OGH 13Os69/24g

OGH13Os69/24g9.10.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Oktober 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Faulhammer LL.M. (WU) in der Strafsache gegen * B*wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 16. Mai 2024, GZ 7 Hv 17/24w‑51, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00069.24G.1009.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Sexualdelikte

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * B* mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (1 und 3), eines Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (2) und mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (4) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in F*

1) vom August 2020 bis zum Juli 2022 außer dem Fall des § 206 StGB an seiner unmündigen Enkeltochter A*, geboren * 2011, eine geschlechtliche Handlung vorgenommen, indem er intensiv ihre nackte Scheide berührte,

2) am 27. Mai 2023 mit seiner unmündigen Enkeltochter A* eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, indem er mit einem Finger in ihre Vagina eindrang, weiters

3) am 29. Mai 2023 außer dem Fall des § 206 StGB an seiner unmündigen Enkeltochter A* eine geschlechtliche Handlung vorgenommen, indem er intensiv ihre nackte Scheide berührte und an ihrer nackten Scheide leckte, sowie

4) durch die zu 1 bis 3 beschriebenen Verhaltensweisen mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person geschlechtliche Handlungen vorgenommen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die vom Angeklagten auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 (richtig) lit a, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde.

[4] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der Antrag auf Beischaffung des Akts AZ 63 C 14/23m des Bezirksgerichts Vöcklabruck zum Beweis dafür, dass die Schilderung des Angeklagten in der Hauptverhandlung mit jener vom Sommer 2023 übereinstimme (ON 50 S 73), zu Recht abgelehnt (ON 50 S 73), weil er keine erhebliche Tatsache betraf (RIS‑Justiz RS0116503).

[5] Weshalb die Tatrichter die leugnende Verantwortung des Angeklagten als unglaubwürdig beurteilten, legten sie eingehend dar (US 7 f).

[6] Zu einer Erörterung sämtlicher Details seiner Aussagen waren sie entsprechend dem Gebot zu gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten (RIS‑Justiz RS0098778 und RS0106295).

[7] Soweit die Rüge die Glaubwürdigkeitsbeurteilung angreift, übersieht sie, dass die erstgerichtliche Beurteilung der Überzeugungskraft von Personalbeweisen (also die Glaubhaftigkeit der Angaben von Zeugen und Angeklagten) – so sie nicht undeutlich (Z 5 erster Fall) oder in sich widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) ist (was hier nicht behauptet wird) – einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entzogen ist (RIS‑Justiz RS0106588 [T3, T4, T8 und T9]). Den Bericht der Kinder- und Jugendhilfe, wonach das Opfer in verschiedenen Situationen unangemessenes, sexualisiertes Verhalten gezeigt habe (ON 4.22), ließ das Schöffengericht bei der Beurteilung der Angaben der A* als glaubwürdig (vgl dazu RIS‑Justiz RS0119422) nicht unberücksichtigt (US 10 und 12), womit der diesbezügliche Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht zutrifft.

[8] Der Behauptung offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider ist die Herleitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite aus dem objektiven Tatgeschehen (US 11) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0098671 und RS0116882).

[9] Die Absicht, sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, ist nur bei der – hier nicht in Rede stehenden – Tatbestandsvariante der „Verleitung zu einer geschlechtlichen Handlung an sich selbst“ Tatbestandselement des § 212 Abs 1 Z 1 StGB, womit die darauf Bezug nehmende Mängelrüge (Z 5) von vornherein fehlgeht (RIS‑Justiz RS0106268).

[10] Entsprechendes gilt für den Einwand der Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) der Feststellungen zu den jeweiligen Tathandlungen. Ob der konstatierte intensive Kontakt mit der Scheide des Opfers (Schuldspruch 1 und 3) ein „Berühren“ oder ein „Streicheln“ darstellt, ist nämlich aus dem Blickwinkel des § 207 Abs 1 StGB nicht subsumtionsrelevant (vgl Hinterhofer SbgK § 207 Rz 15 f mwN). Zum Schuldspruch 3 kommt hinzu, dass die Beschwerde das insoweit auch festgestellte „Lecken“ an der Scheide übergeht (siehe aber RIS‑Justiz RS0119370). Das Tatbild des § 206 Abs 1 StGB (Schuldspruch 2) wiederum wurde hier durch das Eindringen mit dem Finger des Angeklagten in die Vagina des Opfers verwirklicht (Hinterhofer SbgK § 201 Rz 47 mwN). Art und Weise der begleitenden sexuellen Handlungen tangieren die diesbezügliche Subsumtion nicht.

[11] Mit dem Hinweis auf die – vom Schöffensenat für unzuverlässig befundenen (US 8) – Angaben des Angeklagten weckt die Tatsachenrüge (Z 5a) beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.

[12] Das Erstgericht hat sich mit den Divergenzen in den Angaben der Unmündigen ausdrücklich auseinandergesetzt und mängelfrei dargelegt, aufgrund welcher Überlegungen es trotzdem zu seinem Ausspruch gelangte (US 8 f). Dass dabei das gesetzlich eingeräumte Beweiswürdigungsermessen (§ 258 Abs 2 zweiter Satz StPO) im Sinn des Nichtigkeitsgrundes der Z 5a fehlerhaft gebraucht worden sei (hiezu ausführlich mwN Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 470), wird mit dem Hinweis auf genau diese Aussagedivergenzen nicht behauptet.

[13] Im Übrigen wendet sich die Tatsachenrüge bloß mit eigenen Beweiswerterwägungen nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

[14] Nach den Feststellungen des Erstgerichts kam es dem Angeklagten beim Eindringen mit dem Finger in die Vagina der Unmündigen darauf an, mit einer unmündigen Person eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung zu unternehmen (US 4).

[15] Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO wird bloß nominell angesprochen.

[16] Weshalb das vom Penetrationsvorsatz getragene Eindringen mit dem Finger in die Vagina der Unmündigen eine bestimmte Tiefe haben müsste, um als dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung im Sinn des § 206 Abs 1 StGB zu gelten (vgl demzuwider RIS‑Justiz RS0132647 und RS0095211 [T4] sowie Philipp in WK2 StGB § 201 Rz 25), leitet die Subsumtionsrüge (Z 10) nicht aus dem Gesetz ab (siehe aber RIS‑Justiz RS0116565 und RS0116569).

[17] Soweit die Sanktionsrüge (Z 11) in Bezug auf das Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen versuchte Tatbegehung releviert, ihre Argumentation aber nicht auf der Basis der Feststellungen zur Digitalpenetration (US 4) entwickelt, bringt sie den herangezogenen materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zu prozessförmiger Darstellung (RIS‑Justiz RS0099810). Hinzugefügt sei, dass für die Vollendung bereits die (vom Penetrationsvorsatz getragene) Berührung der äußeren Geschlechtsteile genügt (RIS‑Justiz RS0115581 [T2]; Philipp in WK² StGB § 201 Rz 43 f).

[18] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[19] Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[20] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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