VwGH 92/17/0122

VwGH92/17/012218.9.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde des JP in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 29. November 1991, Zl. Ib-8483/1-1991, betreffend Aussetzung des Verfahrens in Angelegenheit einer Getränkesteuerfestsetzung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde W), den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §66 Abs4;
B-VG Art119a Abs5;
VwGG §34 Abs1;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art119a Abs5;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 30. Dezember 1990 stellte der Beschwerdeführer an die mitbeteiligte Gemeinde den "Antrag auf Korrektur der Getränkesteuererklärungen ... für den Zeitraum vom 1.1.1988 bis 30.12.1990" mit der Begründung, daß ein Großteil (zwischen 80 und 90 vH) der bei ihm gekauften Spirituosen und Getränke nicht im Ort konsumiert werde. Die beigelegte Aufstellung ist (im Gegensatz dazu) mit "Korrektur der Getränkesteuererklärungen für den Zeitraum vom 1.1.1988 bis 30.9.1990" unterschrieben; auch in der Aufstellung der Beträge ist zuletzt ein Zeitraum vom "1.1.1990 bis 30.9.1990" genannt.

Abschließend beziffert der Beschwerdeführer sein "Guthaben" mit S 194.646,60.

Ohne zunächst ausdrücklich über diesen Antrag zu entscheiden, setzte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 29. März 1991 gegenüber dem Beschwerdeführer aufgrund einer Getränkesteuerprüfung für die Zeit vom 1. Jänner 1987 bis 31. Dezember 1989 einen Nachforderungsbetrag von Getränkesteuer in Höhe von S 3.845,-- zuzüglich eines 2 vHigen Säumniszuschlages fest.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung mit der Begründung, da er in den letzten Jahren "mehr als zuviel" an Getränkesteuer bezahlt habe, ersuche er, den Differenzbetrag aus der Getränkesteuerprüfung samt Säumniszuschlag von seiner "Gutschrift" abzuziehen.

Mit "Berufungsvorentscheidung" vom 6. September 1991 entschied der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde über die Berufung gegen den Bescheid vom 29. März 1991 wie folgt:

"1. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

2. Das Mehrbegehren auf Berichtigung der Getränkesteuererklärungen für den Zeitraum 1.1.1988 bis 30.12.1990 wegen nicht in der Gemeinde W verbrauchter Getränke wird als unbegründet abgewiesen".

Mit Schriftsatz vom 2. Oktober 1991 erhob der Beschwerdeführer sowohl "gegen die Berufungsvorentscheidung vom 6. September 1991 ... mit welchem der Bürgermeister der Gemeinde W über die Berufung vom 24.4.1991 entschieden hat," als auch "hinsichtlich der Abweisung des Mehrbegehrens über meinen Antrag vom 6.12.1990" (richtig offenbar: 30.12.1990) jeweils Berufung.

Mit Bescheid vom 8. November 1991 sprach der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde gemäß § 212 der Tiroler Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 34/1984, die Aussetzung "des" Berufungsverfahrens aus. In der Einleitung dieses Bescheides heißt es:

"Herr JP ... hat bei der Gemeinde W einen Antrag auf Festsetzung der Getränkesteuer unter Berücksichtigung des Außerortsverbrauches für den Zeitraum vom 01.01.1988 bis 31.12.1990 gestellt.

Der Bürgermeister der Gemeinde W hat diesen Antrag mit

Bescheid vom 29.03.1991 ... und mit Berufungsvorentscheidung

vom 06.09.1991 ... als unbegründet abgewiesen. Herr JP hat

dagegen Berufung erhoben."

Nach der Begründung dieses Bescheides sei bereits ein "Musterprozeß" beim Amt der Tiroler Landesregierung anhängig, welcher zur Abklärung der verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 9 Abs. 2 des Tiroler Getränke- und Speiseeissteuergesetzes, LGBl. Nr. 102/1973, idF LGBl. Nr. 54/1991 (Tir GetrStG 1973), führen solle.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Vorstellung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die Tiroler Landesregierung der Vorstellung Folge, hob den angefochtenen Bescheid auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand. Dies im wesentlichen mit der Begründung, einer Aussetzung des Berufungsverfahrens aus dem Grunde der für die Berufungsentscheidung präjudiziellen Abklärung der verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 9 Abs. 2 Tir GetrStG.1973 sei an sich nicht entgegenzutreten. Dem Beschwerdeführer werde aber auch eine restliche Getränkesteuer in Höhe von S 3.845,-- zuzüglich Säumniszuschlag angelastet, wogegen er berufen habe. Im ausgesetzten Berufungsverfahren werde schließlich über die gesamte Getränkesteuer abzusprechen sein. Vor diesem Hintergrund müsse die Berufung gleichzeitig als Stundungsansuchen angesehen werden. Im Vordergrund des Begehrens stehe der Wunsch nach einer Entscheidung über den "Außerortsanteil" und nach einer Verrechnung mit demselben. Eine erhebliche Härte könnte mit der sofortigen Entrichtung der Abgabe für den Beschwerdeführer schon damit verbunden sein, daß im Falle einer für ihn günstigen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes nicht nur die Rückerstattung des vorerst fälligen Betrages an restlicher Getränkesteuer samt Säumniszuschlag zu erwarten wäre. Trotz der in ziffernmäßiger Hinsicht eher geringfügigen Höhe der "fällig gestellten" restlichen Getränkesteuer samt Säumniszuschlag erscheine daher eine mit der Aussetzung des Berufungsverfahrens Hand in Hand gehende Stundung als gerechtfertigt. Indem die Abgabenbehörde in die nach § 212 Abs. 1 TLAO vorgesehene Abwägung der Interessen der Partei diese Überlegungen nicht miteinbezogen habe, habe sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.

Diesen Bescheid bekämpfte der Beschwerdeführer zunächst vor dem Verfassungsgerichtshof, der jedoch mit Beschluß vom 24. Februar 1992, B 50/92, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen in seinen Rechten dadurch verletzt, daß eine Aussetzung des Berufungsverfahrens nicht hätte stattfinden dürfen. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Vorweg ist folgendes festzuhalten:

Der Antrag des Beschwerdeführers vom 30. Dezember 1990 bezog sich trotz des irreführenden Wortlautes "für den Zeitraum vom 1.1.1988 bis 30.12.1990" lediglich auf einen Zeitraum bis zum 30. SEPTEMBER 1990, wie sich aus der zweimaligen Anführung des letztgenannten Datums in der Beilage zum Antrag ergibt.

Der Bescheid des Bürgermeisters vom 29. März 1991 war - ungeachtet der hier nicht zur entscheidenden Frage, ob die Festsetzung eines Nachforderungsbetrages rechtlich zulässig war - hinsichtlich des Zeitraumes vom 1. Jänner 1988 bis 31. Dezember 1989 gleichzeitig als Abweisung des Antrages vom 30. Dezember 1990 zu werten, weil hinsichtlich dieses vom Antrag wie vom Bescheid umfaßten Zeitraumes die Getränkesteuerfestsetzung nicht (wie beantragt) herabgesetzt, sondern im Betrag der Nachforderung sogar erhöht wurde. Insoweit ist in der "Berufungsvorentscheidung" vom 6. September 1991 richtig von einem "Mehrbegehren" die Rede, wenngleich dieses "Mehrbegehren" zutreffenderweise nur den Zeitraum vom 1. Jänner bis 30. September 1990 umfaßte.

Nun war es zwar verfehlt, daß der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den Abspruch über den Antrag vom 30. Dezember 1990 im zuletzt genannten Umfang gleichfalls in die äußere Form der Berufungsvorentscheidung kleidete. Dies verschlägt jedoch nichts, weil es sich inhaltlich (gleichfalls) um einen Abspruch erster Instanz handelte, zu welchem der Bürgermeister auch sachlich zuständig war. Das Vergreifen in der äußeren Form, insbesondere auch die einleitende Formulierung: "Der Bürgermeister der Gemeinde W entscheidet über die Berufung ... gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 29.3.1991 ..." schadete hiebei nichts. Der Beschwerdeführer hat gegen diesen Teil der Entscheidung auch richtigerweise Berufung erhoben; im restlichen Umfang war der Berufungsschriftsatz als Vorlageantrag zu werten.

Der Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 8. November 1991 über die Aussetzung "des" Berufungsverfahrens schließlich bezog sich auf BEIDE Berufungen in ihrem GESAMTEN Umfang. Dies - trotz der oben wiedergegebenen Einleitung des Bescheides vom 8. November 1991 - schon deshalb, weil der Bescheid vom 29. März 1991 hinsichtlich des festgesetzten Nachforderungsbetrages, der sich auch auf den Zeitraum vom 1. Jänner 1987 bis 31. Dezember 1988 bezieht, unteilbar ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erstreckt sich die Bindung an die von einer Vorstellungsbehörde in der Begründung ihres aufhebenden Vorstellungsbescheides geäußerte Rechtsansicht nur auf jenen Teil der Begründung, der die Aufhebung trägt. Jene Teile der Begründung, die darlegen, in welchen Punkten und aus welchen Gründen nach Auffassung der Aufsichtsbehörde Rechte des Vorstellungswerbers nicht verletzt worden sind, lösen keinerlei bindende Wirkung aus, weil sie den aufhebenden Spruch nicht tragen. Nur dann, wenn die Aufsichtsbehörde einen die Aufhebung tragenden Grund anders beurteilt hat als der Vorstellungswerber, ist er berechtigt und zur Wahrung seines Rechtsstandpunktes genötigt, diesen Bescheid anzufechten, obwohl dem Spruch nach festgestellt wurde, daß der Vorstellungswerber in seinen Rechten verletzt worden ist (vgl. etwa den hg. Beschluß vom 23. Mai 1991, Zl. 88/17/0013, und das Erkenntnis vom 14. August 1991, Zl. 91/17/0061, sowie die dort jeweils angeführte weitere Rechtsprechung).

Der Beschwerdeführer wendet sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht gegen die Richtigkeit der von der belangten Behörde vorgenommenen Aufhebung des Bescheides des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde aus den im angefochtenen Bescheid genannten Gründen; er bekämpft den Bescheid der Aufsichtsbehörde lediglich mit der Begründung, daß im Sinne des § 212 TLAO weitaus überwiegende Interessen des Beschwerdeführers der verfügten Aussetzung entgegengestanden seien, sodaß die Aussetzung nicht rechtmäßig erfolgt sei. Die Beschwerde richtet sich sohin nur gegen jenen Teil der Begründung des angefochtenen Bescheides, der die Aufhebung nicht trägt und der daher keine Bindungswirkung entfaltet.

Der Beschwerdeführer konnte daher durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht nicht verletzt werden, weshalb die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff in Verbindung mit Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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