VwGH 91/03/0298

VwGH91/03/029821.12.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des P in K, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 19. September 1991, Zl. 8V-3602/1/90, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
AVG §46;
StVO 1960 §4 Abs1 lita;
StVO 1960 §4 Abs1;
StVO 1960 §4 Abs5;
StVO 1960 §5 Abs1;
VStG §6;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
StVO 1960 §4 Abs1 lita;
StVO 1960 §4 Abs1;
StVO 1960 §4 Abs5;
StVO 1960 §5 Abs1;
VStG §6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 19. September 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 22. Oktober 1988 um 17.15 Uhr in Klagenfurt an einem bestimmten Ort einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und es als Lenker dieses Pkws nach einem von ihm verursachten Verkehrsunfall mit Sachschaden unterlassen, sofort anzuhalten und hievon ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen. Er habe hiedurch Übertretungen nach § 5 Abs. 1 StVO, § 4 Abs. 1 lit. a StVO und § 4 Abs. 5 StVO begangen. Über ihn wurden nach § 99 Abs. 1 lit. a, § 99 Abs. 2 lit. a und § 99 Abs. 3 lit. b StVO Geldstrafen von insgesamt S 16.000,-- verhängt. Zur Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe selbst zugegeben, daß er nach einem Kaffeehausbesuch, wo er Alkohol konsumiert habe, bei der Heimfahrt eine Kollision mit einem Autobus bemerkt habe, er sei jedoch nach Hause gefahren, weil der Autobuslenker weitergefahren sei. Er habe sich damit verantwortet, daß er auf Grund des geringfügigen Kollisionsgeräusches zur Ansicht gelangt sei, daß kein Schaden eingetreten sei. Die Verpflichtung, anzuhalten und Meldung zu erstatten, bestehe jedoch für alle an einem Unfall in ursächlichem Zusammenhang stehenden Personen, ohne Bezug auf ihr Verschulden. Auf Grund der Zeugenaussage der Sicherheitswachebeamten und des übrigen Akteninhaltes stehe fest, daß der Beschwerdeführer die ihm angelasteten Übertretungen begangen habe. Den vom Beschwerdeführer in seiner Berufung aufgestellten Behauptungen hinsichtlich eines Nachtrunkes, die die belangte Behörde als nicht erwiesen annahm, hielt sie entgegen, daß er selbst bei seiner ersten Einvernahme zugegeben habe, durch den Konsum von nicht genau bekannten Mengen Sturmes durch Alkohol beeinträchtigt gewesen zu sein.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Insoweit der Beschwerdeführer unter dem Grunde der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften darzustellen sucht, die belangte Behörde habe die von ihm beantragte Zeugin B in Vorwegnahme einer Beweiswürdigung als unglaubwürdig "abgetan", ist ihm zu entgegnen, daß die Behörde im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerde nicht verhalten ist, jeden von der Partei beantragten Beweis auszuführen. Es trifft wohl zu, daß gemäß § 25 Abs. 2 VStG die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen sind wie die belastenden und dem Verwaltungsverfahren auch eine antizipative Beweiswürdigung fremd ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. September 1992, Zl. 92/03/0055 mit weiteren Literaturhinweisen). Die Behörde darf jedoch einen Beweis von vornherein ablehnen, wenn er, objektiv gesehen, nicht geeignet ist, über den MASZGEBLICHEN SACHVERHALT einen Beweis zu liefern (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 11. Februar 1987, Zl. 86/03/0189 und vom 18. November 1992, Zl. 92/03/0060). Der Beschwerdeführer hat in seiner Stellungnahme vom 11. November 1988 die Einvernahme der Zeugin B zum Beweise dafür begehrt, daß er zum Zeitpunkt des Verlassens des Kaffeehauses in keiner Weise "durch Alkohol beeinträchtigt" gewesen sei. Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer hier die rechtliche Beurteilung und nicht ausschließlich beweisfähige Sachverhaltsfragen anspricht, stellt der Beweisantrag nicht auf eine konkret konsumierte Alkoholmenge ab und schließt insbesondere auch nicht aus, daß der Beschwerdeführer, bevor es zu dem Unfall kam, auch außerhalb des Kaffeehauses - sei es vor dessen Besuch oder danach - Alkohol konsumiert hat. Da diesem Beweisantrag somit die rechtliche Relevanz fehlte, begründete es keinen Verfahrensmangel, wenn die belangte Behörde die Einvernahme der Zeugin Buchwald unterlassen hat.

Der Beschwerdeführer vertritt ferner die Auffassung, daß die belangte Behörde eine Aktenwidrigkeit insofern begangen habe, als sie von üblichen Symptomen einer Alkoholbeeinträchtigung ausgegangen sei, wogegen der Meldungsleger angeführt habe, daß außer einem unhöflichen Benehmen keine sonstigen Merkmale beim Beschwerdeführer gegeben gewesen seien. Hier zitiert die Beschwerde jedoch selbst aktenwidrig, zumal sie übersieht, daß der Meldungsleger in der Beilage zur Anzeige vom 23. Oktober 1988 einwandfrei die beim Beschwerdeführer gegebenen Alkoholisierungssymptome angegeben hat, nämlich deutlicher Geruch der Atemluft nach alkoholischen Getränken, schwankender Gang, lallende Sprache und erregtes Benehmen. Nur zusätzlich wurde darauf hingewiesen, daß "sonstige Merkmale" nicht gegeben gewesen seien. Es kann also nicht die Rede davon sein, daß die belangte Behörde bloß typische Alkoholisierungs"syndrome" (gemeint wohl: Symptome) pauschal aufgezählt hat, oder daß auf Grund der Angaben des Meldungslegers seine Unglaubwürdigkeit anzunehmen ist.

Insoweit der Beschwerdeführer unter dem Grunde der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides die Ausführungen der belangten Behörde bekämpft, nämlich daß der Beschwerdeführer seine Mitwirkungspflicht an der Sachverhaltsfeststellung durch weiteren Alkoholkonsum nach dem Unfall verletzt hat, der Beschwerdeführer jedoch keinerlei Veranlassung gehabt habe, einen Sachschaden zu vermuten und deshalb für ihn auch keine Verpflichtung bestanden habe, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen, ist ihm vorerst zu entgegnen, daß die belangte Behörde nicht von einer Übertretung des § 4 Abs. 1 lit. c StVO durch den Beschwerdeführer ausgegangen ist, sondern nur ergänzend darauf hingewiesen hat, daß grundsätzlich ein Nachtrunk gegen die Mitwirkungspflicht zur Sachverhaltsfeststellung verstoßen kann. Im übrigen billigte die belangte Behörde die Beurteilung der Erstbehörde, daß der Beschwerdeführer sein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt hat. Die belangte Behörde verwies hiebei insbesondere auf die ersten Angaben des Beschwerdeführers, wonach er durch den Konsum einer unbestimmten Menge Sturmes durch Alkohol beeinträchtigt gewesen ist, und schenkte seiner weiteren Verantwortung, die Alkoholisierungssymptome seien auf den Nachtrunk zurückzuführen, keinen Glauben.

Dabei ist zu berücksichtigen, daß nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens sich der gegenständliche Unfall um

17.15 Uhr des 22. Oktober 1988 zugetragen hat. Um 17.55 Uhr wurden die bereits beschriebenen Alkoholisierungssymptome beim Beschwerdeführer festgestellt. Bei den danach vorgenommenen Untersuchungen des Atemluftalkoholgehaltes mittels Alkomaten ergaben die Messungen um 18. 21 Uhr 0,86 mg/l und um 18.23 Uhr 0,9 mg/l beim Beschwerdeführer. Dem Beschwerdeführer war es nicht verwehrt, gegen das Ergebnis der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt den Gegenbeweis zu erbringen; dem Beschwerdeführer wäre es somit freigestanden, selbst eine Blutabnahme und Blutalkoholuntersuchung zu veranlassen (vgl. u. a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Mai 1990, Zl. 89/02/0162, und vom 25. März 1992, Zl. 91/03/0332). Einen derartigen Gegenbeweis gegen die aufgrund der Untersuchung seines Atemluftalkoholgehaltes festgestellte Alkoholisierung hat der Beschwerdeführer jedoch nicht erbracht.

Wie die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangte, daß der Beschwerdeführer den von ihm behaupteten Nachtrunk nicht getätigt hat, hat sie mit hinreichender Deutlichkeit im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt. Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat (vgl. u.a. die Erkenntnisse von verstärkten Senaten vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053, und vom 3. Oktober 1990, Zl. 89/02/0195), erstreckt sich die diesbezügliche Kontrollbefugnis ausschließlich auf die Vollständigkeit des ermittelten Sachverhaltes und die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung. Demgegenüber vermag es die Beschwerde nicht, eine relevante Unvollständigkeit der Feststellungen des angefochtenen Bescheides bzw. des mit ihm gebilligten Bescheides der Erstbehörde aufzuzeigen, ebenso vermag die Beschwerde gegen die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde keine Bedenken zu erwecken.

Den Argumenten des Beschwerdeführers, er habe nach dem aufgetretenen "Zusammenstoß" im Hinblick auf die Fortsetzung der Fahrt durch den beteiligten Buslenker keine Veranlassung gehabt, "das Vorliegen eines Sachschadens zu vermuten", ist zu entgegnen, daß es hier nicht auf die bloßen Vermutungen des Beschwerdeführers ankommt, sondern darauf, ob ein Sachschaden durch den Beschwerdeführer verursacht wurde oder nicht. Der Beschwerdeführer stellt sich zwar auf den Standpunkt, daß mit Ausnahme der Beschädigung der Plastiknummerntafelhalterung am eigenen Fahrzeug ein Sachschaden nicht eingetreten ist, bekämpft jedoch die konkrete, vom Meldungsleger in die Anzeige aufgenommene Feststellung, daß auch beim beteiligten Autobus ein Unfallschaden aufgetreten ist, nämlich eine ca. 2,5 m lange Schleifspur auf der linken Fahrzeugseite, nicht. Der Beschwerdeführer selbst hat bei seiner ersten Einvernahme gegenüber dem Meldungsleger zugegeben, daß er wahrgenommen hat, daß es "gekracht" hat. Daß er in der Folge, wie er weiters angab, an einen "Unfall nicht gedacht" hat, vermag die Tatbestandsmäßigkeit seines Verhaltens ebenso nicht in Frage zu stellen wie der Umstand, daß sich auch der Lenker des Autobusses - wie der Beschwerdeführer behauptet - vom Unfallsort entfernt hat. Denn es wird die Verpflichtung des § 4 Abs. 1 lit. a StVO, wonach ein Fahrzeuglenker, dessen Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofort anzuhalten hat, nicht dadurch außer Kraft gesetzt, daß der Unfallsgegner nicht ebenfalls sofort anhält (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar 1992, Zl. 92/02/0065). In Ansehung der Meldepflicht des Beschwerdeführers, die er gemäß § 4 Abs. 5 StVO zu erfüllen hatte, kommt es auf das Verschulden am Unfall nicht an. Das Gesetz verpflichtet vielmehr jeden ursächlich an einem Unfall Beteiligten zu der in Rede stehenden Meldung. Es ist daher auch unerheblich, ob gegen den Beschwerdeführer Schadenersatzforderungen erhoben werden konnten bzw. erhoben wurden oder nicht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar 1992, Zl. 92/02/0033).

Wohl ist Voraussetzung für die Anhaltepflicht nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO als objektives Tatbildmerkmal der Eintritt wenigstens eines Sachschadens und in subjektiver Hinsicht das Wissen vom Eintritt eines derartigen Schadens; der Tatbestand ist aber schon dann gegeben, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewußtsein gekommen sind ODER BEI GEHÖRIGER AUFMERKSAMKEIT ZU BEWUSZTSEIN HÄTTEN KOMMEN MÜSSEN, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermochte (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Jänner 1992, Zl. 91/02/0118). Schon im Hinblick darauf, daß er es "krachen" hörte und unbestrittenermaßen seine Kennzeichenhalterung beschädigt bzw. das Kennzeichen abgerissen wurde, hätte der Beschwerdeführer bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennen müssen, daß beim anderen Fahrzeug eine Sachbeschädigung nicht auszuschließen ist. Seine Anhaltepflicht bestand daher unabhängig vom Verhalten des Unfallgegners, abgesehen davon, daß sich aus der Anzeige des Meldungslegers ergibt, daß der Autobuslenker ohnehin unmittelbar nach dem Unfall hievon die Polizei verständigt hat.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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