Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 18. Februar 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 21. August 1989 um 16.07 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws in Friesach, Bezirk Graz-Umgebung, auf der Bundesstraße 67, Höhe Str.Km 37.2 - Ri. Graz, die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 40 km/h überschritten und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 StVO begangen. Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO wurde über ihn eine Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen) verhängt. In der Begründung heißt es im wesentlichen, es sei die Geschwindigkeitsüberschreitung durch eine Radarmessung festgestellt. Das Straßenstück liege eindeutig im Ortsgebiet. Es bestehe für die belangte Behörde keine Veranlassung, weitere Erhebungen durchzuführen bzw. eine andere Beweiswürdigung vorzunehmen. Allenfalls unerledigt gebliebene Beweisanträge hätten wegen geklärter Sach- und Rechtslage keiner Berücksichtigung mehr bedurft.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in eventu Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bekämpft die Feststellung der belangten Behörde, daß er zur Tatzeit der Lenker gewesen sei, indem er rügt, es sei ein von ihm genannter Entlastungszeuge, dessen Befragung ergeben hätte, daß er (Beschwerdeführer) das Fahrzeug zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht gelenkt habe, nicht vernommen worden. Dies verstoße gegen das Verbot der vorgreifenden Beweiswürdigung. Diesem Vorbringen kommt unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften Berechtigung zu.
Gemäß § 25 Abs. 2 VStG sind die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden. Dabei kommt gemäß § 46 AVG als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Dem Verwaltungsverfahren ist eine antizipative Beweiswürdigung fremd. Die Behörde darf einen Beweis nur dann von vornherein ablehnen, wenn er, objektiv gesehen, nicht geeignet ist, über den maßgebenden Sachverhalt einen Beweis zu liefern. Eine Würdigung von Beweisen hinsichtlich ihrer subjektiven Glaubwürdigkeit ist nur nach Aufnahme der Beweise möglich (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, die zu § 45 Abs. 2 AVG unter E 72 ff, S. 311, und zu § 25 Abs. 2 VStG unter E 8, S. 846, wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Der Beschwerdeführer hat während des Verwaltungsstrafverfahrens, insbesondere in der Berufung, seine Täterschaft bestritten und in der Berufung gegen das Straferkenntnis der Behörde erster Instanz vom 20. September 1991 vorgebracht, die Durchsicht von Unterlagen habe ergeben, daß es sich beim Lenker des Fahrzeuges zur Tatzeit um Georg Sch., wohnhaft in Wien, gehandelt habe, weshalb dessen Vernehmung als Zeuge beantragt werde. Im Lichte der obigen Darlegungen wäre daher die belangte Behörde verpflichtet gewesen, die beantragte Beweisaufnahme durchzuführen, da ihr die objektive Eignung, über den maßgebenden Sachverhalt Beweis zu liefern, nicht von vornherein abgesprochen werden kann. Dies hat die Behörde jedoch nicht getan und damit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet. Daran vermag auch der von der belangten Behörde in der Gegenschrift enthaltene Hinweis, daß sich aus der auf Grund einer Anfrage gemäß § 103 Abs. 2 KFG erstatteten Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft X vom 26. September 1989 (richtig: Bericht des Gendarmeriepostens X vom 23. Oktober 1989) ergebe, daß der Beschwerdeführer auf Grund eigener Angaben Lenker des Fahrzeuges gewesen sei, nichts zu ändern. Es hätte im übrigen im Hinblick auf die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers im Verwaltungsstrafverfahren einer Zeugeneinvernahme des die Lenkererhebung durchführenden Gendarmeriebeamten bedurft. Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Stempelgebühren für eine nicht erforderliche weitere Beschwerdeausfertigung. W i e n , am 23. September 1992
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)