VfGH G113/2012 ua

VfGHG113/2012 ua13.6.2013

Aufhebung der die zweitinstanzliche Zuständigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate im Betriebsschließungsverfahren regelnden Bestimmung des GlücksspielG mangels Zustimmung der Länder zur Kundmachung in einer Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung

Normen

GlücksspielG §50 Abs1, §56a
B-VG Art10 Abs1 Z4
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
B-VG Art102 Abs1, Abs2, Abs3
B-VG Art129a Abs2
GlücksspielG §50 Abs1, §56a
B-VG Art10 Abs1 Z4
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
B-VG Art102 Abs1, Abs2, Abs3
B-VG Art129a Abs2

 

Spruch:

I. 1. Die Wortfolge "und in zweiter Instanz die Unabhängigen Verwaltungssenate gemäß §51 Abs1 VStG" in §50 Abs1 Glücksspielgesetz, BGBl Nr 620/1989, in der Fassung BGBl I Nr 50/2012, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

2. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2013 in Kraft.

3. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

4. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

II. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (im Folgenden: UVS) sind Berufungsverfahren gegen einen Bescheid des Bezirkshauptmanns von Ried im Innkreis sowie gegen Bescheide des Bezirkshauptmanns von Vöcklabruck anhängig, mit denen gegenüber der im verfassungsgerichtlichen Verfahren jeweils beteiligten Partei gemäß §56a Glücksspielgesetz – GSpG, BGBl 620/1989, in der Fassung BGBl 747/1996 (im Folgenden: GSpG), die Schließung des Betriebs eines näher bestimmten Lokals verfügt wurde.

2. Aus Anlass der Berufungsverfahren stellte der UVS beim Verfassungsgerichtshof die auf Art140 B-VG gestützten Anträge (G113/2012, G42/2013, G43/2013) "auf Aufhebung der Wortfolge 'und Betriebsschließungen' in §50 Abs1 des Glücksspielgesetzes (GSpG), BGBl Nr 620/1989, idF BGBl I Nr 54/2010; in eventu auf Aufhebung der Wortfolge 'und Betriebsschließungen' in §50 Abs1 des Glücksspielgesetzes (GSpG), BGBl Nr 620/1989, idF BGBl I Nr 50/2012; in eventu auf Aufhebung der Wortfolge 'und für Betriebsschließungen' in §50 Abs1 des Glücksspielgesetzes (GSpG), BGBl Nr 620/1989, idF BGBl I Nr 125/2003; in eventu auf Aufhebung der Wortfolge 'und in zweiter Instanz die Unabhängigen Verwaltungssenate gemäß §51 Abs1 VStG' in §50 Abs1 des Glücksspielgesetzes (GSpG), BGBl Nr 620/1989, idF BGBl I Nr 54/2010; in eventu auf Aufhebung der Wortfolge 'und in zweiter Instanz die Unabhängigen Verwaltungssenate gemäß §51 Abs1 VStG' in §50 Abs1 des Glücksspielgesetzes (GSpG), BGBl Nr 620/1989, idF BGBl I Nr 50/2012; in eventu auf Aufhebung der Wortfolge 'und in zweiter Instanz die unabhängigen Verwaltungssenate gemäß §51 Abs1 VStG 1950' in §50 Abs1 des Glücksspielgesetzes (GSpG), BGBl Nr 620/1989, idF BGBl Nr 344/1991", als verfassungswidrig. Begründend führte der UVS in dem zu G113/2012 protokollierten Verfahren im Wesentlichen aus (Hervorhebungen wie im Original enthalten; die übrigen zu G42/2013 und G43/2013 protokollierten Anträge entsprechen im Wesentlichen diesem Antrag):

"2. Präjudizialität und Anfechtungsumfang

2.1. Der bekämpfte Betriebsschließungsbescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Ried im Innkreis, mit dem […] die gänzliche Schließung des Betriebes des Lokals […] mit Wirkung 7. August 2012, 16.00 Uhr, verfügt wurde, stützt sich auf §56a GSpG. Die für das Betriebsschließungsverfahren einschlägige Zuständigkeitsregelung ist in §50 Abs1 GSpG normiert.

[…]

2.3. In seinem Erkenntnis vom 4. November 2009, 2008/17/0240, legte der Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auf VwGH 4.11.2009, 2009/17/0002 dar, dass §50 GSpG die Zuständigkeit im Betriebsschließungsverfahren abschließend regle und die Unabhängigen Verwaltungssenate zur Entscheidung in derlei Rechtsmittelverfahren berufe.

Der Oö. Verwaltungssenat hegt Zweifel an der Richtigkeit dieser verwaltungsgerichtlichen Rechtsauffassung, da aufgrund einer historischen und teleologischen Interpretation des §50 Abs1 GSpG entgegen der Ansicht des VwGH durchaus gute Gründe dafür sprächen, dass eine Zuständigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate für Betriebsschließungsverfahren gem §56a GSpG vom Gesetzgeber keineswegs intendiert gewesen sein dürfte (siehe Zeinhofer, Zuständigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate in Betriebsschließungsverfahren nach dem Glücksspielgesetz? wbl 2010, 161).

Wenn der Oö. Verwaltungssenat die verwaltungsgerichtliche Rechtsansicht im Sinne der Äußerungen im Schrifttum daher auch nicht unreflektiert zu teilen vermag, so ist diese nach Auffassung des erkennenden Mitglieds doch jedenfalls denkmöglich und erachtet sich der Oö. Verwaltungssenat somit dem Grunde nach als an diese gebunden; unter Zugrundelegung der ständigen – denkmöglichen – Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erachtet sich der Oö. Verwaltungssenat daher als zur Entscheidung über die gegenständliche Berufung gegen den Betriebsschließungsbescheid für zuständig.

Da der Oö. Verwaltungssenat die in Rede stehende Zuständigkeitsbestimmung des §50 Abs1 GSpG im bei ihm anhängigen Verfahren somit unter Zugrundelegung der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anzuwenden hat, ist diese Bestimmung daher präjudiziell iSd Art89 Abs2 iVm Art129a Abs3 und iVm Art140 Abs1 B-VG (vgl zur Beurteilung der Präjudizialitätsfrage des Verfassungsgerichtshofes unter Denkmöglichkeitsgesichtspunkten ua VfSlg 13.424/1993 uva).

2.4. Zum Anfechtungsumfang wird Folgendes festgehalten:

2.4.1. Historische Entwicklung der Bestimmung des §50 Abs1 GSpG:

Mit der Novelle BGBl 344/1991 wurde §50 GSpG wie folgt geändert:

'Für Strafverfahren nach diesem Bundesgesetz sind in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion diese, und in zweiter Instanz die unabhängigen Verwaltungssenate gemäß §51 Abs1 VStG 1950 zuständig. [...]'

Mit der Novelle BGBl I 125/2003 wurde in §50 erster Satz GSpG die Wortfolge 'und für Betriebsschließungen' eingefügt.

Mit der Novelle BGBl I 54/2010 wurde §50 Abs1 GSpG folgendermaßen formuliert:

'Für Strafverfahren und Betriebsschließungen nach diesem Bundesgesetz sind in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörden, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion diese, und in zweiter Instanz die Unabhängigen Verwaltungssenate gemäß §51 Abs1 VStG zuständig. '

Mit der Novelle BGBl I 50/2012 wurde in §50 Abs1 GSpG – in Reaktion auf die Umstrukturierung der Sicherheitsbehörden – die Wortfolge 'örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion diese' durch die Wortfolge 'Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, die Landespolizeidirektion' ersetzt.

Die jüngste Änderung des GSpG durch BGBl I 69/2012 betraf die Aufhebung einer Wortfolge in §60 Abs24 GSpG durch den Verfassungsgerichtshof und ist für das beim Oö. Verwaltungssenat anhängige Verfahren nicht von Relevanz.

2.4.2. Konkreter Anfechtungsumfang:

Der Anfechtungsgegenstand ist nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes so zu wählen, dass nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als zur Bereinigung der Rechtslage unbedingt notwendig ist und der verbleibende Teil nicht einen völlig veränderten, dem Gesetz nicht zusinnbaren Inhalt annimmt.

Nach Auffassung des Oö. Verwaltungssenates ist für die Bereinigung der – wie unter Punkt 3. näher dargelegten – verfassungswidrigen Rechtslage die Aufhebung der Wortfolge 'und Betriebsschließungen' in §50 Abs1 GSpG, BGBl 620/1989, idF BGBl I 54/2010 notwendig. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass diese Wortfolge mit der genannten GSpG-Novelle in der vom Oö. Verwaltungssenat anzuwendenden Form eingeführt wurde und nach verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung grundsätzlich die novellierte Gesetzesstelle idF der jeweiligen Novelle den Anfechtungsgegenstand bildet.

Sollte der Verfassungsgerichtshof – insbesondere vor dem Hintergrund der durch die Novellierung BGBl I 125/2003 (vgl. dazu Zeinhofer, Zuständigkeit 164) bzw. BGBl I 50/2012 erfolgte Zuständigkeitsänderung im Betriebsschließungsverfahren in erster Instanz in Bezug auf die früheren Bundes-/ jetzigen Landespolizeidirektionen, die durch die Aufhebung der genannten Wortfolge ebenfalls wegfiele – zum Ergebnis kommen, dass durch die Aufhebung dieser Wortfolge die verbleibende Bestimmung des §50 Abs1 GSpG einen 'völlig veränderten, dem Gesetz nicht zusinnbaren Inhalt' iSd ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes annehme, so wird ferner der Eventualantrag auf Aufhebung der Wortfolge 'und in zweiter Instanz die Unabhängigen Verwaltungssenate gemäß §51 Abs1 VStG' im letzten Satzteil des §50 Abs1 erster Satz GSpG, BGBl 620/1989, idF BGBl I 54/2010, gestellt. Dabei ist insbesondere zu bemerken, dass sich eine Zuständigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate im Verwaltungsstrafverfahren ohnehin bereits aus Art129a Abs1 Z1 B-VG ergibt, weshalb eine diesbezügliche ausdrückliche Normierung in §50 Abs1 GSpG nicht notwendig ist; der vom Verwaltungsgerichtshof zugrunde gelegte weitere, nach Auffassung des Oö. Verwaltungssenates verfassungsrechtlich überschießende, Sinngehalt in Bezug auf eine zweitinstanzliche Zuständigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate im Betriebsschließungsverfahren würde aber durch die Aufhebung der genannten Wortfolge aus dem Rechtsbestand ausgeschieden.

Im Hinblick auf Art140 Abs6 B-VG und die damit verbundene Möglichkeit, dass die gesetzlichen Bestimmungen wieder in Kraft treten könnten, die durch ein als verfassungswidrig erkanntes Gesetz aufgehoben worden sind, erlaubt sich der Oö. Verwaltungssenat ergänzend, in Form von zusätzlichen Eventualanträgen folgende weitere Aufhebungen zu begehren:

Aufhebung der Wortfolge 'und für Betriebsschließungen' in §50 Abs1 GSpG, BGBl 620/1989, idF BGBl I 125/2003 als erstmaliger Implementierung der Betriebsschließungen in die Zuständigkeitsbestimmung des §50 Abs1 GSpG;

Aufhebung der Wortfolge 'und in zweiter Instanz die unabhängigen Verwaltungssenate gemäß §51 Abs1 VStG 1950' in §50 Abs1 GSpG, BGBl 620/1989, idF BGBl 344/1991 als erstmaliger Implementierung der Unabhängigen Verwaltungssenate als Berufungsinstanz in die Bestimmung des §50 Abs1 GSpG.

Schließlich erlaubt sich der Oö. Verwaltungssenat, in Form von zwei weiteren Eventualanträgen die Aufhebung ähnlicher Wortfolgen des in Rede stehenden §50 Abs1 GSpG idF der letzten einschlägigen Novelle (BGBl I 50/2012) zu begehren.

3. Verfassungsrechtliche Bedenken

Art129a Abs2 B-VG normiert, dass einfachgesetzlich vorgesehen werden kann, dass 'Entscheidungen in erster Instanz unmittelbar beim unabhängigen Verwaltungssenat im Land' angefochten werden können. 'In den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung […] dürfen derartige Bundesgesetze [jedoch] nur mit Zustimmung der beteiligten Länder kundgemacht werden.' Eine Zustimmungsfiktion durch Verschweigen über einen bestimmten Zeitraum besteht nicht.

Die Anwendbarkeit des Art129a Abs2 B-VG ergibt sich im gegenständlichen Fall aufgrund folgender Überlegungen: Art102 Abs1 B-VG beinhaltet den Grundsatz der mittelbaren Bundesverwaltung. Art102 Abs2 leg cit zählt im Anschluss taxativ jene Materien auf, zu deren Vollziehung eigene Bundesbehörden geschaffen und die damit in unmittelbarer Bundesverwaltung vollzogen werden dürfen.

Die Kompetenz des Bundes zur Regelung des Glücksspielwesens gründet sich auf den in Art10 Abs1 Z4 B-VG enthaltenen Tatbestand 'Monopolwesen'. Dieser Tatbestand ist zwar in der Aufzählung des Art102 Abs2 B-VG enthalten und könnte daher auch in unmittelbarer Bundesverwaltung vollzogen werden. Der Bund hat allerdings von dieser Möglichkeit bei der Einführung der Betriebsschließungen im Glücksspielgesetz (§56a GSpG) durch die Glücksspielgesetznovelle 1996 (BGBl 747) nicht Gebrauch gemacht, weshalb der in Art102 Abs1 B-VG enthaltene Grundsatz zur Anwendung gelangt. Auch die weiteren Glücksspielgesetznovellen haben daran nichts geändert (ausführlich dazu Zeinhofer, Zuständigkeit 165ff).

Solange der Bund keine eigenen Glücksspielbehörden ins Leben ruft, handelt es sich daher – unabhängig von der Frage der Zuständigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate als Berufungsbehörden – schon aufgrund der sich aus §2 AVG ergebenden erstinstanzlichen Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörden jedenfalls um mittelbare Bundesverwaltung (vgl Zeinhofer, Zuständigkeit 166).

Da Betriebsschließungsverfahren somit eine Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung darstellen, hätte eine Zuständigkeitsnormierung der Unabhängigen Verwaltungssenate in §50 Abs1 GSpG nur mit Zustimmung der Länder kundgemacht werden dürfen.

Da hier – wie sich aus dem Schreiben des Bundeskanzleramtes/Verfassungsdienst vom 16. Oktober 2012, ZBKA-600.621/0002-V/2/2012, eindeutig ergibt – 'weder vor der Kundmachung des … GSpG … BGBl I Nr 125/2003, noch vor der Kundmachung der Glücksspielgesetz-Novelle 2008, BGBl I Nr 54/2010, die Zustimmung der Länder eingeholt' wurde und damit eine Zustimmung der Bundesländer schon faktisch ausgeschlossen ist, ist die Zuständigkeitsbestimmung des §50 Abs1 GSpG hinsichtlich der zweitinstanzlichen Zuständigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate im Betriebsschließungsverfahren nach Auffassung des Oö. Verwaltungssenates verfassungswidrig."

3. Die Bundesregierung erstattete jeweils eine Äußerung zu den Anträgen des UVS, in welcher sie einleitend darauf hinwies, dass die Prozessvoraussetzungen ihrer Ansicht nach jeweils nur hinsichtlich des vierten Eventualantrags vorliegen dürften. Im Einzelnen brachte die Bundesregierung Folgendes vor (Hervorhebungen wie im Original enthalten):

"I.

Zur Rechtslage und zu den Prozessvoraussetzungen:

[…]

1. Präjudizielle Fassung

Nach Ansicht der Bundesregierung beziehen sich bloß diese beiden Eventualanträge (1 und 4) auf eine präjudizielle Fassung des §50 Abs1 GSpG. Die übrigen im Antrag genannten Fassungen dürften dagegen kein zulässiger Anfechtungsgegenstand sein, da sie im Verfahren vor dem UVS nicht (mehr) anzuwenden sind: §50 GSpG ist mit 'Behörden und Verfahren' überschrieben, Abs1 enthält auch bloße Zuständigkeitsvorschriften. Maßgebend für die Zuständigkeit einer Behörde zur Erlassung einer Entscheidung ist die Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde, soweit gesetzlich nicht Anderes angeordnet ist (vgl. zB VfSlg 5363/1966; 6301/1970). Daher erscheint bloß die aktuelle Zuständigkeitsordnung, also §50 Abs1 GSpG in der Fassung des Sicherheitsbehörden-Neustrukturierungs-Gesetzes, BGBl I Nr 50/2012, präjudiziell und nicht etwa jene Fassung, die in dem Zeitpunkt gegolten hat, in dem die Berufung erhoben wurde (hier laut Sachverhaltsschilderung im Antrag: 23. August 2012, als noch die im Hauptantrag angefochtene Fassung BGBl I Nr 54/2010 in Kraft stand).

Es erscheint im vorliegenden Fall (in dem auch nur jeweils Wortfolgen und nicht eine ganze Gliederungseinheit angefochten ist) daher ausgeschlossen, dass der antragstellende UVS bei seiner zu erlassenden Berufungsentscheidung §50 Abs1 GSpG in einer älteren Fassung anzuwenden hätte, außer der Verfassungsgerichtshof spräche nicht aus, dass frühere Fassungen nicht wieder in Kraft treten, was aber nicht anzunehmen ist: Nach VfSlg 4036/1961; Holzinger/Hiesel, Verfassungsgerichtsbarkeit3 (2009) Art140 E366) spricht der Verfassungsgerichtshof nämlich dann aus, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, wenn sie mit der gleichen Verfassungswidrigkeit wie die aufgehobene Bestimmung behaftet sind. Dies wäre im Falle der Aufhebung der aktuellen Fassung allerdings auch für die Fassungen BGBl I Nr 54/2010 und BGBl I Nr 125/2003 anzunehmen, weshalb die allgemeine Regelung des Instanzenzuges im Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung (zum Landeshauptmann) anzuwenden wäre (Art103 Abs4 B-VG).

Die Bundesregierung geht daher davon aus, dass lediglich die angefochtene Bestimmung in der Fassung BGBl I Nr 50/2012 präjudiziell ist und insoweit die Prozessvoraussetzungen vorliegen. Dagegen erscheinen der Hauptantrag und diejenigen Eventualanträge, die sich auf frühere Fassungen des §50 Abs1 GSpG beziehen, als unzulässig.

2. Abgrenzung des Anfechtungsumfangs

Nach ständiger Rechtsprechung (zB VfSlg 13.179/1992) ist der Umfang der zu prüfenden und im Fall ihrer Rechtswidrigkeit aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden werde, als Voraussetzung für den Anlassfall bildet, dass aber anderseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erführe. Da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden könnten, habe der Verfassungsgerichtshof in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit dem einen oder dem anderen Ziel der Vorrang gebühre. Die Grenzen der Aufhebung einer zu prüfenden Gesetzesbestimmung müssten so gezogen werden, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekäme und dass anderseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen mit erfasst würden.

Nach Ansicht der Bundesregierung würde die Aufhebung der Wortfolge 'und in zweiter Instanz die Unabhängigen Verwaltungssenate gemäß §51 Abs1 VStG' den geringeren Eingriff in die Rechtslage bewirken. Die Zuständigkeit des UVS in Verwaltungsstrafverfahren ergibt sich – wie auch im Antrag ausgeführt wird – bereits aus Art129a Abs1 Z1 B-VG bzw. §51 Abs1 VStG, weshalb bei Stattgabe des vierten Eventualantrags sich in Verwaltungsstrafverfahren keine Änderung der Zuständigkeiten ergäbe. Zugleich wäre aber auch – anders als bei Stattgabe des ersten Eventualantrags – die Zuständigkeit der Landespolizeidirektion für Betriebsschließungen in der ersten Instanz in ihrem örtlichen Wirkungsbereich weiterhin gewahrt.

Nach Ansicht der Bundesregierung dürften daher nur hinsichtlich des vierten Eventualantrags die Prozessvoraussetzungen vorliegen."

Zu den vom UVS vorgebrachten Bedenken äußert sich die Bundesregierung wie folgt (Hervorhebungen wie im Original enthalten):

"II.

Zu den vorgebrachten Bedenken:

Der antragstellende UVS hält die Bestimmung des §50 Abs1 GSpG hinsichtlich der zweitinstanzlichen Zuständigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate im Betriebsschließungsverfahren für verfassungswidrig, da eine Zustimmung der Länder nicht eingeholt worden sei.

Die Bundesregierung stellt zunächst außer Streit, dass keine Zustimmung der Länder im Sinne des Art129a Abs2 B-VG eingeholt worden ist.

Die Bundesregierung nimmt daher von einer meritorischen Stellungnahme Abstand."

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes zur Regelung des Glücksspielwesens (Glücksspielgesetz – GSpG), BGBl 620/1989, in der Fassung BGBl I 50/2012, lauten:

"Behörden und Verfahren

§50. (1) Für Strafverfahren und Betriebsschließungen nach diesem Bundesgesetz sind in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörden, im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, die Landespolizeidirektion, und in zweiter Instanz die Unabhängigen Verwaltungssenate gemäß §51 Abs1 VStG zuständig.

(2) Diese Behörden können sich der Mitwirkung der Organe der öffentlichen Aufsicht bedienen und zur Klärung von Sachverhaltsfragen in Zusammenhang mit den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes die Amtssachverständigen des §1 Abs3 hinzuziehen. Zu den Organen der öffentlichen Aufsicht zählen jedenfalls die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Abgabenbehörden.

(3) Zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind die Organe der öffentlichen Aufsicht auch aus eigenem Antrieb berechtigt. Die Organe der Abgabenbehörden können zur Sicherung der Ausübung ihrer Überwachungsbefugnisse die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes hinzuziehen.

(4) Die Behörde nach Abs1 und die in Abs2 und 3 genannten Organe sind zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Veranstalter, Anbieter und Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben der Behörde nach Abs1, dem Amtssachverständigen (§1 Abs3) und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen sowie die nach diesem Bundesgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren.

(5) Die Abgabenbehörde hat in Verwaltungsverfahren nach §§52, 53 und 54 dann, wenn zu der Verwaltungsübertretung eine von ihr stammende Anzeige vorliegt, Parteistellung und kann Berufung gegen Bescheide sowie Einspruch gegen Strafverfügungen erheben.

(6) Eine von der Bezirksverwaltungsbehörde oder von der Landespolizeidirektion beabsichtigte Aufhebung einer Beschlagnahme oder die Einstellung eines Strafverfahrens ist im Falle des Vorliegens einer Anzeige einer Abgabenbehörde dieser zuvor unverzüglich zur Stellungnahme zu übermitteln.

(7) Der Bundesminister für Finanzen ist berechtigt, gegen Entscheidungen der Unabhängigen Verwaltungssenate Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Die Unabhängigen Verwaltungssenate haben Ausfertigungen glücksspielrechtlicher Entscheidungen unverzüglich dem Bundesminister für Finanzen zu übermitteln.

(8) Wird das Ermittlungsverfahren, dem eine Anzeige einer Abgabenbehörde zugrunde liegt, von der Staatsanwaltschaft eingestellt, so ist die anzeigende Abgabenbehörde davon unter Darlegung der Gründe unmittelbar zu verständigen. Zur Erfüllung der glücksspielrechtlichen Überwachungsaufgaben haben die Strafgerichte den Bundesminister für Finanzen über den Ausgang von Strafverfahren nach §168 StGB zu verständigen und ihm unmittelbar nach Rechtskraft eine Urteilsausfertigung zu übermitteln.

(9) Der Bundesminister für Finanzen kann den Informationsaustausch sowie die Form der Übermittlung der Berichte und Dokumente (Abs5 bis 8) mit Verordnung regeln.

[…]

Betriebsschließung

§56a. (1) Besteht der begründete Verdacht, daß im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit Glücksspiele entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes veranstaltet oder durchgeführt werden, und ist mit Grund anzunehmen, daß eine Gefahr der Fortsetzung besteht, so kann die Behörde ohne vorausgegangenes Verfahren, aber nicht ohne vorher zur Einstellung der entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes veranstalteten oder durchgeführten Glücksspiele aufgefordert zu haben, an Ort und Stelle die gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes verfügen. Von einer Betriebsschließung ist Abstand zu nehmen, wenn eine weitere Gefährdung der Interessen des Glücksspielmonopols durch andere geeignete Vorkehrungen, wie die Stillegung von Einrichtungen, Beschlagnahmen oder sonstige Maßnahmen, mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann.

(2) Bei der Erlassung einer Verfügung nach Abs1 sind bestehende Rechte soweit zu schonen, als dies ohne Gefährdung der Ziele dieses Bundesgesetzes möglich ist. Eine Verfügung nach Abs1 ist unverzüglich aufzuheben, wenn feststeht, daß der Grund für ihre Erlassung nicht mehr besteht.

(3) Über eine Verfügung nach Abs1 ist binnen drei Tagen ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die Verfügung als aufgehoben gilt. Ein Bescheid gilt auch dann als erlassen, wenn eine Zustellung an den Verfügungsberechtigten an dessen Unternehmenssitz oder an der Betriebsstätte nicht möglich ist. Die Zustellung des Bescheides kann in einem solchen Fall durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen.

(4) In einem Bescheid nach Abs3 können auch andere nach Abs1 zulässige Maßnahmen angeordnet werden. Ein Bescheid ist aufzuheben, wenn eine fortdauernde Gefährdung der Interessen des Glücksspielmonopols nicht mehr besteht.

(5) Ordentlichen Rechtsmitteln gegen Bescheide über Verfügungen nach Abs1 kommt keine aufschiebende Wirkung zu."

Der (auch heute noch geltende) §50 Abs1 GSpG in der Fassung BGBl I 50/2012 trat am 1. September 2012, somit vor der Antragstellung durch den UVS in Kraft.

2. Mit Art22 des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetzes – Bundesministerium für Finanzen, BGBl I 70/2013, wurde §50 Abs1 GSpG geändert. Die Änderung tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft.

III. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung des §187 ZPO iVm §35 VfGG zur gemeinsamen Beratung verbundenen Anträge erwogen:

1. Prozessvoraussetzungen

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitäts­entscheidung den antragstellenden UVS an eine bestimmte Rechtsauslegung zu bin­den, weil er damit indirekt der Entscheidung dieser Behörde in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art140 B‑VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig un­richtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – Gesetzesbestimmung eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden UVS im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 14.464/1996, 15.293/1998, 16.632/2002, 16.925/2003).

1.2. Der UVS stützt seine Zuständigkeit im Berufungsverfahren gegen erstinstanzliche Betriebsschließungsbescheide denkmöglich auf §50 Abs1 GSpG. Die Zuständigkeit einer Behörde ist (wenn – wie hier – gesetzlich nichts anderes bestimmt ist) allein nach der bei Erlassung der Entscheidung geltenden Rechtslage zu beurteilen (zB VfSlg 4819/1964, 5363/1966, 5592/1967, 6301/1970 uva.). Daraus folgt, dass – wie die Bundesregierung zutreffend ausführt – §50 Abs1 GSpG in der Fassung des Sicherheitsbehörden-Neustrukturierungs-Gesetzes, BGBl I 50/2012, präjudiziell ist, weil diese Fassung zum Zeitpunkt der Antragstellung durch den UVS gegolten hat.

Jene Anträge des UVS, die Anfechtungsbegehren zu §50 Abs1 GSpG in älteren Fassungen (in der Fassung BGBl 344/1991, BGBl I 125/2003, BGBl I 54/2010; allesamt Fassungen, die zum Zeitpunkt der Antragstellung des UVS nicht mehr in Geltung waren) enthalten, sind dagegen mangels Präjudizialität unzulässig. Aus diesem Grund sind jeweils der Hauptantrag, die zweiten, dritten und fünften Eventualanträge des UVS zurückzuweisen.

1.3. Zur Zulässigkeit jeweils des ersten und vierten Eventualantrags ist Folgendes auszuführen:

Nach der ständigen Judikatur zu den Verfahrensvoraussetzungen ist der Umfang der zu prüfenden und im Falle ihrer Rechtswidrigkeit aufzuhebenden Rechtsvorschrift derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall bildet, dass aber andererseits der verbleibende Teil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt (vgl. zB VfSlg 8155/1977, 13.965/1994, 16.542/2002, 16.911/2003). Der Verfassungsgerichtshof hat in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und welchem dieser Ziele der Vorrang gebührt (vgl. dazu zB VfSlg 7376/1974, 7786/1976, 13.701/1994). Es ist dem Verfassungsgerichtshof verwehrt, der Rechtsvorschrift durch Aufhebung bloßer Teile einen völlig veränderten, dem Normsetzer überhaupt nicht mehr zusinnbaren Inhalt zu geben, weil dies im Ergebnis geradezu ein Akt positiver Normsetzung wäre (vgl. VfSlg 12.465/1990, S 128; 13.915/1994, 15.090/1998).

1.4. Die Bundesregierung weist in diesem Zusammenhang zutreffender Weise darauf hin, dass durch eine allfällige Aufhebung der jeweils mit dem ersten Eventualantrag angefochtenen Wortfolge "und Betriebsschließungen" in §50 Abs1 GSpG, in der Fassung BGBl I 50/2012, die gesetzgeberische Absicht, die Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörden und der Landespolizeidirektionen in ihrem örtlichen Wirkungsbereich als erste Instanz für Betriebsschließungen festzulegen, geändert würde.

Da die Aufhebung der Wortfolge "und Betriebsschließungen" in §50 Abs1 GSpG, in der Fassung BGBl I 50/2012, dem Glücksspielgesetz somit einen völlig veränderten Inhalt im Bereich der erstinstanzlichen Zuständigkeiten im Betriebsschließungsverfahren geben würde (und sich die Bedenken des UVS gegen die Einrichtung der Unabhängigen Verwaltungssenate als zweitinstanzliche Behörde bei Betriebsschließungen richten), ist jeweils der erste Eventualantrag des UVS als unzulässig zurückzuweisen.

Der jeweils vierte Eventualantrag des UVS auf Aufhebung der Wortfolge "und in zweiter Instanz die Unabhängigen Verwaltungssenate gemäß §51 Abs1 VStG" in §50 Abs1 GSpG, in der Fassung BGBl I 50/2012, ist hingegen zulässig, weil die Aufhebung dieser Wortfolge den Inhalt der präjudiziellen Bestimmung des §50 Abs1 leg.cit. am geringsten verändert.

2. In der Sache

2. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 auf die Erörterung der auf­geworfenen Bedenken zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließ­lich zu beurteilen, ob die angefochtenen Bestimmungen aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig sind (zB VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.1. Der UVS bringt vor, Art102 Abs1 B-VG beinhalte den Grundsatz der mittelbaren Bundesverwaltung. Art102 Abs2 B-VG zähle taxativ jene Materien auf, zu deren Vollziehung eigene Bundesbehörden geschaffen und die damit in unmittelbarer Bundesverwaltung vollzogen werden dürfen. Der Tatbestand "Monopolwesen" (Art10 Abs1 Z4 B-VG) sei zwar in der Aufzählung des Art102 Abs2 B-VG enthalten und könne daher auch in unmittelbarer Bundesverwaltung vollzogen werden. Solange der Bund aber keine eigenen Glücksspielbehörden ins Leben rufe, sei die Angelegenheit in mittelbarer Bundesverwaltung zu vollziehen. Da somit Betriebsschließungsverfahren eine Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung darstellten, hätte – so der antragstellende UVS – die Begründung der Zuständigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate als zweitinstanzliche Behörde in §50 Abs1 GSpG nur mit Zustimmung der Länder gemäß Art129a Abs2 B‑VG kundgemacht werden dürfen. Da eine derartige Zustimmung nicht erfolgt sei, verstoße §50 Abs1 GSpG hinsichtlich der zweitinstanzlichen Zuständigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate im Betriebsschließungsverfahren nach Auffassung des UVS gegen Art129a Abs2 B-VG.

2.2. Die Bundesregierung stellt in ihrer Äußerung außer Streit, dass keine Zustimmung der Länder im Sinne des Art129a Abs2 B-VG eingeholt worden ist, und nimmt von einer meritorischen Stellungnahme Abstand.

3. Der Bundesgesetzgeber hat weder im Glücksspielgesetz noch in einem anderen Bundesgesetz vorgesehen, dass Glücksspielangelegenheiten (die vom Gesetzgeber unter dem Kompetenztatbestand "Monopolwesen" gemäß Art10 Abs1 Z4 B-VG geregelt werden und gemäß Art102 Abs2 B-VG in unmittelbarer Bundesverwaltung besorgt werden dürfen) unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Aus diesem Grund ist (auch) §56a GSpG gemäß Art102 Abs3 iVm Art102 Abs1 B‑VG im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung zu vollziehen.

Da in §50 Abs1 GSpG, in der Fassung BGBl I 50/2012, zur Vollziehung des §56a GSpG in zweiter Instanz die Unabhängigen Verwaltungssenate berufen werden und die Kundmachung der Bestimmung ohne die gemäß Art129a Abs2 B-VG erforderliche Zustimmung der beteiligten Länder erfolgte, ist die Wortfolge "und in zweiter Instanz die Unabhängigen Verwaltungssenate gemäß §51 Abs1 VStG" in §50 Abs1 GSpG, in der Fassung BGBl I 50/2012, als verfassungswidrig aufzuheben. Mit seinen Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der genannten Wortfolge ist der UVS somit im Recht.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Die Wortfolge " und in zweiter Instanz die Unabhängigen Verwaltungssenate gemäß §51 Abs1 VStG " in §50 Abs1 Glücksspielgesetz, BGBl 620/1989, in der Fassung BGBl I 50/2012, ist sohin als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesbestimmung gründet sich auf Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B-VG.

3. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B-VG.

4. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B‑VG und §64 Abs2 VfGG iVm §3 Z3 BGBlG.

5. Im Übrigen sind die Anträge zurückzuweisen.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ge­troffen werden.

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