VwGH 90/07/0098

VwGH90/07/009814.9.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kratschmer, Dr. Hargassner, Dr. Bumberger und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des H und der F in M, Bundesrepublik Deutschland, beide vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 25. Mai 1990, Zl. 512.626/01-I 5/90, betreffend Erweiterung der Wasserversorgungsanlage (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde E), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §41 Abs2;
AVG §42 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
WRG 1959 §102;
WRG 1959 §107 Abs1;
WRG 1959 §107;
AVG §37;
AVG §41 Abs2;
AVG §42 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
WRG 1959 §102;
WRG 1959 §107 Abs1;
WRG 1959 §107;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführer (BF) gemäß § 66 AVG 1950 zurück. In der Begründung ging die belangte Behörde von folgenden Feststellungen aus:

"Mit Eingabe vom 28.11.1989 wurde seitens der Marktgemeinde E das Projekt "Wasserversorgungsanlage E, Schutzgebiet und Entkeimung Rappenwangquelle" mit dem Ersuchen um wasserrechtliche Bewilligung vorgelegt.

Aufgrund dieses Ansuchens wurde vom Landeshauptmann von Salzburg als Wasserrechtsbehörde am 14.12.1989 eine mündliche Bewilligungsverhandlung durchgeführt, die zum Gegenstand

  1. 1. die Abänderung bzw. Erweiterung der mit Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg, vom 24.10.1978, Zl. 1/01-2918/89-1989, wasserrechtlich bewilligte Wasserversorgungsanlage durch Errichtung und Benützung einer UV-Desinfektionsanlage im Hochbehälter 7 und
  2. 2. die Ausscheidung eines Quellschutzgebietes (Schutzzone I, II, III) zum Schutz der gegenständlichen Wasserversorgungsanlage

    hatte.

In dieser Verhandlung haben die Grundeigentümer Alois und Hilde W. auch im Namen der (Beschwerdeführer) eine Stellungnahme abgegeben, in der sie ihre Zustimmung, unter der Bedingung der Zulässigkeit der wasserrechtlich bewilligungsfreien Sanierung der bestehenden Abwasserbeseitigungsanlage, gegeben haben.

Auf Grund der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 20.12.1989, Zl. 1/01-2918/256-1989, im Spruchteil I der Gemeinde E die wasserrechtliche Bewilligung zur Erweiterung bzw. Abänderung der mit Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 24.10.1989, wasserrechtlich bewilligten Wasserversorgungsanlage durch Errichtung und Benutzung einer UV-Desinfektionsanlage im Hochbehälter 7 nach Maßgabe des eingereichten Projektes unter Einhaltung bestimmter Auflagen erteilt, im Spruchteil II werden die dort näher beschriebenen Schutzgebietszonen I-III unter Vorschreibung bestimmter Auflagen festgelegt.

Gegen diesen Bescheid haben (Beschwerdeführer), vertreten durch ..., fristgerecht Berufung erhoben und führten im wesentlichen aus, daß die Ladung zur am 14.12.1989

stattfindenden mündlichen Verhandlung ... erst am 13.12.1989

zugestellt worden sei und daher die Teilnahme an dieser unmöglich gewesen wäre."

In ihren rechtlichen Erwägungen führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, gemäß § 41 Abs. 2 AVG 1950 sei eine Verhandlung so anzuberaumen, daß die Teilnehmer rechtzeitig und vorbereitet erscheinen können. Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung auf einen zu kurzen Termin könne von einer betroffenen Partei als Verfahrensmangel nur dann mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn diese einen Vertagungsantrag gestellt hat und diesem nicht entsprochen worden ist. Dies hätten die Berufungswerber unterlassen. Die Grundeigentümer Alois und Hilde W hätten in der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 1989 zwar angegeben, daß sie ihre Einwendungen auch im Namen der Berufungswerber abgeben, aus den Akten sei jedoch die Erteilung einer schriftlichen Bevollmächtigung nicht ersichtlich. Selbst wenn eine derartige Bevollmächtigung vorläge, wäre Präklusion gemäß § 42 Abs. 1 AVG 1950 wegen des zu geringen Umfanges der Einwendungen der Berufungswerber eingetreten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die BF erachten sich in ihrem Recht auf eine "ordnungsgemäße Feststellung des für die Erledigung maßgeblichen Sachverhaltes gemäß den § 37 ff AVG" und in ihrem Recht auf Vorbringen von Einwendungen gemäß § 41 Abs. 2 AVG verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

In ihrer Beschwerde führen die BF aus, sie seien seit 20 Jahren Eigentümer der Parzelle 1890/3 KG E, und beabsichtigten, auf diesem Grundstück ein Sommerhaus zu errichten. Der von der MP bei der Wasserrechtsbehörde gestellte Antrag hätte ein Bauverbot auf dieser Parzelle zur Folge. Die Wasserrechtsbehörde habe den Verhandlungstermin für den 14. Dezember 1989, 9 Uhr angesetzt. Von der Anberaumung der mündlichen Verhandlung seien die BF erst am Vortag

(13. Dezember 1989) verständigt worden. Ein persönliches Erscheinen zur Verhandlung sei auf Grund der Entfernung ihres Wohnortes vom Verhandlungsort (ca. 800 km) unmöglich gewesen. Weder eine Vorbereitung noch die Beantragung einer Vertagung der mündlichen Verhandlung hätte rechtzeitig erfolgen können. Als einzige Möglichkeit sei geblieben, nach Einlangen der Ladung am 13. Dezember 1989 Dr. S. vom Amt der Salzburger Landesregierung und das Gemeindeamt E telefonisch davon in Kenntnis zu setzen, daß ein persönliches Erscheinen zur mündlichen Verhandlung am 14. Dezember 1989 zeitlich ausgeschlossen sei. Wären sie ordnungsgemäß zur Verhandlung geladen worden, hätten sie (taugliche) Einwendungen erheben können, es hätte niemals ein "Bauverbot" für ihre Parzelle erlassen werden dürfen, das Verhandlungsergebnis wäre ein völlig anderes geworden, der Antrag der MP hätte abgewiesen werden müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ist ein Gesuch um Verleihung wasserrechtlicher Bewilligungen nicht gemäß § 106 Wasserrechtsgesetz (WRG 1959) sofort abzuweisen oder beharrt der Gesuchsteller ungeachtet der ihm mitgeteilten Bedenken auf seinem Plane, so ist das Verfahren bei sonstiger Nichtigkeit des Bescheides durch Anberaumung einer mündlichen Verhandlung (§§ 40 bis 44 AVG 1950) fortzusetzen, sofern nicht in besonderen Fällen nach ausdrücklichen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden kann (§ 107 Abs. 1 WRG 1959 in der hier anzuwendenden Fassung vor der WRG-Novelle 1990, BGBl. Nr. 252). Die Verhandlung ist so anzuberaumen, daß die Teilnehmer rechtzeitig und vorbereitet erscheinen können (§ 41 Abs. 2 AVG). Die Frage, innerhalb welcher Frist eine Verhandlung anzuberaumen ist, damit die Teilnehmer rechtzeitig und vorbereitet erscheinen können, ist von Fall zu Fall verschieden zu beantworten. In der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung auf einen zu kurzen Termin ist ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 41 Abs. 2 AVG zu erblicken. Eine gemäß § 107 WRG 1959 abzuhaltende mündliche Verhandlung ist unter Berücksichtigung des Zweckes derselben (vgl. auch § 37 AVG) so anzuberaumen, daß eine Partei im Sinne des § 102 WRG 1959 rechtzeitig und vorbereitet dazu erscheinen kann. Der einer solchen Partei einen Tag vor der mündlichen Verhandlung zugestellte Ladungsbescheid wird diesem Gebot des § 41 Abs. 2 erster Satz AVG nicht gerecht, insbesonders dann, wenn ihr das Projekt nicht bekannt war. Die in ständiger Rechtsprechung vom Verwaltungsgerichtshof vertretene Rechtsansicht, ein Verfahrensmangel nach § 41 Abs. 2 AVG könne nur dann mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn die betroffene Partei einen Vertagungsantrag gestellt hat und diesem nicht entsprochen wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. September 1981, Zl. 2205/79, und vom 20. September 1990, Zl. 90/07/0048, m.w.N.), schadet im vorliegenden Fall den BF deshalb nicht, weil infolge der kurzen Überlegungsfrist von nur einem Tag einer rechtsunkundigen Partei, welcher aufgrund der räumlichen Distanz ein persönliches Erscheinen zur Verhandlung unmöglich ist, nicht zugemutet werden kann, zielführende Erklärungen abzugeben. Die Kontaktaufnahme mit einem Rechtsfreund war den BF infolge der zur Verfügung stehenden Zeit ebenfalls nicht zumutbar. Hinzu kommt, daß aus der im Beschwerdefall den BF zugekommenen Kundmachung nicht hervorgeht, inwieweit sie von dem Projekt betroffen sind; eine Einsichtnahme in die in dieser Kundmachung erwähnten Projektunterlagen war ihnen in der kurzen Zeit nicht möglich.

Mit der Begründung, der an sich bestehende Verfahrensmangel (nicht rechtzeitige Anberaumung der Verhandlung im Sinne des § 41 Abs. 2 erster Satz AVG) sei mangels eines Vertagungsantrages der BF geheilt, hat sohin die belangte Behörde die Rechtslage verkannt, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war, zumal das in der Berufung der BF enthaltene Vorbringen die Behauptung einer Rechtsverletzung mit Bezug auf ein subjektiv-öffentliches Recht enthält.

Abschließend ist darauf zu verweisen, daß eine Präklusion das Berufungsrecht nicht beseitigt, sondern die Überprüfungsbefugnis der Berufungsbehörde lediglich insofern einschränkt, als sie präkludierte Ansprüche nicht mehr aufgreifen darf. Der Präkludierte verliert also nicht das Recht, Berufung zu erheben, sondern lediglich den Anspruch, bezüglich dessen Präklusion eingetreten ist; eine Berufung ist daher auch diesfalls zulässig, aber allenfalls unbegründet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 1988, Zl. 84/07/0346, und vom 3. Dezember 1980, Slg. N.F. Nr. 10.317/A).

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991, insbesonders deren Art. III Abs. 2.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte