VwGH 99/11/0062

VwGH99/11/00621.7.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des Dr. R in D, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid des Kommandanten des Jägerregimentes 9 (nunmehr: Jägerbataillon 23) vom 25. Februar 1999, Zl. 0636-1100/10/99, betreffend Einberufung zum Grundwehrdienst, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §1;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
AVG §68 Abs2;
HDG 1994 §11 Z1;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
WehrG 1990 §1 Abs3;
WehrG 1990 §35 Abs1;
WehrG 1990 §37 Abs1;
AVG §1;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
AVG §68 Abs2;
HDG 1994 §11 Z1;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
WehrG 1990 §1 Abs3;
WehrG 1990 §35 Abs1;
WehrG 1990 §37 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Einberufungsbefehl des Militärkommandos Vorarlberg vom 16. Juni 1997 wurde der Beschwerdeführer zur Leistung des Grundwehrdienstes einberufen. Er habe sich dazu am 29. September 1997 bis 11.00 Uhr beim Jägerregiment 9 in Bludesch einzufinden. Der dagegen erhobenen Beschwerde des Beschwerdeführers wurde mit hg. Beschluss vom 30. Juli 1997 die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Mit hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1998, Zl. 97/11/0169, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Daraufhin erging mit Datum 25. Februar 1999 seitens der belangten Behörde folgender "Befehl":

"Ihre Beschwerde an den VfGH (VwGH) gegen den Bescheid des MilKdo V vom 16 06 97, Zl. 11.655-1100/90/97 wurde mit VwGH-Erkenntnis vom 17 12 98, Zl. 97/11/0169, als unbegründet abgewiesen.

Da mit der Erlassung dieses Erkenntnisses auch die aufschiebende Wirkung weggefallen ist, haben Sie sich

am 01 03 99 bis 11.00 Uhr

in der WALGAU-Kaserne, Stabskompanie (MUK 6),

6712 BLUDESCH, Illsandstr. 22,

....

zum Dienstantritt zu melden.

Allfällige Tage eines verspäteten Dienstantrittes werden in

die Dienstzeit nicht eingerechnet.

Eine Nichtbefolgung dieses Befehles (des Einberufungsbefehles) würde gemäß § 8 MilStG (§ 7 MilStG) BGBl. Nr. 344/1970 i.d.F. des Militärstrafrechtsanpassungsgesetzes, BGBl. Nr. 511/1974 gerichtlich bestraft werden."

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, in eventu wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird. Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Zurückweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde begründet den Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde damit, dass es sich beim bekämpften Verwaltungsakt nicht um einen Bescheid, sondern um einen Akt der Ausübung militärischer Befehlsgewalt gemäß Art. II Abs. 6 Z. 5 (richtig: Z. 7) EGVG bzw. eine Weisung im Sinne des Art. 20 Abs. 1 B-VG handle. Es liege kein Bescheidwille vor und es fehle auch die Bezeichnung als Bescheid; vielmehr sei bewusst die Bezeichnung "Befehl" verwendet worden. Dementsprechend sei auch nicht das zur Erlassung von Einberufungsbefehlen zuständige Militärkommando, sondern der zuständige Truppenkommandant eingeschritten. Mit der Zustellung des abweisenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Dezember 1998 an den Beschwerdeführer (laut Beschwerde am 3. Februar 1999) habe die aufschiebende Wirkung der Beschwerde geendet. Der Beschwerdeführer habe ab diesem Zeitpunkt den Status Soldat (Präsenzstand) gehabt und hätte dem als rechtmäßig erkannten Einberufungsbefehl ohne weitere Aufforderung seitens der Militärbehörde oder der Truppe Folge leisten müssen. Da er dies unterlassen habe, sei ihm von seinem militärischen Vorgesetzten der gegenständliche Befehl erteilt worden.

Der normative Gehalt eines Einberufungsbefehles (§ 35 Abs.1 WG) liegt in der Begründung der Verpflichtung, den Präsenzdienst (hier in der Form des Grundwehrdienstes) zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort anzutreten (Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. November 1993, Zl. 93/11/0169). Dementsprechend qualifiziert der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung (vgl. neben dem genannten Beschluss das Erkenntnis vom 16. Dezember 1993, Zl. 93/11/0220) auch einen auf § 68 Abs. 2 AVG gestützten Bescheid, mit dem ein Einberufungsbefehl in Ansehung der Zeit und des Ortes des Antrittes des Präsenzdienstes geändert wird, als Einberufungsbefehl, der an die Stelle des früher ergangenen Einberufungsbefehles tritt und dessen Ausscheiden aus dem Rechtsbestand bewirkt.

Gemessen an diesem normativen Gehalt eines Einberufungsbefehles ist der gegenständliche "Befehl" vom 25. Februar 1999 als Einberufungsbefehl im Sinne des § 35 Abs. 1 WG anzusehen. Er begründet nach seinem Inhalt die Verpflichtung des Beschwerdeführers, den Grundwehrdienst zu der genannten Zeit am bezeichneten Ort anzutreten. Dass er nicht die gesetzliche Bezeichnung "Einberufungsbefehl" aufweist, sondern schlicht als "Befehl" bezeichnet ist, ist für seine Qualifikation als Einberufungsbefehl ebenso ohne Belang wie die Beigabe von Begründungselementen und der Umstand, dass er nicht vom zuständigen Militärkommando erlassen wurde. Maßgebend ist in diesem Zusammenhang lediglich, dass er von einem Organ stammt, dem - wenn auch in einem anderen Bereich - die Kompetenz zu hoheitlichem Handeln, somit Behördenqualität, zukommt (vgl. Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, Rz 441, Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsverfahrensrecht3, 510, sowie die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, unter E 49f zu § 56 AVG wiedergegebene Rechtsprechung des VfGH). Die besagte Voraussetzung ist hier gegeben, da dem belangten Regimentskommandanten nach dem Heeresdisziplinargesetz 1994 (§ 11 Z. 1) Behördenqualität zukommt. Die Erlassung von Einberufungsbefehlen fällt allerdings nicht in seine Kompetenz; dazu sind die Militärkommanden berufen (§ 35 Abs. 1 WG). Daraus folgt, dass der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde behaftet ist.

Der Vollständigkeit halber ist zu den weiteren Einwänden der belangten Behörde zu bemerken:

Die Auffassung, dass ein Einberufungsbefehl, der infolge Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht befolgt werden musste, nach Zustellung des die Beschwerde abweisenden Erkenntnisses unverzüglich zu befolgen sei, wird nicht geteilt. Nach dem vorhin Gesagten liegt der normative Gehalt eines Einberufungsbefehles unter anderem in der Bestimmung des Zeitpunktes, zu dem der betreffende Präsenzdienst anzutreten ist. Dieser Zeitpunkt lag bei Zustellung des hg. Erkenntnisses vom 17. Dezember 1998 an den Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit; der damals bekämpfte Einberufungsbefehl konnte daher nicht mehr befolgt werden (vgl. das eine Einberufung zu einem in der Vergangenheit gelegenen Zeitpunkt betreffende hg. Erkenntnis vom 17. Jänner 1995, Zlen. 94/11/0393,0394). Es bedurfte somit der neuerlichen Bestimmung eines Einberufungstermins zur Klarstellung des Beginnes des Präsenzstandes (§ 1 Abs. 3 WG) und der Dienstzeit des Beschwerdeführers (§ 37 Abs. 1 WG).

Die besagte Auffassung der belangten Behörde ist auch aus Rechtsschutzgründen abzulehnen, da kein zwingender Grund ersichtlich ist, der es rechtfertigen könnte, Wehrpflichtige, die einen Einberufungsbefehl erfolglos bekämpft haben, die im § 35 Abs. 1 WG vorgesehene Mindestfrist zur Vorbereitung des Antrittes des Präsenzdienstes vorzuenthalten. Dazu kommt die gebotene Gleichbehandlung mit Wehrpflichtigen, die auf Grund eines Einberufungsbefehles den Präsenzdienst bereits angetreten haben. Sie sind - im Fall eines Beschlusses über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung - in sinngemäßer Anwendung des § 39 Abs. 4 WG aus dem Präsenzdienst vorzeitig zu entlassen und (Abs. 6 ) nach Wegfall des Entlassungsgrundes neuerlich zum Präsenzdienst einzuberufen. Dies hat mit Einberufungsbefehl gemäß § 35 Abs. 1 WG zu erfolgen, somit unter Beachtung der gesetzlichen Mindestfrist.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde erlangt ein Wehrpflichtiger nach der hier vertretenen Auffassung durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung keine bessere, sondern lediglich jene Rechtsstellung, die er vor Erlassung des bekämpften Einberufungsbefehles hatte. Dass dieser, weil wesentlich auf den Einberufungstermin bezogen, in der Folge nicht mehr befolgt werden kann, ist lediglich die Konsequenz des dargestellten normativen Gehaltes eines Einberufungsbefehles. Der genannte Umstand führt auch nicht etwa, wie die belangte Behörde meint, zur Einstellung des Beschwerdeverfahrens infolge nachträglichen Wegfalles der Beschwerdelegitimation. Die Provisorialmaßnahme der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stellt, ungeachtet der besagten faktischen Auswirkung im betreffenden Beschwerdeverfahren, als solche kein Ereignis dar, das zum nachträglichen Wegfall der Beschwerdelegitimation führen könnte. Dazu kommt, dass wegen der Möglichkeit der neuerlichen Erlassung eines Einberufungsbefehles weiterhin ein rechtliches Interesse an der Klärung besteht, ob die Erlassung eines Einberufungsbefehles aus den in der Beschwerde genannten Gründen zulässig war.

Aus dem vorhin genannten Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 2 VwGG abgesehen werden.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 1. Juli 1999

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