VfGH B1701/88,B1847/88

VfGHB1701/88,B1847/88B1701/88,B1847/8821.6.1989

Begrenzung der Freiheit der Meinungsäußerung durch Festlegung des Objektivitätsgebotes im B-VG-Rundfunk und im RundfunkG;

Fernsehinterview eine dem Objektivitätsgebot unterworfene Sendeform;

Verletzung des Rechtes auf freie Meinungsäußerung der das Interview führenden Mitarbeiter des ORF und des ORF selbst durch verfassungswidrige Auslegung des RundfunkG; die von den Journalisten gestellten Fragen konnten vom Gesprächspartner - dem Bundespräsidenten - unmittelbar erwidert werden; Grundrecht der Freiheit der Meinungsäußerung schützt nicht nur als unproblematisch aufgenommene Meinungen; Grenzen kritischer Fragestellung in Bezug auf einen im öffentlichen Leben stehenden Politiker weiter gezogen als bei Privatperson

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Legitimation / Rechtsverletzung
StGG Art13
MRK Art10
BVG-Rundfunk ArtI
RundfunkG §2
RundfunkG §17
RundfunkG §30
AVG 1950 §8
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation / Rechtsverletzung
StGG Art13
MRK Art10
BVG-Rundfunk ArtI
RundfunkG §2
RundfunkG §17
RundfunkG §30
AVG 1950 §8

 

Spruch:

I. Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, den Beschwerdeführern zu Handen ihrer Vertreter die mit je 27.000 S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1.1. Am 25. Februar 1988 strahlte der Österreichische Rundfunk (ORF) die Fernsehsendung "Inlandsreport" (in FS 2) aus, in deren Verlauf ein Interview mit Bundespräsident Dr. Kurt Waldheim (in voller Länge) gebracht wurde. Für die Gestaltung dieser Sendung war der damalige Hauptabteilungsleiter "Dokumentation" Peter Rabl verantwortlich, der auch, ebenso wie Chefredakteur Hans Benedict, als Interviewer auftrat.

1.1.1.2. Rechtsanwalt Dr. Helga Wagner, Inhaberin einer (kraft §20 Abs1 RFG zum Empfang der Fernsehrundfunksendungen des ORF berechtigenden) Fernsehrundfunk-Hauptbewilligung, machte in einer von mehr als fünfhundert weiteren Inhabern einer derartigen Bewilligung unterstützten und am 8. April 1988 bei der Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes eingelangten Beschwerde gemäß §27 Abs1 Z1 litb RFG geltend, der ORF habe (ua.) durch die eingangs bezeichnete (Fernseh-)Sendung - in Mißachtung des ihm gesetzlich auferlegten Objektivitätsgebots - die Vorschrift des §2 RFG verletzt.

1.1.2.1. Über diese Beschwerde entschied die Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes mit Bescheid vom 3. Mai 1988, Z438/5-RFK/88, wie folgt:

"Die Kommission stellt gemäß dem §29 Abs1 RFG fest, daß durch nachstehende Formulierungen in der Sendung 'Inlandsreport' des 2. Fernsehprogrammes des ORF vom 25. Feber 1988, betreffend ein Interview mit Bundespräsident Dr. Waldheim, das RFG in seinem §2 Abs1 Z1 lita und b verletzt wurde:

1. Rabl: 'Herr Bundespräsident, Entschuldigung, eine kleine menschliche Zwischenfrage, ist Ihnen aufgefallen, Herr Bundespräsident, daß Sie sich jetzt das erste Mal bei den Österreichern entschuldigt haben und gesagt haben, es tut mir leid. Bei den Amerikanern haben Sie es schon zwei Mal gemacht. Ich finde es erfreulich, daß Sie es tun, und die Österreicher werden's auch gern hören.'

2. Benedict: 'Herr Bundespräsident, bitte in einem Bereich, in dem wir vielleicht kein Erinnerungsproblem haben ...'

3. Rabl: 'Was schließen Sie daraus, Herr Bundespräsident? Haben Sie zumindest für Teile Ihrer Gegner, Ihrer Kritiker, unterstellen Sie denen vielleicht auch staatsbürgerliches Interesse, eine andere Meinung als Sie sie haben, eine andere Sicht oder sind alle Verleumder' im Zusammenhang mit der vorausgegangenen Wiedergabe einer Rede des Bundespräsidenten im ORF durch den Interviewer Rabl, in welcher das dabei verwendete Vokabular für die Kritiker des Bundespräsidenten hervorgehoben wird.

4. Durch die Ausführungen der beiden Interviewer hinsichtlich der von ihnen behaupteten rechtlichen Möglichkeiten des Bundespräsidenten zur Bekämpfung der 'Watchlist-Entscheidung' vor den dabei bezeichneten Behörden der USA im Zusammenhang mit der Bemerkung Rabls 'also, es ginge theoretisch, aber Sie wollen es nicht, weil es unter Ihrer Würde als Staatsoberhaupt ist, kann man's so sagen?'

5. Rabl: '... in Wahrheit findet doch das alles nicht statt. In Wahrheit haben Sie, entschuldigen Sie, wenn ich das so offen sage, aber Sie lesen ja auch Zeitung und lesen die Zitate diverser Politiker vom Bundeskanzler abwärts, haben Sie doch bei vielen Spitzenpolitikern keine Autorität."

1.1.2.2. Begründend hieß es dazu ua.:

"... sei darauf verwiesen, daß die bei der Beurteilung von journalistischen Leistungen und journalistischen Praktiken von den Gerichten, aber auch von der Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes immer wieder herangezogene Bestimmung des Art10 EMRK, wonach jedermann Anspruch auf freie Meinungsäußerung hat und dieses Recht die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten einschließt, in ihrem Abs2 im Hinblick darauf einen Gesetzesvorbehalt enthält, daß die Ausübung dieser Freiheiten Pflichten und Verantwortung mit sich bringt. Auch Art10 EMRK kann somit ... insbesondere ... §2 RFG, aber auch die Bestimmungen der ARL (Allgemeine Richtlinien des ORF für die Programmgestaltung, Programmerstellung und Programmkoordinierung (Programmrichtlinien)) nicht einfach beseitigen, die den Begriff der Objektivität im Rahmen des Betriebes des ORF quasi authentisch interpretieren.

Die Kommission ging nämlich im vorliegenden Fall bei der Beurteilung der Berechtigung der zu behandelnden Beschwerde davon aus, daß die ARL in ihrem Punkt 1.3.2. im Rahmen der Gestaltungsgrundsätze für die Informationssendungen eine Definition dahin enthalten, daß Objektivität Sachlichkeit unter Vermeidung von Einseitigkeit, von Parteinahme und von Verzerrung der Dimension bedeutet. Diese Definition wird im Punkt 1.3.3. dahin ausgebaut, daß das Gebot der Objektivität bei der Gestaltung von Programmelementen den Auftrag zu unablässiger Bemühung bedeutet, die günstigere Behandlung eines Standpunktes oder die Bevorzugung einer Version von Ereignissen im Bereich kontroverser Themen des öffentlichen Interesses allgemeinpolitischer, wirtschaftspolitischer oder tagespolitischer Art zu vermeiden ... Sehr wohl ist ... auf den letzten Satz des Punktes 1.3.3. zu verweisen, wonach das Objektivitätsgebot Programmelemente nicht ausschließt, die zu kritischem Denken und freier Urteilsbildung anregen (zum gesamten Komplex siehe Wittmann, Rundfunkfreiheit, S 206 ff) ...

Abgesehen von der Betrachtung der Aufzeichnung der gegenständlichen Sendung ... stand der Kommission auch ein Transkript dieser Sendung zur Verfügung. Dieses stimmt in allen wesentlichen Punkten in seinem Wortlaut mit der Sendung überein.

Schon zu Beginn des 'Interviews' mit Bundespräsident Dr. Waldheim fällt auf, daß der ORF-Mitarbeiter Peter Rabl zwar Fragen stellt, diese Fragen aber zunächst reine Suggestivfragen und Vorwegnahmen von Meinungen des Journalisten darstellen. So stellt gleich zu Beginn Peter Rabl an den Bundespräsidenten die Frage, was in ihm vorgehe, wenn er anläßlich der Gedenkveranstaltung zum 11. März auf eine Rede verzichten müsse. Auf die Antwort des Bundespräsidenten, er habe nicht verzichten müssen, setzt Peter Rabl mit der weiteren Frage fort, ob es schmerzhaft gewesen sei, darauf zu verzichten. Dies zeigt klar, daß der befragende Journalist die Antwort des Interviewpartners nicht zur Kenntnis nimmt oder nicht zur Kenntnis nehmen will, sondern auf seiner These des Verzichts beharrt. Auch nach der neuerlichen Antwort des Bundespräsidenten bleibt Peter Rabl bei dem Ausdruck 'Verzicht'. Dieses stereotype und obstinate Beharren auf einer Wortwahl zeigt für den Zuseher deutlich, daß es dem ORF-Mitarbeiter Peter Rabl in dieser Phase des Interviews schon zu Beginn gar nicht um eine Befragung des Bundespräsidenten, sondern um einen Vorwurf diesem gegenüber ging. Die Kommission hat diese Anfangsphase des 'Interviews' aber noch nicht als Verstoß gegen die Bestimmung des §2 Abs1 Z1 lita und c RFG aufgefaßt, weil eben diese Phase nur den Einstieg und den Beginn der Sendung darstellt, der noch keine wesentlichen Sachaussagen bringt. Dennoch ist aber schon der Beginn des Gespräches, der weniger aus Fragestellungen der Journalisten an den Bundespräsidenten als aus Behauptungen und Gegenbehauptungen besteht, für den weiteren Verlauf des sogenannten 'Interviews' kennzeichnend, daß nämlich die ORF-Mitarbeiter Rabl und Benedict weniger Fragen an den Bundespräsidenten stellten, sondern offenbar mehr bemüht waren, ihre eigenen Auffassungen zum gegenständlichen Komplex den Medienkonsumenten darzulegen, dies allerdings jedenfalls in Konfrontation mit Bundespräsident Dr. Waldheim.

Dies zeigt sich bereits im Punkt ... 1. des Bescheides. Vor der im Bescheid festgehaltenen Äußerung von Peter Rabl hatte Dr. Waldheim erklärt, er sage mit aller Deutlichkeit, es sei nicht absichtlich geschehen, wenn er das oder jenes aus seiner Kriegsvergangenheit früher nicht gesagt habe, es sei dies auf den Zeitabstand von 46 Jahren zurückzuführen, daß er sich nicht an alles erinnern könne, er bitte dafür um Verständnis, es tue ihm leid. Es mag durchaus hingehen, daß Peter Rabl eine derartige Äußerung als Entschuldigung auffaßt, eine Bitte um Verständnis für eine lückenhafte Darstellung ist es jedenfalls. Die weitere Äußerung Rabls 'ich find's erfreulich, daß Sie es tun, und die Österreicher werden's auch gern hören' stellt aber eine krasse Verletzung des Objektivitätsgebotes nach dem §2 Abs1 lita und c RFG dar. Was Peter Rabl erfreulich findet und was nicht, mag für ihn wichtig sein, in einer derart bedeutenden Kontroverse sollte aber die Einzelmeinung eines Journalisten in einer Sendung des ORF im Hintergrund bleiben, will sich der ORF nicht dem Vorwurf der Parteinahme und Parteilichkeit gegenüber dem Bundespräsidenten aussetzen. Vollends gegen jedes Gebot der Objektivität und Ausgewogenheit verstößt aber die Behauptung des Journalisten, 'die Österreicher werden's auch gern hören'. Welche Tatsachen, Umstände und Erwägungen geben einem ORF-Mitarbeiter das Recht, für die Österreicher schlechthin zu sprechen? Meint der Journalist wirklich, die Auffassung und Meinung der Österreicher schlechthin zu wissen? Meint er wirklich, im Namen des österreichischen Volkes zu sprechen, als Stimme des Volkes zu agieren? Die Überzeugung der Kommission geht dahin, daß diese doch ungeheure Anmaßung eines Journalisten eben die Verletzung des Objektivitätsgebotes ganz klar nach sich zieht. Oder glaubt der Journalist in der Tat, es gäbe keine Gedankengänge bei österreichischen Staatsbürgern als die, die er selbst gerne annimmt? ...

Zunächst hat aber die Kommission zu Punkt ... 2. des Bescheides die Äußerung des ORF-Mitarbeiters Benedict als Verstoß gegen §2 Abs1 Z1 lita und c RFG qualifiziert 'Herr Bundespräsident, bitte in einem Bereich, in dem wir vielleicht kein Erinnerungsproblem haben ...'.

Diese Bemerkung des Journalisten Benedict knüpft an die vorausgegangene Darstellung des Bundespräsidenten an, wie sie zum Teil ... schon dargestellt wurde, daß er sich nicht an alle von ihm miterlebten Kriegsereignisse genau erinnere, dies auch in Konfrontation mit dem Bericht der Historikerkommission, der eingangs des gegenständlichen Gespräches behandelt wurde.

Der Zuseher der Sendung kann nun diese Äußerung im Plural ('wir') nicht dahin verstehen, daß der Journalist Benedict sich mit dem Bundespräsidenten dahin solidarisiere, daß sie eben beide Erinnerungslücken an Kriegsereignisse am Balkan hätten. Wäre dies der Fall, stellte es eine allerdings von der Kommission nicht angenommene parteiische Ironie von Hans Benedict dar, wo doch niemals von ihm Erinnerungslücken an die Kriegszeit ins Treffen geführt wurden. Die Parteilichkeit dieser Bemerkung des ORF-Mitarbeiters liegt vielmehr darin, daß er die Ausdrucksweise 'wir haben' in einer Art gebraucht, wie sie etwa der diensthabende Arzt eines Spitals gegenüber dem geistig nicht ganz auf der Höhe befindlichen Patienten (leider immer wieder) verwendet, etwa in der Art'dann nehmen wir halt dieses oder jenes Medikament, dann schlafen wir schon ganz ruhig, haben wir schon Stuhl gehabt?' und dgl. ... Die assoziative 'Wir-Form' ist in ihrer herablassenden, überheblich spöttischen Art ebenso ehrenrührig wie etwa das unbefugte Duzen von Parteien durch Beamte. Gegenüber dem Bundespräsidenten verwendet, stellt sie nicht nur eine Unhöflichkeit dar, sondern bringt dem Zuseher des gegenständlichen Gespräches klar die Mißachtung des Journalisten Benedict gegenüber dem Bundespräsidenten zur Kenntnis. Ein derartiger Ausdruck der Mißachtung verletzt aber ebenso, abgesehen von allen Regeln der Höflichkeit, das Gebot der Objektivität des §2 Abs1 Z1 lita und c RFG, weil er eine Parteinahme gegen den Bundespräsidenten darstellt.

Der Punkt ... 3. des Bescheides knüpft an einen Vorhalt des ORF-Mitarbeiters Rabl an den Bundespräsidenten an, er habe in einer Fernsehansprache für seine Gegner und deren Tätigkeit ein Vokabular gewählt, in welchem sich Worte wie 'manipuliert, gelogen und verfälscht, ohne Gnade, Schmutz meiner Gegner, mit Haß verfolgen, Verleumdungen, gehässige Demonstrationen, Intoleranz' und ähnliches finden. Nach einer Stellungnahme des Bundespräsidenten hiezu macht Peter Rabl die zu Punkt ... 3. des Bescheides festgehaltene Bemerkung. Die Kommission ist dazu der Meinung, daß diese Bemerkung ebenso überflüssig wie tendenziös ist. Überflüssig ist sie deshalb, weil der Bundespräsident in seiner Stellungnahme zum Vorhalt des Journalisten Rabl ja in keiner Weise erklärt hat, daß er alle seine Kritiker als gnadenlose Verfolger, Verleumder und dgl. ansehe. Es ist logisch und für den Zuseher durchaus klar erkennbar, daß anscheinend pauschale Bezeichnungen die Ausnahme geradezu in sich tragen, daß also die dem Bundespräsidenten vorgehaltene Darstellung und das Vokabular seiner Rede keinesfalls die Behauptung zum Inhalt hat, alle seine Gegner agierten iSd zitierten Vokabulars oder hätten die diesem entsprechende Einstellung. Daher bedeutet die Frage des Journalisten an den Bundespräsidenten, ob er zumindest Teilen seiner Gegner vielleicht auch ein staatsbürgerliches Interesse unterstelle oder eine andere Sicht der Dinge, oder ob alle Verleumder seien, von Seiten des Journalisten die Unterstellung, der Bundespräsident habe behauptet, seine Kritiker seien alle Verleumder. Eine derartige logisch und sachlich nicht gerechtfertigte Unterstellung stellt aber wiederum eine parteiliche Herabsetzung des Bundespräsidenten dar, sie ist also diesem gegenüber mit negativer Tendenz behaftet und verletzt somit den Grundsatz der gebotenen Objektivität in krasser Weise.

Im weiteren Verlauf des Gespräches kommt der ORF-Mitarbeiter Benedict auf Klageführungen des Bundespräsidenten gegen verschiedene Medien zu sprechen und knüpft daran die Frage, warum sich der Bundespräsident nicht mit verfügbaren legalen Mitteln gegen die Entscheidung des amerikanischen Innenministers wehre, ihn auf die Watchlist zu setzen. An diese Frage wieder knüpft Hans Benedict eine kurz gefaßte Rechtsmittelbelehrung. Diese ist für jeden Juristen durch ihre Unvollständigkeit als unrichtig leicht erkennbar. Sie übersieht nämlich vollständig, daß Dr. Kurt Waldheim Bundespräsident der Republik Österreich ist, also der Vertreter eines souveränen Staates, somit eines Völkerrechtssubjektes, sodaß die Frage rechtlicher Maßnahmen gegen die sogenannte 'Watchlist-Entscheidung' nicht nur eine des innerstaatlichen Rechtes der USA, sondern auch eine des Völkerrechts ist. Schon diese Betrachtung allein genügt, um die Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung durch Benedict aufzuzeigen, es bedarf gar keiner weiteren Hinweise auf die sonstige Problematik dieser Entscheidung (siehe hiezu etwa Ermacora 'Die Watchlist-Entscheidung der USA gegen Kurt Waldheim im Lichte des Völkerrechtes und allgemeiner Rechtsgrundsätze' in: Österreichisches Jahrbuch für Politik 87).

Es erscheint der Kommission klar, daß der Bundespräsident auf diese Rechtsbelehrung geharnischt reagiert, indem er eben auf die völkerrechtlichen Aspekte verweist, die von den Ausführungen des ORF-Mitarbeiters nicht umfaßt werden. Die Schlußfolgerung des Journalisten Peter Rabl nach Rede und Gegenrede 'Also, es ginge theoretisch, aber Sie wollen es nicht, weil es unter Ihrer Würde als Staatsoberhaupt ist, kann man's so sagen?' ist falsch und tendenziös. Wie aus der Sendung und dem Transkript klar ersichtlich, hatte der Bundespräsident zuvor niemals von seiner Würde, sondern ausschließlich von seiner völkerrechtlichen Stellung als Vertreter eines Völkerrechtssubjektes gesprochen. Diese juristische Position hat mit der Frage einer 'Würde' überhaupt nichts zu tun. Auch hier ist es daher nicht erstaunlich, wenn der Bundespräsident auf den Einwurf Rabls negativ reagiert. Die Anspielung von Peter Rabl auf die 'Würde', die der Bundespräsident nach seiner Meinung ins Treffen führe, ist aber auch in ihrer einseitigen Stellungnahme gegen die Person des Bundespräsidenten als Gesprächspartner parteiisch und tendenziös.

Eine derartige inhaltlich falsche Fomulierung bedeutet ja nichts anderes, als daß der ORF-Mitarbeiter die Person des Bundespräsidenten den Zuschauern als die eines Menschen präsentiert, der vernünftigen juristischen und praktischen Erwägungen nicht zugänglich ist, sondern mit emotionellen Argumenten einer angeblichen 'Würde' als Staatsoberhaupt vorgeht. Eine solche falsche Interpretation von Antworten kann nur den Zweck verfolgen, die davon betroffene Person in der Achtung der Zuschauer herabzusetzen, hieraus ergibt sich auch die Verzerrung von Dimensionen iSd Punktes 1.3.2. der ARL. Es bedarf zur Klarlegung dieser Tendenz erst nicht des vorausgegangenen ironischen Einwurfes von Peter Rabl nach den juristischen Bemerkungen des Bundespräsidenten, er 'vermute, daß im Justizministerium in Amerika auch Juristen sitzen'. Auch diese ironisierend-herablassende Formulierung zeigt deutlich die Tendenz des ORF-Mitarbeiters Peter Rabl zur Herabsetzung des Bundespräsidenten selbst in der Form, daß dieser vor den Zusehern lächerlich gemacht werde.

Schließlich und im Anschluß an das ... erörterte Gespräch kommt Peter Rabl nach der Erörterung der 'Seite des Außenpolitikers Waldheim' darauf zu sprechen, der Bundespräsident Waldheim sei 'sicher auch gewählt worden wegen seiner Versprechen, ein aktiver Bundespräsident zu sein, seine moralische Autorität einzusetzen für gewisse Fragen, die Regierung in gewisser Richtung zu beeinflussen'. Daran schließt Peter Rabl die Worte: '... in Wahrheit findet doch das alles nicht statt. In Wahrheit haben Sie, entschuldigen Sie, wenn ich das so offen sage, aber Sie lesen ja auch Zeitung und lesen die Zitate diverser Politiker vom Bundeskanzler abwärts, haben Sie doch bei vielen Spitzenpolitikern keine Autorität.'

Diese Behauptung des ORF-Mitarbeiters Rabl fällt durch den zweimaligen Gebrauch der Wendung 'in Wahrheit' auf. Der Zuseher entnimmt dieser Formulierung ganz deutlich, daß Peter Rabl meint, im Besitz der politischen Wahrheit zu sein, er verkündet also für den ORF die Wahrheit und hält diese Wahrheit, die er zu kennen meint, in einem frontalen Angriff dem Bundespräsidenten vor. Es handelt sich damit um ein geradezu typisches Beispiel eines politischen Angriffes gegen eine andere Person von einem Journalisten, der ganz deutlich zum Ausdruck bringt, daß er die Wahrheit zu verkünden meint, woraus für den Zuseher folgt, daß eine gegenteilige Meinung wohl die Unwahrheit sei. Eine krassere Form der Parteilichkeit und der Einseitigkeit ist kaum vorstellbar. Das Gebot von Objektivität und von Vermeidung von Einseitigkeit und von Parteinahme ist in dieser Phase vom ORF-Mitarbeiter geradezu über den Haufen geworfen. Politische Angriffe dieser Art mögen im Rahmen des Art10 EMRK als freie Meinungsäußerung einer Parteipresse wohl anstehen, mit dem Programmauftrag des ORF iSd §2 Abs1 Z1 lita und c RFG und den damit in Verbindung stehenden und oben erörterten Punkten der ARL sind sie unvereinbar.

Es bedarf keiner Ausführungen darüber, ob die Reaktion des Bundespräsidenten auf diese Angriffe mit den Worten 'Das ist ein Blödsinn, dagegen stelle ich mich sofort' auch der Reaktion eines nicht geringen Teiles der Zuseher entsprochen haben mag, der sich nicht mehr einer Sendung des ORF iSd Programmauftrages dieses Rundfunkinstitutes gegenüber gesehen haben mag. Die Kommission braucht nicht die Frage zu lösen, ob die Behauptungen Peter Rabls iSd Gegenbehauptungen des Bundespräsidenten 'Blödsinn' gewesen seien oder nicht. Die Kommission ist vielmehr der Überzeugung, daß jeder einseitige politische Angriff durch Mitarbeiter des ORF iS eben des ... erörterten Programmauftrages nach dem §2 RFG zu unterlassen ist. Wird ein solcher Angriff dennoch aus welchen Gründen auch immer gesetzt, stellt er eben einen Verstoß gegen das RFG dar, zu dessen Ahndung die Kommission nach den §§27, 29 RFG berufen ist.

Nur der Vollständigkeit halber sei darauf verwiesen, daß die scharfe Reaktion des Bundespräsidenten auf den bezeichneten Angriff einerseits und die das Gespräch abschließende Entschuldigung Peter Rabls andererseits auch dem Zuseher gezeigt haben mag, welche Problematik der Parteilichkeit und Einseitigkeit in der Art des Vorbringens der Beschuldigungen und Vorwürfe der ORF-Mitarbeiter Rabl und Benedict gegen den Bundespräsidenten lag. Wirkliche Fragen waren im Verlaufe des sogenannten 'Interviews' ohnedies nur zum geringen Teil gestellt worden..."

1.2.1. Gegen den Kommissionsbescheid wurden zwei gesondert eingebrachte, die kostenpflichtige Aufhebung dieses Verwaltungsaktes begehrende Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art144 Abs1 B-VG ergriffen:

1.2.2.1.1. In der zur Z B1701/88 protokollierten Beschwerde des Rundfunk-Generalintendanten Thaddäus Podgorski für den ORF (§30 Abs1 Satz 2 RFG - vgl. VfSlg. 11062/1986, VfGH 26.2.1987 B474/86) wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Meinungsfreiheit nach Art10 EMRK und auf Gleichheit vor dem Gesetz nach Art7 Abs1 B-VG und Art2 StGG geltend gemacht.

1.2.2.1.2. In der Beschwerdeschrift wird ua. ausgeführt:

"... das Objektivitätsgebot (ist) als Durchbrechung des Grundsatzes der Meinungsäußerungs- und Meinungsinformationsbeschaffungsfreiheit iSd Art10 EMRK als Ausnahmebestimmung einschränkend auszulegen und vor allem nach dem Gesetzesvorbehalt des Art10 Abs2 EMRK in verfassungskonformer Auslegung zu prüfen. Angesichts dieser Überlegungen hat die belangte Behörde in krasser Verkennung der Rechtslage dem Objektivitätsgebot einen gleichheitswidrigen und denkunmöglichen Inhalt unterstellt ...

Da die Verpflichtung zur Vermittlung kritischer Stellungnahmen (und auch kritischer Kommentare) nach §2 Abs1 Z1 litb RFG gerade die Wiedergabe von Meinungen über in der Öffentlichkeit stehende Persönlichkeiten mit sich bringt und voraussetzt, andere Stellungnahmen einzuholen und Hintergründe zu beleuchten, ist das Objektivitätsgebot auch im Zusammenhang mit der Informationspflicht und der Pflicht zur kritischen Berichterstattung zu sehen (vgl. Korn, RfR 1982, 8)...

Das vorliegende Interview war ein die Öffentlichkeit brennend interessierender Beitrag, in dem dem Bundespräsidenten Gelegenheit gegeben wurde, auf die wider ihn im In- und Ausland erhobenen massiven Vorwürfe zu reagieren. Da bis zu diesem Zeitpunkt der Bundespräsident auf konkrete Vorwürfe einzelner Spitzenpolitiker im In- und Ausland sowie auf konkrete Vorwürfe in Bezug auf Unvollständigkeiten in seinen Äußerungen bezüglich seiner Vergangenheit nicht reagiert hatte, war es von seiten der Interviewer notwendig, diese von der belangten Behörde inkriminierten Fragen zu stellen, um die Diskussion auf den Punkt zu leiten, der die Öffentlichkeit interessierte, nämlich die Frage der Stellung Österreichs im Ausland, des möglichen Autoritätsverlustes des Staatsoberhauptes sowie die Frage der Unvollständigkeit der Äußerungen des Bundespräsidenten im Wahlkampf und danach in Bezug auf seine Vergangenheit. Um dem Informationsauftrag zu diesem Thema, welches Österreich mehr als eineinhalb Jahre in allen Medien laufend beschäftigte, ausreichend nachzukommen, waren diese Fragen notwendig. Sie können daher nicht nach Abwägung mit dem Gebot des Informationsauftrages als unobjektiv gesehen werden. Hinzu kommt, daß es sich hiebei nicht um eine einseitige Berichterstattung oder um einen Kommentar handelt, sondern um ein Lifeinterview, bei welchem unmittelbar und in ausführlicher Weise dem Staatsoberhaupt Gelegenheit geboten wurde, in breitester Öffentlichkeit die vor ihm seitens der Interviewer bloß zusammengefaßten Vorwürfe zu entkräften und seine Überlegungen in ausführlicher Darlegung dem Publikum näherzubringen.

Es ist daher die behauptete Verletzung des Objektivitätsgebotes in einer Gesamtbetrachtung zu prüfen, wobei einzelne Darstellungen, die für sich genommen unsachlich sind, durch andere Inhalte ausgeglichen werden können (vgl. RFK 26.9.1983, 352/11 - RFK/83-Vorbegutachtung = RfR 1984, 5). Eine derartige Prüfung hat die belangte Behörde vollkommen unterlassen. Sie hat es auch unterlassen festzustellen, welche Reaktionen seitens des Bundespräsidenten im Interview wiedergegeben wurden und daß es diesem aufgrund der Fragen gelang, zu den in der Öffentlichkeit erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen und diese aus seiner Sicht zu entkräften. Lag aber in den - provokanten - Fragen der Interviewer lediglich die Zusammenfassung der wider das Staatsoberhaupt erhobenen Vorwürfe, so ist die Zusammenfassung und Wiedergabe der Vorwürfe in der Öffentlichkeit für sich gesehen objektiv und sachlich und auch durch die besondere Situation des Interviewers begründet. . . . Angesichts der Tatsache, daß der österreichische Bundeskanzler in der Öffentlichkeit gerichtsbekannt mehrfach erklärte, der 'Fall Waldheim' habe dem Ansehen Österreichs im Ausland schwer geschadet (ohne direkt dem Staatsoberhaupt die Schuld zuzurechnen), war die Abhaltung eines Interviews mit dem Staatsoberhaupt unter Berücksichtigung sämtlicher wider ihn erhobenen Vorwürfe Gebot der Notwendigkeit.

Die belangte Behörde ließ auch ungeprüft, inwieweit durch die Möglichkeit des Bundespräsidenten, auf die Fragen zu erwidern, eine mögliche Unsachlichkeit beseitigt wurde. In diesem Sinn hat die belangte Behörde bereits entschieden, daß in einer Life-Diskussion in Bezug auf das Objektivitätsgebot andere Maßstäbe zu gelten haben und die Tatsache, daß gewisse Teile der Dokumentation unsachlich subjektiv gefärbt und emotionell sind, dann nicht als in der Gesamtbetrachtung gegen das Objektivitätsgebot verstoßend anzusehen seien, wenn die Diskussion geeignet ist, die Verzeichnungen zu berichtigen und die Sachlage unmißverständlich wiederzugeben. Die Objektivität schließt daher Beiträge nicht aus, die zum kritischen Denken und zur freien Urteilsbildung anregen (vgl. RFK 25.8.1975, 800012 - RFK 75 = RfR 1978, 47).

Die Einräumung der Möglichkeit einer Stellungnahme und der Diskussionsteilnahme schließt im allgemeinen die Verletzung des Objektivitätsgebotes und des Gebotes der Meinungsvielfalt aus (vgl. RFK 25.5.1977, 26/4 - RFK/77 = RfR 1977, 5).

Völlig unbegründet ist die Rechtsansicht der Kommission, die allgemeinen Richtlinien des ORF für die Programmgestaltung, Programmerstellung und Programmkoordinierung in Hörfunk und Fernsehen (Beschluß des Kuratoriums des ORF) seien in einem engen Zusammenhang mit dem Objektivitätsgebot zu sehen und der weiter hieraus gezogene Schluß, ein Verstoß gegen die ARL sei automatisch als Verstoß gegen das Objektivitätsgebot anzusehen. Hiebei übersieht die belangte Behörde völlig, daß privatautonome Rechtsakte keinerlei Verpflichtungen und Rechte Dritter begründen können (vgl. etwa Funk, ÖJZ 1977, 595 und VfSlg. 7717/1975, 7593/1975).

Eine solche Gleichsetzung der ARL mit dem normativen Gehalt der

Bestimmungen des RFG geschieht in dieser Form erstmals in der

Spruchpraxis der belangten Behörde, wohl weil sich der Wortlaut

dieser anstaltsautonomen Regeln anbot. Da die belangte Behörde

zufolge §27 Abs1 RFG aber bloß über Verletzungen 'von

Bestimmungen dieses Bundesgesetzes' erkennen kann, ist die

Heranziehung der ARL als primäre Rechtsquelle nur unter dem

Gesichtspunkt der Verkennung der Rechtslage und darüber hinaus auch

der Willkür zu sehen. . .

§2 RFG muß ... stets im Licht des Art10 EMRK interpretiert

und angewendet werden. Eine gesetzliche Regelung, die es dem ORF verböte, kritische Fragen an Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, einschließlich des Bundespräsidenten, zu stellen - insbesondere dann, wenn solche Fragen Gegenstand intensiver öffentlicher Debatten sind -, wäre im Licht des Art10 EMRK zweifellos verfassungswidrig. Kein Tatbestand des Art10 Abs2 EMRK könnte ein solches gesetzliches Verbot rechtfertigen. 'Objektivität' und 'Unparteilichkeit' können im Licht des Art10 EMRK gerade nicht bedeuten, daß kontroversielle Meinungen über das Verhalten von staatlichen Funktionären nicht zum Gegenstand von Interviews der Betroffenen gemacht werden dürfen, zumal die Form des Interviews dem Betroffenen Gelegenheit zur Richtigstellung und Vertretung seiner eigenen Position gibt. Nichtkritische Interviews, sondern 'Hofberichterstattung' als generelle Norm würden eine Verletzung des Art10 EMRK implizieren. Nach dem im Bescheid vertretenen Standpunkt der belangten Behörde wäre aber offenbar nur eine solche unrichtige Form der Berichterstattung zulässig. Der gegenständliche Bescheid unterlegt somit dem §2 RFG einen Inhalt, der - wenn er ihn hätte - verfassungswidrig wäre ...

Objektivität im wohlverstandenen Sinn des Art10 EMRK ist ... die Verpflichtung zur Wahrhaftigkeit, zur Einräumung eines Parteiengehörs und zur möglichst vollständigen Berichterstattung (vgl. Buchner-Kickinger, Objektivität und Wahrheit, RfR 1988, 1ff). Weiters ist zu berücksichtigen, daß die inkriminierte Fragestellung notwendig war, um zu diesen Themen seitens des Interviewpartners eine Antwort zu erhalten. Das Interview zielte ja nicht darauf ab, eine vorgeformte Stellungnahme des Bundespräsidenten zu erhalten, sondern gerade die Äußerungen des Bundespräsidenten einzuholen, die er zu den wider ihn erhobenen Vorwürfen machen wollte. In diesem Sinn ist auch die Freiheit der Informationsbeschaffung, die von Art10 EMRK ebenfalls mitumfaßt ist (vgl. etwa VfGH 16.3.1987 B154/85, MuR 2/87, 47f und Tretter, MuR 3/87, 84ff), ebenfalls ins Kalkül zu ziehen. Sind derartige Fragen aber notwendig, um die Information zu beschaffen, können sie nicht als unobjektiv angesehen werden...

Gerade im Fall der Veröffentlichung im öffentlichen Interesse und in Bezug auf Personen mit öffentlicher überragender Bedeutung gibt Art10 EMRK den Journalisten ein besonderes Recht der Freiheit des Ausdruckes und der Meinungsäußerung ..., welches nicht beschnitten werden darf (vgl. Human Rights Law Journal, Vol. 6. No 2-4, 395 und Sunday Times Case 66 und Barthold Case 75)..."

1.2.2.2. Die belangte Kommission legte die Administrativakten vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.

1.2.2.3. Hingegen brachte Dr. Helga Wagner als Mitbeteiligte des verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens eine Gegenschrift ein, in der sie für die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde eintrat.

1.2.3.1.1. In der zur Z B1847/88 protokollierten Beschwerde des Peter Rabl wird gleichfalls eine Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Meinungsfreiheit nach Art10 EMRK und auf Gleichheit vor dem Gesetz nach Art7 Abs1 B-VG und Art2 StGG sowie darüberhinaus in Rechten nach dem BVG-Rundfunk (ArtI) behauptet.

1.2.3.1.2. In dieser Beschwerdeschrift finden sich ua. folgende Ausführungen:

"... Das Recht auf freie Meinungsäußerung gemäß Art10 Abs1 EMRK ist unstrittigerweise nach Art10 Abs2 EMRK beschränkt. Die Beschränkung hat durch Gesetz zu erfolgen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes fallen nur solche Rechtsnormen unter den Begriff Gesetz (law), die nach dem innerstaatlichen Recht auch als Rechtsnormen angesehen werden (GH 61, 33 Ziff. 86 = EuGRZ 1984, 150). Darunter fallen nicht Verwaltungsvorschriften. Weiterhin muß eine etwa in der Rechtsnorm enthaltene Ermessensgrundlage gleichzeitig die Grenzen dieses Ermessens angeben (GH 61, 33 Ziff. 88 = EuGRZ 1984, 150). In diesem Licht sind die gemäß §§8 Abs2 Z1 und 10 Abs2 Z1 RFG durch den Generalintendanten mit Zustimmung des Kuratoriums erlassenen ARL, insbesondere die Gestaltungsgrundsätze für die Informationssendungen Punkt 1.3. -

1.3.16. zu sehen, die hier entscheidend nur insoweit Gültigkeit haben, als sie in den Bestimmungen des §2 Abs1 lita bis c, aber eben auch §2 Abs2 RFG Deckung finden. Die ARL enthalten lediglich eine sinngemäße Interpretation des RFG und versuchen in gesetzmäßiger Weise, die Absichten des Gesetzes in die Praxis umzusetzen (RFK 11.7.1978, RfR 1979, 19). Eine Verletzung des RFG kann daher nur durch dieses, nicht aber durch die ARL begründet werden. Letzteres hat allerdings der angefochtene Bescheid getan, wenn er ... behauptet, Art10 EMRK könne die Bestimmungen der ARL nicht einfach beseitigen, die den Begriff der Objektivität im Rahmen des Betriebes des ORF 'quasi authentisch interpretieren.'

...

Der Europäische Gerichtshof hat auch im Zusammenhang mit der Kontrolle der Notwendigkeit der Einschränkung iSd Art10 Abs2 EMRK festgestellt, daß den nationalen Organen bei der Beurteilung der Notwendigkeit einer Einschränkung ein Spielraum zustehe, der aber unterschiedlich weit je nach den verschiedenen, in Abs2 genannten Rechtsgütern sei. So sei er bei dem Schutz der Moral

weiter, bei dem der Autorität dagegen enger (Handyside, GH 24, 22 =

EuGRZ 1977, 38; Sunday Times, GH 30, 36f = EuGRZ 1979, 386). Im

gegenständlichen Fall geht es nur um die Einschränkung im Hinblick auf die Autorität und den Schutz des guten Rufes dieser Autorität, nämlich des Bundespräsidenten, wie sich allein schon aus der Beschwerde der Dr. Helga Wagner ergibt. Hier hätte die belangte Behörde daher die Notwendigkeit der Beschränkung der Meinungsfreiheit so eng auslegen müssen, daß sie zu keiner Feststellung der Gesetzesverletzung hätte kommen dürfen.

Bei der Beurteilung des guten Rufes und des Schutzes der Rechte

anderer ist zu beachten, daß eine weite Anwendung der

Beleidigungsvorschriften eine Kritik von Amtsträgern weitgehend

unmöglich machen kann. Dies zeigt gerade der angefochtene Bescheid,

der als Sukkus seiner Feststellungen jede wirklich kritische und

kontroversielle Fragestellung und mit diesen Fragestellungen aus

der Natur der Sache notwendige Feststellungen verbietet. Für die

politische Berichterstattung ist der Fall Lingens diesbezüglich

wegweisend, in dem die Kommisson die Verurteilung eines

Journalisten, der das Verhalten des amtierenden Bundeskanzlers als

'unmoralisch' und 'würdelos' bezeichnet hatte, als Verstoß gegen

Art10 ansah. Auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes im

Fall Lingens ... hat in diesem Zusammenhang für diesen Anlaßfall

beachtliche Feststellungen getroffen:

Ein Politiker, der selbst seine Gegner angreift, hat selbst

härtere Kritik als andere Personen zu gewärtigen ... Ohne

Pluralismus, Toleranz und Großzügigkeit gibt es keine demokratische

Gesellschaft ... Der Schutz von Politikern ist gegen die Interessen

einer offenen Diskussion politischer Angelegenheiten abzuwägen und tritt dabei in den Hintergrund ...

Gerade das Postulat der ausgewogenen und objektiven Berichterstattung im Zusammenhang mit der Kriegsvergangenheit des Bundespräsidenten und seinen Erinnerungen daran und Einlassungen dazu verlangten im konkreten Fall eine kritische und kontroversielle Fragestellung. Diese unter eine Verletzung des §2 Abs1 Z1 lita und b RFG zu subsumieren, stellt eine Verletzung des Art10 EMRK dar..."

1.2.3.2. Die Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes äußerte sich auch zu dieser Beschwerde nicht.

1.2.3.3. Die Mitbeteiligte Dr. Helga Wagner legte eine Gegenschrift vor, worin sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrte.

1.3. Die zu den Z B1701/88 und B1847/88 protokollierten Beschwerden wurden in Anwendung des §187 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG 1953 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

2. Über beide Beschwerden wurde erwogen:

2.1.1. Die Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes ist eine nach Art133 Z4 B-VG eingerichtete Verwaltungsbehörde. Ihre Entscheidungen unterliegen nach §29 Abs5 RFG nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg. Der administrative Instanzenzug ist also ausgeschöpft (vgl. zB VfSlg. 11062/1986; VfGH 26.2.1987 B474/86, 10.12.1987 B446/87, 9.6.1988 B392/87, 16.3.1989 B1388/88).

2.1.2. Den Umständen nach besteht die - für die Beschwerdeberechtigung vor dem Verfassungsgerichtshof essentielle - Möglichkeit, daß die Beschwerdeführer (Generalintendant für den Österreichischen Rundfunk - §§1 Abs1, 30 Abs1 Satz 2 RFG; weiters ein für die streitverfangene Fernsehsendung (mit-)verantwortlicher Mitarbeiter des Rundfunks - §17 RFG iVm §§8 AVG, 30 RFG) durch den angefochtenen Bescheid - dessen Adressaten sie alle sind - in irgendeinem subjektiven Recht verletzt wurden (s. VfSlg. 3669/1959; ferner VfSlg. 6716/1972, 7226/1973, 9107/1981, 9354/1982, 10627/1985, 11062/1986).

2.1.3. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen zutreffen, sind beide Beschwerden zulässig.

2.2.1. Ein konkreter Verwaltungsakt, der sich - wie der angefochtene Bescheid der Kommission - gegen die Meinungsäußerungsfreiheit richtet, verletzt nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs dieses Grundrecht ua. dann, wenn er in denkunmöglicher Handhabung eines verfassungsmäßigen Gesetzes erlassen wurde (VfSlg. 3762/1960, 5463/1967, 6166/1970 und 6465/1971). Einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung kommt es gleich, wenn die Behörde dem Gesetz fälschlich einen verfassungswidrigen - hier also: die besonderen Schranken des Art10 EMRK mißachtenden - Inhalt unterstellt (VfSlg. 10386/1985, 10700/1985). Dabei ist Träger des relevierten Grundrechts im vorliegenden Fall nicht nur der einzelne Journalist, sondern auch der ORF selbst, weil der angefochtene Hoheitsakt (auch) die Rechtssphäre dieses Unternehmens betrifft und Art10 Abs2 EMRK verfassungsrechtliche Schranken für die gesetzliche Begrenzung der Ausübung der Rechte nach Art10 Abs1 EMRK enthält.

Der von den Beschwerden erhobene Vorwurf der verfassungswidrigen Auslegung des angewendeten RFG trifft nun im Ergebnis zu: Unter den konkreten Verhältnissen und Umständen können die namentlich dem Beschwerdeführer Peter Rabl, aber auch dem Chefredakteur Hans Benedict zur Last gelegten Formulierungen im Zug des strittigen Interviews bei Bedachtnahme auf das in Rede stehende Grundrecht nicht als Verletzung des RFG gewertet werden.

2.2.2.1. Für den Rundfunk sieht das BVG vom 10. Juli 1974, BGBl. 396/1974, über die Sicherung der Unabhängigkeit (des Rundfunks) (BVG-Rundfunk) besondere verfassungsrechtliche Garantien und Auflagen vor. Die näheren Bestimmungen für den Rundfunk und seine Organisation sind nach ArtI Abs2 Satz 1 dieses BVG bundesgesetzlich festzulegen. Ein solches Bundesgesetz hat kraft ArtI Abs2 Satz 2 leg.cit. insbesondere Bestimmungen zu enthalten, die

"die Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Berücksichtigung der Meinungsvielfalt, die Ausgewogenheit der Programme sowie die Unabhängigkeit der Personen und Organe, die mit der Besorgung der im Abs1 genannten Aufgaben betraut sind, gewährleisten."

2.2.2.2. Als Ausführungsgesetz hiezu erging das Bundesgesetz vom 10. Juli 1974 über die Aufgaben und die Einrichtung des Österreichischen Rundfunks, BGBl. 397/1974, das in der Folge mit BGBl. 379/1984 als Rundfunkgesetz - RFG wiederverlautbart und zuletzt mit BGBl. 606/1987 novelliert

wurde:

Nach der - dem Abschnitt I des RFG igF (: "Aufgaben und Einrichtung des Österreichischen Rundfunks") zugeordneten - Norm des §2 Abs1 (Z1 lita und b) hat der "Österreichische Rundfunk ... durch die Herstellung und Sendung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen sowie durch die Planung, die Errichtung und den Betrieb der hiefür notwendigen technischen Einrichtungen, insbesondere von Studios und Sendeanlagen, vor allem zu sorgen für

1. die umfassende Information der Allgemeinheit über alle wichtigen politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sportlichen Fragen durch a) objektive Auswahl und Vermittlung von Nachrichten und Reportagen, einschließlich der Berichterstattung über die Tätigkeit der gesetzgebenden Organe und der Übertragung ihrer Verhandlungen,

b) Wiedergabe und Vermittlung von für die Allgemeinheit wesentlichen Kommentaren, Standpunkten und kritischen Stellungnahmen unter angemessener Berücksichtigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen ..."

Dabei ist nach herrschender Auffassung (VfSlg. 10948/1986) davon auszugehen, daß es keine zulässige Darbietung (ArtI Abs1 BVG-Rundfunk) gibt, die dem grundlegenden Gebot der Objektivität, Unparteilichkeit, Pluralität und Ausgewogenheit nicht (mit-)unterworfen wäre. Verschieden ist nur das Gewicht, das diesen Grundsätzen in bezug auf die einzelnen Darbietungen zukommt, und die Art und Weise, wie ihnen im Einzelfall Rechnung getragen werden muß.

2.2.3.1. Nach Art13 Abs1 StGG hat jedermann das Recht, durch Wort, Schrift, Druck oder bildliche Darstellung seine Meinung innerhalb der gesetzlichen Schranken frei zu äußern. Das Recht der freien Meinungsäußerung ist zwar nur innerhalb dieser gesetzlichen Schranken gewährleistet, doch darf auch ein solches Gesetz keinen Inhalt haben, der den Wesensgehalt des Grundrechtes einschränkt (vgl. VfSlg. 6166/1970, 10700/1985). Eine nähere Bestimmung dieses Wesensgehaltes findet sich nunmehr in Art10 EMRK: Diese Vorschrift bekräftigt den Anspruch auf freie Meinungsäußerung - "right to freedom of expression", "droit a la liberte d'expression" - (Abs1) und stellt klar, daß dieses Recht die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen einschließt, sieht aber im Hinblick darauf, daß die Ausübung solcher Freiheiten Pflichten und Verantwortung mit sich bringe, die Möglichkeit von "Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen" vor (Abs2 - s. dazu: VfSlg. 6288/1970),

"wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer unentbehrlich sind, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten."

Seit Art10 EMRK im Verfassungsrang steht, darf also die Freiheit der Meinungsäußerung nur aus den dort angeführten Gründen (Eingriffstatbeständen) beschränkt werden (VfSlg. 10700/1985; VfGH 12.3.1988 B970/87).

2.2.3.2. Insgesamt ist in der Festlegung des Objektivitätsgebots sowohl im BVG-Rundfunk als auch im RFG eine Begrenzung der Freiheit der Meinungsäußerung für programmgestaltende und journalistische Mitarbeiter des ORF (: §17 RFG) bei ihrer medialen Berichterstattung (im weitesten Sinn) zu erblicken: Eine solche Freiheitsbegrenzung kann gemäß Art10 Abs1 letzter Satz EMRK für "Rundfunk- oder Fernsehunternehmen" im Zug der staatlichen Genehmigung (laut VfSlg. 9909/1983 auch in Gestalt eines Gesetzes wie des RFG) festgelegt werden; ferner gemäß Art10 Abs2 EMRK durch Gesetz, soweit sie im Interesse der dort umschriebenen Ziele, insbesondere auch im Interesse des Schutzes "der Rechte anderer", unentbehrlich (notwendig) ist (vgl. VfSlg. 11062/1986).

2.3. Konkret machte die Kommission dem Beschwerdeführer Peter Rabl als Gesetzesverletzung - knapp zusammengefaßt - zum Vorwurf, er habe (mit den Worten "Ich finde es erfreulich, daß Sie es tun" (nämlich sich zu entschuldigen)) "die Einzelmeinung eines Journalisten in einer Sendung des ORF" wiedergegeben und sich so "dem Vorwurf der Parteinahme und Parteilichkeit gegenüber dem Bundespräsidenten" ausgesetzt (Bescheid, S. 9 oben). Sie legt diesem Beschwerdeführer aber auch die anschließenden Worte "die Österreicher werden's auch gern hören" als "ungeheure Anmaßung" zur Last und stellt dazu die Frage, "welche Tatsachen, Umstände und Erwägungen ... einem ORF-Mitarbeiter das Recht (geben), für die Österreicher schlechthin zu sprechen". Sie erblickt einen weiteren Verstoß gegen das RFG darin, daß Hans Benedict im Zug des Interviews "parteilich" sagte: "Herr Bundespräsident, bitte in einem Bereich, in dem wir vielleicht kein Erinnerungsproblem haben ...", also die Ausdrucksweise "wir haben" - nach Dafürhalten der Kommission - auf die gleiche Weise gebrauchte, "wie sie etwa der diensthabende Arzt eines Spitals gegenüber dem geistig nicht ganz auf der Höhe befindlichen Patienten ... verwendet, etwa in der Art 'dann nehmen wir halt dieses oder jenes Medikament, dann schlafen wir schon ganz ruhig, haben wir schon Stuhl gehabt'". Als gesetzwidrig wurde auch folgende, als "überflüssig und tendenziös" charakterisierte Frage des Beschwerdeführers Rabl befunden "Was schließen Sie daraus, Herr Bundespräsident? Haben Sie zumindest für Teile Ihrer Gegner, Ihrer Kritiker, unterstellen Sie denen vielleicht auch staatsbürgerliches Interesse, eine andere Meinung als Sie sie haben, eine andere Sicht oder sind alle Verleumder?"

Desweiteren stuft die Kommission die Frage desselben

Beschwerdeführers "... also es ginge theoretisch, aber sie wollen

es nicht, weil es unter Ihrer Würde als Staatsoberhaupt ist, kann

man's so sagen?" als "parteiisch und tendenziös" ein, weil der

Bundespräsident zuvor "niemals von seiner Würde, sondern

ausschließlich von seiner völkerrechtlichen Stellung als Vertreter

eines Völkerrechtssubjektes gesprochen (hatte)". Zuletzt schien es

der belangten Behörde als "geradezu typisches Beispiel eines

politischen Angriffs", wenn der Beschwerdeführer Rabl in der

Meinung, "im Besitz der politischen Wahrheit zu sein", zum Ausdruck

brachte: "... in Wahrheit findet doch das alles nicht statt. In

Wahrheit ... haben sie doch bei vielen Spitzenpolitikern keine

Autorität".

2.4.1. Vorliegend geht es nun nicht um einen Fall der bloßen "Berichterstattung" in engerer Bedeutung, sondern um ein (Fernseh-)Interview (und zwar mit einem höchstrangigen politischen Organ), also um eine - wiewohl in der Bestimmung des §2 Abs1 Z1 RFG nicht expressis verbis angeführte, so doch nach herrschender Judikatur (VfSlg. 10948/1986) grundsätzlich dem Objektivitätsgebot unterworfene - Sendeform, die aus kontroversieller Rede und Gegenrede besteht.

2.4.2. Dabei muß sich die Aufgabe des Interviewers der offenbaren Meinung der Kommission zuwider im allgemeinen freilich nicht in der Beisteuerung neutraler Stichworte für Statements des Interviewten erschöpfen, vielmehr können in alle gewählten Fragen - aus berechtigtem Interesse an offener Wechselrede - durchaus auch scharf ausgeprägte Standpunkte und provokant-kritische Stellungnahmen "unter angemessener Berücksichtigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen" iSd §2 RFG (mit-)einfließen (vgl. Buchner, RfR 1988, 33), weil der Befragte dazu sogleich in freier Antwort selbst Stellung nehmen, mit anderen Worten ausgedrückt: seine eigene Auffassung (Meinung) der Öffentlichkeit ungesäumt und ungehindert zur Kenntnis bringen kann. Der "Meinungsvielfalt", dann der "Ausgewogenheit" der Sendung als Ganzes und so auch dem Objektivitätsgebot, wie in ArtI Abs2 BVG-Rundfunk iVm §2 RFG umschrieben und postuliert, wird auf solche Weise vollauf Rechnung getragen. Denn in der Gesamtschau bietet eine - noch dazu, wie in diesem Fall, völlig ungekürzt gelassene - Interviewsendung kein einseitig verzeichnetes Bild, vielmehr kommen Pro- und Contra-Standpunkte regelmäßig voll zur Geltung. Ganz allgemein ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, daß das Grundrecht der Freiheit der Meinungsäußerung nach Art10 EMRK iVm Art13 StGG nicht nur als unproblematisch aufgenommene Meinungen schützt, sondern gerade auch Äußerungen, "die den Staat oder einen Teil der Bevölkerung verletzen, schockieren oder beunruhigen" (Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, 224). Wollte man der Meinung anhängen, die Objektivitätsverpflichtung nötige journalistische Rundfunk-Mitarbeiter bei Gestaltung eines Interviews zum Verzicht auf Äußerung (und damit zur Unterdrückung) der eigenen - auch in Form einer in der Öffentlichkeit vertretenen und übernommenen - Meinung, bekäme die Norm des §2 RFG einen Inhalt, der das relevierte Grundrecht in seinem die offene geistige Auseinandersetzung gewährleistenden Kernbereich in Frage stellen müßte: Die Regelung des §2 RFG, interpretiert im Licht des Grundrechts nach Art10 EMRK, beläßt also den Gesprächspartnern einer Interviewsendung zur Darlegung ihres subjektiven Standpunkts - für die Grundrechtsausübung - im allgemeinen mehr Freiraum als etwa Journalisten für bloße Kommentare, denen Betroffene nicht spontan und unmittelbar erwidern können. Denn die "Rechten anderer" dienende Schutzfunktion, wie sie §2 RFG iVm Art10 Abs2 EMRK innewohnt, tritt zurück, soweit der Gesprächspartner, der ein Interview gewährt, - wie hier - ausreichende (und tatsächlich umfassend genützte) Möglichkeiten zur sofortigen Darlegung seiner persönlichen Sicht der Dinge hat. Dem Objektivitätsgebot des §2 RFG ist in solchen Fällen regelmäßig schon dadurch Genüge getan, daß eine Ausbreitung divergierender Standpunkte ermöglicht wird, nicht aber vom Interviewten abgelehnte Meinungen notwendig ungesagt bleiben. Das bedeutet aber nicht, daß der Interviewer gleichsam rechtsmißbräuchlich-willkürlich agieren, so zum Beispiel ein den Interviewten anprangerndes "Scherbengericht" veranstalten darf:

Auch seiner Kommunikationsfreiheit sind durch §2 RFG im Einzelfall nicht immer leicht auszumachende Schranken errichtet, wenn auch in aller Regel nicht durch Gebote des Stils, des Takts, des guten Tons und der Höflichkeit, wie sie die Rundfunkkommission vor Augen zu haben schien.

2.4.3. Es liegt in der Natur der Sache eines derartigen Interviews - das, wie hier, ein von der Bevölkerung heftig und nachhaltig umstrittenes Thema, nämlich ein bestimmtes Verhalten des interviewten Politikers in der Öffentlichkeit, zum Gegenstand hat - , daß die Interviewenden in ihre Fragen und Aussagen in erster Linie bisher laut gewordene kritische Stimmen und Äußerungen miteinbeziehen, weil die Vertretung des Gegenstandpunktes naturgemäß vor allem vom Befragten zu erwarten ist, dem diese Meinungen gelten. Hinzu tritt hier noch, daß die Grenzen akzeptabler kritisch-provokativer Fragestellung (im Verlauf eines Interviews) in Bezug auf einen im öffentlichen Leben stehenden Politiker grundsätzlich weiter gezogen sind als in Bezug auf eine Privatperson (s. zu diesem Punkt das Urteil des EGMR im Fall Lingens vom 8.7.1986, 12/1984/84/131, in: EuGRZ 1986, 424, 428).

Dem beschwerdeführenden ORF kann nicht entgegengetreten werden, wenn er im gegebenen Kontext sinngemäß geltend macht, daß im Verlauf des Interviews - das dem Bundespräsidenten, alles in allem genommen, Gelegenheit bieten sollte, zu konkreten Vorwürfen im In- und Ausland Stellung zu nehmen - namentlich jene Themen angeschnitten werden sollten und mußten, die in der breiten öffentlichen Diskussion eine herausragende Rolle gespielt hatten, so etwa die Fragen des Ansehens Österreichs im Ausland und eines möglichen Autoritätsverlustes des Staatsoberhauptes, ferner die Äußerungen des damaligen Bundespräsidentschaftskandidaten im Wahlkampf über seine (Kriegs-)Vergangenheit. Indem die Kommission meint, daß ein in einzelnen Punkten sehr kritisch-provokantes Eingehen der Journalisten auf die in Rede stehenden, allgemeinem Interesse begegnenden Probleme nach §2 RFG verboten sei, ohne das Interview (Fragen, Antworten) im Gesamtkontext zu werten und zu würdigen, mißt sie diesem Gesetz nach Lage des Falles einen das Grundrecht nach Art10 EMRK iVm Art13 StGG unzulässig einengenden und damit verfassungswidrigen Inhalt bei. Dies erhellt letztlich auch daraus, daß sie nicht nur die beiden Interviewer zur Verschweigung ihrer - bereits in der Öffentlichkeit verfochtene Standpunkte berücksichtigenden - eigenen Meinung in einem Fernseh-Interview gesetzlich verpflichtet erachtet und sich - aus verfassungsrechtlicher Sicht verfehlter Weise - in spezifische Stil- und Taktprobleme und Fragen möglichen Wortüberschwangs verliert (vgl. auch VfGH 16.3.1989 B1388/88), sondern darüberhinaus die Zulässigkeit der strittigen Meinungsäußerungen auch an - bloß als interne Maßnahmen unternehmerischer Direktionsgewalt (Funk, ÖJZ 1977, 589, 595 (vgl. auch VfSlg. 7593/1975 u. 7717/1975)) einzustufenden - "Programmrichtlinien", also nicht ausschließlich an Gesetzen iS des Art10 Abs2 EMRK mißt (S. 14 der Bescheidbegründung).

2.5. Zusammenfassend ist auszusprechen, daß der in Beschwerde gezogene Bescheid die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung verletzt. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich eine Untersuchung, ob die Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid auch in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurden.

Es war daher spruchgemäß (s. Punkt I. des Spruchs) zu entscheiden.

2.6. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von je 4.500 S enthalten.

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