VwGH 95/01/0030

VwGH95/01/00306.9.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Dolp und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des F in A, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Dezember 1994, Zl. 4.345.217/1-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnB;
FlKonv Art32;
FlKonv Art33 Abs2;
FlKonv Art43;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnB;
FlKonv Art32;
FlKonv Art33 Abs2;
FlKonv Art43;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Dezember 1994 wurde in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25. Oktober 1994 der am 17. Oktober 1994 gestellte Asylantrag des Beschwerdeführers - eines Staatsangehörigen "der Jugosl. Föderation" albanischer Nationalität aus dem Kosovo, der am 6. Oktober 1994 in das Bundesgebiet eingereist ist - abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Die belangte Behörde ist in der Begründung des angefochtenen Bescheides abschließend zu dem Ergebnis gelangt, daß dem Beschwerdeführer kein Asyl habe gewährt werden können, weil er "einerseits mangels wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung nicht Flüchtling im Sinne des § 1 Ziffer 1 Asylgesetz 1991" sei und er "andererseits bereits vor" seiner "Einreise nach Österreich in sogenannten sicheren Drittstaaten aufhältig" gewesen sei, sodaß § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. zur Anwendung komme. Dem Beschwerdeführer ist wohl zuzugeben, daß es auf Grund der Annahme der belangten Behörde, es liege der genannte Ausschließungsgrund vor, für sie nicht erforderlich gewesen wäre, auch noch auf die Frage seiner Flüchtlingseigenschaft einzugehen (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. März 1994, Zlen. 94/01/0161, 0162). Sie war aber rechtlich nicht gehindert, das Vorliegen sämtlicher für eine Asylgewährung gemäß § 3 Asylgesetz 1991 notwendigen Voraussetzungen unabhängig voneinander einer Beurteilung zu unterziehen und dem Beschwerdeführer die Gewährung von Asyl aus beiden Gründen zu versagen. Die daraus abgeleitete Rechtsansicht des Beschwerdeführers, der diese Vorgangsweise der belangten Behörde als "inkonsequent" bezeichnet, der Verwaltungsgerichtshof hätte "primär zu prüfen, ob die dem angefochtenen Bescheid innewohnende Auffassung, daß der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt nicht ausreichend sei, um zugunsten des Beschwerdeführers die Flüchtlingseigenschaft i.S.d. § 1 Z. 1 AsylG zu begründen, dem Gesetz entspricht", und im Falle der unrichtigen Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft durch die belangte Behörde "allein schon deshalb" den angefochtenen Bescheid aufzuheben, ist verfehlt. Es liegt nämlich dieser Ansicht des Beschwerdeführers die rein hypothetische Überlegung zugrunde, daß die belangte Behörde dem Asylantrag im Falle der Bejahung seiner Flüchtlingseigenschaft stattgegeben und sich mit der Frage der Verfolgungssicherheit nicht mehr auseinandergesetzt hätte. Der Beschwerdeführer unterliegt hiebei einem Rechtsirrtum, wenn er meint, daß "keine Verpflichtung der Behörde besteht, die Bestimmung des § 2 Abs. 2 Z. 3 anzuwenden", ergibt sich doch aus § 3 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Asylgesetz 1991 ausdrücklich das Gegenteil. Der Umstand, daß die belangte Behörde trotz Annahme der Verfolgungssicherheit auch die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers geprüft hat, hat nicht zwangsläufig zur Folge, daß sich die Kontrolle des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof jedenfalls auf diesen Begründungsteil zu erstrecken hätte. Dem Gerichtshof bleibt es unbenommen, die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides auf das Vorliegen einer der Tatbestandsvoraussetzungen für eine Asylgewährung - egal, auf welche von ihnen - zu beschränken, sofern sich nicht herausstellt, daß die Annahme der belangten Behörde, es sei die betreffende Voraussetzung nicht gegeben, dieser Überprüfung nicht standhält und sich alleine aus diesem Grunde die Beschwerde nicht als unbegründet erweist. Für den Standpunkt des Beschwerdeführers wäre dann nichts zu gewinnen und daher keine Rechtsverletzung zu erblicken, wenn er zwar als Flüchtling anzusehen wäre, jedoch von einem Ausschließungsgrund zu Recht Gebrauch gemacht wurde, wie dies auch umgekehrt gilt.

2. Die belangte Behörde hat auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens - unter Mitberücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers bei seiner ergänzenden niederschriftlichen Vernehmung am 14. Dezember 1994 - zur Frage der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers ausdrücklich festgestellt, daß er am 1. August 1992 auf Ersuchen der Kommission des albanischen Kulturministeriums in seinem Haus einen Unterrichtsraum für eine albanische Mittelschule zur Verfügung gestellt habe und am 1. September 1992 mit dem Unterricht begonnen worden sei. Am 25. September 1992 sei er von zwei Polizisten auf die Polizeistation gebracht, bezüglich des Unterrichtes verhört und in der Folge bewußtlos geschlagen worden, "bis" er am nächsten Tag gegen 8.00 Uhr entlassen worden sei. Am 27. September 1992 sei er erneut verhaftet und aufgefordert worden, die für die albanische Bevölkerung zuständigen Unterrichtspersonen bekanntzugeben. Auf Grund seiner diesbezüglichen Weigerung habe er sich daraufhin bis 25. November 1992 in Haft befunden. Nach seiner Entlassung sei er regelmäßig von der Polizei beobachtet, doch erst am 25. Mai 1993 erneut verhaftet worden. In dieser Zeit seien auch seine Frau und seine Mutter geschlagen und belästigt worden. Am 1. September 1993 sei er abermals verhaftet, jedoch, wie am 25. Mai 1993, nach seiner Einvernahme am selben Tag wieder entlassen worden. Ab diesem Zeitpunkt sei die Polizei regelmäßig in sein Haus gekommen, wobei am 1. August 1994 seine Mutter und seine Tochter mißhandelt und er selbst wieder verhaftet worden seien. Er sei nach der Einvernahme wieder entlassen worden, worauf er den Entschluß gefaßt habe, "wegzugehen", zumal ihm eine gerichtliche Voruntersuchung angedroht worden sei.

Demnach hat die belangte Behörde den Angaben des Beschwerdeführers, was den von ihm im Zusammenhang mit seinen Fluchtgründen geschilderten Sachverhalt betrifft, vollinhaltlich Glauben geschenkt. Sie hat es aber auf Grund dieses Sachverhaltes nicht gemäß § 3 Asylgesetz 1991 als glaubhaft erachtet, daß der Beschwerdeführer Flüchtling sei, er sich also gemäß § 1 Z. 1 leg. cit. aus wohlbegründeter Furcht, aus einem der in dieser Gesetzesstelle angeführten Gründe verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befinde und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sei, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Wenn die belangte Behörde zur Begründung ihrer Ansicht darauf hingewiesen hat, daß der Beschwerdeführer trotz seiner am 25. September 1992 beginnenden Schwierigkeiten mit der Polizei noch nahezu zwei Jahre in seinem Heimatland verbracht habe, und sie daraus geschlossen hat, daß die von ihm dargestellte Bedrohung objektiv gesehen nicht so massiv gewesen sei, daß er subjektiv tatsächlich ernsthafte Furcht vor weiterer Verfolgung gehabt habe, so kann unerörtert bleiben, warum der Beschwerdeführer nicht schon früher, vor allem bereits im Jahre 1992, sein Heimatland verlassen hat. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang lediglich, ob im Zeitpunkt seiner Ausreise (am 3. September 1994, nachdem sich der Beschwerdeführer ab 1. August 1994 versteckt gehalten hatte) noch ein zeitlicher Konnex zu den von ihm behaupteten Fluchtgründen bestanden hat (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0216, mit weiteren Judikaturhinweisen). Dieser war aber eindeutig durch den Vorfall vom 1. August 1994 gegeben, womit dem Beschwerdeführer jedenfalls bewußt geworden sein mußte, daß die gegen ihn schon bisher auf Grund seiner ethnischen Zugehörigkeit ergriffenen, zum Teil nicht bloß geringfügigen Maßnahmen keineswegs aufgehört hatten, sondern vielmehr in Hinkunft noch in verstärktem Maße zu erwarten seien.

Die Ansicht der belangten Behörde, die gegen die Familienangehörigen des Beschwerdeführers gerichteten Eingriffe der Polizei seien für die Beurteilung seines Asylantrages unerheblich, da diesbezüglich nur konkret gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlungen von Bedeutung seien, treffen zumindest hinsichtlich seiner Tochter deshalb nicht zu, weil nicht zweifelhaft sein kann, daß auf diese Weise der Beschwerdeführer selbst getroffen werden sollte (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/01/0285). Dazu kam, daß ihm deshalb nunmehr weitere, gegen ihn gerichtete Schritte, diesmal sogar auf gerichtlicher Ebene, angedroht wurden. Daß damit die Verfolgung des Beschwerdeführers nicht eine solche Intensität erreicht habe, daß aus objektiver Sicht ein weiterer Aufenthalt in seinem Heimatland für ihn unerträglich geworden sei, hat die belangte Behörde nicht hinreichend begründet, zumal sie - wie der Beschwerdeführer mit Recht rügt - hiebei überdies auf die allgemeine politische Lage der Albaner im Kosovo hätte Bedacht nehmen müssen. Dazu wäre sie ungeachtet des Umstandes, daß der Beschwerdeführer die "aktuellen realpolitischen Verhältnisse" im Kosovo erst in der Berufung und auch hier nur ganz allgemein angesprochen hat, im Hinblick darauf, daß schon dem erstinstanzlichen Vorbringen des Beschwerdeführers deutliche Hinweise auf seine asylrechtlich relevante Verfolgung zu entnehmen waren, von sich aus verpflichtet gewesen, weshalb sie sich nicht, ohne diese Verhältnisse in ihre Überlegungen miteinzubeziehen, diesbezüglich auf die Aussage, daß sie "dennoch sich aus der niederschriftlichen Einvernahme konkret ergebende Zweifel an vorgebrachten Umständen haben kann, wie dies eben teilweise der Fall ist", hätte zurückziehen dürfen. Schließlich spricht auch nicht der von der belangten Behörde angeführte Umstand, daß der Beschwerdeführer bei der Erstvernehmung zwar erwähnt habe, eine Verpflichtungserklärung von tschechischen Verwandten erhalten zu haben (worauf er ausgereist sei), er aber hiebei "den offenkundig aufklärungsbedürftigen Umstand der Paßausstellung verschwiegen" und erst in der Berufung vorgebracht habe, den Reisepaß nur gegen Bestechung eines Beamten erhalten zu haben, - abgesehen davon, daß er dazu gar nicht befragt wurde - nicht dagegen, daß der Beschwerdeführer auf Grund des von ihm dargestellten (und, wie gesagt, von der belangten Behörde ebenso festgestellten) Sachverhaltes tatsächlich eine asylrechtlich relevante Verfolgung zu befürchten gehabt habe (und weiterhin habe). Die belangte Behörde hätte daher ohne entsprechende weitere Begründung nicht davon ausgehen dürfen, daß dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 nicht zukommt.

3. Die belangte Behörde hat weiters auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers, wonach er über Ungarn, die Slowakei, Tschechien und abermals die Slowakei nach Österreich eingereist sei, angenommen, daß er bereits in diesen drei Ländern vor Verfolgung sicher gewesen sei. Die von ihr vorgenommene Auslegung des Begriffes der "Verfolgungssicherheit" gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Dessen ist sich auch der Beschwerdeführer bewußt, der ausführlich gegen diese Rechtsprechung Stellung bezieht. Die vom Beschwerdeführer für seinen Standpunkt ins Treffen geführte Argumentation ist aber nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes insgesamt nicht geeignet, eine andere rechtliche Beurteilung herbeizuführen, weshalb auch keine Veranlassung besteht, davon abzugehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256, dargelegt, daß es für die Annahme der Verfolgungssicherheit genügt, daß der Asylwerber im Drittstaat keiner Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt war und auch wirksamen Schutz vor Abschiebung in den Verfolgerstaat hatte, dies unter Bezugnahme auf die entsprechenden Gesetzesmaterialien (RV 270 BlgNr 18. GP), und von einer Verfolgungssicherheit nicht erst dann gesprochen werden kann, wenn der Aufenthalt des Asylwerbers den Behörden des betreffenden Staates bekannt war und von ihnen geduldet oder gebilligt wurde. In der Folge hat der Verwaltungsgerichtshof, darauf aufbauend, insbesondere in seinem Erkenntnis vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357, eingehend weitere Rechtsausführungen zur Frage der Verfolgungssicherheit gemacht. Dabei wurde ausdrücklich darauf abgestellt, daß ein Anspruch auf Asylgewährung besteht, wenn ein entsprechendes Sicherheitsbedürfnis gegeben ist, dieses aber dann weggefallen ist, wenn der Asylwerber nach Verlassen seines Heimatlandes, in dem er verfolgt zu werden behauptet, sich in einem anderen Staat - selbst nur im Zuge der Durchreise - befunden hat und diese Sicherheit bereits dort hätte in Anspruch nehmen können. Demnach kommt es auch nicht auf den Ort der tatsächlichen "Fluchtbeendigung", sondern darauf an, daß der Flüchtende unter Bedachtnahme auf das (auf die Vermeidung weiterer Verfolgung ausgerichtete) Sicherheitsbedürfnis seinen "Fluchtweg" schon vor der Einreise nach Österreich hätte abbrechen können, was auch dann der Fall ist, wenn die "Verweildauer" im Drittland nur kurz bemessen war und dort kein "stationärer Aufenthalt" genommen wurde. Diese Auslegung steht mit dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 ("vor Verfolgung sicher war"), auf den sich der Beschwerdeführer beruft, nicht in Widerspruch, wurde doch hiebei nicht von einer bloßen "Schutzmöglichkeit" des Asylwerbers, sondern davon ausgegangen, daß eine seinem (allfälligen) Schutzbedürfnis (sollte er tatsächlich Flüchtling sein) entsprechende Sicherheit unabhängig davon, ob er sie auch tatsächlich in Anspruch genommen hat, dort bereits bestanden hat (vgl. dazu u.a. auch die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. März 1994, Zl. 94/01/0158, und vom 22. Juni 1994, Zl. 94/01/0402). Es "wäre" daher der betreffende Asylwerber nicht bloß vor Verfolgung sicher "gewesen", sondern er "war" es bereits während seines faktischen Aufenthaltes im Drittstaat, woran der Umstand, daß er diesen Aufenthalt vorzeitig beendet hat, nichts zu ändern vermag.

Der Ansicht des Beschwerdeführers, ein Asylwerber habe in einem anderen Staat "konkrete und effektive Verfolgungssicherheit" erst dann erlangt, "wenn er dort als Einzelperson die Gewißheit haben konnte, vor jenen Verfolgungsgefahren, derentwegen er sein Heimatland verlassen hat, geschützt zu sein", ist entgegenzuhalten, daß eine derartige, von ihm verlangte völlige "Gewähr" gewöhnlich überhaupt erst im Falle der Asylgewährung gegeben wäre, der Gesetzgeber aber nicht zum Ausdruck gebracht hat, daß erst in diesem Falle von Verfolgungssicherheit die Rede sein könne (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 1994, Zl. 94/01/0026). Der Beschwerdeführer meint allerdings, daß, "solange ein Flüchtling in einem bestimmten Staat kein Aufenthaltsrecht - auf welcher rechtlichen Grundlage auch immer - genießt, sondern Gefahr läuft, wieder ausgewiesen oder abgeschoben zu werden, die Bedrohung und Gefährdung, derentwegen der Flüchtling seinen Heimatstaat verlassen mußte, bzw. die mit dieser Verfolgung und der dadurch erzwungenen Flucht untrennbar verbundene Notlage fortbesteht". Richtig ist daran, daß es auch bei einer erteilten Aufenthaltsgenehmigung ohne Asylantragstellung (bzw. überhaupt der Möglichkeit hiezu) eine Verfolgungssicherheit geben kann (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Mai 1994, Zl. 93/01/1290, und die weitere dort angeführte Judikatur). Das bedeutet aber nicht, daß ohne Vorliegen einer solchen Genehmigung die Annahme der Verfolgungssicherheit nicht in Betracht käme, setzt doch diese - wie gesagt - nicht einmal die Kenntnis der Behörden dieses Staates vom Aufenthalt des Betreffenden voraus, abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer nicht behauptet, um eine solche Genehmigung angesucht zu haben, sodaß auch nicht ohne weiteres zu seinen Gunsten festgestellt werden könnte, daß er eine solche nicht erhalten hätte. Er hat sich dadurch, daß er Ungarn, Tschechien und die Slowakei wieder verlassen hat, jeglicher individuellen Überprüfung seiner Verfolgungssicherheit in diesen Ländern auf die von ihm begehrte Weise entzogen, weshalb auf die in diesen Ländern damals allgemein herrschenden Verhältnisse zurückgegriffen und von diesen auf die individuelle Situation des Beschwerdeführers geschlossen werden muß. Sprechen objektiv keine Umstände dafür, daß der Beschwerdeführer in diesen Ländern dann, wenn er dort geblieben wäre, ebenfalls verfolgt oder von dort in sein Heimatland abgeschoben worden wäre, so "war" er bereits vor Verfolgung (während der Zeit seines dortigen Aufenthaltes) sicher. Zur Ansicht des Beschwerdeführers, es müsse ein "andauernder (nicht nur vorübergehender) Verfolgungsschutz" vorgelegen sein, ist darauf hinzuweisen, daß zwar zu berücksichtigen wäre, wenn er damals auf Grund sich abzeichnender Ereignisse eine Gefahr in dieser Richtung konkret zu befürchten gehabt hätte, sich jedoch die Frage der Verfolgungssicherheit mangels weiteren Aufenthaltes des Beschwerdeführers in diesen Ländern für die Zeit danach nicht mehr stellen konnte, weshalb allfällige spätere Sachverhaltsänderungen, die der Beschwerdeführer im übrigen gar nicht geltend macht, in diesem Zusammenhang nicht mehr von Einfluß sein könnten (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Juni 1994, Zl. 94/01/0211). Aktuell würde die Frage des Verfolgungsschutzes erst wieder im Falle einer beabsichtigten Abschiebung des Beschwerdeführers in eines dieser Länder, welche Frage jedoch ausschließlich auf Grund der hiebei anzuwendenden fremdenpolizeilichen Vorschriften zu beurteilen wäre (vgl. außer dem zuletzt genannten Erkenntnis u.a. bereits jenes vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357).

Woraus der Beschwerdeführer im Zuge seiner grammatikalischen Auslegung ableitet, daß ein Flüchtling weiters erst dann in einem Drittstaat vor Verfolgung sicher gewesen sei, wenn er "im betreffenden Drittstaat auch in materieller Hinsicht menschenwürdige Lebensbedingungen vorfindet, die wenigstens die Befriedigung der elementarsten existentiellen Bedürfnisse erwarten lassen, also Lebensbedingungen, die ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen", bleibt unerfindlich. Derartige Umstände, die für den Beschwerdeführer dann vorliegen würden, wenn ein Flüchtling, selbst wenn er ein Aufenthaltsrecht genießt, "der Not, dem Hunger, der Obdachlosigkeit, der Krankheit und der Verelendung ausgesetzt wäre", sind ohne ursächlichen Zusammenhang mit einem der im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) angeführten Verfolgungsgründe im Heimatland ohne Bedeutung und müßten daher, wenn es um die Frage einer allfälligen Verfolgung im Drittstaat geht, gleichfalls unbeachtlich sein.

Wenn der Beschwerdeführer ausführt, daß "sich durch eine Gesetzesinterpretation, die sich am Gesamtsystem des österreichischen Asylrechtes orientiert, das durch die" von ihm vorgenommene "grammatikalische Gesetzesinterpretation gewonnene Auslegungsergebnis zusätzlich absichern läßt", und er dabei darauf verweist, daß "die besondere Schutzwürdigkeit des Flüchtlings untrennbar mit dem Flüchtlingsbegriff, wie ihn die Genfer Konvention definiert, verknüpft ist", so ist darauf zu erwidern, daß in der zitierten Vorjudikatur dieses Schutzbedürfnis nicht außer acht gelassen, sondern ihm ausschlaggebende Bedeutung beigemessen wurde. Daß der erforderliche "Mindeststandard an Verfolgungsschutz, der durch die Genfer Flüchtlingskonvention insgesamt gewährleistet werden soll", hiebei nicht gegeben wäre, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar, zumal von einer "rein theoretisch erlangbaren, fiktiven Verfolgungssicherheit, mit der einem Flüchtling nicht geholfen wäre", nicht die Rede sein kann.

Mit den bereits genannten Gesetzesmaterialien (RV 270 BlgNR 18. GP zu § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991) hat sich der Verwaltungsgerichtshof in dem schon erwähnten, grundlegenden Erkenntnis zur Zl. 93/01/0357 näher befaßt, sodaß gemäß § 43 Abs. 2 VwGG darauf verwiesen werden kann. Für den Standpunkt des Beschwerdeführers ist mit seiner weiteren Bezugnahme auf die einleitenden allgemeinen Ausführungen in diesen Materialien, worin ausdrücklich der Wille Österreichs bekräftigt werde, "auch in Hinkunft seine humanitäre Tradition fortzusetzen und nicht nur auf Grund seiner rechtlichen Verpflichtungen, sondern aus tiefster Überzeugung alle Verfolgten, die in Österreich Asyl suchen, einen sicheren Hafen zu gewähren", und "die Aufnahme von Verfolgten zum Selbstverständnis Österreichs gehört", ebenfalls nichts zu gewinnen. Es handelt sich nämlich hiebei um eine grundsätzliche Absichtserklärung, die insoweit nicht realisiert wurde, als ein "Verfolgter" bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war, weil demnach für ihn nicht mehr ein entsprechendes Schutzbedürfnis bestanden hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. März 1994, Zl. 94/01/0163).

Der Beschwerdeführer macht aber geltend, daß sich die Frage, ob er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher gewesen sei, "ohne entsprechende Ermittlungen und Sachverhaltsfeststellungen über die faktischen Verhältnisse im betreffenden Drittstaat hinsichtlich der Möglichkeit, dort Abschiebungsschutz zu erlangen, nicht beurteilen läßt", und er rügt, daß die belangte Behörde lediglich aus der Geltung der Genfer Flüchtlingskonvention in den betreffenden Staaten jeweils seine dort vorhandene Verfolgungssicherheit abgeleitet habe. Damit ist der Beschwerdeführer im Recht, hat doch die belangte Behörde keine ausreichenden Ermittlungen gepflogen, die ihre Annahme rechtfertigen könnten, diese Staaten hätten von ihrer effektiv geltenden Rechtsordnung her einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Schutz geboten. Solche Ermittlungen sind unterblieben, obwohl der Beschwerdeführer in der Berufung auf Grund der Annahme der Erstbehörde, er sei bereits in Tschechien und der Slowakei vor Verfolgung sicher gewesen, eine derartige Rüge erhoben hat. Der Beschwerdeführer wurde zwar am 14. Dezember 1994 ergänzend befragt, wobei er hiezu angegeben hat, er habe in Ungarn keinen Asylantrag stellen können, weil Ungarn in Nähe der jugoslawischen Grenze sei und es dort keine Sicherheit gebe. In Tschechien und in der Slowakei habe er ebenfalls keinen Asylantrag stellen können, da dies kommunistische Länder gewesen seien. Er sei dort nicht sicher gewesen und habe auch nicht gewußt, wie sich diese Staaten entwickeln würden. In Brünn habe er sich auf den illegalen Grenzübertritt nach Österreich vorbereitet und habe sich deshalb dort solange aufgehalten. Die belangte Behörde hat richtig erkannt, daß diese, nur auf der subjektiven Einschätzung des Beschwerdeführers beruhenden Umstände nicht geeignet waren, die Annahme seiner Verfolgungssicherheit zu entkräften. Dies hat sie aber nicht ihrer (zufolge Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991) von vornherein gegebenen Verpflichtung enthoben, die im allgemeinen in diesen Staaten beobachtete Vorgangsweise betreffend den Schutz von Flüchtlingen vor Rückschiebung in ihren Heimatstaat zur fraglichen Zeit zu ermitteln, dem Beschwerdeführer auch diesbezüglich Parteiengehör zu gewähren und ihren Bescheid unter Bedachtnahme auf dieses Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu begründen. Der Beschwerdeführer hat daher nach Maßgabe der ihn im Verwaltungsverfahren treffenden Mitwirkungspflicht, ohne daß es demnach noch einer weiteren Konkretisierung seines Vorbringens bedurft hätte, die Wesentlichkeit der der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmängel aufgezeigt (vgl. dazu des näheren das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413), und zwar ungeachtet dessen, daß er sich bei diesen seinen Ausführungen auch auf die von ihm vertretene, unrichtige Rechtsansicht, was unter dem Begriff der "Verfolgungssicherheit" in einem anderen Land zu verstehen sei, bezieht.

In diesem Zusammenhang führt der Beschwerdeführer zusätzlich ins Treffen, daß eine andere Auslegung zur Folge hätte, "daß de facto kein Flüchtling, der auf dem Landwege reist, in Österreich mehr Asyl erlangen könnte, nachdem Österreich allseits von Staaten umgeben ist, in denen die Genfer Flüchtlingskonvention in Geltung steht". Dieser Umstand spricht in den Fällen, in denen tatsächlich die Annahme der Verfolgungssicherheit in einem Drittstaat gerechtfertigt ist - wofür, wie vom Beschwerdeführer zutreffend aufgezeigt wurde, die Mitgliedschaft eines Staates zur Genfer Flüchtlingskonvention für sich allein noch nicht genügt -, grundsätzlich nicht gegen die bisher durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgte Auslegung (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 23. März 1994, Zl. 94/01/0163, und vom 21. September 1994, Zl. 94/01/0344). Wenn der Beschwerdeführer weiters meint, Art. 33 Abs. 1 der Konvention verschaffe einem Flüchtling "noch keine ausreichende Sicherheit und keinen ausreichenden Schutz vor Verfolgung", weil "der durch den Flüchtlingsbegriff der Genfer Flüchtlingskonvention gewährleistete Schutz wesentlich umfassender als jener ist, der aus dem Refoulment-Verbot des Art. 33 der Konvention erfließt", so übersieht er, daß zwar der Begriff der "Verfolgungssicherheit" miteinschließt, daß er wirksamen Schutz vor Abschiebung in den Verfolgerstaat hatte, darunter aber nur die Fälle verstanden werden können, in denen nicht die Genfer Flüchtlingskonvention selbst eine Ausnahme als gerechtfertigt ansieht, also die Ausweisung oder Zurückweisung eines Flüchtlings als zulässig erachtet (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. September 1994, Zl. 94/01/0190). Der Beschwerdeführer scheint auch bei seinen weiteren Ausführungen, auf die nicht mehr im einzelnen einzugehen ist, generell auf dem durch die Rechtslage nicht gedeckten Standpunkt zu stehen, daß die Gefahr der Abschiebung aus dem betreffenden Staat unabhängig vom Ergebnis einer dort auf ihre Richtigkeit hin vorzunehmenden Prüfung der Behauptung einer Person, Konventionsflüchtling zu sein, gebannt sein müßte, um erst von Verfolgungssicherheit sprechen zu können. Das ändert aber nichts daran, daß die belangte Behörde auch bei Heranziehung dieses Ausschließungsgrundes Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

4. Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte