VwGH 88/05/0205

VwGH88/05/020521.2.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde 1) der Marktgemeinde G, vertreten durch Dr. Ernst Grossmann, Rechtsanwalt in Wien I, Singerstraße 27/II, und 2) der Familiensiedlung B, vertreten durch Dr. Thomas Ebner, Rechtsanwalt in Wien I, Biberstraße 10, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 18. August 1988, Zl. R/1-V-8842, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1) Dipl.-Ing. GS, 2.) Mag. IS, 3) Ing. KS, 4) MS, 5) EG, 6) GG,

7) AA, 8) EA, 9) EB, 10) MH, 11) HP, 12) IP und 13) EW, alle vertreten durch Dr. Karl Katary, Rechtsanwalt in Wien XIV, Hütteldorferstraße 124), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4
BauO NÖ 1976 §100
BauO NÖ 1976 §118
BauO NÖ 1976 §92
BauRallg
GdO NÖ 1973 §61 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1988050205.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Erstbeschwerdeführerin und dem Zweitbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von je S 9.810,-

- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der Beschwerdeführer wird abgewiesen.

Begründung

Mit Eingabe vom 25. Februar 1987 ersuchte der Zweitbeschwerdeführer beim Gemeindeamt G um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung einer Mehrfamilienhausanlage auf dem Grundstück 504/3, inneliegend in EZ 2088 der KG X. Dem beigeschlossenen Bauplan kann entnommen werden, daß auf einem 3175 m2 großen Grundstück, welches durch eine sogenannte Fahne von der B-gasse aufgeschlossen ist, verteilt auf drei Wohnblöcke insgesamt acht Wohneinheiten mit einer bebauten Fläche von 792,60 m2 und einem umbauten Raum von 7668,40 m3 errichtet werden sollen. Entlang der nördlichen Grundgrenze ist die Errichtung einer Stützmauer vorgesehen. Anschließend sind acht Pkw-Einstellplätze für insgesamt 17 Abstellplätze angeordnet. Im südlichen Bereich ist eine Senkgrube für 56 m3 vorgesehen, die durch eine Absaugleitung mit der B-gasse verbunden werden soll. Die architektonisch unterschiedlich gestalteten Baulichkeiten umfassen außer einem Kellergeschoß ein Erdgeschoß und ein Obergeschoß.

Zu der für 18. März 1987 anberaumten mündlichen Verhandlung wurden die Nachbarn, darunter die mitbeteiligten Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG 1950 geladen. Bei dieser Verhandlung wurde das Projekt nicht näher beschrieben, sondern auf den Einreichplan verwiesen. Festgehalten wurde, daß nach dem in Ausarbeitung befindlichen neuen Bebauungsplan als Bebauungsrichtlinien eine Geschoßflächenzahl von 0,35, die freie Anordnung der Gebäude sowie eine maximale Gebäudehöhe von 6,00 m festgelegt worden seien. Der bautechnische Amtssachverständige erachtete das Bauvorhaben unter gleichzeitiger Vorschreibung einer Reihe von Auflagen für bewilligungsfähig. Die anwesenden Nachbarn - die Zweitmitbeteiligte war zu dieser Verhandlung nicht erschienen - erhoben offensichtlich Einwendungen entsprechend einem der Verhandlungsschrift angeschlossenen Schriftsatz, denn in der Verhandlungsschrift wurde festgehalten, daß die Stellungnahmen der Anrainer kundgetan worden seien und als integrierender Bestandteil der Niederschrift beiliegen. In der genannten Stellungnahme wurde behauptet, die vorgesehene Verbauung stehe im Sinne des § 120 Abs. 3 der NÖ Bauordnung in einem auffallenden Widerspruch zur übrigen Bebauung. Es gelte die offene Bebauung und die Bebauung greife jedenfalls der Bebauungsplanung vor und widerspreche damit der derzeitigen provisorischen Planung. Die Bestimmungen des § 22 Abs. 8 der NÖ Bauordnung erschienen nicht erfüllt, da als horizontaler Mindestabstand die doppelte Traufenhöhe gelte, wenn das zu errichtende Gebäude mit der Schmalseite zu dem benachbarten Grundstück stehe. Davon betroffen sei insbesondere die Neuntmitbeteiligte. Es seien auch die Eigentumsverhältnisse hinsichtlich des zu bebauenden Grundstückes nicht geklärt, die Rechtspersönlichkeit des Bauwerbers werde bezweifelt. Hinsichtlich der Abwasserbeseitigung wurde eine Blockierung der B-gasse durch das Räumfahrzeug sowie im Hinblick auf die Häufigkeit der Räumungen eine Geruchsemission als unzumutbare Belästigung geltend gemacht. Die Dritt- und Viertmitbeteiligten behaupteten darüber hinaus einen zu geringen Abstand der Senkgrube zu ihrer Grundgrenze. Weiters wurden eine Verparkung der schmalen öffentlichen Straßen, eine Überschreitung des zulässigen Prozentsatzes für die verbaute Fläche von 25 v.H. durch die vorgesehenen Abstellplätze, eine unzumutbare Abgas- und Lärmbelästigung durch die Verkehrsdichte von 17 Pkw und eine zu geringe Breite des Zufahrtsweges eingewendet. Auch sei eine gesicherte Ein- und Ausfahrt von Einsatzfahrzeugen nicht gegeben. Die Mitbeteiligten beriefen sich weiters auf das Ergebnis einer Bürgerversammlung zum Thema "weiterer Ausbau von G", wobei ausdrücklich die Bauart "Reihenhäuser" diskutiert und nach Abstimmung von der Bevölkerung abgelehnt worden sei. Das geplante Bauvorhaben stehe zu diesem Beschluß in krassem Widerspruch. Ein Vergleichsversuch erfolgte der Verhandlungsschrift zufolge nicht. Auch hat weder ein beigezogener Sachverständiger, noch der Bürgermeister als Verhandlungsleiter zu den erhobenen Einwendungen Stellung genommen.

Nach Vorlage bei der Verhandlung geforderter Detailskizzen über die Einfahrt in den Fahnenweg von der B-gasse erteilte der Bürgermeister mit Bescheid vom 30. April 1987 die angestrebte Baubewilligung und wies die öffentlich-rechtlichen Einwendungen der Mitbeteiligten als unbegründet ab. Die Baubehörde erster Instanz vertrat die Rechtsansicht, das Vorhaben sei entsprechend dem Entwurf zum Bebauungsplan geplant worden. Die Bebauungshöhe von 6,00 m, die Bebauungsdichte (Geschoßflächenzahl 0,35) und die Bebauungsweise (freie Anordnung der Gebäude) seien eingehalten worden. Betreffend die Bestimmung über die Größe der einzelnen Gebäude bei freier Anordnung (maximal 350 m2) werde festgehalten, daß eine Umplanung mit Auseinanderrückung der Einfamilienhäuser platzmäßig möglich wäre (die Bestimmungen würden somit eingehalten), jedoch aus architektonischen Gründen die Zusammenschließung der Gebäude 4 bis 6 in keiner Weise als das Ortsbild störend und somit gemäß § 120 Abs. 3 Z. 1 (NÖ Bauordnung) zur bestehenden Bebauung von G in keinem auffallenden Widerspruch stehend angesehen werden könne. Der Einwand, daß auf dem Grundstück offene Bebauung vorliege und der bereits aufliegenden Planung widerspreche, sei unrichtig. Gemäß § 22 Abs. 8 Z. 2 der NÖ Bauordnung dürfe bei freier Anordnung von Gebäuden die Höhe aller Gebäude den doppelten Abstand nicht überschreiten, diese maximale Höhe sei im Mittel bei allen Gebäuden eingehalten. Ferner wurde festgestellt, wer bis zum Tag der Ausschreibung der Ladung laut Grundbuchsauszug Eigentümer war und daß nach einem Kaufvertrag vom Oktober 1986 der Zweitbeschwerdeführer als Käufer aufscheine. Eine Amtsbestätigung über die Vereinsgründung liege ebenfalls vor. Die Durchführung des Kaufvertrages im Grundbuch sei bis zum Tage der Bauverhandlung nicht erledigt worden. Die Breite der B-gasse betrage beim Aufstellungsort für das Senkgrubenräumfahrzeug 8,0 m, sodaß mindestens 4,5 m für den Fließverkehr weiter zur Verfügung stünden. Bei ordnungsgemäßer Entsorgung mit Tankfahrzeugen dürfe es beim Abfüllen bzw. Absaugen nur geringfügige Geruchsemissionen geben bzw. würden die Geruchsimmissionen nicht höher liegen als beim Entleeren aller anderen Senkgruben der Anrainer. Gemäß § 21 Abs. 11 der NÖ Bauordnung dürften unterirdische Baulichkeiten außerhalb der Baufluchtlinien errichtet werden, die Senkgrube sei von der Nachbargrundgrenze 1,50 m entfernt. Die Baubehörde habe die Verpflichtung, eine der Bebauung entsprechende Anzahl von Pkw-Abstellplätzen vorzuschreiben, diese Abstellplätze seien gemäß § 2 Z. 9 der NÖ Bauordnung nicht zur bebauten Fläche zu zählen. Es würden daher die Bebauungsbestimmungen über die Bebauungsdichte nicht überschritten. Bei Nichteinhaltung der Straßenverkehrsordnung in der B-gasse durch vorschriftswidriges Parken müßte die Verkehrsbehörde einschreiten. Die Überwachung der Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung obliege nicht der Baubehörde. Das kurzzeitige Zu- und Abfahren von Fahrzeugen der Hausbewohner und der Besucher übersteige nicht die ortsüblich zumutbare Abgas- und Lärmbelästigung, da in diesem Ortsteil annähernd 60 Parzellen bewohnt seien und diese Grundstücke ebenfalls mit Pkw angefahren würden. Vor den Gemeinderatswahlen 1980 seien vom damaligen amtsführenden Regierungskommissär Versammlungen abgeführt worden, aus deren Auflistung sich eine Art Bebauungsvorschlag für das gesamte Ortsgebiet von G ergeben habe. Diese Auflistung sei als provisorische Regelung vom Gemeinderat in seinen Sitzungen vom 2. April 1981 bzw. 2. Februar 1984 zu Bebauungsvorschriften erhoben worden. Ausnahmen seien vom Gemeinderat bereits mehrmals gewährt worden. Eine Regelung über Reihenhäuser sei in den vorgenannten Bebauungsvorschriften nicht enthalten. Mit dem Auftrag zur Erstellung des neuen Bebauungsplanes im Jahre 1985 und dem Vorliegen des ersten Entwurfes dieses Bebauungsplanes per 23. März 1987 seien die geplanten Einfamilienhäuser als Bebauungsvorschlag in den aufliegenden Entwurf aufgenommen worden. Damit seien die Bestimmungen der NÖ Bauordnung, insbesondere § 9 Abs. 4, vollinhaltlich eingehalten. Nach § 6 Abs. 5 Z. 4 der NÖ Bauordnung genüge schließlich für die Aufschließung von Bauplätzen eine Zufahrtsbreite von 4,00 m. Gemäß den Richtlinien und Vorschriften für den Straßenbau (RVS), Punkt 2, Punkt 04, sei mit dem Zusatzplan vom 24. März 1987 die Einfahrtsmöglichkeit für den neuen Tankwagen der Freiwilligen Feuerwehr nachgewiesen. Sämtliche Bestimmungen der NÖ Bauordnung über die Regelung der Verkehrserschließung (§ 6) seien eingehalten. Zum Teil hätten die von den Anrainern erhobenen öffentlich-rechtlichen Einwendungen zur Vorschreibung zusätzlicher Auflagen geführt, im übrigen seien sie jedoch abzuweisen, weil die vorgebrachten Bedenken nach Ansicht der Baubehörde auf Grund des Sachverständigengutachtens nicht begründet seien.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Mitbeteiligten Berufung, in der sie insbesondere die rechtliche Beurteilung nach einem Bebauungsplanentwurf sowie den ihrer Meinung nach bestehenden auffallenden Widerspruch zur bestehenden Bebauung rügten. Weiters behaupteten die Mitbeteiligten eine Reihe von Rechtswidrigkeiten des erstinstanzlichen Bescheides sowie die Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Im Zuge des Berufungsverfahrens wurde das Gutachten des Amtes der NÖ Landesregierung, Abteilung B/4 (Bau- und Verkehrstechnik), vom 29. September 1987 eingeholt, in welchem zunächst auf die Bebauungsvorschrift aus dem Jahre 1961 und auf eine Verordnung über Bebauungsvorschriften vom 2. Februar 1984 verwiesen wurde. Der vorliegende Entwurf eines Bebauungsplanes solle erst vom Gemeinderat beschlossen werden. Nach Beschreibung des Bauvorhabens werde gutächtlich festgestellt, die drei Gebäude seien auf der Liegenschaft so situiert, daß eine Grundabteilung für jedes Gebäude nicht möglich sei. Die Gebäude müßten daher - und dies auch nach den Vorstellungen des Entwurfes eines Bebauungsplanes - in freier Anordnung situiert werden. Diesem Umstand würden aber die aus dem Plan zu ersehenden Abstände zu den Grundgrenzen keine Rechnung tragen und müßten diese Abstände gemäß § 22 Abs. 8 der NÖ Bauordnung mit den Gebäudehöhen zumindest ident sein. Somit ergebe sich ein eklatanter Widerspruch zu den geltenden Bestimmungen des Gesetzes. Bei der Bemessung einer allenfalls in Kraft tretenden Geschoßflächenzahl müßte darauf Bedacht genommen werden, daß für die Ermittlung dieser Zahl nicht die Netto-, sondern die Bruttogeschoßfläche unter Einrechnung allfälliger Dachausbauten heranzuziehen wäre. Der ca. 45 m lange Verbindungsweg zwischen öffentlichem Gut und den vorgesehenen Parkplätzen könne wegen seiner Breite von nur 4 m lediglich als Wohnweg angesehen werden. Infolge des vorhandenen Längs- und Quergefälles seien Stützmauern innerhalb des 4 m breiten Weges erforderlich und könne diese Zufahrt für die vorgesehenen Stellflächen als nicht geeignet betrachtet werden. Dies umsoweniger, als durch die vorhandene Verbauung an beiden Seiten der Einmündung ins öffentliche Gut die Sicht fast gänzlich genommen sei. Außerdem sei durch die vorhandene Fahrspurbreite bei Einmündungsmanövern in das öffentliche Gut bzw. von diesem in den Zufahrtsweg die falsche Fahrbahnseite zu benützen. Eine Erweiterung der Einmündungstrompete sei infolge der angrenzenden Grünflächen und des Höhenunterschiedes nur mit hohen Kosten und Zustimmung der Anrainer möglich. Für den Abbiege- und Einmündungsverkehr von der Zufahrtsstraße in das öffentliche Gut Bgasse wäre eine, dem Bestand angepaßte maßstäbliche Planunterlage einschließlich der erforderlichen Stützmauern notwendig, da die Ergänzung zum Einreichplan vom 30. April 1987 infolge "Fehlens von Höhenkoten und Geländeverschnitten" keinerlei Aufschluß über die Zufahrtsmöglichkeit von Kfz ermögliche. Ausdrücklich müsse vermerkt werden, daß die vorgesehenen Parkplätze keinerlei Rangiermöglichkeiten bieten und vor allem für Versorgungsfahrzeuge keine ausreichende Wendemöglichkeit vorhanden sei.

Bezüglich der zu erwartenden Lärmimmissionen durch Zu- und Abfahrten nahm ein technischer Amtssachverständiger des Amtes der NÖ Landesregierung in seinem Gutachten vom 17. November 1987 zusammenfassend dahingehend Stellung, daß ein Vergleich der ermittelten Beurteilungspegel mit den festgelegten Grenzwerten zeige, daß sowohl bei Tag als auch bei Nacht mit keiner Grenzwertüberschreitung zu rechnen sei. Zwecks Hintanhaltung einer Überschreitung durch einzeln auftretende Spitzen wurde gegenüber der Neuntmitbeteiligten die Errichtung eines Schallhindernisses in der Mindesthöhe von 2,5 m entlang der gemeinsamen Grundgrenze als zweckmäßig erachtet. Wieweit dies jedoch aus gesundheitlichen Gründen notwendig sei bzw. die ermittelten Beurteilungspegel Einwirkungen auf Menschen haben, sollte von einem Amtsarzt begutachtet werden. Aus lärmtechnischer Sicht bestehe gegen die Errichtung der Wohnhausanlage kein Einwand.

Von den weiteren Verfahrensschritten sei das vom Zweitbeschwerdeführer vorgelegte Gutachten des Institutes für örtliche Raumplanung der Technischen Universität Wien vom 26. November 1987 erwähnt, in welchem der Gutachter die Art der vorgesehenen Verbauung als Fortschritt beurteilte und der Meinung Ausdruck gab, daß auf jeden Fall dem aktuelleren Planungsinstrument zu folgen sei, also dem Entwurf zum Bebauungsplan, auch wenn dieser noch nicht in Rechtskraft erwachsen sei. Auf Grund seiner architektonischen Qualität würde das Bauvorhaben einen markanten Beitrag zur Schaffung eines charakteristischen Ortsbildes darstellen, bei der vorhandenen Bebauung könne von einem charakteristischen Ortsbild nicht gesprochen werden. Der Ansicht der Sachverständigen des Amtes der NÖ Landesregierung, der ca. 45 m lange Verbindungsweg zwischen öffentlichem Gut und den vorgesehenen Parkplätzen könne lediglich als Wohnweg angesehen werden, sei nicht zu folgen. Im gegenständlichen Fall handle es sich um eine Fahnenparzelle mit eigenem Anschluß an das öffentliche Gut mittels Zufahrtsstreifen, nicht aber um einen Wohnweg im Sinne einer öffentlichen Verkehrsfläche nach § 6 Abs. 4 der NÖ Bauordnung. Der Umstand, daß durch die vorhandene Bebauung auf beiden Seiten der Einmündung ins öffentliche Gut die Sicht fast gänzlich genommen sei, könne keinesfalls als berechtigter Einwand gegen das Bauvorhaben vorgebracht werden, sondern sei dies ein Mangel, der im Falle der Gesetzwidrigkeit von der Gemeinde in jedem Falle zu beseitigen sei.

Der Vertreter des Zweitbeschwerdeführers nahm in Äußerungen sowohl zur Berufung als auch zu den eingeholten Gutachten Stellung.

In seiner Sitzung vom 3. Dezember 1987 beschloß der Gemeinderat der Erstbeschwerdeführerin, das Projekt entsprechend der NÖ Bauordnung und den Bebauungsvorschriften bzw. dem bereits vorliegenden Gutachten ergänzen und berichtigen zu lassen. Seitens des Zweitbeschwerdeführers sei telefonisch die "Zustimmung zur Berichtigung" gegeben worden.

In der Folge nahm ein technischer Amtssachverständiger des Amtes der NÖ Landesregierung in einem Gutachten vom 1. Februar 1988 zur Frage der Geruchsemissionen betreffend Senkgrube und Abwasserbeseitigung und der Kfz-Emissionen Stellung. Bezüglich der Fäkalienbeseitigung schloß der Sachverständige Geruchsbelästigungen nicht aus, doch sei deren Intensität stark von den technischen Bedingungen bei der Abholung beeinflußt und könne daher nicht prognostiziert werden. Die Schadstoffimmissionen durch den Kfz-Verkehr lasse eine Überschreitung des Stickstoff-Immissionsgrenzwertes nach dem NÖ Luftreinhaltegesetz befürchten. Immissionen an Kohlenwasserstoffen würden schon bei Zu- und Abfahrt eines Kfz Konzentrationen erreichen, bei denen Geruchsbelästigungen nicht ausgeschlossen werden könnten. Insgesamt ergebe sich, daß durch die Errichtung und Benützung der Senkgrube und des Parkplatzes eine Geruchsbelästigung sowie eine gesetzlich normierte Immissionskonzentration überschritten werden würde. Welche hygienische Bedeutung der zu erwartenden Beeinträchtigung beigemessen werden müsse, sollte Gegenstand eines medizinischen Gutachtens sein.

Der beigezogene Gemeindearzt erklärte, die Lärmentwicklung durch startende und bremsende Autos, zugeschlagene Autotüren und andere auf Parkplätzen übliche Geräusche würden seines Erachtens keine unzumutbare Belästigung für die Anrainer darstellen. Lärmwände zum Schutz der Anrainer sowohl am Parkplatz als auch entlang der Zufahrtswege seien zu befürworten, jedoch nicht unbedingt erforderlich. Gesundheitliche Schädigungen durch Lärmentwicklung seien nicht zu erwarten. Auch die Abgabe (gemeint Abgase) stellten bei den vorherrschenden Luft- und Windverhältnissen keine gesundheitliche Gefährdung dar. Erläuternd sei festgestellt, daß es in der Gemeinde viele verkehrs-, lärm- und abgasintensivere Wohngegenden gäbe, ohne daß die Bewohner dieser Regionen faßbare gesundheitliche Schäden davongetragen hätten oder davontragen. Bezüglich der Senkgrube müsse bei der Entleerung selbstverständlich mit einem Minimum an Geruchsbelästigung gerechnet werden, doch handle es sich um ein Provisorium für die nächsten sieben Jahre (bis zum Kanalanschluß). Für einen begrenzten Zeitraum scheine die Belastung für Anrainer und Umwelt noch zumutbar. Eine gesundheitliche Schädigung sei trotz der erhobenen Einwände nicht zu erwarten.

Zur Wahrung ihrer Rechte wurden die Parteien des Verfahrens sodann am 8. Februar 1988 für 11. Februar 1988 ins Gemeindeamt geladen, "um die im AVG 1950 vorgesehene Möglichkeit der Kenntnisnahme der Beweisaufnahme zu erhalten". Am 11. Februar 1988 wurden sodann ein korrigierter Plan sowie die Gutachten den Parteien zur Kenntnis gebracht. Der Vertreter der Mitbeteiligten ersuchte um Einräumung einer angemessenen Frist zur Abgabe einer Stellungnahme und verwies im übrigen auf eine schriftlich erstattete Äußerung. Insbesondere sei eine entsprechende Überprüfung des ärztlichen Gutachtens und gegebenenfalls die Einholung eines weiteren Gutachtens notwendig. Im übrigen sei eine Überprüfung des gesamten Änderungsplanes, insbesondere hinsichtlich der Höhenkoten und des Kamines, notwendig. Zur Abgabe einer Stellungnahme wurde eine Frist bis 17. Februar 1988 eingeräumt. Sowohl die Mitbeteiligten als auch der Zweitbeschwerdeführer erstatteten Äußerungen.

Im Akt erliegt ein Änderungsplan, der vom Planverfasser am Jänner 1988 unterfertigt wurde, wobei der Aktenlage nicht entnommen werden kann, wann dieser Plan der Baubehörde vorgelegt wurde. Dieser Plan, den sowohl der Bauwerber als auch der Grundeigentümer unterfertigt haben, unterscheidet sich in vielfacher Hinsicht vom Einreichplan; insbesondere dadurch, daß nunmehr insgesamt vier Gebäude auf dem Grundstück errichtet werden sollen, die weiter als bisher von den Grundstücksgrenzen abgerückt sind. Wie ein Vergleich des Einreichplanes mit dem Änderungsplan zeigt, unterscheiden sich die Pläne voneinander nicht nur durch die äußere Gestaltung und die verschiedene Situierung der Gebäude auf dem Grundstück, sondern auch in zahlreichen weiteren Details. Zur Frage der Zulässigkeit einer solchen Projektsänderung im Berufungsverfahren haben die Mitbeteiligten und der Zweitbeschwerdeführer in den zuletzt erwähnten Äußerungen ausdrücklich Stellung genommen.

In seiner Sitzung vom 18. Februar 1988 beschloß der Gemeinderat der Erstbeschwerdeführerin mehrheitlich, die Berufung entsprechend einem vorliegenden Entwurf als unbegründet abzuweisen. In Ausfertigung des Sitzungsbeschlusses erging sodann der Bescheid der Gemeinde vom 22. Februar 1988. Umfangreich wurde begründet, aus welchen Erwägungen der Gemeinderat das nunmehr geänderte Projekt als mit den von ihm anzuwendenden Bauvorschriften übereinstimmend beurteilt. Zur Frage der Zulässigkeit der Projektsänderung wurde insbesondere darauf verwiesen, daß die Baubehörde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für den Fall, daß ein Widerspruch des Bauvorhabens zu den gesetzlichen Bestimmungen durch eine Modifikation (Projektsänderung) aus der Welt geschafft werden kann, den Bauwerber zu einer Projektsänderung aufzufordern hat. Eine Änderung des Bauvorhabens, die überwiegend dem Zweck dient, einem bei der Bauverhandlung festgestellten zwingenden gesetzlichen Erfordernis oder dem Einwand eines Nachbarn zu entsprechen, könne im gegebenen Zusammenhang nicht als erheblich gewertet werden. Eine Grenze finde dieser Grundsatz dort, wo die Änderung das Wesen des Bauvorhabens betreffe. Dieses Wesen bleibe unberührt, wenn das geänderte Bauvorhaben weiterhin demselben Zweck diene, nämlich der Errichtung eines bestimmten Hauses in annähernd der Lage des ursprünglichen Projektes. Zur Frage des Widerspruches des Bauvorhabens zu § 120 der NÖ Bauordnung wurde festgehalten, daß eine solche Prüfung nur notwendig sei, wenn kein Flächenwidmungsplan oder Bebauungsplan vorhanden sei. Da ein rechtskräftiger Flächenwidmungsplan und Bebauungsbestimmungen aus dem Jahre 1961 bzw. Bebauungsrichtlinien aus dem Jahre 1984 aufliegen, entfalle ein derartiges Begutachtungsverfahren.

Gegen diesen Berufungsbescheid erhoben die Nachbarn Vorstellung an die NÖ Landesregierung, in der sie im wesentlichen die bisherigen Argumente wiederholten. Zu dieser Vorstellung nahm der Zweitbeschwerdeführer in seiner Äußerung vom 12. Juli 1988 Stellung.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 18. August 1988 gab die NÖ Landesregierung der Vorstellung Folge, behob den Berufungsbescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat. Nach kurzer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens begründete die Gemeindeaufsichtsbehörde ihre Entscheidung damit, daß vom Bauwerber der Baubehörde zweiter Instanz im Zuge des ergänzenden Ermittlungsverfahrens im Jänner 1988 Auswechslungspläne ohne Ansuchen vorgelegt worden seien. Ein Austausch der Pläne im Zuge des Berufungsverfahrens sei im vorliegenden Fall schon deshalb unzulässig, weil das Bauvorhaben in wesentlichen Punkten anders gestaltet werden soll, und zwar 1. durch Veränderung der Situierung der Baukörper auf dem Grundstück, womit eine Veränderung der Abstände zu den Grundgrenzen sowie der Baukörper zueinander verbunden sei, 2. durch Änderung der Baukörperformen im Grundriß sowohl geometrisch (kreisringförmiger Baukörper aufgeteilt auf zwei rechteckige) als auch größenmäßig, 3. durch Änderung der Raumfiguration in den einzelnen Wohnungen, insbesondere Top 1, 4, 5, 5a, 6, 7 und 8, 4. durch Veränderung der äußeren Erscheinungsform (Fassaden, Dachform) 5. durch Nichtausführung des Kinderhauses und schließlich 6. durch lagemäßige Änderung der Schmutzwasserkanalisation. Es könne also nicht mehr von "derselben Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG 1950 ausgegangen werden, sondern es liege ein "aliud" vor (in diesem Zusammenhang wird auf Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen). Die Behandlung eines solchen aliud sei im Berufungsverfahren unzulässig, da den Berufungswerbern dadurch eine Instanz genommen werde. Eingeleitet werde ein Baubewilligungsverfahren stets auf Antrag dessen, der ein bestimmtes Bauvorhaben ausführen oder dieses wesentlich abändern will. Das sei das Charakteristikum eines antragsbedürftigen Verwaltungsaktes. Der Bauwerber sei Herr des Verfahrens, das gegen seinen Willen nicht durchgeführt werden könne. Im vorliegenden Fall sei die Baubehörde ohne Antrag des Bauwerbers, lediglich auf Grund eines Auswechslungsplanes tätig geworden. Durch diese Vorgangsweise habe die Baubehörde zweiter Instanz nach Auffassung der Aufsichtsbehörde gegen zwingende Bestimmungen der NÖ Bauordnung 1976 verstoßen, sodaß der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit behaftet und dadurch eine Verletzung von Rechten der Mitbeteiligten eingetreten sei. Darüber hinaus habe die Baubehörde zweiter Instanz entgegen der zwingenden Bestimmung des § 99 Abs. 1 leg. cit. keine mündliche Verhandlung über die geplante Projektsänderung, in deren Verlauf ein Augenschein vorzunehmen sei, abgehalten und folglich auch keine Beweise durch Sachverständige im Sinne des § 99 Abs. 2 leg. cit. aufgenommen. Es hätten demnach keine Feststellungen darüber getroffen werden können, ob das Bauvorhaben den sanitätspolizeilichen, feuerpolizeilichen und baupolizeilichen Vorschriften oder der bestehenden Bebauung entspreche. Darin liege eine weitere Mangelhaftigkeit des bisherigen Verfahrens. Im Gemeindegebiet von G existierten Bebauungsvorschriften aus den Jahren 1961 und 1984, die lediglich aus einem Textteil und nicht auch aus einem Planteil bestünden. Diese würden als vereinfachter Bebauungsplan im Sinne der NÖ Bauordnung 1976 gelten. Es wäre daher im Sinne des § 120 Abs. 3 des Gesetzes der mögliche Widerspruch des Bauvorhabens zur bestehenden Bebauung zu prüfen. Diese Frage hätte nur auf Grund eines schlüssigen Gutachtens eines bautechnischen Sachverständigen gelöst werden können. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordere die Prüfung dieser Frage vorerst die Abgrenzung des Gebietes, welches als Maßstab herangezogen werden soll, und sodann die Aufnahme des vorhandenen Baubestandes innerhalb dieses Gebietes. Nach weiteren Ausführungen erachtete die Gemeindeaufsichtsbehörde die bisher eingeholten Gutachten durch das abgeänderte Bauvorhaben als überholt. Im weiteren Verfahren würden auch diese Gutachten zu aktualisieren sein. Aus diesen Ausführungen ergebe sich, daß im Verfahren mehrfach gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen (Vorliegen eines aliüd, Verfahren ohne Antrag, Unterlassung des obligatorischen Ortsaugenscheines bzw. der Aufnahme des Beweises durch Sachverständige) verstoßen worden sei und demnach Rechte der Mitbeteiligten auf ein gesetzmäßiges Verfahren verletzt worden seien. Bei dieser Sach- und Rechtslage sei der Vorstellung Folge zu geben und der angefochtene Bescheid zu beheben gewesen. Im fortgesetzten Verfahren werde es Aufgabe der Baubehörde zweiter Instanz sein, der Berufung der Einschreiter Folge zu geben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung an die Baubehörde erster Instanz zu verweisen. Diese werde sodann eine neue Entscheidung zu treffen haben.

In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde beantragt die Erstbeschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Sie erachtet sich in ihrem Recht auf Selbstverwaltung nach der Gemeindeordnung, insbesondere in dem Recht auf Bestätigung ihres Berufungsbescheides verletzt.

Der Zweitbeschwerdeführer beantragt gleichfalls, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Nach den Ausführungen zum Beschwerdepunkt sieht sich der Beschwerdeführer in seinem Recht, auf dem Grundstück 504/3 KG X ein Mehrfamilienhaus in der modifizierten Form auf Grund der Bescheide der Gemeindebehörden zu errichten, verletzt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat zunächst beschlossen, die beiden Beschwerden im Hinblick auf den gegebenen sachlichen und persönlichen Zusammenhang zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden; inhaltlich hat der Gerichtshof darüber sowie über die von der belangten Behörde und den mitbeteiligten Parteien erstatteten Gegenschriften erwogen:

Wie schon in der Sachverhaltsdarstellung angeführt, ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, daß die bei ihr angefochtene Berufungsentscheidung mehrfach gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen verstoßen habe und dadurch Rechte der mitbeteiligten Nachbarn verletzt worden seien. Zunächst erblickte die Gemeindeaufsichtsbehörde eine Rechtswidrigkeit des Berufungsverfahrens darin, daß die Berufungsbehörde ohne Antrag des zweitbeschwerdeführenden Bauwerbers auf Grund eines Auswechslungsplanes tätig geworden sei.

Dieser Auffassung hält der Zweitbeschwerdeführer in seiner Beschwerde zutreffend entgegen, daß die Auswechslungspläne auf Wunsch der Baubehörde zweiter Instanz vorgelegt worden seien, sodaß ein separates Ansuchen um Bewilligung dieser Auswechslungspläne nicht notwendig gewesen sei. Es sei daher kein Verfahren ohne Antrag des Zweitbeschwerdeführers durchgeführt worden. Auch die Gemeinde hebt in ihrer Beschwerde hervor, daß dem Bauwerber aufgetragen worden sei, Änderungen seines Bauansuchens vorzunehmen. Diesem Auftrag sei der Bauwerber durch die Vorlage der Auswechslungspläne nachgekommen, sodaß es sich sohin um kein neues Ansuchen gehandelt habe. Die Bauordnung sehe das Institut des Planwechsels vor, weshalb es unerklärlich sei, warum der Bauwerber seine Pläne nicht auch während des Bauverfahrens abändern könne. Im übrigen habe die Änderung des Bauvorhabens überwiegend dem Zweck gedient, neben zwingenden gesetzlichen Erfordernissen auch Einwendungen der Anrainer zu entsprechen. Ein zusätzlicher Antrag des Bauwerbers für das Tätigwerden der Baubehörde sei daher nicht erforderlich gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich der eben dargestellten Auffassung der Beschwerdeführer an, läßt doch das durchgeführte Berufungsverfahren eindeutig erkennen, daß der Bauwerber im Hinblick auf den in der Sachverhaltsdarstellung erwähnten Beschluß des Gemeinderates die Baupläne zwecks Anpassung an die NÖ Bauordnung 1976 und die in Verordnungsform geltenden Bauvorschriften der Gemeinde ändern ließ, um so im Rahmen des Berufungsverfahrens allfällige Versagungsgründe aus der Welt zu schaffen. Tatsächlich hat der beschwerdeführende Bauwerber auch den sogenannten Änderungsplan unterfertigt, sodaß kein Zweifel darüber bestehen konnte, welchem Zweck die Planvorlage dient. Im Hinblick auf die ursprüngliche Antragstellung vor der Baubehörde erster Instanz war eine ausdrückliche neuerliche Antragstellung im Zuge des Berufungsverfahrens nicht erforderlich, war doch durch die Vorlage des Anderungsplanes klargestellt, daß dieser der Berufungsentscheidung zugrundegelegt werden sollte. Die Annahme der belangten Behörde, daß ein Verfahren ohne Antrag durchgeführt worden sei, erweist sich daher als rechtsirrig. Da der dieser Annahme zugrundeliegenden Rechtsanschauung der belangten Behörde aber für das fortgesetzte Verfahren bindende Wirkung zukäme, war der angefochtene Bescheid allein schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Eine weitere Rechtswidrigkeit des letztinstanzlichen Gemeindebescheides erblickte die Gemeindeaufsichtsbehörde darin, daß die Grenzen einer zulässigen Modifikation des Bauvorhabens im Rahmen des Berufungsverfahrens überschritten worden seien. Die beschwerdeführenden Parteien behaupten in ihren Beschwerden, daß auch in dieser Beziehung die belangte Behörde einem Rechtsirrtum unterlegen sei. Diesem Vorbringen kommt keine Berechtigung zu.

Nach § 66 Abs. 4 AVG 1950 hat die Berufungsbehörde außer in dem im Abs. 2 erwähnten Fall (Mangelhaftigkeit des unterinstanzlichen Verfahrens und Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung), sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Dies bedeutet, daß die Berufungsbehörde nur über eine solche Angelegenheit zu entscheiden befugt ist, die den Gegenstand des unterinstanzlichen Verfahrens gebildet hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat nun in seiner langjährigen Rechtsprechung den Begriff "Sache" im Rahmen eines baubehördlichen Bewilligungsverfahrens nicht derart eng ausgelegt, daß dem Bauwerber jede Projektsänderung im Zuge des Berufungsverfahrens verwehrt wäre. Nach dem Erkenntnis vom 5. Oktober 1964, Slg N.F. Nr. 6449/A, ist die Berufungsbehörde sogar verpflichtet, den Bauwerber zu einer Änderung seines Bauvorhabens aufzufordern, wenn ein Versagungsgrund durch eine Modifikation des Bauansuchens beseitigt werden kann, ja die Berufungsbehörde darf nur dann das ganze Vorhaben ablehnen, wenn sich der Bauwerber weigert, eine entsprechende Änderung seines Projektes vorzunehmen. Die Berufungsbehörde hat in der Begründung ihres Bescheides zu Recht auf diese Rechtsprechung Bezug genommen. Die Möglichkeit der Änderung von Bauvorhaben im Berufungsverfahren ist aber anderseits durch § 66 Abs. 4 AVG 1950 insoweit beschränkt, als es sich noch um dieselbe "Sache" handeln muß. In dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis vom 27. März 1980, Slg. N.F. Nr. 10083/A, hat der Verwaltungsgerichtshof einen Tausch der Pläne im Zuge des Berufungsverfahrens deshalb als unzulässig beurteilt, weil nicht nur das Bauvorhaben betreffend Zubauten in wesentlichen Punkten anders gestaltet werden sollte, sondern auch der baubehördlich bewilligte Altbestand in mehrfacher Hinsicht dem vorgelegten Austauschplan zufolge geändert werden sollte, sodaß nicht mehr von derselben Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG 1950 ausgegangen werden konnte. In seinem Erkenntnis vom 18. März 1980, Zl. 2841/79, hat der Gerichtshof ausgeführt, daß das in den Bauplänen dargestellte konkrete Projekt dann nicht als ein anderes (aliud) zu beurteilen ist, wenn im Zuge des Berufungsverfahrens Modifikationen erfolgten, welche - nach Art und Ausmaß geringfügig - dem Zweck dienen, das Projekt (zur Gänze) den gesetzlich festgelegten Bewilligungsvoraussetzungen anzupassen. Im damaligen Beschwerdefall handelte es sich um eine Einschränkung (Reduktion) des Antrages betreffend zweier Erker durch Verringerung ihrer Größe im Hinblick auf die Vorschriften des § 84 Abs. 2 der Bauordnung für Wien. Zur Bauordnung für Wien erging etwa auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Jänner 1986, Zl. 85/05/0145, BauSlg. Nr. 621, in welchem der Gerichtshof eine Projektsänderung, welche sich als Umbau darstellte, als unzulässige Modifikation des Bauvorhabens beurteilte. Besondere Bedeutung für das vorliegende Verfahren gewinnt das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. April 1987, Zl. 86/06/0253, BauSlg. Nr. 914, in welchem der Verwaltungsgerichtshof die damals vorgenommenen Projektsänderungen im Zuge des Berufungsverfahrens als unzulässig beurteilte, obwohl auf dem zu verbauenden Bauplatz weiterhin zwei Wohngebäude mit einer bestimmten Bausubstanz errichtet werden sollten. Der Verwaltungsgerichtshof wies damals darauf hin, daß es schon ein Vergleich der Lagepläne der beiden Projekte eine wesentlich verschiedene Konfiguration zeige, eine völlig andere Anordnung der Baukörper sowie andere Abstände zu den Grundgrenzen. Damals war im Berufungsverfahren das Projekt darüber hinaus dahingehend abgeändert worden, daß ein weiteres Geschoß sowie eine wesentlich größere Gebäudehöhe geplant wurde, als sie von der Baubehörde erster Instanz seinerzeit bewilligt worden war. Wenngleich die letzteren Ausführungen im vorliegenden Beschwerdefall nicht gelten, weil der zweitbeschwerdeführende Bauwerber im wesentlichen dieselbe Baumasse zum Gegenstand seiner Projektsänderung gemacht hat, ist doch durch die gravierende Veränderung der Baukörper ihrer Lage und Zahl nach, durch die Veränderung der äußeren Erscheinungsformen und der inneren Raumeinteilungen des Projektes dieses in so mannigfacher Weise geändert worden, daß auch nach Auffassung des Gerichtshofes nicht mehr von derselben Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG 1950 die Rede sein kann. Die Ansicht der Erstbeschwerdeführerin, daß das Wesen des Bauansuchens, nämlich die Errichtung einer Mehrfamilienhausanlage, nicht geändert worden sei und somit kein aliud vorliege, scheint dem Gerichtshof verfehlt, weil die hier vorgenommenen vielfachen und wesentlichen Änderungen des Projektes doch in Wahrheit zu einer neuerlichen Prüfung des Bauvorhabens hätten führen müssen, wie die belangte Behörde im Ergebnis zutreffend auch in ihrer Gegenschrift ausführt. Auch der Hinweis in der Beschwerde, daß die NÖ Bauordnung 1976 das Institut des Planwechsels kennt, besagt nichts über die Frage der Zulässigkeit von Ptojektsänderungen nach § 66 Abs. 4 AVG 1950.

Der Zweitbeschwerdeführer behauptet in seiner Beschwerde zwar, daß das ursprünglich eingereichte Bauvorhaben durch die Auswechslungspläne in den wesentlichen Punkten nicht anders gestaltet worden sei, doch trifft dies nicht zu, wie schon ein Vergleich der beiden Lagepläne zeigt, ein Umstand, auf den auch die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend Bezug nimmt. Daß alle vorgenommenen Änderungen ausschließlich dem Ziele dienten, den Einwendungen der mitbeteiligten Nachbarn entgegenzukommen, denen dadurch keinerlei Nachteile erwachsen seien, vermag in diesem Zusammenhang zu keiner anderen Entscheidung zu führen, weil die Grenze zulässiger Projektsänderungen nach § 66 Abs. 4 AVG 1950 im oben aufgezeigten Sinne überschritten wurde. In diesem Sinne haben die Mitbeteiligten in ihrer Gegenschrift zutreffend der Meinung Ausdruck gegeben, die hier vorgenommenen Abänderungen seien so weitgehend, daß zweifellos nicht mehr von derselben Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG 1950 gesprochen werden könne.

War aber auf Grund der dargelegten Erwägungen die Berufungsbehörde für die Erledigung des abgeänderten Bauprojektes gar nicht mehr zuständig, so hätte im Sinne des zitierten Erkenntnisses vom 23. April 1987 klargestellt werden müssen, ob der Bauwerber trotz dieser Beurteilung der Rechtslage an dem geänderten Projekt weiterhin festhält und ob er das ursprüngliche Bauansuchen (zusätzlich) aufrecht erhält oder zurückzieht. Keinesfalls aber hätte die Berufungsbehörde in einem solchen Fall, wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides meint, ein neuerliches Bauverfahren durchführen dürfen. Ob bisher eingeholte Gutachten als überholt anzusehen sind, wie es die belangte Behörde weiters in der Begründung des angefochtenen Bescheides zum Ausdruck bringt, hängt davon ab, ob in dieser Beziehung überhaupt eine Projektsänderung vorgenommen wurde, was etwa hinsichtlich der Zufahrt gar nicht der Fall ist. Im Hinblick auf die Unzulässigkeit der Projektsänderung hätte aber die Berufungsbehörde, wie erwähnt, ein ergänzendes Verfahren im Sinne der Ausführungen der belangten Behörde gar nicht durchführen dürfen. Die Vorgangsweise der Berufungsbehörde, die mitbeteiligten Nachbarn kurzfristig über die Projektsänderung zu informieren und ohne neuerliche Beiziehung zumindest eines technischen Amtssachverständigen den Berufungsbescheid zu erlassen, widerspricht allerdings mehrfach zwingenden gesetzlichen Bestimmungen, wie die belangte Behörde zutreffend darlegte.

Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage erübrigte sich eine nähere Auseinandersetzung mit der weiteren Begründung des angefochtenen Bescheides schon deshalb, weil bereits die zunächst aufgezeigte Rechtsirrigkeit der Ansicht der belangten Behörde im Hinblick auf deren Bindung für das fortgesetzte Verfahren auf Gemeindeebene zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG führen mußte. Auf die sonstigen Gründe des angefochtenen Bescheides war deshalb nicht einzugehen, weil sie unter diesen Umständen nicht als tragende und daher als nicht gesondert anfechtbar anzusehen sind und somit als Teile des aufgehobenen Bescheides für das fortgesetzte Verfahren keine Bindungswirkung entfalten können.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG sowie auf die Verordnung BGBl. Nr. 243/1985. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die Nichtzuerkennung der den pauschalierten Schriftsatzaufwand übersteigenden Umsatzsteuer sowie nicht erforderliche Stempelgebühren.

Wien, am 21. Februar 1989

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