VwGH 95/09/0027

VwGH95/09/002720.4.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des B in F, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 30. November 1994, Zl. 42/18-DK/44/94, betreffend Einleitungsbeschluß in einem Disziplinarverfahren, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §109 Abs1;
BDG 1979 §109 Abs3;
BDG 1979 §110 Abs1;
BDG 1979 §118 Abs1;
BDG 1979 §123 Abs1;
BDG 1979 §123 Abs2;
VStG §44a Z1;
BDG 1979 §109 Abs1;
BDG 1979 §109 Abs3;
BDG 1979 §110 Abs1;
BDG 1979 §118 Abs1;
BDG 1979 §123 Abs1;
BDG 1979 §123 Abs2;
VStG §44a Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Gendarmeriebeamter (Gruppeninspektor) in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Republik Österreich (Bund), er ist im Bereich des Landesgendarmeriekommandos für Vorarlberg tätig.

Die Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit erstattete am 7. November 1994 gegen den Beschwerdeführer Disziplinaranzeige wegen Vornahme von Falscheintragungen im Fahrtenbuch für das Dienst-Kfz Kennzeichen Nr. BG nnnn. Der Beschwerdeführer sei verdächtig, solche Urkundenfälschungen von März 1992 bis Juli 1994 vorgenommen zu haben. Dieser Vorwurf wurde in einer Ergänzung zur Anzeige vom 25. November 1994 hinsichtlich von vier datummäßig genannten Falscheintragungen zurückgenommen, weil zu diesen Zeiten nicht der Beschwerdeführer, sondern ein anderer Beamter gefahren sei. Weiters sei der Beschwerdeführer verdächtig, am 25. Juli 1994 vor der Dienstbehörde eine falsche Beweisaussage betreffend die Einhaltung der Dienstzeit und über angebliche Kontrolltätigkeiten seines damaligen Vorgesetzten Oberst W abgelegt zu haben.

Ebenfalls am 7. November 1994 erstattete die Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit wegen der beiden genannten Vorwürfe auch Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Feldkirch.

Aus einer vom Beschwerdeführer der nunmehrigen Beschwerde angeschlossenen Beilage geht hervor, daß die Disziplinaranzeige dem Beschwerdeführer am 28. November 1994 zugestellt worden ist.

Mit Spruchpunkt I des nunmehr angefochtenen Bescheides vom 30. November 1994 - nur gegen diesen Spruchpunkt richtet sich die Beschwerde - beschloß die belangte Behörde, gegen den Beschwerdeführer gemäß § 123 Abs. 1 BDG 1979 ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Der Beschwerdeführer werde beschuldigt, er habe

" 1. über Anweisung des Landesgendarmeriekommandanten Oberst

W im Fahrtenbuch für das Dienst-Kfz BG nnnn im Zeitraum von März 1992 bis Juli 1994 Falscheintragungen vorgenommen und

2. bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 25. Juli 1994 im Bundesministerium für Inneres, Gendarmeriezentralkommando, hinsichtlich der von Oberst W eingehaltenen Dienstzeiten und über die angeblichen Kontrolltätigkeiten im Zuge von Fahrten vom und zum Dienst befragt, falsch ausgesagt";

er stehe deshalb im Verdacht,

"über seine strafrechtliche Verantwortlichkeit hinaus, seine Dienstpflichten nach den §§ 43 Abs. 1 und 2 sowie 44 Abs. 1 BDG 1979 hinsichtlich der Verpflichtung zur gewissenhaften Beachtung der geltenden Rechtsordnung und zur Erhaltung des Vertrauens der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben sowie zur Befolgung von Weisungen iVm den §§ 8 Abs. 1, 12 Abs. 7 sowie 18 Abs. 2 Kfz-Vorschrift für die Bundesgendarmerie im Sinne des § 91 BDG 1979 schuldhaft verletzt zu haben."

In der Begründung des angefochtenen Bescheides stützte sich die belangte Behörde auf die Disziplinaranzeige vom 7. November 1994 sowie auf die Nachtragsanzeige vom 25. November 1994 samt den dazugehörigen Beilagen, die dem Beschwerdeführer gemäß § 109 Abs. 3 BDG 1979 zugestellt worden seien.

Zum Anschuldigungspunkt 1 nahm die belangte Behörde Bezug auf die Aussage des Oberstleutnant M und auf die Angaben des Beschwerdeführers über im Privatinteresse des Landesgendarmeriekommandanten unternommene Fahrten mit dem Dienst-Kfz, über deren Dauer und Zweck im Fahrtenbuch unrichtige Angaben gemacht worden seien. Ab 1992 sei der Beschwerdeführer der dafür eingesetzte Fahrer gewesen. Laut Erhebungsergebnis ergebe sich dazu, daß Oberst W mit den in den Fahrtenbüchern ausgewiesenen Fahrten 1991 jeden zweiten Tag, in den Jahren 1992 und 1993 fast jeden Tag im Raum Feldkirch/Gisingen - wo er und auch der Beschwerdeführer wohnhaft gewesen seien - mit dem Dienst-Kfz unterwegs gewesen sei. Entgegen den Behauptungen des Oberst W sei es damals nahezu zu keinen Dienstkontrollen und zu keiner Teilnahme an Dienstbesprechungen oder Postenunterrichten während der Fahrten zwischen Bregenz und Feldkirch gekommen. Besonders hob die belangte Behörde noch eine am 12. Jänner 1994 vorgenommene Falscheintragung im Fahrtenbuch hervor, die vom Beschwerdeführer stamme.

Zum Anschuldigungspunkt 2 stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer sei am 25. Juli 1994 niederschriftlich bezüglich der Einhaltung der Dienstzeit durch Oberst W befragt worden. Dazu habe er angegeben, daß Oberst W um ca. 7.50 Uhr das Landesgendarmeriekommando betrete und die Dienststelle grundsätzlich um 16.00 Uhr verlasse. Nach Vorhalt dem widersprechender Aussagen habe der Beschwerdeführer seine Angaben aufrecht erhalten und nur hinzugefügt, daß es in seltenen Fällen vorgekommen sei, daß der Landesgendarmeriekommandant erst um ca. 09.00 Uhr eingetroffen sei. Auch habe der Beschwerdeführer behauptet, Oberst W habe im Zuge von Fahrten von Feldkirch nach Bregenz teilweise an Frühbesprechungen bei Gendarmerieposten und am Postenunterricht bei Dienststellen teilgenommen. Dies sei von anderen Zeugen nicht bestätigt worden.

In rechtlicher Hinsicht erläuterte die belangte Behörde in der Begründung ihres Einleitungsbeschlusses die Vorschriften, deren Verletzung der Beschwerdeführer durch sein Verhalten verdächtig sei.

Gegen diesen Einleitungsbeschluß richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten "auf Wiedergabe eines konkreten Tatvorwurfs im Tenor des Einleitungsbeschlusses, d.h. auf Individualisierung und Konkretisierung des Tatverdachtes und der angeblichen Tat, auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens nur auf Grund eines dringenden und konkreten Tatverdachtes (der Falscheintragung in ein Fahrtenbuch bzw. der falschen Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde) und auf Gewährung des rechtlichen Gehörs" verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 91 BDG 1979 ist der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, nach diesem Abschnitt (d.h. dem neunten Abschnitt des BDG 1979) zur Verantwortung zu ziehen.

Nach § 123 Abs. 1 BDG 1979 hat der Vorsitzende der Disziplinarkommission nach Einlangen der Disziplinaranzeige die Disziplinarkommission zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der Dienstbehörde im Auftrag der Disziplinarkommission durchzuführen. Gegen die Einleitung des Disziplinarverfahrens ist gemäß dem zweiten Satz des § 123 Abs. 2 BDG 1979 kein Rechtsmittel zulässig.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben Ermittlungen der Disziplinarbehörde vor der Einleitung des Disziplinarverfahrens das Ziel, zu klären, ob die Voraussetzungen für die Einleitung gegeben sind oder ob allenfalls offenkundige Gründe für eine sofortige Verfügung der Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen. Für die Einleitung des Verfahrens reicht es aus, wenn genügende Verdachtsgründe gegen den Beamten vorliegen, die die Annahme einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Die Disziplinarkommission muß bei Fällung eines Einleitungsbeschlusses noch nicht völlige Klarheit darüber haben, ob ein bestimmter Beamter eine Dienstpflichtverletzung begangen hat; dies ist in dem der Einleitung des Verfahrens nachfolgenden Ermittlungsverfahren aufzuklären. Ebensowenig muß im Einleitungsbeschluß das dem Beamten zur Last gelegte Verhalten bereits abschließend rechtlich gewürdigt werden. Die dem Einleitungsbeschluß nach § 123 BDG 1979 zukommende rechtliche Bedeutung ist in erster Linie darin gelegen, dem beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird, was insbesondere für die Frage einer allfälligen Verjährung von ausschlaggebender Bedeutung ist. Für den Einleitungsbeschluß kommen die Bestimmungen des § 58 Abs. 1 und 2 AVG insofern zur Anwendung, als er - neben der Rechtsmittelbelehrung - einen Spruch und eine Begründung zu enthalten hat. Im Spruch des Einleitungsbeschlusses ist das dem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten, das als Dienstpflichtverletzung erachtet wird, nur in groben Umrissen zu beschreiben. Die einzelnen Fakten müssen nicht bestimmt, d. h. in den für eine Subsumtion relevanten Einzelheiten beschrieben werden. In der Begründung des Einleitungsbeschlusses ist darzulegen, warum sich nach dem geschilderten Verhalten der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung ergibt (vgl. auch dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Oktober 1993, Zl. 93/09/0163, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, die gegen ihn im angefochtenen Einleitungsbeschluß erhobenen Vorwürfe seien überhaupt nicht konkretisiert und individualisiert. Dieser Auffassung vermag sich der Verwaltungsgerichtshof unter Bedachtnahme auf die oben dargestellte Rechtslage nicht anzuschließen.

Der Vorwurf, im Fahrtenbuch innerhalb eines kalendermäßig abgegrenzten Zeitraumes Falscheintragungen vorgenommen zu haben, ist konkret genug, um den Beschwerdeführer vor einer nochmaligen Verfolgung eines derartigen Verstoßes im angegebenen Tatzeitraum zu schützen; auf der anderen Seite genügt die von der belangten Behörde im Spruch des Einleitungsbeschlusses verwendete Formulierung aber auch zur Klarstellung, ob und inwieweit allenfalls die gegen den Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfe verjährt sind oder nicht. Ob, wie oft und an welchen Tagen im einzelnen Falscheintragungen im Fahrtenbuch durch den Beschwerdeführer tatsächlich vorgenommen worden sind, wird im weiteren Disziplinarverfahren zu klären sein. Unrichtig ist jedenfalls die in der Beschwerde vertretene Auffassung, dieser Vorwurf habe nur inzwischen wieder zurückgenommene Fakten sowie jenes Faktum vom 12. Jänner 1994 umfaßt; einzelne Fakten wurden vielmehr nur "beispielsweise" in der Disziplinaranzeige angeführt.

Für die Einleitung des Disziplinarverfahrens war - was die sachverhaltsmäßige Grundlage im Verdachtsbereich betrifft - die mit Beweismitteln belegte Disziplinaranzeige, die dem Beschwerdeführer auch vor der Einleitung des Verfahrens zugestellt wurde, ausreichend. Die Disziplinarkommission ist nach dem Gesetz nicht gezwungen, vor Erlassung des Einleitungsbeschlusses über die Disziplinaranzeige hinausgehende Ermittlungen durchführen zu lassen. In dieser Phase des Verfahrens ist nur zu klären, ob die Voraussetzungen für die Einleitung gegeben sind oder ob allenfalls offenkundige Gründe für eine sofortige Einstellung des Disziplinarverfahrens (§ 118 Abs. 1 BDG 1979) vorliegen. Für die Einleitung des Verfahrens reicht es aus, wenn genügende Verdachtsgründe gegen den Beamten vorliegen, welche die Annahme einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Über die Disziplinaranzeige hinausgehende Ermittlungen werden vor der Einleitung des Verfahrens daher nur im Zweifelsfall notwendig sein (vgl. dazu etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Mai 1994, Zl. 94/09/0043, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Mit seinem Beschwerdevorbringen zu einzelnen Tagen im dem Einleitungsbeschluß zugrunde liegenden Tatzeitraum vermag der Beschwerdeführer somit den Einleitungsbeschluß nicht wirksam zu bekämpfen. Es wird ihm aber im weiteren Verfahren Gelegenheit zu geben sein, zu jeder im einzelnen als falsch erachteten Eintragung im Fahrtenbuch während des Tatzeitraumes Stellung zu nehmen, sie allenfalls zu bestreiten und seine Beweismittel für das Nichtvorliegen von Falscheintragungen vorzubringen. Dies gilt auch für den nur in der Begründung des Einleitungsbeschlusses erhobenen (für die Tatsache einer Falscheintragung allerdings nicht entscheidenden) Vorwurf, mit diesen Eintragungen hätten sich die Täter einen "Bonus erwirtschaftet".

In ähnlicher Weise vermag die Beschwerdebehauptung, auch der Anschuldigungspunkt 2. werde "in sich zusammenfallen", den gegen den Beschwerdeführer aus der Disziplinaranzeige abgeleiteten Vorwurf noch nicht zu entkräften, es bestehe der Verdacht, der Beschwerdeführer habe in seiner Aussage am 25. Juli 1994 über die Einhaltung der Dienstzeiten durch Oberst W sowie über dessen angebliche Kontrolltätigkeiten unrichtige Angaben gemacht. Es bleibt dem Beschwerdeführer unbenommen, auch diesen Verdacht im weiteren Disziplinarverfahren zu entkräften.

Es wird daher der vorliegende Einleitungsbeschluß der Anforderung, klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzungen das Disziplinarverfahren eingeleitet wird und damit die Verfolgungsverjährung ausgeschlossen ist, gerecht. Die in der Disziplinaranzeige enthaltenen, durch Beilagen erhärteten Tatsachen reichten nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes für die auf Grund dieser Angaben getroffenen Annahme der belangten Behörde aus, gegen den Beschwerdeführer liege ein für die Einleitung des Disziplinarverfahrens ausreichender TatVERDACHT vor. Der Beschwerdeführer irrt, wenn er meint, er könne bereits in dieser Phase des Verfahrens eine umfassende Klärung der ihm im Verdachtsbereich vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen herbeiführen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. März 1994, Zl. 93/09/0259).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

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