VwGH 96/05/0150

VwGH96/05/015017.12.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des P in L, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 1. April 1996, Zl. R/1-V-95119, betreffend Zustellung eines Bescheides in einem Bauverfahren und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (mitbeteiligte Parteien:

1. Marktgemeinde A, vertreten durch den Bürgermeister, 2. M in A), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §42 Abs1;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
AVG §42 Abs1;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, insoweit die Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen wurde (Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages), wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im übrigen (Aufhebung des Berufungsbescheides) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Gemeinde vom 3. August 1973 wurde dem Zweitmitbeteiligten "über das Ansuchen vom 17. Juli 1973 und aufgrund des Ergebnisses der Bauverhandlung vom 1. August 1973 gemäß § 92 Abs. 1 Z. 2 NÖ Bauordnung die Bewilligung zum Neubau eines Wurftauben(Trap)schießstandes auf dem Grundstück in A, Parzelle Nr. 3217, EZ 136, KG A" erteilt. Dieses Grundstück liegt laut dem im Verwaltungsakt erliegenden "Lageplan aus dem Flächenwidmungsplan" im Grünland.

Der Beschwerdeführer ist seit 1969 Eigentümer des Grundstückes Nr. 335/15 der Liegenschaft EZ 1282, KG A, auf welchem ein Wohngebäude (Haus P 4) errichtet ist. Dieses Grundstück ist vom obbezeichneten Schießstand ca. 1,5 km Luftlinie entfernt.

Die Ladung zur mündlichen Bauverhandlung am 1. August 1973 wurde an der Amtstafel der mitbeteiligten Gemeinde angeschlagen. Der Beschwerdeführer, welcher persönlich nicht geladen wurde, ist zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Der Baubewilligungsbescheid wurde dem Beschwerdeführer nicht zugestellt.

Mit Eingabe vom 16. Dezember 1994 beantragte der Beschwerdeführer die Zustellung des "gegenständlichen baubehördlichen Bewilligungsbescheides". Seine Parteistellung ergebe sich aus § 118 Abs. 9 der NÖ Bauordnung im Hinblick auf die "räumliche Nähe". Unter Heranziehung der bei Schießstätten entstehenden Lärmbelästigung im Umfeld der Anlage sei von seiner Parteistellung auszugehen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Gemeinde vom 20. März 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerdeführer sei im gegenständlichen Bauverfahren präkludiert.

Der Beschwerdeführer berief. Im Berufungsschriftsatz beantragte er "lediglich vorsichtsweise und in eventu" die Bewilligung der "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der von der Marktgemeinde A AZ: BA 60/1973 anberaumten mündlichen Bauverhandlung", da er im Zeitraum des Anschlages der hier gegenständlichen Ladung zur Bauverhandlung an der Amtstafel nicht ortsanwesend gewesen sei und nicht die Möglichkeit gehabt habe, den Zeitpunkt der Bauverhandlung in Erfahrung zu bringen. Vor dem Zeitpunkt der Bescheidzustellung sei ihm nicht bekannt gewesen, daß eine mündliche Bauverhandlung abgeführt worden sei. Gleichzeitig erhob der Beschwerdeführer Einwendungen wegen Lärmbelästigung durch das bewilligte Bauvorhaben.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 21. Juni 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers "samt Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" als unbegründet abgewiesen. Die Baubehörde habe korrekterweise an die damals bekannten Anrainer die Ladung zugestellt und im übrigen diese an der Amtstafel angeschlagen. Der Beschwerdeführer sei bei der Bauverhandlung weder persönlich anwesend noch vertreten gewesen; ihn träfen daher die Präklusionsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG. Daran vermöge auch nichts zu ändern, daß der Beschwerdeführer jedes Jahr ab der 1. Juliwoche bis einschließlich der 2. Augustwoche in einem Ferienort urlaube, weil es sich hiebei nicht um ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des § 71 AVG handle. Hinzu komme noch, daß es jene Rechtsnormen, auf die der Beschwerdeführer seine Parteistellung gründe, zum Zeitpunkt der Durchführung des Baubewilligungsverfahrens noch nicht gegeben habe. "Aus der Begründung dieses Bescheides leitet sich auch die Abweisung ihres Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab."

Mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 1. April 1996 wurde der Vorstellung des Beschwerdeführers

"hinsichtlich der Zustellung des Bescheides vom 3. August 1973, Zl. BA 60/1973, Folge gegeben, der angefochtene Bescheid insoweit aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Marktgemeinde A zurückverwiesen; im übrigen wird die Vorstellung als unbegründet abgewiesen."

In der Begründung führte die belangte Behörde hiezu aus, der Beschwerdeführer könne im gegenständlichen Fall durch Schallimmissionen beeinträchtigt werden, ihm komme daher Parteistellung gemäß § 118 Abs. 8 der NÖ Bauordnung 1976 bzw. der wortgleichen Vorgängerbestimmung der NÖ Bauordnung 1968 zu. Die Frage der Parteistellung sei jedoch davon zu trennen, ob der Anrainer hinsichtlich seiner Einwendungen präkludiert sei oder nicht. Die Erhebung von Einwendungen sei nicht Voraussetzung für die Erlangung der Parteistellung, weshalb der Beschwerdeführer durch die Nichtteilnahme an der Bauverhandlung auch nicht seiner Parteistellung verlustig geworden sei; die Präklusion nehme ihm nur die Möglichkeit, gegen das genannte Projekt in der Folge Einwendungen zu erheben. Daraus ergebe sich, daß der Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall ein Recht auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides habe. Da der Beschwerdeführer durch die Abweisung seines Antrages somit in seinen Rechten verletzt worden sei, sei der angefochtene Bescheid insoweit aufzuheben gewesen. Voraussetzung für den Eintritt der Präklusionsfolgen sei eine ordnungsgemäße Ladung. Das Grundstück des Beschwerdeführers befinde sich nach seinen eigenen Angaben ca. 2 km von jenem des Bauwerbers entfernt; bereits aufgrund der großen Entfernung könne nicht mehr davon ausgegangen werden, daß es sich beim Vorstellungswerber um eine "bekannte" Partei gehandelt habe, sodaß dieser auch nach der im Jahre 1973 geltenden Rechtslage nicht persönlich zu laden gewesen sei. Wenngleich die Behörde grundsätzlich dazu verpflichtet sei, amtswegig festzustellen, auf welche Personen im konkreten Fall das Tatbestandsmerkmal "bekannt" des § 41 AVG zutreffe, könne ihr im konkreten Fall kein Vorwurf aus der Unterlassung der persönlichen Ladung des Beschwerdeführers gemacht werden, nachdem sich aus dem lärmschutztechnischen Gutachten vom November 1974 "an dem damaligen Meßpunkt nur geringfügige Überschreitungen der damaligen Grenzwerte" ergeben hätten. Es würde der Intention des Gesetzgebers des AVG entgegenlaufen und in weiten Bereichen der Verwaltung zu einer "Lahmlegung" führen, wenn davon auszugehen wäre, daß eine Partei bereits dann als "bekannt" gelte, wenn auch nur die kleinste Möglichkeit einer Beeinträchtigung gegeben sei. In diesem Sinne regle nunmehr § 99 Abs. 1 zweiter Satz der NÖ Bauordnung 1976 - gleichsam als Klarstellung der Rechtslage - ausdrücklich, wer persönlich zu einer Bauverhandlung zu laden sei. Diese Bestimmung stelle zu jenen des § 41 Abs. 1 AVG nicht nur die lex posterior sondern auch eine lex specialis hinsichtlich des Bauverfahrens dar, sodaß sie dieser Bestimmung vorgehe. Bei der den Regelungen des AVG vorgehenden verfahrensrechtlichen Regelung der Bauordnung handle es sich um solche im Sinne des Art. 11 Abs. 2 B-VG, die als Ausnahme von der Bedarfskompetenz des Bundes zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sei. Die gegenteilige Ansicht des Beschwerdeführers, wonach § 41 Abs. 1 AVG unbeschränkt neben den besonderen verfahrensrechtlichen Vorschriften der Bauordnung anzuwenden sei, erscheine daher verfehlt. Da der Beschwerdeführer ordnungsgemäß zur damaligen Bauverhandlung geladen worden sei, aber weder vor der Bauverhandlung noch bei dieser Einwendungen erhoben habe, sei er auch hinsichtlich sämtlicher Einwendungen präkludiert.

Zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag führte die belangte Behörde in der Begründung aus, der Wiedereinsetzungsantrag wäre an den Bürgermeister und nicht an den Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde zu richten gewesen. Der unzuständige Gemeinderat hätte daher diesen - sofern er nicht nach § 6 AVG vorzugehen gehabt hätte - als unzulässig zurückweisen müssen. Im übrigen lägen aber auch die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor. Daß der Gemeinderat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht als unzulässig zurück-, sondern als unbegründet abgewiesen habe, gereiche dem Beschwerdeführer auch nicht zum Nachteil, sodaß er durch den angefochtenen Bescheid diesbezüglich in keinen Rechten verletzt worden sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid "in seinem Recht auf meritorische Behandlung seiner Berufung, ferner in seinem Recht auf Erledigung seiner Einwendungen, folglich auf Verweigerung der Baubewilligung und auf Wiedereinsetzung verletzt".

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete, ebenso wie die zweitmitbeteiligte Partei, eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1) Zum Antrag auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides:

Gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 ist die Aufsichtsbehörde verpflichtet, den mit einer Vorstellung angefochtenen Bescheid einer Gemeinde dahingehend zu überprüfen, ob durch diesen Rechte des Vorstellungswerbers verletzt werden. Trifft dies nicht zu, hat sie die Vorstellung als unbegründet abzuweisen.

In dem durch den oben wiedergegebenen Beschwerdepunkt umschriebenen Recht wäre der Beschwerdeführer dann verletzt, wenn die belangte Behörde einen der Baubehörde zweiter Rechtsstufe bei der Beurteilung des Antrages auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides unterlaufenen Fehler, der zu einer Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers geführt hatte, nicht zum Anlaß der Aufhebung des vor ihr angefochtenen Bescheides genommen hätte (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 27. August 1996, Zl. 96/05/0180).

Gemäß Art. 119a Abs. 5 erster Satz B-VG kann nach Erschöpfung des Instanzenzuges innerhalb von zwei Wochen nach Erlassung des Bescheides Vorstellung bei der Aufsichtsbehörde erheben, wer durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Liegt eine solche Rechtsverletzung vor, so hat die Aufsichtsbehörde nach Art. 119a Abs. 5 zweiter Satz B-VG den Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen.

Gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 hat die Aufsichtsbehörde den Bescheid, wenn durch ihn Rechte des Einschreiters verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen.

Gemäß Abs. 5 dieses Paragraphen ist die Gemeinde bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden. Der Bescheid der Aufsichtsbehörde wird jedoch erst vier Wochen nach Zustellung des aufsichtsbehördlichen Bescheides an die Gemeinde wirksam. Wird die Entscheidung der Gemeinde vor Ablauf dieser Frist getroffen, bewirkt sie das Außerkrafttreten des von der Aufsichtsbehörde als rechtswidrig erkannten Bescheides.

Die Bindung der Gemeinde als auch der anderen Parteien des Verfahrens erstreckt sich ausschließlich auf die die Aufhebung tragenden Gründe des aufsichtsbehördlichen Bescheides, nicht aber auf jene Ausführungen der Gemeindeaufsichtsbehörde, die in Wahrheit zu einer Abweisung der Vorstellung hätten führen müssen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1991, Zl. 91/05/0003). Die Partei des Verfahrens kann gegen einen aufsichtsbehördlichen Bescheid auch dann, wenn ihrer Vorstellung stattgegeben worden ist, Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erheben, wenn ihrem Rechtsstandpunkt nicht voll entsprochen worden ist, allerdings nur insoweit, als damit eine die Aufhebung tragende Rechtsansicht bekämpft wird. Soweit die Vorstellungsbehörde der Rechtsansicht der Gemeindebehörden beigetreten ist, stellen die Ausführungen der Vorstellungsbehörde in dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid keinen tragenden Grund für die Aufhebung des gemeindebehördlichen Bescheides dar; sie können daher im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht bekämpft werden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 28. November 1989, Zl. 86/05/0177). Jene Teile der Begründung des angefochtenen Bescheides betreffend die Zustellung des gemeindebehördlichen Baubewilligungsbescheides, die darlegen, in welchen Punkten und aus welchen Gründen nach Auffassung der Aufsichtsbehörde Rechte des Vorstellungswerbers nicht verletzt worden sind, lösen keinerlei bindende Wirkung aus, weil sie den aufhebenden Spruch nicht tragen. Nur dann, wenn die Aufsichtsbehörde einen die Aufhebung tragenden Grund anders beurteilt hat als der Vorstellungswerber, ist er berechtigt und zur Wahrung seines Rechtsstandpunktes genötigt, diesen Bescheid anzufechten, obwohl dem Spruch nach festgestellt wurde, daß der Vorstellungswerber in seinen Rechten verletzt worden ist (vgl. hiezu den hg. Beschluß vom 18. September 1992, Zl. 92/17/0122, uva.).

Ob ein Nachbar in einem Baubewilligungsverfahren als übergangen anzusehen ist, kann erst beurteilt werden, wenn feststeht, ob ihm tatsächlich Parteistellung zukommt. Das Tatbestandsmerkmal der Parteistellung bestimmt sich hiebei nach dem normativen Gehalt der in der Rechtssache anzuwendenden Vorschriften. Hiefür kommen in der Hauptsache Normen des materiellen Verwaltungsrechtes, aber auch Vorschriften des speziellen Verfahrensrechtes in Betracht (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 17. Dezember 1979, Slg. Nr. 9.994/A).

Gemäß § 118 Abs. 8 der hier maßgeblichen NÖ Bauordnung 1968 (BO) genießen als Anrainer alle Grundstückseigentümer Parteistellung gemäß § 8 AVG, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden. Die Zustellung einer Bescheidausfertigung hat an alle Parteien zu erfolgen, selbst wenn sie trotz Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen sind. Gemäß Abs. 9 dieser Gesetzesstelle werden subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Diese Regelung hat bereits zum Zeitpunkt der Erlassung des Baubewilligungsbescheides vom 3. August 1973 bestanden.

Bei der Frage, ob im Hinblick auf die Bestimmung des § 118 Abs. 8 BO Grundstückseigentümer als Anrainer (Nachbarn) im Baubewilligungsverfahren beizuziehen sind, handelt es sich um eine Rechtsfrage. Parteistellung kommt daher einem Anrainer gemäß § 118 Abs. 8 BO jedenfalls dann zu, wenn seine Rechte durch den Bescheid berührt werden können. Maßgebend ist allein die Möglichkeit einer Verletzung der dem Nachbarn zustehenden subjektiv-öffentlichen Rechte. Nicht maßgebend ist für die Parteistellung, ob nachteilige Einwirkungen auch tatsächlich eintreten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1978, Slg. Nr. 9.485/A).

Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde diesbezüglich in rechtlicher Hinsicht ausgeführt, daß dem Beschwerdeführer in dem mit Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 3. August 1973 abgeschlossenen Bauverfahren Parteistellung im Sinne des § 118 Abs. 8 BO zukommt, da eine Beeinträchtigung durch Schallimmissionen möglich sei. Diese von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vertretene, durch die im Verwaltungsakt dokumentierten Ermittlungsergebnisse gedeckte und von den Parteien des Vorstellungsverfahrens - auch dem Beschwerdeführer - nicht angezweifelte Rechtsansicht, welche als tragend im Sinne der obzitierten Rechtslage anzusehen ist und die Gemeinde bei der neuerlichen Entscheidung im Sinne des § 61 Abs. 5 der NÖ Gemeindeordnung 1973 bindet, führte zur Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 21. Juni 1995.

Prozeßgegenstand der Berufungsentscheidung des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 21. Juni 1995 war die Verwaltungssache, die dem Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde vorlag (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1989, Zlen. 88/05/0205, 88/05/0206, sowie Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes, 6. Auflage, S. 220, Rz 538). Dies war somit der Antrag des Beschwerdeführers vom 16. Dezember 1994 auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 3. August 1973. Mit dem Ausspruch der Berufungsbehörde in ihrem Bescheid vom 21. Juni 1995, die Berufung des Beschwerdeführers werde als unbegründet abgewiesen, wurde der erstinstanzliche Bescheid vom 20. März 1995, mit welchem der Antrag des Beschwerdeführers vom 16. Dezember 1994 auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides abgewiesen wurde, zum Inhalt des Berufungsbescheides (vgl. hiezu Walter-Mayer, a.a.O., Rz 543). Nur insoweit konnten Rechte des Beschwerdeführers durch den Berufungsbescheid verletzt werden und war sachbezogen eine Aufhebung des Berufungsbescheides durch die Aufsichtsbehörde gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 möglich.

Dies hat die belangte Behörde insofern richtig erkannt, als sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides darauf hingewiesen hat, daß die Frage der Parteistellung von der Präklusion zu trennen ist. Steht fest, daß eine Beeinträchtigung der subjektiven-öffentlichen Rechte eines Anrainers möglich ist, d.h. ihm tatsächlich im Sinne des § 118 Abs. 8 BO Parteistellung zukommt, so steht ihm auch das Recht auf Zustellung des in diesem Verfahren ergangenen Bescheides zu. Sofern dies noch nicht geschehen ist, kann demnach ein Anrainer nach Abschluß des Verfahrens durch Erlassung des Bescheides der Baubehörde an die im Baubewilligungsverfahren beteiligten anderen Parteien jedenfalls auch einen Antrag auf Zustellung dieses Bescheides stellen und dagegen berufen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 1996, Zl. 96/05/0149). Ob die Partei gemäß § 42 Abs. 1 AVG einem Parteiantrag (hier Antrag auf Bewilligung eines Bauvorhabens) als zustimmend, also als präkludiert anzusehen ist, ist jedoch nicht in einem Verfahren zu klären, welches auf die Überprüfung der Parteistellung eines Anrainers beschränkt ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 1996, Zl. 96/05/0003).

Insoweit daher die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid über die als tragend erkannte Rechtsansicht hinausgehend rechtliche Ausführungen zur Präklusion in den angefochtenen Bescheid aufgenommen hat und davon ausgegangen ist, daß der Beschwerdeführer kein "bekannter" Beteiligter gewesen sei, handelt es sich hiebei um Begründungselemente, welche nicht tragend im Sinne der eingangs wiedergegebenen Rechtslage und damit auch nicht für die Gemeindebehörden im Sinne des § 61 Abs. 5 erster Satz der NÖ Gemeindeordnung 1973 bindend sind. Insofern sich daher die Beschwerdeausführungen und die Ausführungen in der Replik zur Gegenschrift auf die nicht tragenden Begründungselemente des angefochtenen Bescheides beziehen, ist hierauf nicht näher einzugehen, weil mit diesen Ausführungen eine Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes des Beschwerdeführers nicht aufgezeigt wird.

Die Klärung der Frage, ob der Beschwerdeführer "übergangener Nachbar" im Bauverfahren betreffend die Bewilligung des Schießplatzes der zweitmitbeteiligten Partei ist, bleibt einem (allenfalls) nach Zustellung des Bescheides des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 3. August 1973 vom Beschwerdeführer angestrebten Berufungsverfahren vorbehalten, in welchem aufgrund der in der Berufung enthaltenen Einwendungen zu entscheiden sein wird, sofern nicht Präklusion des Beschwerdeführers eingetreten ist. Die Rechtsfrage, ob der Beschwerdeführer bekannter Beteiligter im Sinne des § 41 Abs. 1 AVG war, ist nicht anhand rechtspolitscher Erwägungen - wie dies die belangte Behörde zu begründen versucht - zu lösen, vielmehr obliegt es der Behörde unter Bedachtnahme auf die anzuwendende Rechtslage anhand der ihr zugänglichen Unterlagen, zu prüfen, auf welche Personen im konkreten Rechtsfall das bezogene Tatbestandsmerkmal des § 41 AVG zutrifft. Die Behörde hat von Amts wegen dafür Sorge zu tragen, daß sämtliche Parteien der Verhandlung beigezogen werden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 1996, Zl. 96/05/0149). Sollte sich ergeben, daß der Beschwerdeführer übergangener Nachbar ist, wird auf § 121 Abs. 1 zweiter Satz BO Bedacht zu nehmen sein, wonach Rechtsmittel übergangener Nachbarn nach den zur Zeit der angefochtenen Entscheidung gültigen Bestimmungen zu behandeln sind (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 30. September 1986, Zl. 85/05/0036, BauSlg. Nr. 767). Der Hinweis der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid auf die derzeit bestehende Regelung des § 99 Abs. 1 zweiter Satz BO trägt daher die von ihr vertretene Rechtsansicht nicht.

Aus diesen Gründen vermag der Verwaltungsgerichtshof im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, insoweit der Vorstellung des Beschwerdeführers Folge gegeben wurde, nicht zu erblicken.

2) Zum Antrag auf Wiedereinsetzung:

Die Berufungsbehörde hat jedoch auch über den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der vom Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde für den 1. August 1973 anberaumten mündlichen Bauverhandlung abgesprochen und diesen Antrag abgewiesen.

Gemäß § 71 Abs. 4 AVG ist zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat. Dies ist im vorliegenden Fall die Baubehörde erster Instanz.

Der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde war daher für die sachliche Erledigung dieses Wiedereinsetzungsantrages funktionell unzuständig. Eine derartige funktionelle Unzuständigkeit, die sich als besondere Form sachlicher Unzuständigkeit darstellt, liegt immer dann vor, wenn die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Behörden verschiedener Instanzen verletzt wird. Ein von einer unzuständigen Behörde erlassener Bescheid ist jedenfalls rechtswidrig und daher von Amts wegen aufzuheben (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 25. März 1968, Slg. Nr. 7319/A, und vom 18. Jänner 1979, Slg. Nr. 9742/A). Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid insoweit mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes, als der Vorstellung gegen die Entscheidung der Berufungsbehörde, womit der Wiedereinsetzungsantrag als unbegründet abgewiesen wurde, nicht Folge gegeben worden ist. Insoweit war der Vorstellungsbescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Eine Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde hätte die belangte Behörde von Amts wegen aufzugreifen gehabt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 29. Oktober 1985, Zl. 85/05/0066). Dies wurde vom Beschwerdeführer in der Beschwerde gerügt, weshalb eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes ungeachtet des Umstandes, daß einem übergangenen Nachbarn ein Rechtsanspruch auf Durchführung einer (neuerlichen) Verhandlung nicht zukommt und möglicherweise eine Fristversäumnis im Sinne des § 71 Abs. 1 AVG nicht vorliegt (vgl. hiezu Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 4. Auflage, S. 302 ff), zu erfolgen hatte.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 50 VwGG, im Zusammenhang mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 und 6 VwGG abgesehen werden.

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