VwGH 94/01/0163

VwGH94/01/016323.3.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde der M in R, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in E, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. Jänner 1994, Zl. 4.319.776/4-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der ihr angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich, daß mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. Jänner 1994, in Erledigung der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 17. Dezember 1991, ausgesprochen wurde, daß Österreich der Beschwerdeführerin - einer rumänischen Staatsangehörigen, die am 4. August 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 7. August 1991 den Asylantrag gestellt hat - kein Asyl gewähre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat der Beschwerdeführerin, ohne sich mit ihrer Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 auseinanderzusetzen, deshalb kein Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei der Beschwerdeführerin der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie ging von den Angaben der Beschwerdeführerin bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung am 7. August 1991, daß sie sich vom 3. bis 4. August 1991 in Ungarn aufgehalten habe, aus und befaßte sich in rechtlicher Hinsicht näher mit dem Begriff der "Verfolgungssicherheit" im Sinne der genannten Gesetzesstelle, wobei sie im wesentlichen - im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (beginnend mit dem Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256), auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - die Rechtslage richtig erkannt hat.

Nach der genannten Rechtsprechung ist - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - ohne Bedeutung, daß ihr "Asylinteresse im Hinblick auf ihre familiären Bindungen einzig und allein auf Österreich gerichtet war", zumal ihre Tochter und deren Familie schon seit längerem hier lebe, und sie "zur Verwirklichung dieses bekundeten Wunsches, nur in Österreich einen Asylantrag stellen zu wollen, jedoch auf Grund geographischer Gegebenheiten auf eine Reiseroute über Ungarn oder Ex-Jugoslawien (beides Zufluchtsstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention) angewiesen war". Die Beschwerdeführerin stellt demnach gar nicht in Abrede, daß sie in Ungarn die Gewährung von Asyl hätte beantragen können, und bringt damit auch nicht zum Ausdruck, daß bzw. aus welchen Gründen sie aus objektiver Sicht daran gehindert gewesen wäre (vgl. unter anderem die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Oktober 1993, Zl. 93/01/0257, und vom 24. November 1993, Zl. 93/01/1139). Umstände, die darauf schließen ließen, daß die Beschwerdeführerin auf dem Boden der bestehenden Rechtslage in Ungarn nicht vor Verfolgung sicher gewesen sei, hat sie konkret nicht geltend gemacht. Sie ist insbesondere auch nicht der Annahme der belangten Behörde entgegengetreten, es spreche nichts dafür, daß Ungarn - ein Mitgliedstaat der Genfer Flüchtlingskonvention, der es unter Beachtung deren Art. 43 bereits wirksam beigetreten war, als sich die Beschwerdeführerin dort aufgehalten hat (BGBl. Nr. 260/1992) - der sich aus Art. 33 der Konvention ergebenden völkerrechtlichen Verpflichtung zuwidergehandelt hätte.

Die Rechtsansicht der Beschwerdeführerin, der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 sei "auf Asylwerber, die einen Drittstaat, in dem sie Verfolgungssicherheit genießen, lediglich zwecks Durchreise passieren, nicht zur Anwendung zu bringen", widerspricht der hiezu ergangenen, bereits erwähnten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und ist im übrigen insofern inkonsequent, als die Beschwerdeführerin hiebei selbst davon ausgeht, daß sie in Ungarn Verfolgungssicherheit genossen hat, woran der Umstand, daß sie sich bloß auf der Durchreise befunden hat, nichts zu ändern vermag. Die Beschwerdeführerin bezieht sich für die von ihr vorgenommene Auslegung dieser Bestimmung auf die "in den Materialien deutlich artikulierten Zielsetzungen des Asylgesetzes, wonach "Österreich seine humanitäre Tradition fortsetzen und allen Verfolgten, die in Österreich Asyl suchen, einen sicheren Hafen gewähren wird", womit die Aufnahme Verfolgter zum österreichischen Selbstverständnis wird" (siehe die einleitenden allgemeinen Ausführungen in RV 270 BlgNR 18. GP), übersieht aber, daß es sich hiebei um eine grundsätzliche Absichtserklärung des Gesetzgebers handelt, die insoweit nicht realisiert wurde, als "ein Verfolgter" bereits in einem anderen Staat, der die Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention beachtet, vor Verfolgung sicher war, weil demnach für ihn nicht mehr ein entsprechendes (in den genannten Gesetzesmaterialien zu § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 angesprochenes) Schutzbedürfnis bestanden hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357). Dies ist der Beschwerdeführerin auch zu entgegnen, wenn sie sich in diesem Zusammenhang überdies auf den (in den genannten Gesetzesmaterialien zu § 17 Asylgesetz 1991 zu findenden) "Grundsatz "im Zweifel für den Asylwerber" im Sinne des Prinzips großzügiger Schutzgewährung" beruft, wozu noch kommt, daß diesbezüglich gar kein Zweifelsfall vorliegt. Daß "widrigenfalls Österreich seine Grenzen gegenüber jenen Verfolgungsstaaten (wie Rumänien), die aufgrund ihrer geographischen Lage eine Einreise nach Österreich im Direktweg nur über Mitgliedstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention ermöglichen, von vornherein schließen und eine Asylgewährung damit ausschließen würde", spricht in den Fällen, in denen tatsächlich die Annahme der Verfolgungssicherheit in einem solchen "Drittstaat" gerechtfertigt ist, nicht gegen die erfolgte Auslegung. Schließlich erweist sich auch der weitere Hinweis der Beschwerdeführerin auf die Gesetzesmaterialien (zu § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991), woraus sich ergebe, daß "der Zweck dieses Ausschlußgrundes lediglich darin besteht, ein unerwünschtes Zweitasyl zu verhindern", und "keine nomadisierenden Flüchtlingsströme geschaffen werden sollen, die von einem Land zum anderen reisen und dort jeweils Asyl suchen", als verfehlt. Mag dieser Umstand auch eine der (in den Materialien zum Ausdruck kommenden, höchst unterschiedlichen und teilweise schwer miteinander zu vereinbarenden) Intentionen des Gesetzgebers gewesen sein, so hat sie jedenfalls im Asylgesetz 1991, worauf es alleine ankommt, keinen Niederschlag gefunden (vgl. auch dazu das zuletzt zitierte Erkenntnis zur Zl. 93/01/0357).

War es demnach nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde den von ihr gebrauchten Ausschließungsgrund herangezogen hat, so erübrigte sich ein Eingehen auf die Frage der Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991, weshalb auch die Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde habe es unterlassen, insoweit "die Behauptungen der Beschwerdeführerin näher auf deren Richtigkeit zu überprüfen", unberechtigt ist.

Da somit der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, war dadurch entbehrlich.

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