Normen
AuslBG §15 Abs1 Z2;
EheG §23;
EheG §27;
EheG §28;
FrG 1993 §18 Abs1 Z1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z6;
FrG 1993 §19;
PaßG 1969 §23 Abs3;
Sichtvermerkspflicht Ausnahme Türkei 1990 §2;
VwRallg;
AuslBG §15 Abs1 Z2;
EheG §23;
EheG §27;
EheG §28;
FrG 1993 §18 Abs1 Z1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z6;
FrG 1993 §19;
PaßG 1969 §23 Abs3;
Sichtvermerkspflicht Ausnahme Türkei 1990 §2;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 11. November 1993 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und §§ 19, 20 und 21 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer sei am 5. Oktober 1991 sichtsvermerksfrei in Österreich eingereist, da er über einen vom 1. Oktober bis 22. Dezember 1991 gültigen deutschen (Besucher-)Sichtvermerk verfügt habe (§ 23 Abs. 3 Paßgesetz 1969 iVm der Verordnung BGBl. Nr. 95a/1990). Am 2. Juni 1992 habe er in Wien die österreichische Staatsbürgerin Karin M. geheiratet. Die Bezirkshaupmannschaft Innsbruck habe wegen des Verdachtes der "Scheinehe" ermittelt. Am 22. Oktober 1992 habe der Beschwerdeführer bei dieser Behörde einen Sichtvermerk beantragt. Mit Bescheid vom 18. Mai 1993 sei er von ihr mit einem Aufenthaltsverbot belegt worden.
Die belangte Behörde gehe davon aus, daß der Beschwerdeführer mit Karin M. die Ehe geschlossen habe, um zu einem Befreiungsschein und zu einer Aufenthaltsberechtigung (Sichtvermerk) zu gelangen. Das Eingehen einer Ehe nur zu diesem Zweck stelle einen gravierenden Rechtsmißbrauch dar, der die Annahme rechtfertige, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung gefährde (§ 18 Abs. 1 Z. 1 FrG). Daß der Beschwerdeführer und seine österreichische Ehegattin lügten, wenn sie behaupteten, die Ehe nicht zu dem besagten Zweck eingegangen zu sein, ergebe sich aus den divergierenden Aussagen des Beschwerdeführers (vom 22. Oktober 1992) und seiner Gattin (vom 7. November 1992) in Verein mit den Erhebungsergebnissen der Bundespolizeidirektion Wien vom 16. Dezember 1992 und vom 26. März 1993. Die belangte Behörde habe keinen Grund, diese Erhebungsergebnisse anzuzweifeln. Nicht unerwähnt solle dazu auch bleiben, daß die Eheschließung während des rechtswidrigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers erfolgt sei, da seine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 23 Abs. 3 Paßgesetz 1969 bereits im Jänner 1992 abgelaufen sei.
Aktenkundige Tatsache sei ferner, daß der Beschwerdeführer aufgrund eines deutschen Sichtvermerkes eingereist sei, den er sich besorgt habe, "um seinen Bruder in Pfaffenhofen, nähere Adresse nicht bekannt, zu besuchen". Den bei der deutschen Botschaft in Ankara angegebenen Grund für die Sichtvermerksbeantragung, nämlich einem Onkel in Deutschland einen Besuch abzustatten, sei er nicht "nachgekommen", sei es ihm doch in Wirklichkeit darum gegangen, nach Österreich einzureisen, wobei der deutsche Sichtvermerk nur Mittel zum Zweck gewesen sei (Hinweis auf die Angaben des Beschwerdeführers anläßlich seiner Einvernahme am 16. Dezember 1992).
Der dargelegte zweifache Rechtsmißbrauch durch den Beschwerdeführer bzw. dieses Gesamt(fehl)verhalten rechtfertige die Annahme, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet den Tatbestand des § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG erfülle.
Das Aufenthaltsverbot stelle einen Eingriff in das "Leben" des Beschwerdeführers dar; dieser sei aber zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten (§ 19 FrG), habe doch der Beschwerdeführer durch seine Verhaltensweisen die öffentliche Ordnung des Gastlandes von Anfang an mißachtet, indem er versucht habe, dieser öffentlichen Ordnung zwar formell zu entsprechen, dies allerdings durch mißbräuchliche Inanspruchnahme einer Rechtswohltat und durch Mißbrauch eines Rechtsinstitutes. Daß der formellen und materiellen Einhaltung der mit der Einreise und dem Aufenthalt von Fremden in Zusammenhang stehenden Vorschriften sowie dem Nicht-Mißbrauch des Rechtsinstituts der Ehe ein hoher Stellenwert zukomme, brauche nicht weiter erläutert zu werden.
Demgegenüber stünden die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Angehörigen, die aber nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme: Der Beschwerdeführer sei seit Oktober 1991, sohin erst seit etwas mehr als zwei Jahren in Österreich aufhältig (was keinen hohen Integrationsgrad bewirke) und mit ebensolchen "sonstigen Bindungen" an das Bundesgebiet versehen; er sei als Hilfsarbeiter beschäftigt. Familiäre Bindungen habe er zu seinem seit 1989 im Bundesgebiet lebenden Bruder und zu seiner österreichischen Ehegattin. Die aus dem Aufenthaltsverbot resultierenden Beeinträchtigungen der Bindungen des Beschwerdeführers seien allerdings nicht besonders schwerwiegend, wenn man sich die Volljährigkeit des Beschwerdeführers, die relative Kürze seines Aufenthaltes in Österreich, seine "Schein- bzw. Zweckehe" mit einer rauschgiftsüchtigen Österreicherin und den Umstand vor Augen halte, daß sich nur ein Bruder im Bundesgebiet aufhalte, von dem der Beschwerdeführer vor seiner Einreise ja auch getrennt gewesen sei. Die dennoch erfolgende Beeinträchtigung müsse angesichts der genannten schwerwiegenden öffentlichen Interessen am Nicht-Aufenthalt des Beschwerdeführers in Kauf genommen werden.
Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes entspreche den für seine Erlassung maßgeblichen Umständen. Ein zehnjähriger Ausschluß des Beschwerdeführers vom Aufenthalt im Bundesgebiet sei im Interesse des bestmöglichen vorbeugenden Schutzes der öffentlichen Ordnung erforderlich, ebenso wie für die Besinnung des Beschwerdeführers auf die Pflichten gegenüber einem Gastland.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Aufenthaltsverbot ausschließlich auf § 18 Abs. 1 FrG (gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf § 19 und § 20 leg. cit.) gestützt werden, wenn zwar - wie im Beschwerdefall - keiner der (demonstrativ aufgezählten) Tatbestände des § 18 Abs. 2 FrG verwirklicht ist, wohl aber das Gesamt(fehl)verhalten des betreffenden Fremden die in § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/18/0247).
2. Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall das im Grunde des § 18 Abs. 1 FrG relevante Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers in einem zweifachen Rechtsmißbrauch erblickt; und zwar zum einen darin, daß er sich zum Zweck der Einreise nach Österreich einen deutschen Sichtvermerk besorgt habe (§ 23 Abs. 3 Paßgesetz 1969 iVm § 2 der Verordnung BGBl. Nr. 95a/1990), zum anderen in der rechtsmißbräuchlichen Eingehung einer Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin zwecks Beschaffung einer Aufenthaltsberechtigung. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers handelt es sich bei diesem Gesamtverhalten um eine bestimmte Tatsache i.S. des § 18 Abs. 1 FrG, welches die Annahme rechtfertigt, daß sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung gefährde. Hiebei ist festzuhalten, daß jede der beiden in Rede stehenden Verhaltensweisen für sich einen das öffentliche Interesse erheblich beeinträchtigenden Rechtsmißbrauch darstellt, der seinem Gehalt nach dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gleichzuhalten ist (vgl. zum erstbezeichneten Fehlverhalten das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/18/0405).
3.1. Während die Beschwerde die von der belangten Behörde als erwiesen angenommene Tatsache, daß sich der Beschwerdeführer einen deutschen Sichtvermerk ausschließlich zum Zweck der Einreise nach Österreich besorgt habe, nicht bestreitet, hält sie das der rechtlichen Beurteilung der vom Beschwerdeführer geschlossenen Ehe als einer "Scheinehe" zugrunde liegende Beweisverfahren für mangelhaft. Die belangte Behörde habe die Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Gattin, daß sie regelmäßigen Kontakt hätten und daß der Beschwerdeführer seiner Gattin regelmäßig Geld zur Bestreitung ihres Unterhaltes schicke - beides starke Indizien dafür, daß keine Scheinehe vorliege - nicht berücksichtigt und auch nicht begründet, warum sie diese Aussagen nicht für glaubhaft erachte.
3.2. Dieser Rüge ist entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde, wie der Begründung des angefochtenen Bescheides (S. 5-7) unschwer zu entnehmen ist, die angesprochenen Aussagen des Beschwerdeführers (vom 22. Oktober 1992) und seiner Gattin (vom 7. November 1992) in ihrer Gesamtheit, damit aber auch unter Einschluß der von ihr zutreffend als solche erkannten Widersprüche betreffend die Angaben über die Wohnadresse der Gattin in Wien, die Bestreitung der Kosten für ihre Unterkunft und ihre frühere Beschäftigung, gewürdigt, darüber hinaus aber auch auf die Erhebungsberichte der Bundespolizeidirektion Wien vom 16. Dezember 1992 und 26. März 1993 (letztere unter Bezugnahme auf Angaben der Mutter der Ehegattin des Beschwerdeführers), welche die genannten Widersprüche unterstreichen, Bedacht genommen hat. Unter Zugrundelegung einer gesamthaften Bewertung der ihr vorgelegenen Beweismittel, insbesondere angesichts der zahlreichen Widersprüche in wesentlichen Punkten, ist die Beweiswürdigung der belangten Behörde keineswegs unschlüssig.
Die darauf aufbauende Feststellung, es liege eine Eheschließung bloß zum Zweck der Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung für den Beschwerdeführer vor, begegnet ebenso wie der daraus gezogene Schluß auf einen Mißbrauch des Rechtsinstituts der Ehe keinen Bedenken. Der Umstand, daß die Ehe nicht nach dem Ehegesetz für nichtig erklärt worden ist, ändert daran nichts, setzt doch die Beurteilung, daß eine Ehe rechtsmißbräuchlich, weil ausschließlich zwecks Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen, eingegangen worden sei, die Nichtigerklärung dieser Ehe nicht voraus.
4.1. Die Beschwerde hält das Aufenthaltsverbot im Grunde des § 19 FrG für unzulässig, weil es keine Maßnahme darstelle, die zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten sei.
4.2. Die Frage der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes unter diesem Gesichtspunkt wird erst dann rechtlich aktuell, wenn mit dieser Maßnahme ein (relevanter) Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Fremden verbunden wäre. Dies ist für den vorliegenden Fall - entgegen der Annahme der belangten Behörde - zu verneinen: Der Beschwerdeführer hält sich erst seit knapp über zwei Jahren, davon zum weitaus überwiegenden Teil unerlaubt, im Bundesgebiet auf. Wenn sich daraus überhaupt eine Integration ableiten ließe, so nur in sehr geringem Ausmaß. Mit dem Hinweis auf seine "rechtsgültige aufrechte Ehe" übersieht der Beschwerdeführer, daß er die Ehe unter Mißbrauch dieser Einrichtung eingegangen ist. Dieser Umstand verwehrt es ihm, sich mit Erfolg auf die Schutzwürdigkeit dieses Rechtsinstituts und daraus resultierend auf eine durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes bewirkte rechtserhebliche Beeinträchtigung seines Familienlebens zu berufen. Die Tatsache, daß der Bruder des Beschwerdeführers in Österreich lebt, ist im gegebenen Zusammenhang ohne Belang, da Beziehungen zu Geschwistern, sofern sie nicht mit dem Fremden im gemeinsamen Haushalt leben (was vorliegend nach den Beschwerdeausführungen nicht zutrifft), vom Schutzbereich des "Familienlebens" i.S. des § 19 FrG nicht umfaßt sind (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. März 1994, Zl. 94/18/0051, und Zl. 94/18/0096).
Mangels eines im Grunde des § 19 FrG relevanten Eingriffes in das Privat- oder Familienleben bedarf es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes weder der Prüfung, ob die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nach dieser Gesetzesstelle dringend geboten ist, noch einer Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 14. April 1993, Zl. 93/18/0112, vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/18/0534, und vom 14. April 1994, Zl. 94/18/0092).
5. Was schließlich die in der Beschwerde als überhöht bekämpfte Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes mit zehn Jahren anlangt, so ist darauf zu verweisen, daß nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 25. November 1993, Zl. 93/18/0516) - unter Bedachtnahme auf § 21 Abs. 1 FrG - ein Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit zu erlassen ist, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann. Wenn sich die belangte Behörde im Beschwerdefall nicht imstande sah, den Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes vor Verstreichen von zehn Jahren anzunehmen, so begegnet dies auf dem Boden der dargestellten Rechtslage unter Bedachtnahme auf die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebenden Umstände keinem Einwand.
6. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als zur Gänze unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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