VwGH 96/21/0735

VwGH96/21/07356.5.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Robl,

Dr. Rosenmayr, Dr. Baur und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des SM (geboren am 8. März 1973) in Schwarzach, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 6. Februar 1996, Zl. 1-0947/95/E2, betreffend Übertretung des Fremdengesetzes, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §51a;
AVG §76a;
B-VG Art129a;
B-VG Art129b Abs2;
B-VG Art15 Abs9;
B-VG Art7 Abs1;
B-VG Art87;
VwGG §47 Abs5;
VwRallg;
AVG §51a;
AVG §76a;
B-VG Art129a;
B-VG Art129b Abs2;
B-VG Art15 Abs9;
B-VG Art7 Abs1;
B-VG Art87;
VwGG §47 Abs5;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.

Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei hat erklärt, durch den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 14. Jänner 1998, Zl. 1-0947/95/E2, mit welchem das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 4. September 1995, Zl. X-6688-1995, aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wurde, "klaglos gestellt" zu sein. Das Verfahren war daher im Hinblick auf den Wegfall der Möglichkeit, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in Rechten verletzt werden könnte, in Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 56 erster Satz VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Für die Kostenentscheidung waren folgende Überlegungen maßgeblich, im Hinblick auf welche die Entscheidung in dem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Fünfersenat getroffen wurde:

Gemäß § 47 Abs. 5 VwGG hat für den Aufwandersatz, der auf Grund des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 von einer Behörde zu leisten ist, der Rechtsträger aufzukommen, in dessen Namen die Behörde in der Beschwerdesache gehandelt hat oder handeln hätte sollen. Diesen Rechtsträgern fließt auch der Aufwandersatz zu, der aufgrund dieses Bundesgesetzes an belangte Behörden zu leisten ist.

Die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern sind organisatorisch gesehen Landesorgane (vgl. insbesondere Art. 129b Abs. 1 und 6 B-VG). Gemäß Art. 129b Abs. 2 B-VG sind sie bei der Besorgung der ihnen nach den Art. 129a und 129b B-VG zukommenden Aufgaben (ihren fachlichen Aufgaben) an keine Weisungen gebunden. Auch in jenen Angelegenheiten, in denen die Vollziehung Bundessache ist, kommt Bundesorganen hinsichtlich der Tätigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate keinerlei Leitungsbefugnis (weder durch Weisungen noch durch sonstige Aufsichtsmittel) zu. Daraus muß der Schluß gezogen werden, daß die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern bei der Besorgung ihrer Aufgaben stets als Landesorgane tätig werden und daher auch im Sinne des § 47 Abs. 5 VwGG im Namen des Landes handeln (insoweit vgl. Thienel, Verfassungsrechtliche Probleme der derzeitigen Ausgestaltung der unabhängigen Verwaltungssenate, in: Pernthaler, Hrsg., Unabhängige Verwaltungssenate und Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1993, 5, 16 ff). Es gilt hier - mit umgekehrten Vorzeichen - nichts anderes als für die Tätigkeit der Gerichte, die auch dann eine Aufgabenbesorgung des Bundes bleibt, wenn die Gerichte etwa die gemäß Art. 15 Abs. 9 B-VG erlassenen landesgesetzlichen Regelungen auf dem Gebiet des Straf- und Zivilrechts vollziehen.

Die Wendung "Rechtsträger, in dessen Namen die Behörde gehandelt hat" ist nämlich so zu verstehen, daß eine Behörde grundsätzlich "im Namen" desjenigen Rechtsträgers handelt, dem ihre Tätigkeit im konkreten Falle zuzurechnen ist (vgl. die Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zu § 47 Abs. 5 VwGG, 219 BlgNR 10. GP, S. 10). Letzteres ist dann der Fall, wenn die Möglichkeit einer Einflußnahme dieses anderen Rechtsträgers auf das Verwaltungshandeln der vor dem Verwaltungsgerichtshof belangten Behörde besteht. Eine solche Einwirkungsmöglichkeit auf das Verwaltungshandeln der unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern besteht weder im Wege von Weisungen noch durch besondere aufsichtsbehördliche Befugnisse. Daß bei einem solchen Verwaltungshandeln der belangten Behörde Bundes- oder Landesgesetze vollzogen oder angewendet werden, ist dabei nicht maßgeblich. Mangels derartiger spezifischer Einwirkungsmöglichkeiten von Bundesorganen, die es erlauben würden, die Aufgabenbesorgung der Verwaltungssenate in den Ländern zum Teil als solche "im Namen des Bundes" aufzufassen, bleibt es bei der organisatorischen Zurechnung. Um ihre Tätigkeit dem Bund zurechnen zu können, hätte es einer anderen, besonderen Formulierung des § 47 Abs. 5 VwGG bedurft, etwa durch ein Abstellen auf jenen Vollziehungsbereich, in welchem die vor dem unabhängigen Verwaltungssenat belangte Behörde tätig wurde.

Genau dieser Gesichtspunkt kommt in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Aufwandersatz nach § 47 Abs. 5 VwGG in Angelegenheiten zum Tragen, in denen sich die Beschwerde gegen Bescheide oder die Säumnis von Gemeindeorganen im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde richtet, die Beschwerdeführung gegen ein Organ der Gemeinde somit den Bereich der weisungsfreien Aufgabenbesorgung der Gemeinde betrifft (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 23. September 1968, Zl. 696/68, oder vom 22. Jänner 1998, Zl. 96/06/0288). Nicht einmal in diesem Bereich wird also bei der Lösung der Frage, in wessen Namen die Behörde gehandelt hat oder handeln hätte sollen, darauf abgestellt, ob das Gemeindeorgan im Vollzugsbereich des Bundes oder des Landes gehandelt hat oder handeln hätte sollen. Vielmehr ist die Zurechnung zum Rechtsträger Gemeinde maßgebend.

Diese Lösung ist auch sachgerecht, weil andernfalls nicht einzusehen wäre, warum ein Rechtsträger (im Beschwerdefall: der Bund), dem keinerlei Ingerenz auf die Entscheidung der belangten Behörde (weder im Wege der Weisung noch im Aufsichtswege, etwa durch rechtzeitige Klaglosstellung) zukommt, die Kosten einer verfehlten Entscheidung in Form des Aufwandersatzes an den Beschwerdeführer tragen sollte, und warum andererseits dem Rechtsträger (hier: dem Bund), der keinerlei Aufwand für die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern zu tragen hat, der "Aufwand"ersatz im Falle des Obsiegens des unabhängigen Verwaltungssenates zufließen sollte.

Die - etwa in den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. April 1993, Zl. 92/10/0456, vom 28. September 1995, Zl. 95/17/0154, vom 24. Jänner 1996, Zl. 95/03/0170, und vom 29. November 1997, Zl. 97/09/0169, sowie etwa im Beschluß vom 11. März 1998, Zl. 97/21/0537, vertretene - Auffassung, daß die Beantwortung der Frage, für welchen Rechtsträger ein unabhängiger Verwaltungssenat jeweils handle, vom Gegenstand des Verfahrens und den in diesem Verfahren zu vollziehenden Rechtsvorschriften abhängig sei, daß der unabhängige Verwaltungssenat also im Namen jenes Rechtsträgers tätig werde, in dessen Namen die vor ihm belangte Behörde gehandelt habe, ist nicht zwingend. Den für die vor den unabhängigen Verwaltungssenaten belangten Behörden geltenden Rechtsvorschriften kann nämlich schon von Verfassungs wegen (Art. 129b Abs. 2 B-VG) nicht die Bedeutung unterstellt werden, daß die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern im Auftrag oder Namen des Bundes oder eines Bundesorgans zu handeln hätten. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, daß gemäß § 76a AVG die - zum Zeitpunkt der Erlassung dieser Bestimmung nur im Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern zustehenden - Gebühren von Zeugen und Beteiligten (§ 51a AVG) von jenem Rechtsträger zu tragen sind, in dessen Namen die Behörde in der Angelegenheit gehandelt hat, weshalb der Gesetzgeber des AVG davon ausgegangen sei, daß sie nicht bloß Landes-, sondern sowohl Bundes-, als auch Landesvollziehung besorgten (vgl. zu § 76a AVG kritisch Walter/Thienel, Die Verwaltungsverfahrensnovellen 1995, 1995, 22 f). Der Sinngehalt des § 47 Abs. 5 VwGG bei der Beurteilung, im Namen welchen Rechtsträgers die nach Art. 129b B-VG eingerichteten unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern handeln, kann nämlich nicht aus einer späteren Vorschrift erschlossen werden.

Auch eine Betrachtung vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Kostentragungspflicht führt zu keinem anderen Ergebnis. Gemäß § 2 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 haben der Bund und die übrigen Gebietskörperschaften den Aufwand tragen, der sich aus der Besorgung ihrer Aufgaben ergibt. Diese Bestimmung bringt den - auch die Regelung des Art. 104 Abs. 2 dritter Satz B-VG bestimmenden - Grundsatz zum Ausdruck, daß der aus der Besorgung von Staatsaufgaben sich ergebende Aufwand von der Gebietskörperschaft, bei der er unmittelbar anfällt, in der Regel auch endgültig getragen werden soll (vgl. die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes Slg. Nr. 9507/1982, 11.939/1988, 14.079/1995 und 14.168/1995), für die Beurteilung der Kostentragung ist daher - mangels einer besonderen gesetzlichen Regelung (wie sie etwa für die mittelbare Bundesverwaltung in § 1 FAG 1997 getroffen wird; vgl. auch die §§ 2, 2a und 3 FAG 1997) - der organisatorische Aspekt maßgeblich.

Es ist Aufgabe der Länder, die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern einzurichten und sie funktionsfähig zu halten (Art. 129b Abs. 1 und 6 B-VG). Nur konsequent ist es daher - wie bereits erwähnt -, wenn auch die Kostenfolgen der fachlichen Tätigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten der Länder gehen.

Der Senat hält seine bisherige Rechtsprechung zur Kostentragung in Beschwerdefällen, in denen ein unabhängiger Verwaltungssenat in einem Land belangte Behörde ist, nicht mehr aufrecht.

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