VfGH V2/11

VfGHV2/1120.9.2011

Feststellung der Gesetzwidrigkeit der Geschäftsverteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres für das Kalenderjahr 2007; Kundmachungsmangel durch fehlenden Hinweis auf das verordnungserlassende Organ

Normen

B-VG Art139 Abs3 zweiter Satz litc, Art139 Abs4
BDG 1979 §98, §100, §101
Geschäftsverteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres für das Kalenderjahr 2007 (bzw 2008 und 2009)
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art139 Abs3 zweiter Satz litc, Art139 Abs4
BDG 1979 §98, §100, §101
Geschäftsverteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres für das Kalenderjahr 2007 (bzw 2008 und 2009)
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität

 

Spruch:

Das Verfahren wird eingestellt.

Begründung

Begründung

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt, mit dem die Berufung des nunmehrigen Beschwerdeführers gegen einen Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres, Senat 1, mit dem über den Beschwerdeführer wegen Dienstpflichtverletzung gemäß §43 Abs2 iVm §91 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 - BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von € 3.500,- verhängt und der Beschwerdeführer hinsichtlich bestimmter, näher genannter Tatvorwürfe freigesprochen worden war, teilweise abgewiesen wurde.

2. Aus Anlass dieser Beschwerde entstand beim Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass die Bestimmungen über den Senat 1 mit dem Standort Wien der "Zusammensetzung der Senate und Geschäftsverteilung, gültig für das Jahr 2009 ab 1. Jänner 2009" der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres gesetzwidrig sind. Der Verfassungsgerichtshof leitete daher mit Beschluss vom 8. Dezember 2010 - vorläufig davon ausgehend, dass es sich dabei um Verordnungsbestimmungen iSd Art139 Abs1 B-VG handle - gemäß dieser Verfassungsbestimmung ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der genannten Verordnungsbestimmungen ein.

3. Der Vorsitzende der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres als - nach der Aktenlage - verordnungserlassende Behörde legte die Akten betreffend die Erlassung der Geschäftseinteilung vor und teilte mit, dass "[a]ufgrund der Erkenntnisse V87/10[…] und V88,89/10[…] vom 29. November 2010, mit denen der Verfassungsgerichtshof die Gesetzwidrigkeit der Verordnung 'Zusammensetzung der Senate und Geschäftsverteilung, gültig für das Jahr 2007' und der Verordnung 'Zusammensetzung der Senate und Geschäftsverteilung, gültig für das Jahr 2007 ab 1. März 2007' der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres ausgesprochen hat, […] vom Vorsitzenden der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres von einer […] Äußerung zum Gegenstand abgesehen [wird]".

Die Bundesministerin für Inneres als oberste zur Vertretung der Verordnung berufene Behörde erstattete keine Äußerung zum Prüfungsbeschluss.

II. Rechtslage

1.1. Gemäß §98 Abs1 BDG 1979, BGBl. 333 idgF, sind bei jeder obersten Dienstbehörde eine Disziplinarkommission und gemäß §99 Abs1 leg.cit. beim Bundeskanzleramt eine Disziplinaroberkommission einzurichten. Die Disziplinarkommission ist gemäß §97 Z2 BDG 1979 u. a. zur Erlassung von Disziplinarerkenntnissen hinsichtlich der Beamten des Ressorts, in dem sie eingerichtet ist, die Disziplinaroberkommission gemäß §97 Z3 BDG 1979 zur Entscheidung über Berufungen gegen die genannten Disziplinarerkenntnisse der Disziplinarkommission zuständig.

1.2. Für die Disziplinarkommissionen (und die Disziplinaroberkommission) sehen die §§98, 100 und 101 BDG 1979 (§100 in der hier noch maßgeblichen Fassung BGBl. I 30/1998) - auszugsweise - Folgendes vor:

"Disziplinarkommissionen

§98. [...]

(2) Die Disziplinarkommission besteht aus dem Vorsitzenden, den erforderlichen Stellvertretern und weiteren Mitgliedern. Der Vorsitzende und die Stellvertreter müssen rechtskundig sein.

(3) Der Vorsitzende, seine Stellvertreter und die Hälfte der weiteren Mitglieder der Disziplinarkommission sind vom Leiter der Zentralstelle mit Wirkung vom 1. Jänner auf die Dauer von fünf Jahren zu bestellen. Die zweite Hälfte der weiteren Mitglieder ist von dem (den) zuständigen Zentralausschuß (Zentralausschüssen) zu bestellen.

(4) Bestellt der Zentralausschuß innerhalb eines Monats nach Aufforderung durch den Leiter der Zentralstelle keine oder zu wenige Mitglieder für die Disziplinarkommission, so hat der Leiter der Zentralstelle die erforderlichen Mitglieder selbst zu bestellen.

(5) Stehen dem Leiter der Zentralstelle oder dem zuständigen Zentralausschuss zu wenige geeignete Beamte seines Ressorts für die Bestellung zu Kommissionsmitgliedern zur Verfügung, können geeignete Beamte eines anderen Ressorts bestellt werden. Vor der Bestellung von Beamten anderer Ressorts ist das Einvernehmen mit den Leitern, im Falle des Abs3 letzter Satz mit den Zentralausschüssen, der betreffenden Ressorts schriftlich herzustellen."

"Mitgliedschaft zu den Disziplinarkommissionen und derDisziplinaroberkommission

§100. (1) Zu Mitgliedern der Disziplinarkommissionen und der Disziplinaroberkommission dürfen nur Beamte des Dienststandes bestellt werden, gegen die kein Disziplinarverfahren anhängig ist.

(2) Der Beamte hat der Bestellung zum Mitglied einer Disziplinarkommission oder der Disziplinaroberkommission Folge zu leisten.

(3) Die Mitgliedschaft zu den Disziplinarkommissionen und der Disziplinaroberkommission ruht vom Zeitpunkt der Einleitung eines Disziplinarverfahrens bis zu dessen rechtskräftigem Abschluß, während der Zeit der (vorläufigen) Suspendierung, der Außerdienststellung, der Erteilung eines Urlaubes von mehr als drei Monaten und der Leistung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes.

(4) Die Mitgliedschaft zu den Disziplinarkommissionen und der Disziplinaroberkommission endet mit dem Ablauf der Bestellungsdauer, mit der rechtskräftigen Verhängung einer Disziplinarstrafe, mit der Versetzung ins Ausland sowie mit dem Ausscheiden aus dem Dienststand.

(5) Im Bedarfsfalle sind die Kommissionen durch Neubestellung von Kommissionsmitgliedern für den Rest der Funktionsdauer zu ergänzen.

Disziplinarsenate

§101. (1) Die Disziplinarkommissionen und die Disziplinaroberkommission haben in Senaten zu entscheiden. Die Senate haben aus dem Vorsitzenden der Kommission oder einem seiner Stellvertreter als Senatsvorsitzenden und zwei weiteren Mitgliedern zu bestehen. Jedes Kommissionsmitglied darf mehreren Senaten angehören.

(2) Ein Mitglied des Senates der Disziplinarkommission muß vom Zentralausschuß oder gemäß §98 Abs4 bestellt worden sein.

(3) [...]

(4) Der Vorsitzende jeder Kommission hat jeweils bis zum Jahresschluß für das folgende Kalenderjahr die Senate zu bilden und die Geschäfte unter diese zu verteilen. Gleichzeitig ist die Reihenfolge zu bestimmen, in der die weiteren Kommissionsmitglieder bei der Verhinderung eines Senatsmitgliedes als Ersatzmitglieder in die Senate eintreten. Die Zusammensetzung der Senate darf nur im Falle unbedingten Bedarfes abgeändert werden."

1.3. §106 BDG 1979 lautet wie folgt:

"Parteien

§106. Parteien im Disziplinarverfahren sind der Beschuldigte und der Disziplinaranwalt. Die Stellung als Partei kommt ihnen mit dem Zeitpunkt der Zustellung der Disziplinaranzeige zu."

2.1. Die Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres für das Jahr 2009 lautet - auszugsweise - wie folgt (die in Prüfung gezogenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"DISZIPLINARKOMMISSIONBEIMBUNDESMINISTERIUM FÜR INNERES

Vorsitzender:

SC Mag. Dr. Mathias VOGL

Zusammensetzung der Senate und Geschäftsverteilung,gültig für das Jahr 2009ab 1. Jänner 2009

Senat 1 mit dem Standort Wien

1. Für alle BeamtInnen des Allgemeinen Verwaltungsdientes bzw. der Allgemeinen Verwaltung (der Sicherheitsverwaltung), in handwerklicher Verwendung und des Exekutivdienstes bzw. WachebeamtInnen, die der Sicherheitsdirektion Niederösterreich, den Bundespolizeidirektionen St. Pölten, Wiener Neustadt und Schwechat oder dem Landespolizeikommando Niederösterreich angehören, soweit nicht die Zuständigkeit des Senates 4 gegeben ist.

2. Für alle BeamtInnen des Allgemeinen Verwaltungsdienstes bzw. der Allgemeinen Verwaltung (der Sicherheitsverwaltung), in handwerklicher Verwendung und des Exekutivdienstes bzw. WachebeamtInnen, die dem Bundesministeriums für Inneres (einschließlich EKO COBRA, Bildungszentren der SIAK), dem Bundesasylamt oder der Zivildienstserviceagentur angehören.

3. Für alle BeamtInnen des Allgemeinen Verwaltungsdienstes bzw. der Allgemeinen Verwaltung (der Sicherheitsverwaltung), in handwerklicher Verwendung und des Exekutivdienstes bzw. WachebeamtInnen, die der Sicherheitsdirektion Burgenland, der Bundespolizeidirektion Eisenstadt oder dem Landespolizeikommando Burgenland angehören, sofern nicht die Zuständigkeit des Senates 4 gegeben ist.

4. Für BeamtInnen in Disziplinarangelegenheiten, sofern keine Zuständigkeit der anderen Senate gegeben ist.

5. Für BeamtInnen in Disziplinarfällen, wenn ansonsten verschiedene Senate tätig werden müssten.

Der Senat besteht aus:

a) Senatsvorsitzende/r: […]

b) Mitglied: […]

c) Mitglied: […] (für alle BeamtInnen die dem Vertretungsbereich des Zentralausschusses für die Bediensteten des öffentlichen Sicherheitswesens angehören)

[…] (für alle BeamtInnen die dem Vertretungsbereich des Zentralausschusses für die Bediensteten der Sicherheitsverwaltung angehören)*

Im Falle der Verhinderung treten in folgender Reihenfolge ein:

Für die/den unter a) genannten Senatsvorsitzende/n:

[…]

Für das unter b) genannte Mitglied:

[…]

Für das jeweils unter c) genannte Mitglied

Für den Vertretungsbereich des Zentralausschusses für die Bediensteten des öffentlichen Sicherheitswesens:

[…]

Für den Vertretungsbereich des Zentralausschusses für die Bediensteten der Sicherheitsverwaltung:

[…]

* siehe Allgemeine Regelungen

[...]

Allgemeine Regelungen

Die in den Senaten unter b) angeführten Mitglieder sind jene, die von der/vom Leiterin/Leiter der Zentralstelle, die unter c) angeführten jene, die vom jeweils zuständigen Zentralausschuss bestellt worden sind. Hinsichtlich der unter c) angeführten Mitglieder sind für alle BeamtInnen des Zentralausschussbereiches für die Bediensteten des öffentlichen Sicherheitswesens nur die diesem Zentralausschussbereich angehörigen Mitglieder und für alle BeamtInnen des Zentralausschussbereiches für die Bediensteten der Sicherheitsverwaltung nur die diesem Zentralausschussbereich angehörigen Mitglieder als Senatmitglieder anzusehen. Diese Regelung gilt auch im Falle der Verhinderung eines unter c) genannten Senatsmitgliedes.

Der/Dem Senatsvorsitzenden obliegt es, die Mitglieder bzw. bei Verhinderung die Ersatzmitgliedern der festgesetzten Reihenfolge einzuberufen. Jede Verhinderung ist aktenkundig zu machen.

Hinsichtlich der Zuständigkeit gilt Nachstehendes in der angeführten Reihenfolge:

1. Für die Zuständigkeit der Senate ist der Zeitpunkt des Anfalles der Rechtssache (Datum des Einlangens bei der Disziplinarkommission) maßgebend.

2. Der dadurch bestimmte Senat bleibt bis zur rechtskräftigen Erledigung der Rechtssache zuständig, selbst wenn inzwischen Veränderungen in der Geschäftsverteilung oder in der Zuweisung der Mitglieder oder Ersatzmitglieder zu den einzelnen Senaten eingetreten sein sollte.

3. Sind Mitglieder der Disziplinarkommission ausgeschieden bzw. ist Ruhen der Mitgliedschaft eingetreten, so rückt jenes Ersatzmitglied nach, das im Zeitpunkt des Anfalles der Rechtssache nachgerückt wäre.

4. Erweist sich die Anwendung von Ziffer 2. tatsächlich unmöglich oder kann bei Anwendung von Ziffer 3. ein ordnungsgemäßer Senat nicht gebildet werden, so ist jener Senat heranzuziehen, der in Ansehung der dienstrechtlichen Stellung der/s Beamtin/Beamten nach der Geschäftsverteilung des aktuellen Jahres zuständig ist.

5. Wenn ein Senat aus anderen Gründen nicht gebildet werden kann, treten die Vorsitzenden und weiteren Mitglieder der nachfolgenden Senate in der dort vorgesehenen Reihenfolge ein, wobei für den Senat 4 der Senat 1 als nachfolgend gilt.

6. Bei Verhinderung aller Senatsvorsitzenden und deren Stellvertreter ist die Zuständigkeit des Kommissionsvorsitzenden als Senatsvorsitzender gegeben."

2.2. Die Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres für das Jahr 2008 lautet - auszugsweise - wie folgt:

"DISZIPLINARKOMMISSIONBEIMBUNDESMINISTERIUM FÜR INNERES

Vorsitzender:

SC Mag. Dr. Mathias VOGL

Zusammensetzung der Senate und Geschäftsverteilung,gültig für das Jahr 2008ab 1. Jänner 2008

Senat 1 mit dem Standort Wien

1. Für alle BeamtInnen des Allgemeinen Verwaltungsdientes bzw. der Allgemeinen Verwaltung (der Sicherheitsverwaltung), in handwerklicher Verwendung und des Exekutivdienstes bzw. WachebeamtInnen, die der Sicherheitsdirektion Niederösterreich, den Bundespolizeidirektionen St. Pölten, Wiener Neustadt und Schwechat oder dem Landespolizeikommando Niederösterreich angehören, soweit nicht die Zuständigkeit des Senates 4 gegeben ist.

2. Für alle BeamtInnen des Allgemeinen Verwaltungsdienstes bzw. der Allgemeinen Verwaltung (der Sicherheitsverwaltung), in handwerklicher Verwendung und des Exekutivdienstes bzw. WachebeamtInnen, die dem Bundesministeriums für Inneres (einschließlich EKO COBRA, Bildungszentren der SIAK), dem Bundesasylamt oder der Zivildienstserviceagentur angehören.

3. Für alle BeamtInnen des Allgemeinen Verwaltungsdienstes bzw. der Allgemeinen Verwaltung (der Sicherheitsverwaltung), in handwerklicher Verwendung und des Exekutivdienstes bzw. WachebeamtInnen, die der Sicherheitsdirektion Burgenland, der Bundespolizeidirektion Eisenstadt oder dem Landespolizeikommando Burgenland angehören, sofern nicht die Zuständigkeit des Senates 4 gegeben ist.

4. Für BeamtInnen in Disziplinarangelegenheiten, sofern keine Zuständigkeit der anderen Senate gegeben ist.

5. Für BeamtInnen in Disziplinarfällen, wenn ansonsten verschiedene Senate tätig werden müssten.

Der Senat besteht aus:

a) Senatsvorsitzende/r: […]

b) Mitglied: […]

c) Mitglied: […] (für alle BeamtInnen die dem Vertretungsbereich des Zentralausschusses für die Bediensteten des öffentlichen Sicherheitswesens angehören)

[…] (für alle BeamtInnen die dem Vertretungsbereich des Zentralausschusses für die Bediensteten der Sicherheitsverwaltung angehören)*

Im Falle der Verhinderung treten in folgender Reihenfolge ein:

Für die/den unter a) genannten Senatsvorsitzende/n:

[…]

Für das unter b) genannte Mitglied:

[…]

Für das jeweils unter c) genannte Mitglied

Für den Vertretungsbereich des Zentralausschusses für die Bediensteten des öffentlichen Sicherheitswesens:

[…]

Für den Vertretungsbereich des Zentralausschusses für die Bediensteten der Sicherheitsverwaltung:

[…]

* siehe Allgemeine Regelungen

[…]

Allgemeine Regelungen

Die in den Senaten unter b) angeführten Mitglieder sind jene, die von der/vom Leiterin/Leiter der Zentralstelle, die unter c) angeführten jene, die vom jeweils zuständigen Zentralausschuss bestellt worden sind. Hinsichtlich der unter c) angeführten Mitglieder sind für alle BeamtInnen des Zentralausschussbereiches für die Bediensteten des öffentlichen Sicherheitswesens nur die diesem Zentralausschussbereich angehörigen Mitglieder und für alle BeamtInnen des Zentralausschussbereiches für die Bediensteten der Sicherheitsverwaltung nur die diesem Zentralausschussbereich angehörigen Mitglieder als Senatmitglieder anzusehen. Diese Regelung gilt auch im Falle der Verhinderung eines unter c) genannten Senatsmitgliedes.

Der/Dem Senatsvorsitzenden obliegt es, die Mitglieder bzw. bei Verhinderung die Ersatzmitgliedern der festgesetzten Reihenfolge einzuberufen. Jede Verhinderung ist aktenkundig zu machen.

Hinsichtlich der Zuständigkeit gilt Nachstehendes in der angeführten Reihenfolge:

1. Für die Zuständigkeit der Senate ist der Zeitpunkt des Anfalles der Rechtssache (Datum des Einlangens bei der Disziplinarkommission) maßgebend.

2. Der dadurch bestimmte Senat bleibt bis zur rechtskräftigen Erledigung der Rechtssache zuständig, selbst wenn inzwischen Veränderungen in der Geschäftsverteilung oder in der Zuweisung der Mitglieder oder Ersatzmitglieder zu den einzelnen Senaten eingetreten sein sollte.

3. Sind Mitglieder der Disziplinarkommission ausgeschieden bzw. ist Ruhen der Mitgliedschaft eingetreten, so rückt jenes Ersatzmitglied nach, das im Zeitpunkt des Anfalles der Rechtssache nachgerückt wäre.

4. Erweist sich die Anwendung von Ziffer 2. tatsächlich unmöglich oder kann bei Anwendung von Ziffer 3. ein ordnungsgemäßer Senat nicht gebildet werden, so ist jener Senat heranzuziehen, der in Ansehung der dienstrechtlichen Stellung der/s Beamtin/Beamten nach der Geschäftsverteilung des aktuellen Jahres zuständig ist.

5. Wenn ein Senat aus anderen Gründen nicht gebildet werden kann, treten die Vorsitzenden und weiteren Mitglieder der nachfolgenden Senate in der dort vorgesehenen Reihenfolge ein, wobei für den Senat 4 der Senat 1 als nachfolgend gilt.

6. Bei Verhinderung aller Senatsvorsitzenden und deren Stellvertreter ist die Zuständigkeit des Kommissionsvorsitzenden als Senatsvorsitzender gegeben."

III. Erwägungen

1. Die Begründung des oben unter Pkt. I.2. erwähnten Prüfungsbeschlusses lautet u.a. wie folgt:

"Die Beschwerde scheint zulässig zu sein.

Die in Rede stehende Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres dürfte als Rechtsverordnung zu qualifizieren sein (vgl. zB das Erkenntnis VfSlg. 17.771/2006 und den zu Grunde liegenden Prüfungsbeschluss VfGH 27.9.2005, B296/05, das Erkenntnis VfSlg. 18.287/2007 und den zu Grunde liegenden Prüfungsbeschluss VfGH 27.6.2007, B174/07, das Erkenntnis VfGH 8.6.2010, V49/10, und den zu Grunde liegenden Prüfungsbeschluss VfGH 11.3.2010, B1058/07, das Erkenntnis VfGH 29.11.2010, V87/10, und den zu Grunde liegenden Prüfungsbeschluss VfGH 8.6.2010, B219/10, sowie das Erkenntnis VfGH 29.11.2010, V88,89/10, und den zu Grunde liegenden Prüfungsbeschluss VfGH 8.6.2010, B46/08, B1250/08).

Diese Geschäftseinteilung dürfte auch Eingang in die Rechtsordnung gefunden haben; so scheint sie insbesondere durch die Weiterleitung an die Dienststellen, die Zentralausschüsse der Personalvertretung und die Mitglieder der Disziplinarkommission sowie durch ihre Einsehbarkeit im Intranet ein gewisses Mindestmaß an Publizität erlangt zu haben (vgl. zB auch das Erkenntnis VfSlg. 17.771/2006 und den zu Grunde liegenden Prüfungsbeschluss VfGH 27.9.2005, B296/05, das Erkenntnis VfSlg. 18.287/2007 und den zu Grunde liegenden Prüfungsbeschluss VfGH 27.6.2007, B174/07, das Erkenntnis VfGH 8.6.2010, V49/10, und den zu Grunde liegenden Prüfungsbeschluss VfGH 11.3.2010, B1058/07, das Erkenntnis VfGH 29.11.2010, V87/10, und den zu Grunde liegenden Prüfungsbeschluss VfGH 8.6.2010, B219/10, sowie das Erkenntnis VfGH 29.11.2010, V88,89/10, und den zu Grunde liegenden Prüfungsbeschluss VfGH 8.6.2010, B46/08, B1250/08).

Weiters geht der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass er die im Spruch genannten Regelungen bei Überprüfung des angefochtenen Bescheides (in Beurteilung der Frage, ob der Senat 1 der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zuständig war) anzuwenden hätte; daher dürften diese Bestimmungen hier präjudiziell in der Bedeutung des Art139 Abs1 B-VG sein. "

2. Der Verfassungsgerichtshof hält seine im Prüfungsbeschluss vorläufig geäußerte Ansicht, dass er die in Prüfung gezogenen Bestimmungen über den Senat 1 mit dem Standort Wien der "Zusammensetzung der Senate und Geschäftsverteilung, gültig für das Jahr 2009 ab 1. Jänner 2009" der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres bei seiner Entscheidung über die zu Grunde liegende Beschwerde anzuwenden hätte, aus folgenden Gründen nicht mehr aufrecht:

2.1. Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Judikatur (VfSlg. 5373/1966, 8999/1980, 11.644/1988, 11.945/1989) die Auffassung, dass eine generelle Norm in einer Beschwerdesache nur dann präjudiziell ist, wenn sie die belangte Behörde im Anlassfall tatsächlich angewendet hat und wenn ihre faktische Anwendung durch die Behörde denkmöglich war, wenn sohin der Sachverhalt der angewendeten Norm zumindest denkmöglich subsumierbar ist (vgl. VfSlg. 4625/1963, 5373/1966) oder wenn sie - unabhängig von der tatsächlichen Anwendung durch die Behörde - jedenfalls anzuwenden war.

2.2. Die Überprüfung der vorläufigen Annahme des Verfassungsgerichtshofes im Einleitungsbeschluss hinsichtlich der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen ergibt, dass die in dem zu B1057/10 protokollierten Verfahren belangte Behörde ihre Entscheidung nicht - jedenfalls nicht in denkmöglicher Weise - auch auf die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen gestützt hat.

Der Bescheid, der mit dem Bescheid der im Anlassverfahren belangten Behörde teilweise bestätigt wurde, war nämlich vom Senat 1 der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres erlassen worden, dessen geschäftsverteilungsmäßige Rechtsgrundlage die Verordnung "Zusammensetzung der Senate und Geschäftsverteilung, gültig für das Jahr 2008 ab 1. Jänner 2008" der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres bildet:

Gemäß Z1 und Z2 der im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides anwendbaren Zuständigkeitsbestimmungen der "Allgemeinen Regelungen" der Geschäftsverteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres für das Jahr 2009 ist für die Zuständigkeit der Senate der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres der Zeitpunkt des Anfalles der Rechtssache (Datum des Einlangens bei der Disziplinarkommission) maßgebend und bleibt der dadurch bestimmte Senat bis zur rechtskräftigen Erledigung der Rechtssache zuständig, selbst wenn inzwischen Veränderungen in der Geschäftsverteilung oder in der Zuweisung der Mitglieder oder Ersatzmitglieder zu den einzelnen Senaten eingetreten sein sollten.

Die den Beschwerdeführer im Anlassverfahren betreffende Disziplinaranzeige ist bei der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres am 25. Juli 2008 eingelangt. Damit blieb nach den soeben genannten Bestimmungen der Geschäftsverteilungen der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres der durch die Geschäftsverteilung für das Jahr 2008 bestimmte Senat zuständig. Diesem entspricht auch die personelle Zusammensetzung des Senates, der den mit dem angefochtenen Bescheid teilweise bestätigten Bescheid erlassen hat.

3. Daraus folgt aber, dass die in Prüfung gezogenen Bestimmungen in der Beschwerdesache, die den Anlass für das vorliegende Verordnungsprüfungsverfahren bildet, nicht präjudiziell sind und daher das Verordnungsprüfungsverfahren aus diesem Grund unzulässig ist.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Das Verordnungsprüfungsverfahren war daher einzustellen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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