VwGH 94/08/0185

VwGH94/08/01855.9.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde der C in G, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt, gegen den aufgrund des Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Steiermark vom 29. Juni 1994, Zl. IVc 7022 B-Dr. Puy/Fe, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stand vom 17. Mai 1993 - mit einer Unterbrechung vom 23. Juli bis 24. Juli 1993 - bis 17. Oktober 1993 beim Arbeitsamt Deutschlandsberg und vom 18. Oktober 1993 bis 15. Dezember 1993 beim Arbeitsamt Graz im Bezug des Arbeitslosengeldes. Mit Wirksamkeit vom 16. Dezember 1993 beantragte sie mit dem dafür vorgesehenen, mit 2. Jänner 1994 datierten Antragsformular die Zuerkennung der Notstandshilfe.

In einer undatierten, vor dem Arbeitsamt Graz aufgenommenen Niederschrift, bei der unter anderem die Beschwerdeführerin und "Herr L, Geschäftsführer" anwesend waren, heißt es, die Beschwerdeführerin sei laut Anzeige bei der Pension L seit Anfang November als Serviererin beschäftigt. Bei einer Überprüfung am 11. Jänner 1994, 10.00 Uhr, sei die Beschwerdeführerin auch am Arbeitsplatz angetroffen worden. Sie habe erklärt, dort, ohne etwas bezahlt zu bekommen, zu arbeiten. Dazu gebe die Beschwerdeführerin an: "Ich kenne Herrn L sehr lange und habe bei ihm ausgeholfen."

Daraufhin gab das Arbeitsamt mit Bescheid vom 2. Februar 1994 dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung der Notstandshilfe gemäß § 33 Abs. 1 in Verbindung mit den §§ 38 und 12 Abs. 1 AlVG mangels Arbeitslosigkeit keine Folge, und sprach mit einem weiteren Bescheid vom selben Tag aus, daß gemäß § 24 Abs. 1 in Verbindung mit den §§ 7 Z. 1 und 12 Abs. 3 lit. a AlVG das Arbeitslosengeld mangels Arbeitslosigkeit ab dem 1. November 1993 eingestellt werde. Begründet wurden die beiden Bescheide nach Zitierung der im jeweiligen Spruch genannten gesetzlichen Bestimmungen damit, daß die Beschwerdeführerin bei der Firma L in einem Dienstverhältnis, welches anzumelden gewesen wäre, gestanden sei.

Mit Bescheid vom 18. April 1994 sprach das Arbeitsamt aus, daß gemäß § 24 Abs. 2 AlVG der Bezug des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum vom 1. November 1993 bis 15. Dezember 1993 widerrufen werde und die Beschwerdeführerin gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes im Gesamtbetrag von S 10.301,-- verpflichtet werde. Begründet wurde die Entscheidung nach Zitierung der im Spruch genannten Bestimmungen damit, daß, wie das Ermittlungsverfahren ergeben habe, die Beschwerdeführerin die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung für den genannten Zeitraum zu Unrecht bezogen habe, weil sie bei der Firma L in einem Dienstverhältnis, welches anzumelden gewesen wäre, gestanden sei.

In der gegen den zuletzt genannten Bescheid erhobenen Berufung wandte die Beschwerdeführerin ein, sie habe bei der Firma L zwar ausgeholfen, aber nur ein bis zwei Tage in der Woche. Herr L sei ein guter Bekannter von ihr und habe einstweilige Personalprobleme gehabt. Sie habe dafür zwar S 200,-- bis S 300,-- bekommen, die aber ihres Wissens nach im Rahmen eines geringfügigen Nebenerwerbs möglich seien. Hätte sie die Folgen dieses Freundschaftsdienstes vorausgesehen, so hätte sie es bleiben lassen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge.

In der Bescheidbegründung ging die belangte Behörde aufgrund näherer Erwägungen davon aus, daß die Beschwerdeführerin im maßgeblichen Zeitraum in einem Dienstverhältnis zur Firma L gestanden sei und daraus einen Anspruch auf Entlohnung über der Geringfügigkeitsgrenze gehabt habe. Mangels Arbeitslosigkeit habe sie daher keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt und sei dieser Anspruch deshalb zu widerrufen gewesen. Da sie dieses Dienstverhältnis - entgegen ihrer Meldeverpflichtung - unbestrittenermaßen verschwiegen habe, sei sie auch zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in der genannten Höhe verpflichtet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde habe sie keinen Anspruchslohn gehabt, da sie nur Freundschaftsdienste geleistet habe. Abgesehen davon habe sie hiefür nur ein unter der Geringsfügigkeitsgrenze liegendes "Entgelt" erhalten. Bei Einhaltung der nach den Beschwerdeausführungen verletzten Verfahrensvorschriften hätte sich ergeben, daß die Beschwerdeführerin von November 1993 bis 11. Jänner 1994 in der Pension des Herrn L tatsächlich nur ausgeholfen und an einem oder maximal zwei Tagen in der Woche während einiger Stunden pro Tag Hilfsdienste geleistet habe, wofür sie maximal S 200,-- bis 300,-- pro Woche erhalten habe. Ihr "Entgelt" pro Monat habe somit maximal S 1.290,-- ausgemacht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie unter anderem auf die Rechtskraft der beiden Bescheide vom 2. Februar 1994 verwies.

Auf eine diesbezügliche Anfrage verwies der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin auf die von ihm an die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark gerichtete Anfrage, in der ihm mitgeteilt wurde, daß keine Berufung gegen den Einstellungsbescheid vom 2. Februar 1994 eingegangen sei; mit der Vorlage dieser Zuschrift sei die gestellte Frage beantwortet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom 2. Februar 1994 (von dessen Rechtskraft nach den obigen Darlegungen auszugehen ist) wurde das der Beschwerdeführerin zuerkannte und tatsächlich (unter anderem im Zeitraum vom 1. November 1993 bis 15. Dezember 1993) gewährte Arbeitslosengeld "ab 1. November 1993" mit der Begründung eingestellt, daß sie bei der Firma L in einem Dienstverhältnis, welches anzumelden gewesen wäre, gestanden sei. Unter Bedachtnahme auf die Bescheiddatierung und die (zur Auslegung des Spruches heranzuziehende) Bescheidbegründung (vgl. dazu u. a. das Erkenntnis vom 28. Juni 1994, Zl. 94/08/0021, mit weiteren Judikaturhinweisen) handelte es sich bei diesem Bescheid um eine "rückwirkende" Einstellung des der Beschwerdeführerin zuerkannten und tatsächlich gezahlten Arbeitslosengeldes im Zeitraum vom 1. November 1993 bis 15. Dezember 1993.

Da dieser Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist, war in dem in der Folge eingeleiteten Widerrufs- und Rückforderungsverfahren auf diesen rechtskräftigen Bescheid - ungeachtet seiner allfälligen Rechtswidrigkeit (vgl. das Erkenntnis vom 21. September 1993, Zlen. 91/08/0145, 0146) - insofern Bedacht zu nehmen, als mit ihm der Sache nach ein Widerruf des der Beschwerdeführerin im Zeitraum vom 1. November 1993 bis 15. Dezember 1993 zuerkannten und tatsächlich ausgezahlten Arbeitslosengeldes im Sinne des § 24 Abs. 2 AlVG ausgesprochen wurde und daher einem neuerlichen Widerruf das Verfahrenshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegenstand. Demgemäß hätte die belangte Behörde aufgrund der gegen den darauf nicht bedachtnehmenden erstinstanzlichen Bescheid vom 8. April 1994 erhobenen Berufung den darin ausgesprochenen Widerruf nach § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos beheben müssen und nur über die Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Rückforderung in der Sache selbst entscheiden dürfen. Dadurch, daß sie durch die Abweisung der Berufung die erstinstanzliche Sachentscheidung in rechtswidriger Weise übernommen hat, ist die Beschwerdeführerin aber nicht in Rechten verletzt, weil nicht zu erkennen ist, welche Rechtsstellung der Beschwerdeführerin dadurch (nämlich durch die Wiederholung des bereits rechtskräftigen Widerrufs) verschlechtert wurde (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 10. September 1987, Zl. 87/08/0041, vom 23. Dezember 1987, Zl. 87/18/0086, und vom 25. Februar 1988, Zl. 87/08/0040).

Soweit sich die Beschwerde daher gegen den Widerruf des Arbeitslosengeldes im Zeitraum vom 1. November bis 15. Dezember 1993 richtet, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Dies aber hat zur Konsequenz, daß auch die Beschwerde gegen den Ausspruch der Rückforderung des (dann) unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in der unstrittigen Höhe von S 10.301,-- unbegründet ist. Denn ausgehend vom Bestand eines die Arbeitslosigkeit ausschließenden Dienstverhältnisses zumindest im Zeitraum vom 1. November bis 15. Dezember 1993 ist es nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde - vor dem Hintergrund des § 50 AlVG - der Beschwerdeführerin eine Verschweigung maßgebender Tatsachen im Sinne des § 25 Abs. 1 AlVG vorgeworfen und daher den diesbezüglichen Rückforderungstatbestand dieser Bestimmung bejaht hat (vgl. u. a. die Erkenntnisse vom 8. Mai 1987, Zl. 86/08/0069, und vom 29. September 1992, Zl. 92/08/0178).

Die Beschwerde war daher auch insoweit, als sie sich gegen die Rückersatzverpflichtung auf § 25 Abs. 1 AlVG richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

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