OGH 5Ob107/24g

OGH5Ob107/24g30.8.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin d* GesmbH, *, vertreten durch Mag. Markus Karl Wieneroiter, Rechtsanwalt in Wien, gegen die übrigen Mit‑ und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ * KG *, Liegenschaftsadresse *, darunter 8. J*, 50. R*, 56. A*, 75. S*, 94. A*, 95. S*, 155. E*, 161. J*, 188. H*, 189. I*, 190. S*, 254. I*, alle namentlich genannten vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen § 52 Abs 1 Z 2 iVm § 16 Abs 2 WEG über den außerordentlichen Revisionsrekurs dieser Antragsgegner gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 2. Mai 2024, GZ 53 R 108/24z‑25, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00107.24G.0830.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Streitteile sind Mit‑ und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft.

[2] Das Erstgericht ersetzte die Zustimmung der Antragsgegner zu der durch Verweis auf die Beilagen ./B und ./E näher beschriebenen Schließung eines Lichtschachts sowie Schaffung von Flurflächen im ersten Obergeschoss der auf der Liegenschaft errichteten Baulichkeit mit der Maßgabe, dass die Antragstellerin im Zugangsbereich eine – im Spruch näher bezeichnete – Beleuchtung im Bereich des ehemaligen Lichtschachts zu schaffen habe. Das Mehrbegehren, die Zustimmung der Antragsgegner zur Schaffung eines Besprechungsraums im ersten Obergeschoss der Baulichkeit gerichtlich zu ersetzen, wies es ab.

[3] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der nunmehrigen Revisionsrekurswerber nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 10.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der außerordentliche Revisionsrekurs zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[5] 1.1. Die Auffassung der Revisionsrekurswerber, der Wortlaut des § 16 Abs 2 WEG lasse es nicht zu, Änderungen ausschließlich allgemeiner Teile dieser Gesetzesbestimmung zu unterstellen, ist nicht zu teilen. Nach ständiger Rechtsprechung (RS0117707) zählen mehrfunktionale Einrichtungen wie Trennwände oder Decken zwischen einzelnen Wohnungseigentumsobjekten, Steigleitungen und Abwasserstränge zu allgemeinen Teilen des Hauses und auch die zwischen zwei Geschossen eingezogene Decke ist allgemeiner Teil (RS0082890 [T9]). Dass die begehrte Schließung des Lichtschachts und Schaffung von Flurflächen allgemeine Teile des Hauses betrifft, ist daher nicht zu bezweifeln.

[6] 1.2. Allerdings ist nach ständiger Rechtsprechung der Änderungsbegriff des § 16 Abs 2 WEG weit auszulegen und erfasst auch Änderungen allgemeiner Teile der Liegenschaft, soweit diese eine vorteilhaftere Nutzung des Wohnungseigentums bewirken oder dieser dienlich sind. Dies gilt selbst dann, wenn davon ausschließlich allgemeine Teile der Liegenschaft betroffen sind (RS0083108 [T1] = 5 Ob 28/05m [Umbau eines Holzschuppenabteils auf Allgemeinfläche]; 5 Ob 218/19y [Einbau eines Aufzugs im allgemeinen Treppenhaus]; 5 Ob 69/06t [Schaffung eines baulich abgegrenzten und versperrten Kellerabteils auf einer Allgemeinfläche]; 5 Ob 25/08z [Montage von Schuhregalen in einer der Allgemeinfläche zuzuordnenden Wandnische und am Boden]; 5 Ob 213/04s [Errichtung einer Glaskonstruktion im Bereich der an die Schiebetüren angrenzenden Terrassenfläche eines Wohnungseigentumsobjekts]).

[7] 1.3. Diese in der Rechtsprechung vertretene Auffassung wird auch in der Literatur geteilt (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht II23 § 16 WEG Rz 17; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch Österreichisches Wohnrecht5 § 16 WEG Rz 17 mwN).

[8] 1.4. Dass die Vorinstanzen das Antragsbegehren nach den Kriterien des § 16 Abs 2 WEG geprüft haben, entspricht somit höchstgerichtlicher Rechtsprechung.

[9] 2.1. Auch mit der Behauptung der Revisionsrekurswerber, mit der ihnen aufgetragenen Zustimmung komme es zu einer unzulässigen Widmungsänderung durch Zuweisung eines Teils der Allgemeinfläche an die Antragstellerin, können sie keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen.

[10] 2.2. Grundsätzlich hängt die Frage, welchen Sachverhalt und welches Begehren ein Antrag enthält und wie er zu verstehen ist, von den Umständen des Einzelfalls ab und wirft daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage auf (RS0044273 [T62]). Eine auch im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung ist nicht erkennbar.

[11] 2.3. Das Begehren der Antragstellerin ging (zuletzt) dahin, die Zustimmung der Antragsgegner zur Änderung durch Schließung des Lichtschachts und Schaffen von Flurflächen im ersten Obergeschoss der Liegenschaft unter Bezugnahme auf eine zusätzliche Beleuchtung zu ersetzen. Das weitere Begehren, die Zustimmung auch zum Schaffen eines Besprechungsraums im ersten Obergeschoss zu ersetzen, wurde rechtskräftig abgewiesen. Zu prüfen war nach der nicht zu beanstandenden Auffassung der Vorinstanzen daher nur die wohnungseigentumsrechtliche Zulässigkeit der baulichen Maßnahmen für das Schließen des Lichtschachts, die zusätzliche Beleuchtung und die Schaffung der Flurflächen. Eine Zuweisung dieser– auch nach Auffassung der Vorinstanzen unverändert allgemeine Teile bildenden – Flurflächen zur alleinigen Nutzung an die Antragstellerin erfolgte mit den Sachbeschlüssen der Vorinstanzen nicht; die Auffassung, die Antragstellerin habe insoweit weder eine Benutzungsregelung durch Zuweisung begrenzter Teile der gemeinsamen Sache zur ausschließlichen Nutzung durch die Teilhaber begehrt noch eine Zuweisung allgemeiner Flächen an sie (im Gegensatz zu der im Revisionsrekurs zitierten Entscheidung 5 Ob 200/12s), bedarf keiner Korrektur im Einzelfall. Dass die Antragstellerin neugeschaffene Flächen (allenfalls) eigenmächtig in ihre alleinige Nutzung einbezogen haben mag, ändert daran nichts, zumal darüber nach der nicht zu beanstandenden Auffassung der Vorinstanzen hier nicht abzusprechen war.

[12] 3.1. Letztlich streben die Revisionsrekurswerber eine Gesamtbeurteilung aller von der Antragstellerin durchgeführten Änderungen unter Miteinbeziehung sämtlicher Vorgaben und baulichen Maßnahmen an und führen ins Treffen, dass diese insgesamt den schutzwürdigen Interessen der übrigen Wohnungseigentümer zuwiderlaufen. Dazu argumentieren sie aber im Wesentlichen – zu Unrecht (vgl Punkt 2) – wieder damit, bei der Zuweisung eines Teils einer Allgemeinfläche an einen bestimmten Wohnungseigentümer – wie hier (angeblich) erfolgt – handle es sich um eine Verfügung im Sinn des § 828 ABGB, die der Einstimmigkeit bedürfe und nicht nach § 16 Abs 2 WEG genehmigt werden könnte, ohne aber auf die konkrete rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts hiezu einzugehen.

[13] 3.2. Das Rekursgericht ging nämlich davon aus, dass die Umwidmung der Wohnungseigentumsobjekte der Antragstellerin in solche zur Beherbergung von Studenten einschließlich der dafür erforderlichen baulichen Änderungen nicht nur bau‑ und feuerpolizeilich bewilligt sei, sondern nach der vom Rekursgericht zitierten Außerstreitstellung wohnungseigentums‑ bzw privatrechtlich durch Sachbeschlüsse des Bezirksgerichts Salzburg genehmigt wurde. Die mit der Widmungsänderung objektiv notwendig verbundenen baulichen Änderungen seien als Teil der typischen Auswirkungen dieser Widmungsänderung – ungeachtet einer auf die Widmungsänderung beschränkten Antragstellung – bereits in die Beurteilung der Zulässigkeit der Widmungsänderung miteinbezogen worden, weil die isolierte Beurteilung nur der Widmungsänderung dem Gebot der Wahrung der schutzwürdigen Interessen der anderen Wohnungseigentümer nicht gerecht würde. Demgegenüber sei die ausschließlich Gegenstand des Antrags bildende Änderung am Lichtschacht und die daraus resultierende Schaffung von Flurflächen im ersten Obergeschoss keine typische Auswirkung der bereits bewilligten Widmungsänderung, somit objektiv vom Gesamtprojekt trennbar und daher auch isoliert zu beurteilen.

[14] 3.3. Darauf gehen die Revisionsrekurswerber inhaltlich nicht ein. Sie behaupten nur pauschal, der Antrag betreffe nur einen geringen Teil von insgesamt sehr umfangreichen, ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer vorgenommenen baulichen Änderungen, entfernen sich damit aber vom festgestellten Sachverhalt und führen ihre Rechtsrüge daher nicht gesetzesgemäß aus. Warum die Antragstellung unzulässig sein soll, begründen sie nicht nachvollziehbar. Eine Zuweisung (ohne Umwidmung) eines Teils einer Allgemeinfläche an einen bestimmten Wohnungseigentümer erfolgte – wie bereits erörtert – nicht.

[15] 3.4. Dass eine aus der angestrebten Änderung allenfalls resultierende Änderung der Nutzwerte kein Versagungsgrund im Sinn des § 16 Abs 2 WEG ist, führte bereits das Rekursgericht unter Berufung auf höchstgerichtliche Rechtsprechung aus. Dem setzen die Revisionsrekurswerber nur ihre gegenteilige Meinung entgegen; zu einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung einer (denkbaren) Verringerung der Nutzwerte hat es bei Prüfung nach § 16 Abs 2 WEG nicht zu kommen (RS0083240).

[16] 4. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens liegt nicht vor. Abgesehen davon, dass das Rekursgericht den in der mangelnden Zustellung des modifizierten Sachantrags angeblich liegenden Verfahrensmangel des erstinstanzlichen Verfahrens verneinte, sodass er nicht mehr mit Erfolg an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden kann (RS0106371 [T1, T3]), wird selbst ein allfälliger Mangel des rechtlichen Gehörs weiterer, unvertretener Antragsgegner nach ständiger Rechtsprechung behoben, wenn Gelegenheit bestand, den eigenen Standpunkt in einem Rechtsmittel zu vertreten (RS0006057 [T1, T11, T12, T18, T19]), wie dies hier der Fall war. Warum eine hohe Anzahl von Wohnungseigentumsobjekten daran etwas ändern sollte, ist nicht nachvollziehbar.

[17] 5. Damit war der Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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