VwGH 96/18/0035

VwGH96/18/003511.7.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. M. Fellner, über die Beschwerde des Z, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 22. Dezember 1995, Zl. SD 918/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

ZustG §17 Abs1;
ZustG §17 Abs2;
ZustG §22 Abs1;
ZustG §17 Abs1;
ZustG §17 Abs2;
ZustG §22 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 22. Dezember 1995 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz- FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer halte sich seit 1990 im Bundesgebiet auf und habe bis 25. Dezember 1994 Sichtvermerke erhalten. Dazwischen liege allerdings ein unrechtmäßiger Aufenthalt (vom 16. Jänner bis 12. März 1992). Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (vom 12. Oktober 1993) sei der Beschwerdeführer rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, unter bedingter Strafnachsicht, verurteilt worden. Sein Antrag auf Aufenthaltsbewilligung sei mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. Jänner 1995, rechtskräftig seit 2. Februar 1995, abgewiesen worden. Da sich der Beschwerdeführer seit 3. Februar 1995 illegal im Bundesgebiet aufhalte, sei die Voraussetzung des § 17 Abs. 1 erster Halbsatz FrG gegeben. In einem solchen Fall sei die Ausweisung zu verfügen, sofern dem nicht § 19 leg. cit. entgegenstehe.

Dazu sei zu bemerken, daß die Eltern des Beschwerdeführers in Jugoslawien lebten und in Österreich lediglich eine Schwester aufhältig sei. Die Beziehung des Beschwerdeführers zu letzterer wäre nur dann vom Schutzumfang des § 19 FrG umfaßt, wenn zu der verwandtschaftlichen Beziehung noch das Moment des Zusammenlebens i. S. einer tatsächlichen Lebensgemeinschaft hinzuträte. Daß dies zutreffe, werde jedoch in der Berufung nicht behauptet, sodaß ein Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers nicht vorliege. Aufgrund der mehr als fünfjährigen Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich sei aber ein Eingriff in sein Privatleben anzunehmen. Dessen ungeachtet sei im Vergleich dazu die Ausweisung des Beschwerdeführers zum Schutz der öffentlichen Ordnung, im besonderen auf dem Gebiet des Fremdenwesens, dringend geboten. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung und Sicherheit (Artikel 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Bei der Abstandnahme von der Ausweisung könnte sich der Beschwerdeführer den tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer verschaffen, was dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens grob zuwiderlaufen würde.

Aufgrund der in seiner Berufung aufgestellten Behauptung, daß der Bescheid des Landeshauptmannes von Wien betreffend die Abweisung seines Aufenthaltsbewilligungsantrages nicht hinterlegt und damit nicht zugestellt worden sei, sodaß er sich legal im Bundesgebiet aufhalte, habe die belangte Behörde Ermittlungen durchgeführt. Diese hätten ergeben, daß der besagte Bescheid am 19. Jänner 1995 hinterlegt und somit gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Da über die Zustellung eine öffentliche Urkunde vorliege und der Beschwerdeführer auch in seiner Stellungnahme vom 12. Dezember 1995 keine Mängel hinsichtlich der Hinterlegung geltend gemacht und auch nicht nachgewiesen habe, daß er zum Hinterlegungszeitpunkt ortsabwesend gewesen sei, sei von der Rechtskraft dieses Bescheides auszugehen. § 17 Abs. 4 FrG stehe daher einer Ausweisung nicht entgegen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde hält die Ansicht der belangten Behörde, daß sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, für unzutreffend. Sie begründet dies - unter erkennbarer Bezugnahme auf § 6 Abs. 3 AufG idF der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 - damit, daß ihm der seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung abweisende Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (vom 11. Jänner 1995) nie zugestellt worden sei bzw. daß er von dessen Hinterlegung keine Kenntnis erlangt habe.

1.2. Die belangte Behörde hat sich mit diesem vom Beschwerdeführer schon im Verwaltungsverfahren erhobenen Einwand in der Begründung des bekämpften Bescheides auseinandergesetzt und ist dabei zu der Auffassung gelangt, daß dem Beschwerdeführer der besagte Bescheid des Landeshauptmannes von Wien im Wege der am 19. (richtig: 18.) Jänner 1995 erfolgten Hinterlegung rechtswirksam zugestellt worden sei.

2.1. Der Rechtsansicht der belangten Behörde ist beizupflichten. Aus der im vorgelegten Akt einliegenden Kopie des Zustellscheines ist zu ersehen, daß der Empfänger der Sendung (der Beschwerdeführer) nach Scheitern des Zustellversuches am 18. Jänner 1995 von der am selben Tag vorgenommenen Hinterlegung verständigt wurde, und zwar durch Einlegen der Verständigung in das Hausbrieffach, weiters, daß als Ort der Hinterlegung das Zustellpostamt 1200 bezeichnet und als Beginn der Abholfrist der 19. Jänner 1995 angegeben wurde. Dieser Vorgang wurde vom Zusteller auf dem Zustellschein beurkundet. Der somit einen ordnungsgemäßen Zustellvorgang (§ 17 Abs. 1 und 2 Zustellgesetz) beurkundende Zustellnachweis (§ 22 leg. cit.) begründet die Vermutung der Echtheit und inhaltlichen Richtigkeit des bezeugten Vorganges (vgl. Walter/Mayer, Das österreichische Zustellrecht, Wien 1983, 118). Der Beschwerdeführer, dem dieser Zustellschein (in Kopie) im Rahmen des Parteiengehörs vorgehalten wurde, hat weder dessen Echtheit noch die Richtigkeit von dessen Inhalt in Zweifel gezogen. Die bloße Behauptung in der Stellungnahme vom 12. Dezember 1995, daß dem Beschwerdeführer "die Hinterlegungsanzeige niemals zugekommen (ist)", vermochte die Beweiskraft des Zustellscheines nicht zu erschüttern.

2.2. Der am 19. Jänner 1995 erstmals zur Abholung bereitgehaltene abweisliche Bescheid des Landeshauptmannes von Wien gilt demnach im Grunde des § 17 Abs. 3 dritter Satz Zustellgesetz mit diesem Tag als zugestellt. Daraus folgt, daß im Hinblick auf § 6 Abs. 3 AufG idF BGBl. Nr. 351/1995, wonach ein rechtzeitig gestellter Antrag auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung den Fremden bis zum Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung der ersten Instanz zum weiteren Aufenthalt berechtigt, der Beschwerdeführer nicht länger als bis 19. Jänner 1995 aufenthaltsberechtigt war. Da der genannte Bescheid des Landeshauptmannes von Wien mangels Erhebung eines Rechtsmittels (mit 2. Februar 1995) in Rechtskraft erwachsen ist, bildete § 17 Abs. 4 FrG kein Hindernis für die Erlassung der Ausweisung gegen den Beschwerdeführer.

3.1. Die Beschwerde erachtet den bekämpften Bescheid auch wegen "Nichtanwendung des § 19 FrG" für rechtswidrig. Die belangte Behörde habe die "Relevierung der öffentlichen gegenüber den privaten Interessen" nicht dem Gesetz entsprechend durchgeführt. Nicht nur, daß die Schwester des Beschwerdeführers in Österreich lebe und er einen sehr innigen Kontakt zu ihr pflege, sondern auch der Umstand, daß er seit mehr als fünf Jahren seinen Wohnsitz im Bundesgebiet habe und aufgrund "arbeitsrechtlicher Bewilligungen" ein Arbeitsverhältnis bestehe, führe dazu, daß die privaten Interessen des Beschwerdeführers die öffentlichen Interessen in den Hintergrund drängten.

3.2. Auch dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Die belangte Behörde hat der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend den sehr hohen Stellenwert hervorgehoben, welcher der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Schutzes der öffentlichen Ordnung zukommt (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 25. Jänner 1996, Zl. 95/18/1355, vom 29. Februar 1996, Zl. 95/18/0861, und vom 28. März 1996, Zl. 96/18/0116). Diesem maßgeblichen öffentlichen Interesse stehen die in einem mehr als fünfjährigen, allerdings zum Teil (etwa ein Jahr) unrechtmäßigen, Aufenthalt und die in seiner Beschäftigung begründeten privaten Interessen des Beschwerdeführers gegenüber. Wenn die belangte Behörde diese Interessen - die Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner mit ihm nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebenden Schwester wurde zutreffend als nicht vom Schutzumfang des § 19 FrG erfaßt angesehen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 93/18/0582, mwN) - nicht so schwer gewichtet hat wie die gegenläufigen öffentlichen Interessen, so bestehen gegen diese Beurteilung nicht nur angesichts des hohen Stellenwertes eines geordneten Fremdenwesens, sondern zusätzlich auch im Hinblick auf die durch eine unbestrittene rechtskräftige Verurteilung geahndeten Straftaten des Beschwerdeführers (nach Ausweis der Akten: Verstöße gegen §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1, 125 StGB) keine Bedenken. Die Bejahung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 19 FrG, weil zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen dringend geboten, durch die belangte Behörde entspricht somit dem Gesetz.

4. Da sich nach dem Gesagten der angefochtene Bescheid als frei von den behaupteten Rechtswidrigkeiten erweist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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