VwGH 96/19/1526

VwGH96/19/152617.10.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der 1947 geborenen GK in Ägypten, vertreten durch

Dr. Josef Broinger, Dr. Johannes Hochleitner,

Dr. Erich Kaltenbrunner und Mag. Günther Eybl, Rechtsanwälte in 4070 Eferding, Kirchenplatz 8, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. März 1996, Zl. 118.559/2-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

31968L0360 Aufhebungs-RL Aufenthaltsbeschränkungen Arbeitnehmer;
31968R1612 Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft;
31990L0364 Aufenthaltsrecht-RL Art1 Abs1;
31990L0364 Aufenthaltsrecht-RL Art1 Abs2 litb;
31990L0364 Aufenthaltsrecht-RL Art1;
31990L0364 Aufenthaltsrecht-RL Präambel;
AufG 1992 §1 Abs3 Z1;
AufG 1992 §2 Abs3 Z4;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1996 §4 Z3;
AVG §37;
VwRallg;
31968L0360 Aufhebungs-RL Aufenthaltsbeschränkungen Arbeitnehmer;
31968R1612 Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft;
31990L0364 Aufenthaltsrecht-RL Art1 Abs1;
31990L0364 Aufenthaltsrecht-RL Art1 Abs2 litb;
31990L0364 Aufenthaltsrecht-RL Art1;
31990L0364 Aufenthaltsrecht-RL Präambel;
AufG 1992 §1 Abs3 Z1;
AufG 1992 §2 Abs3 Z4;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1996 §4 Z3;
AVG §37;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige Ägyptens. Sie verfügte nach der Aktenlage über einen am 30. November 1993 ausgestellten Touristensichtvermerk mit Geltungsdauer bis 30. Jänner 1994. Sie beantragte zunächst im Jänner 1994 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, zog diesen Antrag jedoch in der Folge zurück. Am 4. Februar 1994 beantragte sie neuerlich die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 1. Juli 1994 gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) mit der Begründung abgewiesen, daß die Beschwerdeführerin ihren Antrag nicht vor ihrer Einreise nach Österreich vom Ausland aus gestellt habe.

Am 28. Dezember 1994 beantragte die Beschwerdeführerin neuerlich die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Sie gab an, ihr "derzeitiger Wohnsitz (im Ausland)" liege in Ägypten. Weiters brachte sie vor, den gegenständlichen Antrag am 28. Dezember 1994 in Aschach, Oberösterreich, unterfertigt zu haben. Dem Antrag ist ein Befundbericht des Allgemeinen öffentlichen Krankenhauses der Stadt Linz angeschlossen, aus dem hervorging, daß sich die Beschwerdeführerin vom 21. Dezember 1994 bis 27. Dezember 1994 in diesem Krankenhaus in stationärer Pflege befand. Als Antragszweck gab die Beschwerdeführerin die Familienzusammenführung mit ihren in Österreich aufhältigen Söhnen an. Dieser Antrag wurde am 17. Jänner 1995 von einem dieser Söhne beim österreichischen Generalkonsulat in München überreicht. Er langte am 9. Februar 1995 bei der Bezirkshauptmannschaft Eferding ein. Den Verwaltungsakten ist zu entnehmen, daß mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 20. Oktober 1995 einem der Söhne der Beschwerdeführerin die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen wurde. In den Verwaltungsakten ist überdies eine Verpflichtungserklärung enthalten, nach der sich dieser Sohn unwiderruflich verpflichtete, für den Unterhalt seiner Mutter während der Dauer der beantragten Bewilligung aufzukommen.

Mit dem am 14. Februar 1996 eingelangten Devolutionsantrag machte die Beschwerdeführerin den Übergang der Entscheidungspflicht auf die belangte Behörde geltend. Im Rubrum dieses Antrages gab sie an, an einer inländischen Adresse aufhältig zu sein.

Mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 15. März 1996 gab diese dem Devolutionsantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 73 Abs. 1 und 2 AVG Folge. Demgegenüber wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung - unter anderem - gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde in Ansehung der Abweisung des Antrages aus, die Beschwerdeführerin sei mit einem im Jahre 1994 ausgestellten Touristensichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist und halte sich seither in Österreich auf. Damit sei der Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG, wonach der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen sei, nicht Genüge getan. Der Antrag der Beschwerdeführerin sei daher abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführerin bekämpft den angefochtenen Bescheid lediglich im Umfang der Abweisung ihres Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 1 Abs. 3 Z. 1, § 2 Abs. 3 Z. 4 und § 6 Abs. 2 AufG

lauten:

"§ 1. ...

...

(3) Keine Bewilligung brauchen Fremde, wenn sie

1. auf Grund allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechts, eines Staatsvertrages, unmittelbar anwendbarer Rechtsakte der Europäischen Union oder anderer bundesgesetzlicher Vorschriften in Österreich Niederlassungsfreiheit genießen;

...

§ 2. ...

(3) Die Bundesregierung kann in dieser Verordnung insbesondere

...

4. in Österreich geborene Kinder von Fremden (§ 3 Abs. 1 Z 2), Angehörige österreichischer Staatsbürger (§ 3 Abs. 1 Z 1), Personen, die gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 aufenthaltsberechtigt sind oder waren, ... insoweit von der Anrechnung auf die Zahl der Bewilligungen ausnehmen, als dadurch das Ziel der Zuwanderungsregelung nicht beeinträchtigt wird, und ...

§ 6. ...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. ... Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: ...; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältige Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 festgelegt ist. ..."

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (27. März 1996) war für seine Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof die Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, maßgeblich. § 4 Z. 2, 3 und 4 dieser Verordnung lauteten:

"§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:

...

2. Angehörigen von österreichischen Staatsbürgern (§ 3 Abs. 1 Z 1 Aufenthaltsgesetz), die gemäß § 14 Abs. 3 FrG einreisen oder denen vor der Einreise ein gewöhnlicher Sichtvermerk erteilt wurde,

3. Personen, die gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 Aufenthaltsgesetz auf Grund allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechts oder eines Staatsvertrags aufenthaltsberechtigt sind oder waren und

4. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten."

Art. 10 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EWG) 1612/68 des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft lautet:

"Artikel 10

(1) Bei dem Arbeitnehmer, der die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt und im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist, dürfen folgende Personen ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit Wohnung nehmen:

...

b) seine Verwandten und die Verwandten seines Ehegatten in aufsteigender Linie, denen er Unterhalt gewährt."

Art. 1 und Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 15. Oktober 1968 (68/360/EWG) lauten:

"Artikel 1

Die Mitgliedstaaten beseitigen nach Maßgabe dieser Richtlinie die Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten und ihre Familienangehörigen, auf die die Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 Anwendung findet.

Artikel 4

(1) Die Mitgliedstaaten gewähren den in Artikel 1 genannten Personen, welche die in Absatz 3 aufgeführten Unterlagen vorlegen, das Aufenthaltsrecht in ihrem Hoheitsgebiet."

Die Präambel sowie Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b der Richtlinie des Rates vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht (90/364/EWG) lauten (auszugsweise):

"DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

...

in Erwägung nachstehender Gründe:

...

Die einzelstaatlichen Vorschriften, die den Aufenthalt der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten in einem anderen als dem Mitgliedstaat, dessen Angehörige sie sind, betreffen, müssen harmonisiert werden, um diese Freizügigkeit zu garantieren.

...

Die Ausübung des Aufenthaltsrechts wird erst dann eine reale Möglichkeit, wenn es auch den Familienangehörigen zugestanden wird.

...

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Artikel 1

(1) Die Mitgliedstaaten gewähren den Angehörigen der Mitgliedstaaten, denen das Aufenthaltsrecht nicht aufgrund anderer Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts zuerkannt ist, sowie deren Familienangehörigen nach der Definition von Absatz 2 unter der Bedingung das Aufenthaltsrecht, daß sie für sich und ihre Familienangehörigen über eine Krankenversicherung, die im Aufnahmemitgliedstaat alle Risken abdeckt, sowie über ausreichende Existenzmittel verfügen, durch die sichergestellt ist, daß sie während ihres Aufenthaltes nicht die Sozialhilfe des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen.

...

(2) Bei dem Aufenthaltsberechtigten dürfen folgende Personen ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit in einem anderen Mitgliedstaat Wohnung nehmen:

...

b) seine Verwandten und die Verwandten seines Ehegatten in aufsteigender Linie, denen er Unterhalt gewährt."

§ 29 FrG lautet:

"§ 29. (1) Angehörige von EWR-Bürgern, die zwar Fremde aber nicht EWR-Bürger sind (Drittstaatsangehörige), unterliegen der Sichtvermerkspflicht gemäß § 5.

(2) Sofern die EWR-Bürger zum Aufenthalt berechtigt sind, ist begünstigten Drittstaatsangehörigen (Abs. 3) ein Sichtvermerk auszustellen, wenn durch deren Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet wäre. ...

(3) Begünstigte Drittstaatsangehörige sind

  1. 1. ...
  2. 2. Verwandte der EWR-Bürger in auf- und absteigender Linie oder ihre Ehegatten, sofern ihnen Unterhalt gewährt wird."

Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie sei mit einem gültigen Touristenvisum nach Österreich eingereist und habe das Bundesgebiet nach dessen Ablauf wieder verlassen, indem sie nach Ägypten ausreiste. Hätte die belangte Behörde ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt, so wäre sie zum Ergebnis gelangt, daß die Beschwerdeführerin nicht in Österreich aufhältig sei und der gegenständliche Antrag vom Ausland aus gestellt worden sei.

Diesem Vorbringen ist jedoch zu entgegnen, daß sich die belangte Behörde bei ihrer Feststellung, die Beschwerdeführerin habe sich im Zeitpunkt der Antragstellung und auch in der Folge im Bundesgebiet aufgehalten, auf deren eigene Angaben im Verwaltungsverfahren stützen konnte. So gab die Beschwerdeführerin an, ihren Bewilligungsantrag am 28. Dezember 1994 in Österreich unterfertigt zu haben (vgl. Bl. 24a des Verwaltungsaktes). Auch in ihrem Devolutionsantrag vom 14. Februar 1996 gab die Beschwerdeführerin als ihre Adresse eine Anschrift in Österreich an. Von diesen von der Beschwerdeführerin selbst gelieferten Sachverhaltselementen konnte die belangte Behörde auch ohne Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG bei ihrer Entscheidung ausgehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. März 1992, Zl. 91/19/0391). Sollte sich der Aufenthaltsort der Beschwerdeführerin gegenüber jenem im Zeitpunkt der Antragsunterfertigung bzw. der Einbringung des Devolutionsantrages geändert haben, so wäre es ihre Sache gewesen, darauf im Zuge des Verwaltungsverfahrens hinzuweisen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. April 1997, Zl. 96/19/0178). Dies ist jedoch nicht geschehen. Die in den Verwaltungsakten vorzufindenden Hinweise auf eine Ausreise der Beschwerdeführerin am 28. Dezember 1994 (Bl. 39 des Verwaltungsaktes) ergaben sich erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher der Feststellung der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe sich (auch) im Zeitpunkt der Überreichung ihres Antrages durch ihren Sohn beim österreichischen Generalkonsulat in München in Österreich aufgehalten, unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht entgegenzutreten. Die Antragstellung im Ausland durch einen Vertreter, während sich der Antragsteller in Österreich aufhält, entspricht nicht dem § 6 Abs. 2 AufG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/1168).

Die Beschwerdeführerin, die nach der Aktenlage weder über eine Aufenthaltsbewilligung noch über einen gewöhnlichen Sichtvermerk verfügte (sie war mit Touristensichtvermerk eingereist), zählt schon aus diesen Gründen nicht zu jenen Fremden, welche gemäß § 4 Z. 2 oder 4 der Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 ihren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausnahmsweise im Inland stellen können.

Auch der Verweis auf ihre durch die Anwesenheit ihrer Familie, insbesondere ihres Sohnes, welcher österreichischer Staatsbürger sei, begründeten familiären Interessen in Österreich, vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Der Gesetzgeber der Novelle zum Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 351/1995, hat mit den Bestimmungen des § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG und des § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG in Ansehung von Angehörigen österreichischer Staatsbürger auf die durch Art. 8 MRK geschützten Rechtsgüter Bedacht genommen. Dagegen, daß die Bundesregierung diese Verordnungsermächtigung lediglich in Ansehung von Angehörigen österreichischer Staatsbürger, die gemäß § 14 Abs. 3 FrG einreisen oder denen vor der Einreise ein gewöhnlicher Sichtvermerk erteilt wurde, genutzt hat, bestehen beim Verwaltungsgerichtshof im Hinblick darauf, daß § 4 Z. 4 der in Rede stehenden Verordnung sinngemäß auch auf Angehörige österreichischer Staatsbürger, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten, anzuwenden ist, keine Bedenken aus dem Grunde des Art. 8 Abs. 1 MRK (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1997, Zl. 96/19/0785, mit weiteren Hinweisen auch auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes).

Insoweit sich die Beschwerdeführerin auf die vorzitierten Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft beruft, ist ihr zu entgegnen, daß sich Art. 10 der Verordnung des Rates vom 15. Oktober 1968, Nr. 1612/68, ebenso wie Art. 1 und 4 der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom gleichen Tage (68/360/EWG) ausdrücklich auf Familienangehörige von Arbeitnehmern, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzen und im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt sind, bezieht. Die Präambel zur Richtlinie des Rates vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht (90/364/EWG) spricht ebenfalls davon, daß diese Richtlinie die Harmonisierung der den Aufenthalt der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten (und deren Familienangehörigen) in einem anderen als dem Mitgliedstaat, dessen Angehörige sie sind, betreffenden einzelstaatlichen Vorschriften bezweckt. Auch in Art. 1 der zitierten Richtlinie ist die Rede von "Angehörigen der Mitgliedstaaten, denen das Aufenthaltsrecht nicht aufgrund anderer Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts zuerkannt ist, sowie deren Familienangehörigen nach der Definition von Abs. 2". Es ist daher unmittelbar evident, daß auch die Richtlinie des Rates vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht nur solche Drittstaatsangehörige betrifft, die Familienangehörige eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates sind, der sich seinerseits in einem anderen Mitgliedstaat aufhält.

Die Beschwerdeführerin selbst ist nicht Angehörige eines Mitgliedstaates. Ihr Sohn ist zwar österreichischer Staatsangehöriger; als Drittstaatsangehörige eines österreichischen Staatsangehörigen, der sich in Österreich aufhält, ist die Beschwerdeführerin aber durch den Regelungsinhalt der in Rede stehenden Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft nicht erfaßt und durch sie nicht begünstigt.

Im vorliegenden Fall kann es dahingestellt bleiben, ob das Sachlichkeitsgebot des Art. 7 Abs. 1 B-VG, Art. 14 MRK oder das bundesverfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung Fremder untereinander eine Gleichstellung von Drittstaatsangehörigen österreichischer Staatsbürger mit solchen von EWR-Bürgern, verlangt. Auch bejahendenfalls läge der Grund für die Ungleichbehandlung nicht in § 6 Abs. 2 AufG. Eine allenfalls gebotene Gleichbehandlung zwischen Angehörigen von Österreichern und solchen von EWR-Bürgern, die jeweils Drittstaatsangehörige sind, hätte zur Folge, daß die - für Drittstaatsangehörige von EWR-Bürgern geltenden - Bestimmungen des § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG und des § 29 FrG allenfalls verfassungswidrig (weil zu eng) oder aber verfassungskonform dahingehend zu interpretieren wären, daß sie auch auf Drittstaatsangehörige von Österreichern anzuwenden sind (zur Möglichkeit einer solchen verfassungskonformen Interpretation des § 29 FrG vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Juni 1997, B 592/96-6).

Diese Normen sind hier aber vom Verwaltungsgerichtshof nicht anzuwenden, weil "Sache" des Verwaltungsverfahrens nicht die Erteilung eines Sichtvermerkes gemäß § 29 FrG, sondern die Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung war. Schon die Verordnungsermächtigung des § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG, welche die Bundesregierung berechtigt, Personen, die gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG aufenthaltsberechtigt sind, unter näher umschriebenen Voraussetzungen von der Anrechnung auf die Zahl der Bewilligungen auszunehmen, zeigt, daß auch für Personen, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG erfüllen, eine Aufenthaltsbewilligung ausgestellt werden kann. Daher ist die Frage, ob einem gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG Niederlassungsfreiheit genießenden Fremden (dem die Beschwerdeführerin allenfalls gleichzuhalten wäre) eine Bewilligung nach dem AufG erteilt werden dürfte, allein danach zu beurteilen, ob die Voraussetzungen nach diesem Gesetz vorlagen oder nicht (vgl. das zu den nach Art. 6 des Beschlusses Nr. 1/80 des durch das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation aufenthaltsberechtigten türkischen Staatsangehörigen ergangene hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1996, Zl. 95/19/1549).

Selbst wenn die Beschwerdeführerin also Drittstaatsangehörigen von EWR-Bürgern gleichstehen sollte, fiele sie aus den im hg. Erkenntnis vom 25. April 1997, Zl. 95/19/0897, genannten Gründen nicht unter die Ausnahmebestimmung des § 4 Z. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 854/1995, weil auf sie die Voraussetzungen, sie sei aufgrund allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechts oder eines Staatsvertrages aufenthaltsberechtigt, nicht zutreffen. Für sie wäre daher auch aus diesem Grunde keine Antragstellung vom Inland aus möglich gewesen.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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