European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0110OS00097.24K.0924.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Suchtgiftdelikte
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus ihrem Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Konfiskationserkenntnis aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten P* fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Belang – * P* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A/), mehrerer Vergehen (richtig: eines Vergehens; vgl RIS-Justiz RS0128234) der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster Satz SMG (B/I/), des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 dritter Fall SMG, § 12 zweiter Fall StGB (C/), mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 2 dritter Fall SMG (E/), eines Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG (F/I/), je eines Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 erster Satz StGB (H/I/1/) und nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Satz StGB (H/II/1/), zweier Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (H/I/2/ und H/II/2/), zweier Vergehen der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB (H/I/3/a/ und b/) sowie eines Vergehens der Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB (K/) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Interesse –
A/ im Zeitraum von zumindest Herbst 2022 bis Mitte November 2023 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit * A* und * H* vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, und zwar Heroinmit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 8,32 % Heroin, 0,4 % Codein sowie 0,4 % Monoacetylmorphin, Kokainmit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 84,4 % Cocain, Cannabiskrautmit einem notorischen Reinheitsgehalt von durchschnittlich 0,87 % Delta‑9‑THC und 11,41 % THCA sowie Speedmit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 10,6 % Amphetamin, anderen überlassen, indem er ca 360 Gramm Heroin, ca 540 Gramm Kokain, ca 1.120 Gramm Cannabiskraut und ca 1.000 Gramm amphetaminhaltiges Speed dem für ihn und * H* in N* und anderen Orten als „Läufer“ fungierenden * A* ausfolgte „sowie den Kontakt zwischen * A* und an Suchtgiftankauf interessierten Personen, darunter * C*, * Ci* und * W*, durch Weitergabe der Telefonnummer des A* zum Zweck deren Erwerbs von Suchtmitteln herstellte“, wobei er die Tat nach § 28a Abs 1 SMG in Bezug auf Suchtgift in einer das 25‑Fache der Grenzmenge übersteigenden Menge beging;
B/ in N* und anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit demVorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, und zwar
I/ seit einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt bis 15. November 2023 ca 48,3 Gramm Kokain mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 84,4 % Cocain sowie ca 122 Gramm Cannabiskraut mit einem notorischen Reinheitsgehalt von durchschnittlich 0,87 % Delta‑9‑THC und 11,41 % THCA, indem er dieses für den späteren gewinnbringenden Verkauf bzw die Übergabe an * A* zu dessen gewinnbringenden Verkauf an Suchtgiftkonsumenten bei sich verwahrte.
Rechtliche Beurteilung
[3] Gegen den Schuldspruch zu A/ und B/I/ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten P*.
[4] Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall, nominell auch Z 5 fünfter Fall) behauptet, das Erstgericht hätte sich zu A/ mit bestimmten Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt, verabsäumt jedoch die zur prozessordnungsförmigen Ausführung bei jedenfalls – wie hier – umfangreichem Aktenmaterial erforderliche Angabe entsprechender Fundstellen in den Akten (RIS‑Justiz RS0124172 [T5, T8, T10]).
[5] Abgesehen davon hat sich das Erstgericht mit späteren Aussagen des Mitangeklagten A* zu seiner Suchtgiftquelle auseinandergesetzt und dargelegt, weshalb es den ersten (den Beschwerdeführer belastenden) Angaben des Genannten gefolgt ist (US 23 ff]). Weiters lässt die Beschwerde nicht erkennen, weshalb das (nach dem Beschwerdevorbringen aus einer Auswertung „der Mobiltelefone“ ersichtliche) bloße Fehlen von Standortdaten des Beschwerdeführers in P* oder eines telefonischen Kontakts zwischen dem Beschwerdeführer und dem Mitangeklagten H* den im Urteil festgestellten entscheidenden Tatsachen zu A/ in erörterungsbedürftiger Weise entgegenstehen sollte (vgl RIS‑Justiz RS0098778).
[6] Mit dem (gleichfalls nicht auf Fundstellen gestützten; vgl aber RIS‑Justiz RS0124172 [T3]) Verweis auf die späteren (den Beschwerdeführer entlastenden) Aussagen des Angeklagten A*, auf die Verantwortung des Beschwerdeführers, auf nicht näher bezeichnete, „in der Hauptverhandlung vorgespielte Tonbandaufzeichnungen“ (vgl auch US 24, 30 f) sowie „Standortauswertungen der Mobiltelefone“ gelingt es der Tatsachenrüge (Z 5a) nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu A/ und B/I/ zu erwecken (zum Anfechtungsrahmen vgl RIS‑Justiz RS0118780, RS0119583).
[7] Der weiteren Beschwerde (Z 5 vierter Fall) zuwider ist die Ableitung der Feststellungen zu B/I/ aus der Sicherstellung des Suchtgifts beim Beschwerdeführer (US 28 iVm ON 26.13), dessen ersten Angaben vor der Polizei (US 28 iVm ON 15.4) – unter Berücksichtigung von (diesen widersprechenden) späteren Erklärungsversuchen des Beschwerdeführers und Angaben des Mitangeklagten A* – sowie einer lebensnahen Betrachtung des Suchtgiftfundes (US 28 ff) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.
[8] Insgesamt erschöpft sich das Vorbringen der Mängel- und der Tatsachenrüge in einer Bekämpfung der Beweiswürdigung des Schöffengerichts (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.
[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[10] Aus ihrem Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass das angefochtene Urteil nicht geltend gemachte Nichtigkeit zum Nachteil der drei vom Urteil erfassten Angeklagten aufweist, die von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO; RIS‑Justiz RS0130617).
[11] In Ansehung des auf § 19a StGB gestützten Ausspruchs über die Konfiskation der „sichergestellten Mobiltelefone der Angeklagten“ (US 12), die „im Eigentum eines der Angeklagten standen“, „für die strafbaren Handlungen verwendet wurden“ (US 42) und auf deren Ausfolgung nach dem Akteninhalt nicht verzichtet wurde (ON 202.3 S 109; RIS‑Justiz RS0088201 [T11, T14]), ist dem Urteil nämlich kein Sachverhaltssubstrat dahin zu entnehmen, welcher der Angeklagten welches konkrete (im Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz) in seinem Eigentum stehende und sichergestellte Mobiltelefon zur Begehung einer der konstatierten Taten verwendet hat. Ebensowenig lässt es im Übrigen – dem Gebot widersprechend, das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 3 StPO) so klar und bestimmt zu fassen, dass über die Zuordnung der Sanktion zu den Sanktionierten und deren Vollzug kein Zweifel entstehen kann – erkennen, über welchen der drei schuldig gesprochenen Angeklagten (jeweils) die Strafe der Konfiskation verhängt wurde (vgl 11 Os 35/18h; 13 Os 1/20a; 11 Os 45/24p; RIS‑Justiz RS0134391).
[12] Das – demnach in Überschreitung der Strafbefugnis (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO) ergangene – Konfiskationserkenntnis war daher im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang schon bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben (§ 285e StPO) und die Sache in diesem Umfang an das Erstgericht zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung zu verweisen (zur Zuständigkeit des Einzelrichters vgl § 445 Abs 2a iVm Abs 2 StPO analog; RIS‑Justiz RS0100271 [T16]).
[13] Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[14] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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