VwGH 89/04/0273

VwGH89/04/02735.11.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde 1) des K in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, 2) des H, 3) des M, 4) der B, 5) des Mag. N, 6) der I, 7) des Dipl.-Ing. S,

8) des Z und 9) des X, alle in W, Zweit- bis Neuntbeschwerdeführer vertreten durch Dr. Y, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 17. 11. 1989, Zl. 551.282/196-VIII/1/89, betreffend Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: Heizbetriebe Wien Gesellschaft mbH. in Wien, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs1;
AVG §45 Abs3;
AVG §52;
AVG §53 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs4 litd;
AVG §7 Abs1;
AVG §8;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
GewO 1973 §353 idF 1988/399;
GewO 1973 §74 Abs2 idF 1988/399;
GewO 1973 §77 Abs2 idF 1988/398;
GewO 1973 §77 Abs2 idF 1988/399;
GewO 1973 §81 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §81;
LRG-K 1988 §4 Abs3;
LRG-K 1988 §4 Abs7 Z2;
LRG-K 1988 §5 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §13 Abs1;
AVG §45 Abs3;
AVG §52;
AVG §53 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs4 litd;
AVG §7 Abs1;
AVG §8;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
GewO 1973 §353 idF 1988/399;
GewO 1973 §74 Abs2 idF 1988/399;
GewO 1973 §77 Abs2 idF 1988/398;
GewO 1973 §77 Abs2 idF 1988/399;
GewO 1973 §81 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §81;
LRG-K 1988 §4 Abs3;
LRG-K 1988 §4 Abs7 Z2;
LRG-K 1988 §5 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Erstbeschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.586,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,--, die Zweit- bis Neuntbeschwerdeführer haben (insgesamt) dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.989,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.320,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 17. November 1989 erteilte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten der mitbeteiligten Partei gemäß § 74 Abs. 2, §§ 77, 81 und 333 GewO 1973 in Verbindung mit §§ 4, 5 und 6 des Luftreinhaltegesetzes für Kesselanlagen, § 49 Forstgesetz 1975 und der Luftreinhalteverordnung für Kellelanlagen 1989 sowie § 21 Dampfkesselverordnung und § 27 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz die Genehmigung zur Änderung ihrer Betriebsanlage in Wien 9, Spittelauerlände 45, in welcher sie die Gewerbe: "Erzeugung und Verteilung von Wärme, Betriebsführung in Wärmeerzeugungs- und -verteilungsanlagen unter Ausschluß jeder an einen Befähigungsnachweis gebundenen Tätigkeit, Aufstellung von Niederdruckzentralheizungsanlagen und Warmwasserbereitungsanlagen der Oberstufe und von Hausdruckzentralheizungsanlagen (§ 103 Abs. 1 lit. a Z. 6 GewO 1973), beschränkt auf Wärmeerzeugungs- und Verteilungsanlagen", ausübe, "nach Maßgabe der Pläne und der Betriebsbeschreibung, auf die sich dieser Bescheid ...", unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen (Spruchteil A I) und unter Vorbehalt der Betriebsbewilligung und Anordnung eines Probebetriebes (Spruchteil A II). Gleichzeitig wurden zahlreiche Einwendungen teils abgewiesen, teils zurückgewiesen (Spruchteil A III, IV und V). Spruchteil B betrifft die Zurück- bzw. Abweisung von (im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht gegenständlichen) Berufungen und Spruchteil C enthält einen Kostenvorbehalt. Im Rahmen der Begründung führte der Bundesminister zunächst aus, der mitbeteiligten Partei sei mit Bescheid vom 30. Mai 1975 für den in Rede stehenden Standort eine Betriebsanlage genehmigt worden, die im wesentlichen aus folgenden Anlagenteilen bestand:

  1. a)

    Müllbunker

  2. b) zwei Müllkessel mit einer Leistung von

    2 x 41,1 = 82,2 MW zur Verfeuerung von Hausmüll mit Ölbrennern als Stützfeuerung;

  1. c) zwei Elektrofilter für etwa 2 x 83.000 Nm3/h Rauchgas;
  2. d) Schornstein mit 3 Rauchgaszügen bis in eine Höhe von 126 m über Straßenniveau;

    e) das Schweröllager in Form von fünf Behältern mit je 4.000 m3 Inhalt;

    f) zwei ölbefeuerte Heißwasserkessel mit einer Leistung von 2 x 45 Gcal/h = 2 x 52 MW;

  1. g) Heißwasser- und Dampfverteilung;
  2. h) Dampfturbosatz;
  3. i) elektrische Anlage;
  4. j)

    Nebenaggregate

  5. k) Verwaltungsgebäude.

    Für die Nutzwasserentnahme und Rückführung sei die wasserrechtliche Bewilligung mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 23. Mai 1968 bzw. 17. Juli 1970 erteilt worden. Mit Bescheid vom 21. Juli 1978 seien unter anderem drei ölbefeuerte Heißwasserdreizugkessel mit einer Brennstoffwärmeleistung von 3 x 20,2 MW sowie Lager- und Werkstättenräume mit Vorschreibung von Auflagen, jedoch ohne solche umweltrelevanter Art, rechtskräftig genehmigt worden. Mit Bescheid vom 20. Dezember 1983 sei die Genehmigung zur Errichtung einer Betriebstankstelle erteilt worden. Der Bescheid vom 9. August 1984 habe die Genehmigung eines Prüf- und Eichstandes für Wärmezähler zum Gegenstand gehabt. Mit Bescheid vom 31. Juli 1985, Zl. MBA9-Ba13.324/4/85, sei die Errichtung von zwei Rauchgasreinigungsanlagen für die beiden Müllverbrennungskessel und einer Abwasserreinigungsanlage genehmigt worden. Diese Rauchgasreinigungsanlagen seien mit der im gegenständlichen Verfahren beantragten Anlage, um deren Genehmigung nunmehr angesucht wurde, nicht ident. Nach Darstellung des Verwaltungsganges im Verfahren erster und zweiter Instanz sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien erhobenen Berufungen setzte sich der Bundesminister in der Begründung des angefochtenen Bescheides sodann mit den in den Berufungen geltend gemachten Verfahrensmängel auseinander. Nach einem daran anschließenden Überblick über den Gang des Verfahrens dritter Instanz traf der Bundesminister folgende Feststellungen:

    Die gegenständliche Betriebsanlage diene der Erzeugung der Fernwärme. Von ihr werde die Fernwärme in das Wiener Fernwärmenetz eingespeist, das sich als ein geschlossenes, zusammenhängendes Rohrleitungsnetz darstelle. Diesem Netz werde Fernwärme von acht verschiedenen Einspeisungsanlagen zugeführt. Das Heißwasser im Rohrleitungsnetz könne deshalb auch einmal in die eine und einmal in die andere Richtung geführt werden, je nachdem von welcher Fernwärmeanlage gerade eingespeist werde. Die Rohrleitungen seien damit auch keiner einzelnen Einspeisungsanlage zuordenbar. Im 11. Bezirk überquere das Rohrleitungsnetz die Wiener Landesgrenze zur Anlage der ÖMV in Schwechat, wo ebenfalls Wärme eingespeist werde. Der Standort der Betriebsanlage liege zur Gänze im örtlichen Wirkungsbereich des MBA 9. Am 15. Mai 1987 seien Teile der Betriebsanlage durch einen Brand zerstört worden. Da die durch den Brand zerstörten Gebäude und Anlagenteile mit wesentlichen Änderungen wieder bzw. neu errichtet werden sollten, habe die mitbeteiligte Partei mit Antrag vom 16. Dezember 1987 um die Genehmigung nachstehender Änderungen angesucht:

    a) Rauchgaswäsche mit Abwasserreinigungsanlage (anstelle der durch den Brand zerstörten zweistraßigen Rauchgaswäsche)

  1. b) Elektrofilteranlage (anstelle der zerstörten Anlage)
  2. c) Errichtung von zwei Heißwasserkesseln (Brennstoffwärmeleistung zweimal 179 MW) anstelle der zerstörten Heißwasserkessel (zweimal 52 MW), der Betrieb mit Erdgas, Heizöl oder Kombibetrieb sei möglich (früher nur Heizöl)

    d) Umstellung von drei bestehenden Heißwasser-Dreizugkesseln auf Befeuerung mit Erdgas oder Heizöl (früher nur Heizöl; nicht zerstört)

    e) Errichtung einer Erdgas-Regelstation für die Versorgung der fünf Heißwasserkesseln

  1. f) Erstellung des Dampfturbosatzes
  2. g) Änderung des Rampenbauwerkes durch Heben der Zufahrtsebene für die Müllfahrzeuge

    h) Schaffung von zusätzlichen Lagerräumen und Garderoben für die Arbeitnehmer

    i) Errichtung von Krananlagen und Aufzugsanlagen.

    Die neukonzepierte Rauchgasreinigungsanlage bestehe aus einem E-Filter, einer Rauchgaswäsche, einer Venturiwäsche zur Feinstaubabscheidung sowie einer Denoxanlage. Durch die Rauchgasreinigungsanlage werde die Emission der gas- und staubförmigen Luftschadstoffe verringert. Eine Verringerung erfolge auch hinsichtlich der PCDD und PCDF (Dioxine und Furane), wobei jedoch hier eine Quantifizierung der Verringerung des Schadstoffausstoßes nicht möglich sei. Ausgeschlossen werden könne jedoch, daß es durch die Rauchgasreinigungsanlage oder Rauchgasführung zu einer Erhöhung des Schadstoffausstoßes an PCDD und PCDF komme. Durch die E-Filter erfolge eine Abscheidung der durch den Verbrennungsvorgang entstandenen Staubpartikel. Von den E-Filtern würden die Rauchgase in die Rauchgaswäsche geführt, wo in einem zweistufigen Verfahren die sogenannten sauren Gase (Salzsäure, Flußsäure, Schwefeldioxid, welche mit Wasserdampf Säure bildeten) in einem zweistufigen Verfahren herausgefällt würden. Der Rauchgaswäsche nachgeschaltet sei eine Feinstaubabscheidung (elektrodynamischer Venturi). Durch die Installierung dieser Rauchgasreinigungsanlage (Staubfilter, Rauchgaswäsche, Feinstaubabscheidung) werde die Bildung von Filterstaub und dem sogenannten Filterkuchen (= kontaminierter Gips) bewirkt. Die Bildung von Grob- und Feinschlake, die als Rückstände am Rost anfielen, sowie von Flugasche, die durch Ablagerung in den Kesselzügen entstünde, stehe mit den verfahrensgegenständlichen Änderungen in keinem Zusammenhang. Gemäß Auflage 41 sei die Filterasche einer Nachbehandlung zu unterziehen, durch die die Eluierbarkeit von Schadstoffen soweit verringert werde, daß diese auf einer Bauschutt- oder Hausmülldeponie gelagert werden könnten. Der Filterkuchen sei als gefährlicher Sonderabfall zu behandeln und auf eine Sonderabfalldeponie zu verbringen. In der Folge werden die nunmehr bescheidmäßig vorgeschriebenen Grenzwerte, die beim Betrieb der Müllverbrennungsanlage einzuhalten seien und jene garantierten Emissionskonzentrationen, die für die frühere Rauchgasreinigungsanlage gegolten hätten, einander gegenüber gestellt.

    Die Errichtung der Entstickungsanlage hinter den Müllkesseln bringe emissionstechnisch eine Verbesserung. Durch die Eindüsung von Amoniakwasser trete aber ein geringfügiger NH3-Schlupf im Abgas auf (4 bis 5 ppm), überdies bedürfe die Lagerung des alkalischen Salmiakgeistes (zweimal 30 m3) in der Betriebsanlage gewisser Sicherheitsvorkehrungen. Die Abwasserbehandlungsanlage sei mit wasserrechtlichem Bescheid vom 31. Juli 1987 genehmigt worden.

    Die Neuerrichtung von zwei Heißwasserkesseln sehe gegenüber den früher installierten mit 2 x 52,2 MW nunmehr eine Brennstoffwärmeleistung von 2 x 179 MW vor. Der maximale Abgasmengenstrom betrage demgegenüber mehr als das Dreifache. Vergleiche man jedoch die tatsächliche Betriebsweise der alten Kesseln mit den für die neuen Kesseln höchstzulässigen Emissionskonzentrationen, so ergebe sich, daß der tatsächliche Betrieb der alten Kesseln mit Heizöl schwer mit 1 % Schwefel trotz geringerer installierter Leistung einen höheren Schadstoffmengenstrom zur Folge gehabt habe, als die beantragte Betriebsweise der neuen Kessel mit Heizöl mit 0,15 % Schwefel.

    Die neuerrichtete Erdgasanlage bringe ein erhöhtes Brandentstehungs- und Explosionsrisiko mit sich.

    Die Änderung der Rampenausbildung sei hinsichtlich der Beeinträchtigung durch höhere Lärmentwicklung zu prüfen.

    Die Umrüstung der Dreizugkessel auf Erdgasbetrieb bewirke eine Reduktion der Schadstoffe NOx, SO 2 und Staub.

    Ein Vergleich der Emissionen, die bei ungünstigstem konsensmäßigen Betrieb der gegenständlichen Betriebsanlage vor dem Brand von der gesamten Anlage ausgegangen seien, mit den Emissionen, die nach Durchführung der beantragten Änderungen zu erwarten seien, ergebe, daß sich trotz Erhöhung des Abgasvolumens die SO 2-Emissionen auf ca. 30 %, jene von NOx auf ca. 65 % reduzieren würden. Darüberhinaus könne auch eine erhebliche Reduktion der Staubemissionen erwartet werden. Dies sei einerseits auf die Tatsache zurückzuführen, daß die Heißwasserkessel und Dreizugkessel im Regelbetrieb mit Gas betrieben würden und ein Betrieb mit Heizöl seitens der Anlagebetreiberin nur mehr dann vorgesehen sei, wenn der auslegungsmäßige Brennstoff Gas nicht zur Verfügung stehe, andererseits durch die in Aussicht genommene Herstellung von Rauchgasreinigungseinrichtungen (Staubfilter, REA- und Denoxanlage), wodurch trotz der leistungsmäßigen Erweiterung der Anlage der Schadstoffausstoß insgesamt reduziert werden könne. Dazu komme noch, daß hinsichtlich der Heißwasserkessel nur ein eingeschränkter Betrieb von 500 Stunden pro Jahr beantragt worden sei, wobei im Regelfall nicht beide Heißwasserkessel gleichzeitig betrieben werden sollten, sondern jeweils ein Heißwasserkessel als Ausfallsreserve bereitgehalten werde.

    In der Folge wird der Inhalt der vom Bundesminister eingeholten Sachverständigengutachten und der dazu ergangenen Stellungnahmen und Gegenstellungnahmen wiedergegeben.

    Im medizinisch-umwelthygienischen Gutachten wurde zusammenfassend folgendes angeführt:

    "Zusammenfassend können aus Sicht der Humanmedizin und Umwelthygiene hinsichtlich der "Änderung der gewerblichen Betriebsanlage Spittelau" folgende Aussagen gemacht werden.

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