VwGH 90/12/0140

VwGH90/12/014019.2.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Knell, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Haid, über die Beschwerde des K in S, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 21. Februar 1990, Zl. IVa-730629/99, betreffend Zurechnung von Zeiten für die Ruhegenußbemessung gemäß § 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §56;
LDG 1984 §106 Abs1;
LDG 1984 §106 Abs2;
LDG 1984 §2;
LDHG Tir 1981 §2 Abs1;
PG 1965 §36 Abs1;
PG 1965 §9 Abs1;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §56;
LDG 1984 §106 Abs1;
LDG 1984 §106 Abs2;
LDG 1984 §2;
LDHG Tir 1981 §2 Abs1;
PG 1965 §36 Abs1;
PG 1965 §9 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht seit 1. September 1989 als Sonderschuloberlehrer i.R. in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zum Land Tirol. Seine letzte Dienststelle war die Volksschule W.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 21. August 1989 wurde der Beschwerdeführer mit Ablauf des 31. August 1989 gemäß § 12 Abs.1 Z.2 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes-LDG 1984, BGBl. Nr. 302, in den Ruhestand versetzt. Nach der Bescheidbegründung sei der Beschwerdeführer seit 26. Mai 1989 krankheitshalber dienstverhindert. Nach § 12 Abs. 4 LDG 1984 seien die Zeiten seiner Dienstunfähigkeit vom 22. Dezember 1987 bis 8. Juli 1988 und vom 27. Oktober 1988 bis 6. Februar 1989 zur Dauer der letzten Dienstverhinderung zuzurechnen. Nach dem amtsärztlichen Gutachten (des bei der Bezirkshauptmannschaft tätigen Amtsarztes Dr. XY) vom 18. Juli 1989 könne mit der Wiedererlangung der vollen Dienstfähigkeit des Beschwerdeführers in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden. Mit Schreiben vom 31. Juli 1989 sei der Beschwerdeführer über die beabsichtigte Ruhestandsversetzung in Kenntnis gesetzt worden. Da er keine Einwendungen erhoben habe, sei auf Grund seiner Dienstunfähigkeit und des erwähnten Gutachtens wie im Spruch zu entscheiden gewesen.

Das eben genannte amtsärztliche Sachverständigengutachten vom 18. Juli 1989 lautet in seinen im Beschwerdefall relevanten

Teilen wie folgt:

"C. UNTERSUCHUNGSBEFUND

Eindruck:

dem Alter entsprechend

nicht gesund

leidend

verbraucht

...

PSYCHISCHER BEFUND: Patient wirkt weitgehend ausdruckslos bis leidend, redet langsam, deutliche Hinweise auf Depressio

Vorliegende Hilfsbefunde ...:

GUTACHTEN DR. B (Facharzt für Psychiatrie) vom 17.8.1988:

Es handelt sich um eine reaktive Depression im Sinne einer Konfliktreaktion. Grundsätzlich besteht gegen die Arbeitsfähigkeit kein Einwand. Zu empfehlen wäre eine probeweise Verwendung mit einer verminderten Stundenzahl von 18 Stunden pro Woche. Es wird eine Arbeitsplatzänderung (andere Schule) empfohlen.

STELLUNGNAHME DER UNIV. KLINIK FÜR PSYCHIATRIE VOM 17.1.1989:

Bei Herrn K konnte keine schwerwiegende psychiatrische Krankheit verifiziert werden. Eine testpsychologisch feststellbare Hirnleistungsminderung ist am ehesten einer psychischen Überforderungssituation zuzuordnen.

GUTACHTEN DR. G (FACHARZT FÜR PSYCHIATRIE):

Neurotisch depressive Entwicklung mit schwerem sozialen

Kompetenzdefizit. Als Lehrer nicht geeignet, evtl. Bürotätigkeit

STELLUNGNAHME DR. H VOM JÄNNER 1989:

Verdacht auf endogene Depression

D. DIAGNOSEN

Depression wahrscheinlich reaktiver Genese mit Aggrivationsneigung im Unterricht

E. GUTACHTEN

Kann der Untersuchte nach seiner körperlichen und geistigen Konstitution Tätigkeiten, die mit der Erteilung von Unterricht im vollen Ausmaß der Lehrverpflichtung verbunden sind, noch verrichten?

Nein

Wenn nein:

Welche Tätigkeiten kann der Untersuchte sonst nach seiner körperlichen und geistigen Konstitution noch verrichten?

Alle Tätigkeiten, die sitzend verrichtet werden können. Leichte Tätigkeiten, sitzend und stehend (z.B. Bibliotheksdienst).

KEINE UNTERRICHTSTÄTIGKEIT

Die Tätigkeit kann im Ausmaß von 40 Wochenstunden

geleistet werden.

Die Tätigkeit kann unter Einhaltung folgender Ruhepausen geleistet werden:

Folgende Ruhepausen: Mittagspause; 1/4 Stunde vormittags,

1/4 Stunde Pause nachmittags

Wie lange wird der festgestellte Leidenszustand voraussichtlich dauern? Aufgrund der wiederholt gescheiterten Integrationsversuche ist mit einem längeren Leidenszustand zu rechnen.

F. NACHUNTERSUCHUNG

Ist nicht erforderlich, weil Herr K aufgrund seines Leidens zum Erteilen von Unterricht mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr geeignet sein wird."

In dem nach der Ruhestandsversetzung des Beschwerdeführers eingeleiteten Verfahren nach § 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965 (PG 1965) in Verbindung mit § 106 Abs. 1 LDG 1984 veranlaßte die belangte Behörde eine berufskundliche Begutachtung; der Sachverständige gelangte in seinem Gutachten vom 8. November 1989 zu folgendem Ergebnis:

"Unter Bedachtnahme auf die ärztlichen Einschränkungen, die in jedem Falle auf eine neurotisch depressive Entwicklung mit schwerem sozialen Kompetenzdefizit hinweisen, erscheint Herr K. im zuletzt ausgeübten Beruf eines VOLKSSCHULLEHRERS, gleiches gilt in etwa für eine LEHRTÄTIGKEIT AN SONDERSCHULEN, auch aus berufskundlicher Sicht NICHT mehr produktiv leistungsfähig, dies unabhängig vom Ausmaß einer möglichen Lehrverpflichtung. Ähnliches muß unter Einrechnung der angeführten Krankenstände (22-12-1987 - 8.7.1988; 27.10.1988 - 6.2.1989;

26.5.1989 - 31.8.1989) auch für alle sonstigen am allg. Arbeitsmarkt derzeit bewerteten Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten gesagt werden, weil von Herrn K. eine kontinuierliche Arbeitsleistung einfach NICHT mehr erwartet werden kann. Nach der gängigen Judikatur gilt jemand vom allg. Arbeitsmarkt dann ausgeschlossen, wenn sein Leidenszustand jährliche Krankenstände von rund 3 Monaten bewirkt. Wenn es dieser Art zu häufigen oder längerdauernden Krankenständen also kommt, hat dies zur Folge, daß der verbleibende Rest an Arbeitsfähigkeit auf dem allg. Arbeitsmarkt de fakto unverwertbar wird.

Die Gültigkeit dieser Aussage kann unter Hinweis auf die ärztliche Prognose ("aufgrund der wiederholt gescheiterten Integrationsversuche ist mit einem längeren Leidenszustand zu rechnen") mit hoher Wahrscheinlichkeit auf jeden späteren Zeitpunkt bezogen werden."

Daraufhin veranlaßte die belangte Behörde eine Ergänzung

des amtsärztlichen Gutachtens; die Ergänzung vom 1. Dezember 1989 hat folgenden Wortlaut:

"Einleitend wird auf die Vorgutachten verwiesen.

Zur Frage

1. Waren die Krankheitszustände, die zur Pensionierung führten (Depressio, Dystonie), eine Folge der schulischen Überforderung?

ANTWORT:

Aus ärztlicher Sicht ist mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß die Krankheitszustände, die zur Pensionierung führten, durch schulische Überforderung in einem Maß agriviert wurden, daß sie zur Pensionierung führten.

Zur Frage

2. Sind bei einem Einsatz in gänzlich anderem Arbeitsumfeld (z.B. Bürotätigkeit, Bibliotheksdienst) ebenfalls Dienstverhinderungen von mehr als 3 Monaten jährlich zu erwarten?

ANTWORT:

Nach Ansicht des Unterfertigten, ist aufgrund der vorliegenden Befunde sowie der eigenen Untersuchungen mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß bei einem Einsatz in einem gänzlich anderen Arbeitsumfeld (keine Lehrtätigkeit) Dienstverhinderungen von mehr als 3 Monaten jährlich nicht zu erwarten sind."

In seinem daraufhin von der belangten Behörde veranlaßten ergänzenden berufskundlichen Gutachten vom 22. Jänner 1990 gelangte dieser Sachverständige zum Ergebnis, daß "berufskundlicherseits nunmehr davon ausgegangen werden muß, daß Herr K. schon noch die Voraussetzungen erbringt, z.B. verwendungsadäquate Tätigkeiten "büroadministrativer" Art (in b/B-wertiger Verwendung), etwa im Rahmen der fachlichen Detailbearbeitung von Angelegenheiten des Schulwesens, der Volks- und Erwachsenenbildung, des Büchereiwesens, der Kultur- und Kunstförderung oder auch der außerschulischen Jugendbetreuung produktiv leistungsbezogen auszuüben. Ähnliches gilt des weiteren für entsprechend qualifizierte Informations- und Beratungsaufgaben bei Bibliotheken, Leihbücherein sowie im Buchhandel und Verlagswesen.

Bei den angeführten Aufgabenbereichen, die körperlich übrigens leichtem Kalkül entsprechen, kommt es auch zu keinen nennenswerten Anforderungen an die "Psyche", soweit das übliche Maß an Kontakt- und Anpassungsfähigkeit (im Umgang mit Mitarbeitern und Kunden) noch zum Tragen kommt, was bei Herrn K. nach dem amtsärztlichen Gutachten erwartet werden darf. Aus berufskundlicher Sicht kann Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 PG (1965) somit NICHT angenommen werden."

Der Beschwerdeführer erstattete zum zuletzt genannten berufskundlichen Ergänzungsgutachten zwei Stellungnahmen, deren wesentlicher Inhalt in der Begründung des angefochtenen Bescheides wiedergegeben ist.

Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde gemäß § 9 Abs. 1 PG 1965 fest, daß die Voraussetzungen für die Zurechnung von 5 Jahren, 10 Monaten und 8 Tagen zur ruhegenußfähigen Dienstzeit des Beschwerdeführers nicht vorlägen. Begründend wurde nach Zitierung des § 9 Abs. 1 PG 1965 ausgeführt, die belangte Behörde habe nach dieser Gesetzesstelle auf der Grundlage eines ärztlichen Gutachtens zunächst die Frage zu beantworten gehabt, ob der Beschwerdeführer noch zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit befähigt sei. Sodann habe sie auf Grundlage eines berufskundlichen Gutachtens die Frage zu klären gehabt, ob ihm jene Erwerbstätigkeiten, die er nach seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit vom medizinischen Standpunkt aus noch auszuüben vermöge, zugemutet werden könnten. Der amtsärztliche Sachverständige habe unter Zugrundelegung der Gutachten der Fachärzte für Psychiatrie Dr. B und Dr. G und einer Stellungnahme der Universitätsklinik für Psychiatrie sowie nach eigener Untersuchung den Schluß gezogen, daß der Beschwerdeführer keine Unterrichtstätigkeit mehr auszuüben in der Lage sei. Der Amtsarzt habe ihn jedoch für geeignet gehalten, leichte Tätigkeiten im Ausmaß von 40 Wochenstunden auszuüben, wenn diese sitzend oder stehend in einem gänzlich anderen Arbeitsumfeld mit je 1/4 Stunde Pause vormittags, mittags und nachmittags verrichtet werden könnten. Über Anfrage habe der Amtsarzt schließlich unter anderem auch festgestellt, daß auf Grund der vorliegenden Befunde und der eigenen Untersuchung mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne, daß in einem gänzlich anderen Arbeitsumfeld (keine Lehrtätigkeit) Dienstverhinderungen von mehr als 3 Monaten jährlich nicht zu erwarten seien. Auf Grund der amtsärztlichen Gutachten vom 18. Juli 1989 und 1. Dezember 1989 habe der gerichtlich beeidete Sachverständige für Fragen der Berufskunde am 8. November 1989 ein berufskundliches Gutachten erstattet und es am 22. Jänner 1990 nach vorheriger Ergänzung des amtsärztlichen Gutachtens ergänzt. Dieser Sachverständige sei zum Ergebnis gekommen, daß beim Beschwerdeführer noch die Voraussetzungen vorlägen, z.B. verwendungsadäquate Tätigkeiten "büroadministrativer" Art, etwa im Rahmen der fachlichen Detailbearbeitung von Angelegenheiten des Schulwesens, der Volks- und Erwachsenenbildung, des Büchereiwesens, der Kultur- und Kunstförderung oder auch der außerschulischen Jugendbetreuung auszuüben. Ähnliches gelte für entsprechend qualifizierte Informations- und Beratungsaufgaben bei Bibliotheken, Leihbüchereien, im Buchhandel und Verlagswesen. Bei den angeführten Aufgabenbereichen, die körperlich leichtem Kalkül entsprächen, komme es auch zu keinen nennenswerten Anforderungen an die "Psyche", soweit das übliche Maß an Kontakt- und Anpassungsfähigkeit (im Umgang mit Mitarbeitern und Kunden) noch zum Tragen komme, was jedoch nach dem ärztlichen Gutachten zu erwarten sei. In seinen Stellungnahmen vom 7. und 13. Februar 1990 habe der Beschwerdeführer auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die sich für einen Mann seines Alters auf dem Arbeitsmarkt ergäben. Er habe sich gegen die Vorgangsweise der belangten Behörde, Ergänzungsgutachten einzuholen, gewandt und habe weiters vorgebracht, daß die durch den berufskundlichen Sachverständigen angeführten Verwendungen nach gängiger Praxis C- oder D-wertig entlohnt würden. Eine B-wertige Tätigkeit schließe Elemente der Eigenverantwortung und Eigenentscheidung ein; einer derartigen Verwendung fühle er sich nicht gewachsen. C- oder D-wertige Tätigkeiten entsprächen jedenfalls in ihrer sozialen Geltung der bisherigen Tätigkeit nicht und seien daher auch nicht zumutbar. Diesen Einwendungen sei entgegenzuhalten, daß der medizinische Sachverständige die Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers für bestimmte Tätigkeiten bejaht habe. Er sei in seinem Gutachten vom 1. Dezember 1989 auch davon ausgegangen, daß bei einem Einsatz in einem gänzlich anderen Arbeitsumfeld Dienstverhinderungen von mehr als 3 Monaten jährlich nicht zu erwarten seien. Zum vorstehenden Problem sei eine Gutachtensergänzung deshalb einzuholen gewesen, weil sich das Erstgutachten nicht auf allfällige Dienstverhinderungen in einem anderen Arbeitsumfeld bezogen habe und keine Rückschlüsse aus dem Erstgutachten hätten gezogen werden können. Der berufskundliche Sachverständige habe den Beschwerdeführer zur Ausübung verwendungsadäquater Tätigkeiten "büroadministrativer" Art für fähig erklärt und eine Reihe solcher Tätigkeiten beispielsweise genannt. Bei den angesprochenen Tätigkeiten könne nicht davon ausgegangen werden, daß sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht begehrt und honoriert würden. Dem grundsätzlichen Einwand des Beschwerdeführers, daß er auf Grund seines Alters Schwierigkeiten habe, einen Arbeitsplatz zu finden, könne deshalb nicht Rechnung getragen werden, weil nicht die konkrete Möglichkeit zur Erlangung einer zumutbaren Arbeit für die Entscheidung maßgebend sei (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. September 1988, Zl. 88/12/0022). In dem zuletzt zitierten Erkenntnis habe der Verwaltungsgerichtshof unter anderem auch die Rechtsmeinung vertreten, daß einer ehemaligen Volksschuloberlehrerin Tätigkeiten "büroadministrativer" Art beispielsweise in Bibliotheken u.dgl. durchaus zumutbar seien und ihrer sozialen Geltung nach der früheren Tätigkeit entsprächen. Ausgehend von dieser Rechtsansicht des Höchstgerichtes könnten entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers die vom berufskundlichen Sachverständigen für ihn möglichen Tätigkeiten als ebenso zumutbar angesehen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 9 Abs. 1 des (gemäß § 106 Abs. 1 LDG 1984 nach Maßgabe des Abs. 2 der zuletzt genannten Bestimmung im Beschwerdefall anzuwendenden) PG 1965 hat die Landesregierung (§ 106 Abs. 2 Z. 4 LDG 1984 in Verbindung mit § 2 leg. cit. und § 2 Abs. 1 des Tiroler Landeslehrer-Diensthoheitsgesetzes 1981, LGBl. Nr. 75) dem Beamten, der ohne sein vorsätzliches Verschulden zu einem zumutbaren Erwerb unfähig geworden ist, aus Anlaß der Versetzung in den Ruhestand den Zeitraum, der für die Erlangung des Ruhegenusses im Ausmaß der Ruhegenußbemessungsgrundlage erforderlich ist, höchstens jedoch 10 Jahre, zu seiner ruhegenußfähigen Landesdienstzeit zuzurechnen.

Gemäß § 36 Abs. 1 PG 1965 hat die Dienstbehörde, soweit die Beurteilung eines Rechtsbegriffes von der Beantwortung von Fragen abhängt, die in das Gebiet ärztlichen Fachwissens fallen, durch ärztliche Sachverständige Beweis zu erheben. Wenn es zur zuverlässigen Beurteilung erforderlich ist, sind Fachärzte heranzuziehen.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung zu § 9 Abs. 1 PG 1965 die Auffassung, daß die Behörde die in einem Verfahren nach der genannten Gesetzesstelle entscheidende Rechtsfrage (vgl. Erkenntnis vom 20. September 1988, Zl. 88/12/0022), ob der Beamte noch "zu einem zumutbaren Erwerb" fähig ist, nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Versetzung des Beamten in den Ruhestand zu lösen hat (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 22. Juni 1987, Zl. 87/12/0033, und vom 29. Februar 1988, Zl. 87/12/0170); hiebei hat sie zunächst auf der Grundlage eines mängelfreien und schlüssigen ärztlichen Gutachtens die Frage zu beantworten, ob der Beamte überhaupt noch zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit befähigt ist; bejahendenfalls hat sie sodann auf der Grundlage dieses sowie eines mängelfreien und schlüssigen berufskundlichen Gutachtens die Frage zu klären, ob dem Beamten jene Erwerbstätigkeiten, die er nach seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit vom medizinischen Standpunkt aus noch auszuüben vermag, zugemutet werden können; letzteres ist dann der Fall, wenn diese Tätigkeiten ihrer sozialen Geltung nach der früheren Beschäftigung, der dienstlichen Stellung und der Fortbildung des Beamten annähernd gleichkommen und wenn die Aufnahme solcher Tätigkeiten vom Beamten auch nach seinen sonstigen persönlichen Lebensumständen billigerweise erwartet werden kann (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 23. Oktober 1987, Zl. 86/12/0115, vom 18. Jänner 1988, Zl. 87/12/0123, und vom 20. September 1988, Zl. 86/12/0114, Zl. 88/12/0021 und Zl. 88/12/0022, jeweils mit weiteren Judikaturhinweisen). Ob dem Beamten eine solche Beschäftigung, die an sich Gegenstand des allgemeinen Arbeitsmarktes ist, tatsächlich vermittelt werden kann, ist für die abstrakt vorzunehmende Beurteilung der Erwerbsfähigkeit ohne Bedeutung (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 20. September 1988, Zl. 88/12/0022, und vom 23. April 1990, Zl. 89/12/0103). In einem dem Standpunkt des Beamten nicht vollinhaltlich Rechnung tragenden Bescheid nach § 9 Abs. 1 PG 1965 hat die Behörde entsprechend den §§ 58 Abs. 2, 60 AVG und § 1 DVG in einer sowohl die Wahrnehmung der Rechte durch den Beamten als auch die nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof ermöglichenden Art und Weise die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Durfte die belangte Behörde auf Grund eines mängelfreien Verfahrens davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des 31. August 1989 entsprechend den gutächtlichen Äußerungen des amtsärztlichen Sachverständigen noch in der Lage war, die vom berufskundlichen Sachverständigen näher angeführten "verwendungsadäquaten Bürotätigkeiten administrativer Art in b/B-wertiger Verwendung" zu verrichten, so ist der angefochtene Bescheid nicht mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet. Die vom Beschwerdeführer unter diesem Beschwerdegrund erhobenen Einwände (Bestreitung der Möglichkeit der Verrichtung von Tätigkeiten "büroadministrativer" Art in B-wertiger Verwendung und Nichtbeachtung einer Verschlimmerung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers durch die Ausübung solcher Tätigkeiten) gehen nicht von den diesbezüglichen Feststellungen der belangten Behörde aus und stellen daher in Wahrheit Verfahrensrügen dar.

Der angefochtene Bescheid ist aber - im Ergebnis in Übereinstimmung mit den eben genannten und den unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemachten Beschwerdeausführungen - mit relevanten Verfahrensmängeln behaftet, weil die Gutachten der beigezogenen Sachverständigen, auf die sich die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung gestützt hat, nicht den Anforderungen gerecht werden, die nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die von Aigner, Der (Amts-)Sachverständige im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, JBl 1983, 352, angeführte Judikatur sowie aus späterer Zeit unter anderem die Erkenntnisse vom 27. September 1983, Zl. 82/11/0130, vom 20. September 1984, Zl. 82/08/0196, vom 13. November 1985, Zl. 85/11/0051, vom 13. Juni 1988, Zl. 87/12/0180, und vom 18. April 1989, Zl. 88/08/0020) an Sachverständigengutachten zu stellen sind.

Nach dieser Rechtsprechung muß ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund besteht in der Angabe der tatsächlichen Grundlagen, auf denen das Gutachten aufbaut, und der Art, wie sie beschafft wurden. Mit anderen Worten: Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlußfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteils (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen beschafft wurden, erkennen läßt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht. Der Sachverständige muß also, damit eine Schlüssigkeitsprüfung seines Gutachtens vorgenommen werden kann, auch darlegen, auf welchem Wege er zu seinen Schlußfolgerungen gekommen ist. Sind andere Gutachten oder Befunde Bestandteile des Sachverständigengutachtens geworden, so müssen sie insoweit den eben dargelegten Anforderungen entsprechen, die an ein Sachverständigengutachten zu stellen sind.

Vor diesem Hintergrund widersprechen zunächst das amtsärztliche Gutachten mit seiner Ergänzung sowie die vom Sachverständigen in sein Gutachten integrierten "Hilfsbefunde" den obgenannten Anforderungen an Sachverständigengutachten. Vorerst ist nämlich schon unklar, von welchem "psychischen Befund" des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand der amtsärztliche Sachverständige ausgegangen ist. Die - freilich zu verschiedenen Zeitpunkten und wohl auch zu unterschiedlichen Anlässen erstellten - "Hilfsbefunde" konstatieren "eine reaktive Depression im Sinne einer Konfliktreaktion", "keine schwerwiegende psychiatrische Krankheit ..., eine testpsychologisch feststellbare Hirnleistungsminderung", eine "neurotisch depressive Entwicklung mit schwerem sozialen Kompetenzdefizit" und schließlich einen "Verdacht auf endogene Depression". Der Amtssachverständige selbst vermeint auf Grund der eigenen Untersuchung "deutliche Hinweise auf Depressio" erkannt zu haben und stellt dann (auf Grund der eigenen Untersuchung und der herangezogenen "Hilfsbefunde") die Diagnose: "Depression wahrscheinlich reaktiver Genese mit Aggrivationsneigung (gemeint wohl Aggravationsneigung) im Unterricht". Zu dieser (schon an sich eine Schlüssigkeitsprüfung zumindest erschwerenden) Mangelhaftigkeit der Tatsachengrundlagen über den maßgeblichen Leidenszustand des Beschwerdeführers kommt das (eine Schlüssigkeitsprüfung völlig ausschließende) Fehlen jeglicher Darlegungen darüber, wie der Amtssachverständige, ausgehend und in Auseinandersetzung mit diesen Tatsachengrundlagen (vor allem der offenkundig inzwischen stattgefundenen Veränderung des "psychischen Befundes" des Beschwerdeführers und den allenfalls unterschiedlichen Sichtweisen durch die "Hilfsbefunde" so z.B. der Universitätsklinik für Psychiatrie und des Dr. H), zu seinen gutächtlichen Schlußfolgerungen über die dem Beschwerdeführer noch möglichen Erwerbstätigkeiten im ursprünglichen und ergänzten Gutachten gelangt ist, und zwar auch diesbezüglich in Auseinandersetzung mit den Schlußfolgerungen in den "Hilfsbefunden" (z.B. jener des Dr. G über die nur eventuelle Eignung des Beschwerdeführers zur Bürotätigkeit).

Die belangte Behörde konnte daher weder von einem schlüssigen amtsärztlichen Gutachten noch - in Konsequenz dieser Unschlüssigkeit - von der Schlüssigkeit des auf diesem Gutachten beruhenden berufskundlichen Gutachtens ausgehen. Im Hinblick auf diese unschlüssigen Tatsachengrundlagen war die belangte Behörde aber (anders als dann, wenn schlüssige und mängelfreie Gutachten vorgelegen wären: vgl. Aigner, JBl 1983, 355, 358) auf Grund der in der Begründung des angefochtenen Bescheides wiedergegebenen Einwände des Beschwerdeführers verpflichtet, weitere Ergänzungen der beiden Gutachten zu veranlassen. Dabei hätte sie in bezug auf das amtsärztliche Gutachten nicht nur ganz allgemein auf eine Behebung der obgenannten Mängel, sondern im Hinblick auf das ergänzende berufskundliche Gutachten vom 22. Jänner 1990, die eben genannten Einwände des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren und die insofern zutreffenden Beschwerdeausführungen spezifisch auf eine Ergänzung des Gutachtens u.a. dahin dringen müssen, ob (und wenn ja welche) Erwerbstätigkeiten dem Beschwerdeführer noch unter den Gesichtspunkten der Kontakt- und Anpassungsfähigkeit (im Umgang mit Mitarbeitern und Kunden), der Eigenverantwortung und Eigenentscheidung sowie der wohl unvermeidlichen Belastungen in der Umstellungsphase vom bisher ausgeübten Beruf auf andere Tätigkeiten vom medizinischen Standpunkt aus möglich sind. Der Beiziehung eines nichtamtlichen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Neurologie und Psychiatrie nach § 52 Abs. 2 AVG in Verbindung mit § 36 Abs. 1 letzter Satz PG 1965 hätte es hingegen - anders als der Beschwerdeführer meint - nicht auf jeden Fall, sondern nur dann bedurft, wenn der ärztliche Sachverständige nicht in der Lage gewesen wäre, eine zuverlässige Beurteilung vorzunehmen und ein dementsprechend schlüssiges und vollständiges Gutachten zu erstatten (vgl. dazu die bei Aigner, JBl 1983, 353, zitierte Judikatur, sowie unter anderem das Erkenntnis vom 29. Juni 1987, Zl. 86/08/0081). Bei der sodann zu veranlassenden ergänzenden berufskundlichen Begutachtung hätte überdies auf eine solche wenigstens kurze Beschreibung der nach Ansicht des Sachverständigen auf Grund des ärztlichen Gutachtens noch möglichen Erwerbstätigkeiten gedrungen werden müssen, die die belangte Behörde selbst in die Lage versetzt hätte, die ihr und nicht dem berufskundlichen Sachverständigen zukommende rechtliche Beurteilung der Zumutbarkeit dieser Erwerbstätigkeiten im Sinne des § 9 Abs. 1 PG 1965 vorzunehmen.

Da die belangte Behörde somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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