenn andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 überwiegen.

    Gemäß § 27 Abs. 3 NSchG darf eine naturschutzrechtliche Bewilligung für Ausnahmen von den in Verordnungen nach den §§ 22 Abs. 1 oder 23 Abs. 1 festgesetzten Verboten nur erteilt werden, wenn andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 überwiegen.

    Gemäß § 27 Abs. 6 NSchG ist eine Bewilligung zu versagen, wenn eine Voraussetzung für ihre Erteilung nicht vorliegt.

    Gemäß § 41 Abs. 3 NSchG hat der Antragsteller das Vorliegen jener öffentlichen Interessen (§ 27 Abs. 1 lit. b) oder langfristigen öffentlichen Interessen (§ 27 Abs. 2 Z. 2 und Abs. 3) glaubhaft zu machen, die die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 überwiegen, und auf Verlangen entsprechende Unterlagen beizubringen, wenn ein Vorhaben die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 NSchG beeinträchtigt.

    Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides geht die belangte Behörde davon aus, dass das Projekt der Beschwerdeführer den Tatbestand der Bewilligungspflicht nach § 6 lit. h NSchG verwirkliche und darüber hinaus auch die Vorschriften über den Schutz von Feuchtgebieten (§ 9 NSchG) und über das Verbot der Beschädigung und Vernichtung geschützter Pflanzenarten nach § 2 NSchVO 1975 zum Tragen kämen.

    Das Bestehen einer Bewilligungspflicht im Grunde des § 6 lit. h NSchG, weil das Projekt eine mehr als 5.000 m2 große Fläche berührende Geländeaufschüttung außerhalb geschlossener Ortschaft umfasse, ist im Beschwerdeverfahren nicht strittig. Die Beschwerde wendet sich jedoch gegen die Annahme der belangten Behörde, wonach auch die Voraussetzungen des Feuchtgebietsschutzes und des Verbotes der Beschädigung und Vernichtung geschützter Pflanzenarten vorlägen. Diese Frage ist - unbeschadet des Vorliegens einer Bewilligungspflicht nach § 6 lit. h NSchG - schon deshalb von Bedeutung, weil das Gesetz sowohl an den Schutz eines Feuchtgebietes nach § 9 NSchG als auch an den Schutz bestimmter Pflanzenarten - insbesondere in Gestalt des Erfordernisses anderer langfristiger öffentlicher Interessen an der Erteilung der Bewilligung (§ 27 Abs. 2 Z. 2 und § 27 Abs. 3 NSchG) - qualifiziertere Bedingungen knüpft, als dies im Rahmen der allgemeinen Bewilligungspflicht nach § 6 NSchG (iVm § 27 Abs. 1 lit. b NSchG) der Fall ist (vgl. das Erkenntnis vom 29. Jänner 1996, Zl. 94/10/0084).

    Die Annahme der Bewilligungsbedürftigkeit nach § 27 Abs. 3 NSchG iVm § 22 NSchG, § 2 Abs. 2 NSchVO 1975 stützt die belangte Behörde auf die Feststellung, auf der Schüttfläche befänden sich zahlreiche, durch die NSchVO 1975 geschützte Pflanzenarten, wie z.B. Epipactis palustris,

    Dactylorhiza incarnata, Gymnadenia conopsea.

    Dem hält die Beschwerde entgegen, auf der für das Bauvorhaben vorgesehenen Fläche befänden sich keine Vorkommen geschützter Pflanzenarten. Die im Bescheid erwähnten Pflanzenarten seien im Gutachten des Amtssachverständigen vom 21. Mai 1996 der vom Projekt nicht berührten Feuchtgebietsfläche im Süden des Grundstückes Nr. 353/11 zugerechnet worden. Im Gutachten vom 8. Juli 1996 sei lediglich davon die Rede, dass "Dactylorhiza incarnata im randlichen Bereich der für die Anlage vorgesehenen Fläche" vorkäme. Auf diese Darlegungen hätte die belangte Behörde die oben wiedergegebene Feststellung nicht gründen dürfen.

    Damit ist die Beschwerde im Ergebnis im Recht. Im angefochtenen Bescheid ist von der Lage des Bauvorhabens auf einer Teilfläche des Grundstückes Nr. 353/11 die Rede; weiters werden in der Beschreibung des Projektes die Errichtung von Flugdächern "an der nördlichen Seite der Parzelle 353/11" erwähnt und dargelegt, dass "der Großteil der Fläche von 353/11 (ausgenommen schutzwürdiger Lebensraum) mit einer mineralischen Befestigung versehen werden" soll. Die Lage des Vorkommens geschützter Pflanzen wird im angefochtenen Bescheid nicht bezeichnet. Selbst die Angaben des Amtssachverständigen über das Vorkommen einer - offenbar den Orchideen (vgl. § 2 Abs. 2 Z. 3 NSchVO 1975) zuzuordnenden - Pflanzenart sind derart allgemein, dass daraus überprüfbare Feststellungen über die Lage der Standorte bestimmter geschützter Pflanzenarten in Beziehung zu den von bestimmten baulichen Maßnahmen projektgemäß in Anspruch genommenen Flächen nicht gewonnen werden könnten. Der angefochtene Bescheid setzt sich auch nicht mit den auf Befund und Gutachten des Privatgutachters und des Amtssachverständigen vom 21. Mai 1996 bezugnehmenden Darlegungen der Stellungnahme der Beschwerdeführer auseinander, wonach auf der für die Bebauung vorgesehenen "Intensivwiese" keine geschützten Pflanzen vorkämen.

    Die Feststellung des angefochtenen Bescheides, wonach sich auf der "Schüttfläche" zahlreiche näher bezeichnete geschützte Pflanzenarten befänden, beruht somit nicht auf einer mängelfrei ermittelten Sachverhaltsgrundlage.

    Die belangte Behörde steht weiters auf dem Standpunkt, dass der Tatbestand "Vorhaben in Feuchtgebieten" (vgl. § 9 in Verbindung mit § 3 Abs. 7 NSchG) verwirklicht sei, wenngleich die Durchführung von Schüttungen bzw. die Errichtung von Anlagen im "unmittelbaren Feuchtgebietsbereich" nicht angenommen werden könne. Das Vorhaben, das bis direkt an die Grenze des Feuchtgebietes reichende Baumaßnahmen bzw. Schüttungen umfasse, sei mit nachteiligen Auswirkungen auf das unmittelbar anschließende Feuchtgebiet verbunden. Durch Nährstoffeintrag infolge abfließender Oberflächengewässer, durch "andere Störungen (z.B. Lärmemission)" sowie durch "Änderungen des Mikroklimas"könne es zu einer massiven Störung der ursprünglichen Standortfaktoren kommen, die sich sowohl auf die Pflanzen- als auch die Tierarten, denen das Feuchtgebiet einen wertvollen Lebensraum biete, auswirken würde.

    Die Beschwerde macht zum einen geltend, § 9 NSchG sei schon deshalb nicht anzuwenden, weil die Vorschrift auf "Vorhaben in Feuchtgebieten" abstelle, das gegenständliche Vorhaben aber nicht "im Feuchtgebiet" liege. Zum anderen werden - im Zusammenhang mit der Frage der Beeinträchtigung der Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 NSchG - Verfahrensmängel geltend gemacht, die gegebenenfalls auch im Zusammenhang mit der Frage der Tatbestandsvoraussetzungen des Feuchtgebietsschutzes relevant sind. Insbesondere macht die Beschwerde geltend, die Annahme eines verstärkten Nährstoffeintrages sei unschlüssig, weil sich dieser durch die Beendigung der landwirtschaftlichen Nutzung nicht verstärken, sondern verringern werde und durch Aufbringung von gewaschenem Schotter auf Null reduziert werden könnte. Für die Annahme der belangten Behörde, die Pflanzen- und Tierwelt des Feuchtgebietes werde durch Lärmemissionen beeinträchtigt, fehle jede Grundlage im Ermittlungsverfahren. Im Übrigen befänden sich in unmittelbarer Nähe eine stark befahrene Bundesstraße, Lkw-Parkplätze, Reparaturwerkstätten, ein Schotterwerk und eine Modellfluganlage. Ein Holzlagerplatz werde keine Veränderung der Lärmsituation herbeiführen. Auch die Darlegungen der belangten Behörde über Änderungen des Mikroklimas beruhten nicht auf ausreichender Grundlage im Ermittlungsverfahren.

    Der Verwaltungsgerichtshof teilt nicht die Auffassung der Beschwerde, wonach es schlechthin ausgeschlossen wäre, ein "Vorhaben in einem Feuchtgebiet" anzunehmen, wenn die betreffenden Maßnahmen - etwa eine Geländeaufschüttung (vgl. § 9 lit. e NSchG) - nicht unmittelbar auf jenen Flächen durchgeführt werden, die zum "Feuchtgebiet" im Sinne des § 3 Abs. 7 NSchG gehören. Von der Lage einer Anlage oder der Durchführung einer Maßnahme "in einem Feuchtgebiet" kann angesichts des auf den Schutz des Feuchtgebietes vor Beeinträchtigung abstellenden Zweckes der Vorschrift nicht nur dann gesprochen werden, wenn die betreffende Anlage zur Gänze oder zum Teil auf zum Feuchtgebiet gehörenden Flächen liegt bzw. die Maßnahme solche Flächen betrifft; unter der Voraussetzung, dass vom Vorhaben eindeutig und signifikant im Feuchtgebiet in Erscheinung tretende Auswirkungen auf die Pflanzen- und Tiergemeinschaften des Feuchtgebietes ausgehen, ist die Tatbestandsvoraussetzung "in einem Feuchtgebiet" auch zu bejahen, wenn die von der Anlage bzw. Maßnahme in Anspruch genommenen Flächen unmittelbar an das Feuchtgebiet angrenzen (vgl. zum letztgenannten Merkmal das Erkenntnis vom 29. Jänner 1996, Zl. 94/10/0084).

    Der Verwaltungsgerichtshof teilt somit nicht die Auffassung der Beschwerde, die belangte Behörde habe das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Feuchtgebietsschutzes nach § 9 NSchG schon deshalb zu Unrecht bejaht, weil die Aufschüttungen bzw. sonstigen Maßnahmen nicht im Feuchtgebiet erfolgten. Der angefochtene Bescheid ist jedoch auch insoweit rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weil die Annahme einer nachteiligen Berührung der Interessen des Naturschutzes durch das Vorhaben im geschützten Gebiet nicht auf einer mängelfrei ermittelten Sachverhaltsgrundlage beruht.

    Für die Anwendbarkeit des Verbotstatbestandes ist nach dem oben Gesagten u.a. das Vorliegen eindeutiger und signifikanter Auswirkungen des Vorhabens auf die Tier- und Pflanzengemeinschaften im Feuchtgebiet maßgeblich. Die Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales setzt eine nachvollziehbare, auf die Lebensbedingungen konkreter Pflanzen und Tiere bezugnehmende, naturwissenschaftliche, auf die qualitativen und quantitativen Aspekte des konkreten Falles, auf die Art der beantragten Maßnahmen und die von diesen ausgehenden Auswirkungen auf die geschützten Güter Bedacht nehmende Begründung voraus (vgl. zu ähnlichen Vorschriften z.B. die Erkenntnisse vom 24. April 1995, Zl. 93/10/0187, und vom 22. Dezember 1997, Zl. 95/10/0087). Diesen Anforderungen entspricht die Begründung des angefochtenen Bescheides, der insoweit - wie auch Befund und Gutachten des Amtssachverständigen - nur nicht näher begründete Hinweise auf Nährstoffeintrag, Lärmemissionen und Veränderungen des Mikroklimas enthält, nicht. Dem ist hinzuzufügen, dass auch die Begründung der Interessenabwägung mangels ins Einzelne gehender Ermittlungen und Feststellungen über jene Tatsachen, von denen Art und Ausmaß der verletzten Interessen im Sinne des § 1 Abs. 1 NSchG 1997 abhängt, und über jene Auswirkungen des Vorhabens, in denen eine Verletzung dieser Interessen zu erblicken ist (vgl. hiezu die Erkenntnisse vom 29. Jänner 1996, Zl. 94/10/0084 und vom 9. März 1998, Zl. 97/10/0145), nicht den Anforderungen an ein gesetzmäßiges Verfahren entspricht.

    Aus den genannten Gründen ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften; er ist daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

    Aus Gründen der Verfahrensökonomie wird darauf hingewiesen, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht die Auffassung der Beschwerde teilt, wonach die von den Beschwerdeführern angestrebte Bewilligung im Grunde der nach § 27 NSchG vorzunehmenden Interessenabwägung schon deshalb erteilt werden müsse, weil mit der Genehmigung der Flächenwidmung als Gewerbe- und Industriegebiet durch die Landesregierung bindend das Überwiegen der Interessen an der Nutzung der so gewidmeten Flächen für Zwecke von Gewerbe und Industrie festgestellt worden sei. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass ein Flächenwidmungsplan durch eine Widmung als Bauland (Gewerbe- und Industriegebiet) eine naturschutzbehördliche Bewilligung nicht vorwegnimmt; ebenso wenig bewirkt eine solche Widmung, dass die von der Naturschutzbehörde vorzunehmende Interessenabwägung von vornherein und bindend von einem Überwiegen der Interessen an der Ausführung des Projekts auszugehen hätte (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 3. Juni 1996, Zl. 94/10/0039). An dem entscheidenden Gesichtspunkt, dass der Gegenstand der Entscheidung des Gemeinderates bei Erlassung des Flächenwidmungsplanes und jener der Naturschutzbehörde bei der Entscheidung über eine Ausnahmebewilligung nicht ident sind (vgl. das Erkenntnis vom 13. Dezember 1995, Zl. 90/10/0018 = Slg 14307/A) ändert auch die von der Beschwerde betonte Mitwirkung der Landesregierung bei der Erlassung des Flächenwidmungsplanes nichts. Auch für den vorliegenden Fall gilt, dass die Widmung der Grundfläche als Gewerbe- und Industriegebiet das Bestehen eines öffentlichen Interesses an ihrer Erschließung dokumentiert; die Gewichtung dieses öffentlichen Interesses und ihre Abwägung gegenüber dem öffentlichen Interesse am Schutz der Natur bleibt jedoch der Naturschutzbehörde vorbehalten.

    Soweit die belangte Behörde im Zusammenhang mit der Interessenabwägung darlegt, die Beschwerdeführer hätten ein öffentliches Interesse nicht glaubhaft gemacht, weil nähere Angaben zur Anzahl der in den geplanten neuen Werken benötigten Arbeitskräfte und den Zeitrahmen für die Realisierung einer Betriebserweiterung fehlten, ist auf Folgendes hinzuweisen: Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung zum Ausmaß der Mitwirkungspflicht der Partei bei der Darlegung der Interessen an der Erteilung einer Bewilligung die Auffassung, dass die Behauptungs- und Beweislast des Antragstellers weder überspannt noch so aufgefasst werden darf, dass die Behörde jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre. Hat die Partei nicht nur ganz allgemeine, sondern konkrete, sachbezogene Behauptungen aufgestellt, die nicht schon von vornherein aus rechtlichen Gründen unmaßgeblich oder unschlüssig sind, so hat sie die Behörde vorerst zu einer solchen Präzisierung und Konkretisierung ihres Vorbringens und zu entsprechenden Beweisanboten aufzufordern, die es ihr nach allfälliger Durchführung eines danach erforderlichen Ermittlungsverfahrens ermöglichen, zu beurteilen, ob die von der Partei aufgestellten Behauptungen zutreffen. Die Formulierung des Interesses und das Vorbringen dafür erforderlicher Behauptungen muss als Sache der Partei angesehen werden; Sache der Behörde hingegen ist es, von sich aus von der Partei Informationen zum Beweis der von dieser behaupteten Tatsachen zu verlangen (vgl. das Erkenntnis vom 20. September 1993, Zl. 92/10/0395, 0450). Im vorliegenden Fall durfte die belangte Behörde somit nicht ohne weitere Aufforderung zur Konkretisierung der nicht von vornherein als unmaßgeblich oder unschlüssig anzusehenden Darlegungen der Beschwerdeführer davon ausgehen, dass diese das Interesse an der Erteilung der Bewilligung nicht glaubhaft gemacht hätten.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

    Wien, am 27. März 2000

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