VwGH 91/10/0122

VwGH91/10/012219.10.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden der D und K-GmbH in N, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen die Bescheide der Tiroler Landesregierung 1. (zu Zl. 91/10/0122) vom 9. April 1991, Zl. U-9743/17, betreffend Zurückweisung eines Antrages i.A. einer naturschutzrechtlichen Genehmigung, und 2. (zu Zl. 91/10/0164) vom 27. Juni 1991, Zl. U-9743/23, betreffend Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs3;
AVG §37;
AVG §71 Abs1 lita;
AVG §71 Abs2;
AVG §72 Abs1;
AVGNov 1990 Art4;
NatSchG Tir 1975 §27 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
ZustG §13 Abs3;
ZustG §16 Abs1;
AVG §13 Abs3;
AVG §37;
AVG §71 Abs1 lita;
AVG §71 Abs2;
AVG §72 Abs1;
AVGNov 1990 Art4;
NatSchG Tir 1975 §27 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
ZustG §13 Abs3;
ZustG §16 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 5.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Eingabe vom 29. November 1989 beantragte die beschwerdeführende Partei bei der belangten Behörde die Erteilung der naturschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung einer Wasserkraftanlage am O.

Die belangte Behörde teilte der beschwerdeführenden Partei mit Schreiben vom 5. Februar 1990 mit, das Projekt beanspruche nach Ansicht des Amtssachverständigen für Natur- und Landschaftsschutz bereits abgeleitetes Gewässer; daher sei die beantragte Nutzung vom ökologischen Standpunkt aus abzulehnen. Sollte die beschwerdeführende Partei auf der Weiterführung des Verfahrens bestehen, müßten noch weitere, näher bezeichnete Unterlagen vorgelegt werden. Die beschwerdeführende Partei wurde aufgefordert, ihr Ansuchen entsprechend zu ergänzen. Sollte sie diesem Auftrag innerhalb eines Jahres nicht entsprochen haben, müßte im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG 1950 das Ansuchen ohne weiteres Verfahrens zurückgewiesen werden.

Die belangte Partei kam dieser Aufforderung nicht nach.

Am 18. Februar 1991 richtete die belangte Behörde neuerlich ein Schreiben an die beschwerdeführende Partei, in welchem sie diese aufforderte, das Ansuchen vom 29. November 1989 durch die im Schreiben vom 5. Februar 1990 erwähnten Unterlagen zu ergänzen. Sollte diesem Auftrag nicht binnen zwei Wochen entsprochen werden, müßte im Sinne der §§ 27 Abs. 2 des Tiroler Naturschutzgesetzes und 13 Abs. 3 AVG 1950 das Ansuchen ohne weiteres Verfahren zurückgewiesen werden. Der Zustellnachweis dieses Schreibens weist als Adressaten die "D und K-GmbH in M" auf; es handelt sich dabei um die Wohnanschrift des GD, eines der beiden Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei. Der Zustellnachweis ist mit Datum vom 22. Februar 1991 von JD, der Gattin des GD, unterfertigt.

Da innerhalb der gesetzten Frist die geforderten Unterlagen nicht beigebracht wurden, wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 9. April 1991 den Antrag auf Erteilung der naturschutzrechtlichen Ausnahmebewilligung zur Errichtung einer Wasserkraftanlage am O zurück. Dieser Bescheid wurde laut Zustellnachweis am 12. April 1991 von JD übernommen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu

hg. Zl. 91/10/0122 protokollierte Beschwerde.

Mit einem am 26. April 1991 zur Post gegebenen Schriftsatz beantragte die beschwerdeführende Partei bei der belangten Behörde die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der zweiwöchigen Verbesserungsfrist gemäß dem behördlichen Auftrag vom 18. Februar 1991. Sie machte geltend, sie habe erstmals nach Erhalt des Bescheides vom 9. April 1991 von der Existenz eines mit 18. Februar 1991 datierten Verbesserungsauftrages erfahren. GD und LK, die beiden kollektivvertretungsbefugten Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei, hätten vom Inhalt des Bescheides vom 9. April 1991 erstmals am 22. April 1991 Kenntnis erlangt, weil dieser Bescheid weder von GD noch von LK, sondern vielmehr von der Ehegattin des GD, JD, übernommen und von dieser ihrem Ehegatten auf Grund einer längeren Ortsabwesenheit desselben erst am 22. April 1991 ausgehändigt worden sei. Die Aufforderung der belangten Behörde vom 18. Februar 1991 sei ebenfalls von JD übernommen worden; diese habe sie versehentlich gemeinsam mit Prospektmaterial in den Papierkorb geworfen. Dies stelle einen Wiedereinsetzungsgrund für die beschwerdeführende Partei dar.

Gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag wurde die versäumte Handlung, nämlich die Vorlage der geforderten Urkunden, nachgeholt.

Die belangte Behörde vernahm JD, GD und den Postzusteller als Zeugen. JD gab hinsichtlich des - das Schreiben der belangten Behörde vom 18. Februar 1991 betreffenden - Zustellvorganges vom 22. Februar 1991 an, sie habe das Schriftstück der belangten Behörde wahrscheinlich irrtümlich zusammen mit Werbematerial weggeworfen. Ihr Mann sei am 22. Februar 1991 zur Zeit der Zustellung nicht anwesend gewesen, sei aber entweder an diesem Tag abends oder im Verlauf des nächsten Tages zurückgekehrt. Sie habe schon öfters Post für ihren Mann entgegengenommen. Mit behördlichen Schriftstücken verfahre sie überlicherweise so, daß sie diese annehme, die Rückscheine unterfertige und die Post ihrem Mann unverzüglich weitergebe. Meistens komme er mittags zurück und sie gebe ihm die Schriftstücke persönlich.

GD erklärte, er sei in der Zeit vom 12. April 1991 (Zustellung des Bescheides der belangten Behörde vom 9. April 1991 an seine Ehegattin) bis zum Tätigwerden seines Anwalts (Wiedereinsetzungsantrag) "meistens nach Hause gekommen jeden Tag". Er könne keine längere Ortsabwesenheit belegen; er sei weder krank noch auf Urlaub gewesen. Er sei nicht in der Lage, den Tag anzugeben oder zu erforschen, an dem er den Bescheid vom 9. April 1991 von seiner Frau erhalten habe.

Mit Bescheid vom 27. Juni 1991 wies die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag der beschwerdeführenden Partei ab. Sie legte ihrer Entscheidung das AVG 1991 zugrunde und gelangte zu der Auffassung, der Wiedereinsetzungsantrag sei rechtzeitig, verneinte aber das Vorliegen der Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu

hg. Zl. 91/10/0164 protokollierte Beschwerde.

Die beschwerdeführende Partei bringt gegen den Bescheid vom 9. April 1991 (Zurückweisung des Antrages auf naturschutzrechtliche Genehmigung) vor, der belangten Behörde sei bekannt gewesen, daß beim Landeshauptmann von Tirol ein Wasserrechtsverfahren betreffend die geplante Wasserkraftanlage der beschwerdeführenden Partei anhängig sei. Im Wasserrechtsakt befänden sich sämtliche Unterlagen, die zur Begutachtung aus naturschutzrechtlicher Sicht erforderlich seien. Die belangte Behörde hätte daher lediglich in den Wasserrechtsakt Einsicht nehmen müssen, um die erforderlichen Unterlagen zu erhalten.

Im übrigen sei auch das Verfahren nach § 13 Abs. 3 AVG nicht ordnungsgemäß abgeführt worden. Der beschwerdeführenden Partei seien erstmals im Schreiben vom 18. Februar 1991 die Rechtsfolgen der nicht zeitgerechten Vorlage der geforderten Unterlagen angedroht worden, wobei diese Frist zwei Wochen betragen habe. Unter Berücksichtigung der Komplexität der Angelegenheit sei diese Frist aber unangemessen.

Hiezu komme, daß die beschwerdeführende Partei gar keine Möglichkeit gehabt habe, der Aufforderung der belangten Behörde zu entsprechen, da die Geschäftsführer das Schreiben vom 18. Februar 1991 nicht zu Gesicht bekommen hätten. Im Rahmen der Zustellung dieses Schreibens an JD liege ein Zustellungsmangel vor, den die belangte Behörde nicht saniert habe. Das Schreiben vom 18. Februar 1991 sei vom Briefträger an JD übergeben worden, wobei diese - eine einfache Hausfrau - dem Schreiben überhaupt keine Bedeutung zugemessen und es gemeinsam mit Prospektmaterial weggeworfen habe. Der beschwerdeführenden Partei sei daher das Schreiben vom 18. Februar 1991 zu keinem Zeitpunkt ordnungsgemäß zugekommen, weshalb auch die gesetzte zweiwöchige Frist nicht verstrichen sei.

In der Beschwerde gegen den Bescheid vom 27. Juni 1991 (Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages) führt die beschwerdeführende Partei aus, im Beschwerdefall habe das Ermittlungsverfahren ergeben, daß GD spätestens am 23. Februar 1991 wieder zur Abgabestelle zurückgekehrt sei; die am 22. Februar 1991 vorgenommene Ersatzzustellung an seine Gattin sei daher mit dem auf seine Rückkehr folgenden Tag, somit spätestens am 24. Februar 1991, wirksam geworden, auch wenn er das Schriftstück tatsächlich nicht erhalten habe. Seien nämlich die beiden Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 des Zustellgesetzes erfüllt, so setze der Gesetzgeber die Ersatzzustellung der Zustellung an den Empfänger gleich. Den an die Abgabestelle zurückgekehrten Empfänger treffe damit das durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand behebbare Risiko, daß ihm der Ersatzempfänger das zugestellte Schriftstück nicht übergebe. Daß JD das Schreiben vom 18. Februar mit Prospektmaterial vermengt und irrtümlich weggeworfen habe, sei ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis; es lägen die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung vor.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in Gegenschriften die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Abstimmung verbunden und über sie erwogen:

A. ZUR ZURÜCKWEISUNG DES ANTRAGES AUF ERTEILUNG EINER

NATURSCHUTZRECHTLICHEN GENEHMIGUNG:

Nach § 13 Abs. 3 des im Beschwerdefall anzuwendenden AVG 1950 (vgl. Art. IV der AVG-Novelle 1990, BGBl. 357/1990) berechtigen Formgebrechen schriftlicher Anbringen wie auch das Fehlen einer Unterschrift an sich die Behörde noch nicht zur Zurückweisung; sie hat eine Behebung von Amts wegen zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung der Formgebrechen oder die schriftliche Bestätigung telegrafischer, fernschriftlicher, mündlicher oder telefonischer Anbringen mit der Wirkung auftragen, daß das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden Frist nicht mehr berücksichtigt wird. Wird das Formgebrechen rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

Nach § 27 Abs. 2 des Tiroler Naturschutzgesetzes 1975, LGBl. Nr. 15/1975, das im Beschwerdefall auf Grund der Übergangsbestimmung des Art. II Abs. 8 der Novelle LGBl. Nr. 52/1990 in der Stammfassung anzuwenden war, sind dem Ansuchen um Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung die zur Beurteilung des Vorhabens erforderlichen Pläne und Beschreibungen anzuschließen. Das Fehlen eines Teiles dieser Unterlagen stellt ein Formgebrechen im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG 1950 dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Mai 1985, Zl. 84/10/0064).

Auch wenn der belangten Behörde bekannt war, daß beim Landeshauptmann von Tirol ein Wasserrechtsverfahren anhängig war, war sie nicht verpflichtet, Nachforschungen anzustellen, ob die benötigten Unterlagen allenfalls im Wasserrechtsakt vorhanden waren. Der Verpflichtung einer Partei zur Vorlage von Unterlagen in einem bestimmten Verfahren ist nur dann entsprochen, wenn die Unterlagen erkennbar zu diesem Verfahren der Behörde vorgelegt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Dezember 1983, Slg. 11246/A).

In sich widersprüchlich ist das Beschwerdevorbringen, wenn einerseits bemängelt wird, die Frist für die Beibringung der geforderten Unterlagen sei angesichts der Komplexität der Angelegenheit zu kurz gewesen und andererseits behauptet wird, die Unterlagen seien bereits im Wasserrechtsakt vorhanden gewesen. Überdies war der beschwerdeführenden Partei bereits seit dem Schreiben der belangten Behörde vom 5. Februar 1990 bekannt, daß und welche Unterlagen noch ausständig waren. Die vierzehntägige Frist im Schreiben vom 18. Februar 1991 diente daher lediglich der Beischaffung, nicht der Herstellung der Unterlagen. Hiefür war die Frist ausreichend.

Die Aufforderung der belangten Behörde vom 18. Februar 1991 war laut Zustellnachweis an die beschwerdeführende Partei unter der Adresse ihres Geschäftsführers GD gerichtet.

Nach § 13 Abs. 3 des Zustellgesetzes ist, wenn der Empfänger keine natürliche Person ist, die Sendung einem zur Empfangnahme befugten Vertreter zuzustellen. Das Gesetz stellt es der Behörde frei, bei der Zustellung eines seinem Inhalt nach für eine (nicht durch einen gewillkürten Bevollmächtigten vertretene) juristische Person bestimmten Schriftstücks entweder einen - individuell bestimmten - "zur Empfangnahme befugten Vertreter" oder die juristische Person selbst als Empfänger anzugeben (vgl. Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, S. 884, Anm. 14 zu § 13 des Zustellgesetzes).

Die Anordnung des § 13 Abs. 3 des Zustellgesetzes bedeutet nicht, daß damit der Kreis derer, denen zugestellt werden kann, abschließend geregelt ist. Eine Ersatzzustellung ist auch in diesen Fällen zulässig; dies ergibt sich aus § 16 Abs. 1 leg. cit.

Nach § 16 Abs. 1 des Zustellgesetzes darf, wenn die Sendung nicht dem Empfänger zugestellt werden kann und an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend ist, an diesen zugestellt werden (Ersatzzustellung), sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.

Nach § 16 Abs. 2 leg. cit. kann Ersatzempfänger jede erwachsene Person sein, die an derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnt oder Arbeitnehmer oder Arbeitgeber des Empfängers ist und die - außer wenn sie mit dem Empfänger im gemeinsamen Haushalt lebt - zur Annahme bereit ist.

Daß GD, der als Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei ein zur Empfangnahme befugter Vertreter ist, sich zum Zeitpunkt der Zustellung des Schreibens vom 18. Februar 1991 nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufgehalten habe, ist im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Ersatzzustellung an seine Gattin war daher zulässig. Die Zulässigkeit und Wirksamkeit der Ersatzzustellung wurde auch von der beschwerdeführenden Partei im Wiedereinsetzungsverfahren ausdrücklich behauptet. Mit der Übernahme des Schriftstückes durch JD galt die Zustellung als bewirkt und die vierzehntägige Mängelbehebungsfrist begann zu laufen. Daß die Genannte das Schriftstück ihrem Gatten nicht übergab, ist ein Umstand, der zu Lasten des Empfängers geht und nicht als Mangel der Zustellung gerügt werden kann.

Da die beschwerdeführende Partei unbestritten innerhalb der ihr gesetzten Frist dem Auftrag zur Beibringung der fehlenden Unterlagen nicht nachgekommen ist, erfolgte die Zurückweisung des Antrages zu Recht.

B. ZUR WIEDEREINSETZUNG:

Der die Wiedereinsetzung regelnde § 71 AVG wurde durch die AVG-Novelle 1990, BGBl. Nr. 357/1990, geändert. Nach Art. IV dieser Novelle sind am 1. Jänner 1991 anhängige Verfahren nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen. Ob somit auf das Wiedereinsetzungsverfahren § 71 AVG in der Fassung vor der Novelle 1990 (AVG 1950) oder aber in der novellierten Fassung (AVG 1991) anzuwenden ist, hängt davon ab, ob im Beschwerdefall von einem "anhängigen" Verfahren gesprochen werden kann.

Der Wiedereinsetzungsantrag wurde nach dem 1. Jänner 1991 gestellt, das Verfahren jedoch, in dessen Verlauf jene Prozeßhandlung zu setzen gewesen wäre, gegen deren Versäumung sich der Wiedereinsetzungsantrag richtet, wurde bereits vor diesem Zeitpunkt eingeleitet. Nach § 72 Abs. 1 AVG tritt durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat. Das Wiedereinsetzungsverfahren ist daher untrennbar mit jenem Verfahren verbunden, in welchem die den Wiedereinsetzungsgrund bildende Versäumung stattgefunden hat. Das Wiedereinsetzungsverfahren war daher Teil des bereits vor dem 1. Jänner 1991 eingeleiteten Verfahrens und kein neues Verfahren mit gesonderter Anhängigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1991, Zlen. 91/02/0137, 0138; in diesem Sinne auch Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate, 2. Aufl., S. 356). Auf den Wiedereinsetzungsantrag der beschwerdeführenden Partei war daher das AVG 1950 anzuwenden.

Nach § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen.

Nach § 71 Abs. 2 leg. cit. muß der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen einer Woche nach Aufhören des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

Die beschwerdeführende Partei hat ihren Behauptungen zufolge die Frist zur Vorlage von Unterlagen versäumt, weil sie von der Aufforderung zur Beibringung dieser Unterlagen keine Kenntnis erlangt hat. Als Wegfall des Hindernisses, ab dem die einwöchige Frist des § 71 Abs. 2 AVG 1950 zu laufen begann, war der Zeitpunkt anzusehen, zu dem der Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei, GD, davon Kenntnis erlangte, daß die beschwerdeführende Partei von der belangten Behörde gemäß § 13 Abs. 3 AVG zur Beibringung von Unterlagen aufgefordert worden war. Der Geschäftsführer erfuhr davon nach seinen Behauptungen erstmals durch den Bescheid vom 9. April 1991. Die beschwerdeführende Partei erklärte im Wiedereinsetzungsantrag, der Geschäftsführer habe vom Bescheid vom 9. April 1991 - und damit vom Auftrag zur Vorlage von Unterlagen - erstmals am 22. April 1991 Kenntnis erlangt, weil dieser Bescheid von der Ehegattin des Geschäftsführers übernommen und ihm wegen einer längeren Ortsabwesenheit erst zu diesem Zeitpunkt übergeben worden sei. Hingegen hat GD bei seiner Vernehmung als Zeuge vor der belangten Behörde ausgesagt, er sei in der Zeit vom 12. April 1991 - dem Tag der Zustellung des Bescheides an seine Ehegattin - bis zum Tätigwerden seines Anwaltes (Wiedereinsetzungsantrag) "meistens jeden Tag" nach Hause gekommen; er sei in dieser Zeit weder auf Urlaub noch krank gewesen und er sei auch nicht in der Lage, eine längere Ortsabwesenheit zu belegen. Er könne den Tag weder angeben noch erforschen, an dem er den Bescheid von seiner Frau erhalten habe.

Zwar ist dem Wiedereinsetzungswerber keine förmliche Beweislast für die Rechtzeitigkeit des Antrages auferlegt, doch hat er seine diesbezüglichen Behauptungen im Umfang seiner Mitwirkungspflicht entsprechend zu belegen (vgl. Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, S. 739, Anm. 13 zu § 71 AVG). Es ist der beschwerdeführenden Partei nicht gelungen, ihre im Wiedereinsetzungsantrag aufgestellte Behauptung, ihr Geschäftsführer habe erst am 22. April 1991 vom Bescheid der belangten Behörde vom 9. April 1991 Kenntnis erlangt, zu belegen. Es ist daher davon auszugehen, daß das Hindernis mit der Ersatzzustellung am 12. April 1991 weggefallen ist, zumal JD bei ihrer Vernehmgung als Zeugin vor der belangten Behörde angegeben hat, sie händige behördliche Schriftstücke ihrem Mann üblicherweise unverzüglich nach seiner Rückkehr aus und GD erklärt hat, er sei zur fraglichen Zeit (Zustellung des Bescheides vom 9. April 1991) nicht vorübergehend ortsabwesend gewesen, sondern regelmäßig täglich nach Hause zurückgekehrt. An der Zulässigkeit und Wirksamkeit der Ersatzzustellung bestehen keine Zweifel, da das Ermittlungsverfahren der belangten Behörde ergeben hat, daß sich GD regelmäßig an der Abgabestelle aufgehalten hat. Mit 12. April 1991 begann daher die einwöchige Frist zur Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages. Der am 26. April 1991 zur Post gegebene Antrag war verspätet. Die belangte Behörde hätte daher den Antrag zurückzuweisen gehabt. Durch die Abweisung wurde die beschwerdeführende Partei aber in keinem Recht verletzt.

Aus den angeführten Überlegungen erweisen sich die Beschwerden als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen waren.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Da eine Aktenvorlage lediglich einmal erfolgte, war der belangten Behörde auch nur einmal der Vorlageaufwand zuzusprechen.

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