OGH 14Os53/24m

OGH14Os53/24m16.10.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Oktober 2024 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Dr. Jetzinger in der Strafsache gegen * K* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 dritter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 16. Februar 2024, GZ 24 Hv 132/23b‑416, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0140OS00053.24M.1016.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Suchtgiftdelikte

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht Graz zu.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, im zweiten Rechtsgang ergangenen (zum ersten vgl 14 Os 76/23t) Urteil wurde * K* – soweit hier relevant – des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 dritter Fall StGB (A.) und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 12 zweiter Fall StGB, § 27 Abs 1 Z 1 fünfter und sechster Fall, Abs 4 Z 2 SMG (C.) schuldig erkannt.

[2] Danach hat sie in G* und an anderen Orten (jeweils) als Mitglied einer kriminellen Vereinigung

(A.) vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, wobei der Vorsatz auf eine Tatbildverwirklichung in Teilmengen gerichtet war und auch die kontinuierliche Tatbegehung über einen längeren Deliktszeitraum und den daran geknüpften Additionseffekt mitumfasste, indem sie von Ende des Jahres 2019 bis zu ihrer Verhaftung am 3. Mai 2022 (US 10) rund 100 Gramm Kokain (rund 47 Gramm Kokain-Base) an zwei im Urteil namentlich genannte Abnehmer gewinnbringend veräußerte sowie zum Verkauf von 620 Gramm Heroin (62 Gramm Heroin-Base) und 250 Gramm Kokain (119 Gramm Kokain-Base) durch * P* und zwei weitere Personen dadurch beitrug, dass sie ihre Wohnung als Lagerplatz für das Suchtgift sowie als Unterschlupf für die Mittäter zur Verfügung stellte, die Tätigkeiten der „Läufer“ überwachte, Anweisungen des führenden Mitglieds der Vereinigung umsetzte und Suchtgiftübergaben vermittelte und in Auftrag gab;

(C.) andere dazu bestimmt, vorschriftswidrig Suchtgift ein- und auszuführen, indem sie im Dezember 2020 zwei im Urteil namentlich genannte Personen anwies, rund 18 Gramm Kokain und zumindest 10 Gramm Amphetamin mit dem Auto von Österreich kommend über mehrere Staatsgrenzen nach Bosnien zu schmuggeln.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider waren die Tatrichter schon deshalb nicht verhalten, sich mit den protokollierten Ausreisen des P* aus Bosnien und Herzegowina (nur) am 18. Dezember 2020 und 13. Mai 2021 auseinanderzusetzen, weil die entsprechenden Aufzeichnungen der Grenzbehörden in der Hauptverhandlung nicht vorgekommen sind (§ 258 Abs 1 StPO; vgl RIS‑Justiz RS0118316). Im Übrigen stehen sie den Feststellungen, dass P* bereits zuvor im Zeitraum Ende des Jahres 2019 bis zum 18. Dezember 2020 in G* * B* Heroin überließ und die Angeklagte dazu (unter anderem) durch Ermöglichung der Aufbewahrung des Suchtgifts in einer auch als Unterschlupf genutzten Wohnung an der G* Adresse S* beitrug (US 9 f), nicht erörterungsbedürftig entgegen, weil Ausreisen aus Bosnien und Herzegowina an der Grenze nicht vollständig erfasst werden (ON 344 S 17 f; vgl RIS‑Justiz RS0098646).

[5] Ebenso wenig mussten die Tatrichter die Aussage der Zeugin Pl*, wonach die Angeklagte im Zeitraum Dezember 2020 bis Ende Februar 2021 nicht in G* gewesen sei (ON 415 S 4 iVm ON 70 S 51), erörtern, weil die hier inkriminierten Tathandlungen, nämlich die Zurverfügungstellung der Wohnung, Umsetzung von Vorgaben eines Mittäters und Vermittlung von Suchtgiftübergaben (US 10), nicht nur bei physischer Anwesenheit in G* möglich ist.

[6] Auch die Verantwortung der Angeklagten über gewohnheitsmäßigen Suchtgiftkonsum mit P* und * Z* (ON 327 S 13) sprechen nicht gegen die der rechtlichen Annahme eines Beitrags zum Suchtgifthandel (§ 12 dritter Fall StGB) und der Tatbegehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung zugrundeliegenden Feststellungen (US 9 ff).

[7] Entgegen dem weiteren Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) haben sich die Tatrichter mit den Aussagen der Zeugen Pl* und L*, wonach sie P* Ende des Jahres 2020 mit dem Auto von Bosnien und Herzegowina nach G* mitgenommen, ihn erst bei dieser Gelegenheit kennengelernt und ihm nach der Ankunft in G* „alles gezeigt“ hätten, auseinandergesetzt (US 13). Zur Erörterung eines Details der Aussage der Pl* über ihre Bekanntschaft mit P*, wonach sie ihn zuvor im Jahr 2020 auch beim Putzen in der Wohnung an der G* Adresse S* nicht gesehen habe, waren die Tatrichter aufgrund des Gebots zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe nicht verhalten (RIS‑Justiz RS0098778 [insb T9]).

[8] Der in diesem Zusammenhang erfolgte Hinweis auf die konstatierte Ausreise des P* im März 2021 nach Bosnien und Herzegowina, dessen Rückkehr nach G* im Mai 2021 (US 7 f) und den (laut Beschwerdevorbringen) zu diesem Zeitpunkt beendeten Suchtgiftbezug durch zwei Abnehmer, bei denen es sich im Übrigen nicht um die einzigen handelte, bleibt unverständlich.

[9] Indem die eine unvollständige Begründung behauptende Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) Inhalte der Aussage des B*, wonach er nie in der in Rede stehenden Wohnung der Angeklagten gewesen sei und er die Angeklagte nur ein‑ bis zwei Mal gesehen habe (ON 332 S 5), wiedergibt, ohne die bekämpften Feststellungen zu bezeichnen, entzieht sie sich einer Erwiderung (vgl RIS‑Justiz RS0099563 [T2]).

[10] Die Kritik, „[b]ei ordentlicher Würdigung“ zusammengefasst wiedergegebener Verfahrensergebnisse (an anderer Stelle: bei „nachvollziehbare[r] Auseinandersetzung“ mit diesen) hätten die den Schuldspruch tragenden Feststellungen „nicht getroffen werden dürfen“, richtet sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (vgl aber RIS‑Justiz RS0099599).

[11] Der weiteren Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) zuwider stehen die Konstatierungen, wonach Pl* und L* im Dezember 2020 den Auftrag hatten, P* in der Wohnung der Angeklagten „alles zu zeigen“ (US 7), nicht im Widerspruch zu den Feststellungen, wonach die Angeklagte zur Übergabe von 600 Gramm Heroin an B* dadurch beigetragen hat, dass sie bereits ab Ende des Jahres 2019 ihre Wohnung zur Lagerung des von P* in der Folge B* überlassenen Suchtgifts zur Verfügung stellte (US 9 f). Denn die Urteilspassage über den Auftrag an Pl* und L* bringt gerade nicht zum Ausdruck, dass die Wohnung der Angeklagten dem P* erstmals ab Dezember 2020 zum Zwecke des Suchgifthandels zur Verfügung stand (vgl RIS‑Justiz RS0117402).

[12] Soweit die Beschwerde in Bezug auf den Beitrag der Angeklagten zum Überlassen von Suchtgift durch * T* und „A*“ als Mitglied einer kriminellen Vereinigung einen Widerspruch zwischen den Feststellungen und deren Referat im Erkenntnis (A.) behauptet, ist sie darauf zu verweisen, dass der relevierte Umstand, ob dabei (auch) die unmittelbaren Täter als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung agierten, ohne Bedeutung ist (Schwaighofer in WK2 SMG § 27 Rz 81; Hinterhofer/Tomasits in Hinterhofer SMG2 § 27 Rz 105, 107; Plöchl in WK2 StGB § 278 Rz 35); vgl im Übrigen zur – für die Subsumtion nach § 28a Abs 2 Z 2 und § 27 Abs 4 Z 2 SMG jedenfalls ausreichenden – Anzahl der Mitglieder der kriminellen Vereinigung US 5 sowie die folgenden Ausführungen zur Subsumtionsrüge.

[13] Die von der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) vermisste Begründung der Feststellungen zum Beitrag der Angeklagten zur Übergabe von 600 Gramm Heroin an B* durch P* findet sich auf US 12 ff (iVm ON 409 S 5), US 18 ff (objektive Tatseite) und US 17 (subjektive Tatseite).

[14] Die Tatrichter stützten die der rechtlichen Annahme einer Tatbegehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung zugrundeliegenden Feststellungen auf die Aussage des Zeugen O* über die Tätergruppe und weiters auf die Angaben von B*, L* und Pl* (US 18 f). Indem die Beschwerde einzelne Verfahrensergebnisse herausgreift und kritisiert, dass diese nicht zur Begründung der getroffenen Feststellungen ausreichten, wendet sie sich erneut bloß gegen die Beweiswürdigung der Tatrichter.

[15] Soweit die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) Feststellungen zu den von B* insgesamt erworbenen Suchtgiftmengen (US 9) bekämpft, spricht sie keine entscheidende Tatsache an, die allein den gesetzlichen Bezugspunkt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes bildet (RIS‑Justiz RS0117499).

[16] Die weitere Kritik, die (im Übrigen keine entscheidende Tatsache betreffende) Konstatierung zum Zeitpunkt der Wahrnehmung eines Kokainziegels durch Zeugen in der Wohnung der Angeklagten (US 7) sei aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall), behauptet gar keine unrichtige Wiedergabe des Inhalts eines Beweismittels (vgl RIS‑Justiz RS0099492; Kirchbacher, StPO15 § 281 Rz 61).

[17] Entgegen dem in diesem Zusammenhang eventualiter erhobenen Einwand (Z 5 zweiter Fall) einer unvollständigen Begründung der Feststellung, dass die Angeklagte auch zum Überlassen von 250 Gramm Kokain durch Bereitstellen ihrer Wohnung als Lagerstätte beigetragen hat (US 9 f), stehen die Aussagen der Zeugen zum genauen Zeitpunkt der Wahrnehmung des Kokainziegels dazu nicht im erörterungsbedürftigen Widerspruch.

[18] Soweit die Rüge eine Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) der Feststellungen zur Wohnung der Angeklagten als Lagerort des inkriminierten Suchtgifts (US 9 f) mit der Behauptung geltend macht, dass die von den Tatrichtern zur Begründung herangezogenen Observationsergebnisse in Aufnahmen aus einem (vermeintlich) nicht mehr relevanten Zeitraum bestehen würden und deshalb Rückschlüsse auf den Tathergang nicht möglich wären, behauptet sie abermals keine unrichtige Wiedergabe des Inhalts eines Beweismittels.

[19] Der Erledigung der Subsumtionsrüge (Z 10) wird vorausgeschickt, dass sich die Angeklagte nach dem Urteilssachverhalt Ende des Jahres 2019 mit * J* und „Läufer[n]“, insbesondere P*, zu einer Vereinigung zusammenschloss, deren Ziel es war, durch großangelegten (an anderer Stelle: regen) Suchtgifthandel über einen Zeitraum von zumindest einigen Monaten die finanzielle Situation von J* und der Angeklagten zu verbessern. Zu den „Läufern“ zählten neben P* noch drei weitere namentlich genannte Personen, von denen sich eine erst ab Februar 2022 beteiligte (US 5). Im Rahmen dieser Ausrichtung stellte die Angeklagte ihre Wohnung zur Lagerung des Suchtgifts sowie als Unterschlupf für die „Läufer“ zur Verfügung und kümmerte sich um den Transport des Erlöses nach Bosnien und Herzegowina zu J*. Die geschilderten Vereinigungsmerkmale und der Umstand, dass sie „als Teil“ der Vereinigung „tätig“ wurde, waren von ihrem Vorsatz umfasst (US 11).

[20] Indem die einen Entfall der Qualifikationen nach § 28a Abs 2 Z 2 SMG (A.) und § 27 Abs 4 Z 2 SMG (C.) anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10 [teils verfehlt auch Z 5 dritter Fall]) Feststellungen zur „Gründung“ (offenbar gemeint zum Zusammenschluss), zum „Beitritt“ der Angeklagten, zur Anzahl der Mitglieder im Zeitraum Ende 2019 bis November 2021, zur Ausrichtung der Vereinigung und zur subjektiven Tatseite vermisst, orientiert sie sich nicht an diesem Urteilssachverhalt (vgl aber RIS‑Justiz RS0099810).

[21] Weshalb Sachverhaltsannahmen zum Vorsatz des J*, also eines Mittäters der Angeklagten, hinsichtlich der Gründung der Vereinigung erforderlich gewesen wären, erklärt die Rüge nicht (vgl aber RIS‑Justiz RS0119884 [T2]).

[22] Gleichermaßen offen lässt sie, welche weitergehenden Urteilskonstatierungen zu den intendierten Vereinigungstaten fehlen würden, um diese in rechtlicher Hinsicht als Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG zu beurteilen (vgl Plöchl in WK² StGB § 278 Rz 14).

[23] Indem die (offenkundig den Wegfall der Qualifikation nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG anstrebende) Subsumtionsrüge (Z 10, nominell Z 5 vierter Fall) schließlich moniert, dass die Entscheidungsgründe keine („zureichenden“) Feststellungen zu Beitragshandlungen der Angeklagten hinsichtlich der Übergabe von 620 Gramm Heroin enthielten, übergeht sie abermals die dazu getroffenen Feststellungen (US 9 f).

[24] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[25] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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