OGH 4Ob4/24b

OGH4Ob4/24b27.8.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, den Hofrat Dr. Kikinger, die Hofrätin Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *, vertreten durch Philip Markus Jakober, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei * AG, *, vertreten durch die Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen 63.000 EUR sA, Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 68.500 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 12. Oktober 2023, GZ 6 R 106/23k‑18, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 6. April 2023, GZ 5 Cg 67/22f‑12, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00004.24B.0827.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.726,16 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 454,36 EUR an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte, die Brillen herstellt, nimmt jährlich an einer internationalen Fachmesse teil, um dort ihre Produkte und Neuheiten zu präsentieren. Für das Jahr 2015 beauftragte sie den Kläger mit der Konzeption ihres Messestandes; errichtet wurde dieser von einer Dritten. Weiters unterstützte der Kläger die Beklagte bei einer Anpassung des Messestandes für die Messe 2016.

[2] Bereits vor 2015 gehörten fließende Linien, eine weiße, puristische Gestaltung, minimalistische Formen und organische Ansätze zum Grundkonzept der Messestände der Beklagten; dies sollte einen Bezug zu ihrenBrillen herstellen. Für den Messestand 2015 war eine Neugestaltung geplant, die Designphilosophie sollte jedoch beibehalten werden. Die Beklagte machte zudem Vorgaben zu den vorgesehenen Räumlichkeiten, nämlich Bar/Lounge, Working Areas; bei der Gestaltung dieser Bereiche sollte der Kläger frei sein. Weiters sollte das neue Brillenmodell der Beklagten als Messehighlight im Messestand 2015 verarbeitet und entsprechend dargestellt werden.

[3] Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Beklagte für schuldig zu erkennen es zu unterlassen, „das vom Kläger geschaffene Design des Messestandes, wie dieses bei der [Messe] 2015 umgesetzt wurde und nachstehend abgebildet ist, zu bearbeiten und/oder bearbeiten zu lassen, sowie diese Bearbeitung zu nutzen und/oder nutzen zu lassen“:

 

[4] Weiters verlangte er angemessenes Entgelt sowie die Urteilsveröffentlichung auf der Webseite der Beklagten. Obwohl er der Beklagten nie ein Bearbeitungsrecht eingeräumt habe, habe diese den Messestandfür die Messen 2017, 2018 und 2019 in geänderter Form genutzt sowie das von ihm entwickelte Design im Jahr 2021 für einen (pandemiebedingt) virtuellen Messeshop übernommen.

[5] Das Erstgericht wies die Klage ab. Es bejahte einen urheberrechtlichen Schutz für einen Teil des Messestands, nämlich für eine bestimmte Lamellenkonstruktion, die in der Raummitte zusammenläuft und (allerdings von oben betrachtet) an zwei Augen erinnere; ansonsten seien die Lamellen und Objekte übliche Gestaltungselemente. Ob mit der Klausel zu Nutzungsrechten im Werkvertrag auch Bearbeitungsrechte eingeräumt wurden, ließ das Erstgericht offen; die Adaptionen der Jahre 2017 und 2018 seien nämlich bereits durch das Änderungsrecht nach § 21 Abs 1 2. Satz UrhG gerechtfertigt. Es sei stets klar gewesen, dass der Stand der Präsentation von Produktneuheiten diene und entsprechend angepasst werden müsse, gleichzeitig aber Platzbeschränkungen bestünden. Bei der gebotenen Interessenabwägung gehe der Gebrauchszweck dem Werkschutz vor. Der Messestand des Jahres 2019 sei bereits als Neuschöpfung iSd § 5 Abs 2 UrhG zu qualifizieren, und auch der virtuelle Messeraum des Jahres 2021 habe nichts mit der Konzeption des Klägers für einen „analogen“ Stand im Jahr 2015 zu tun.

[6] Das Berufungsgericht gab einer Berufung des Klägers nicht Folge und verneinte ebenfalls die Schutzfähigkeit des Messestandes als solchen. Selbst wenn man Teilen Schutz zuerkenne, sei dem Erstgericht beizupflichten, dass § 21 Abs 1 2. Satz UrhG greife bzw in den späteren Jahren § 5 Abs 2 UrhG. Die Rechtsrüge sei insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt, und das Vorbringen zu § 21 Abs 3 UrhG verstoße gegen das Neuerungsverbot. Das Unterlassungsbegehren scheitere schließlich an § 83 Abs 3 UrhG, wonach der Urheber bei Werken der Baukunst eine unbefugte Änderung nicht untersagen könne.

[7] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob (Teile) ein(es) Messestand(es) als Werk der Baukunst im Sinne des § 3 Abs 1 UrhG qualifiziert werden können.

Rechtliche Beurteilung

[8] Die – von der Beklagten beantwortete – Revision des Klägers, mit der er eine Abänderung in eine Klagsstattgebung, hilfsweise eine Aufhebung und Rückverweisung der Rechtssache in die zweite oder erste Instanz begehrt, ist ungeachtet des Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig und daher zurückzuweisen (vgl § 508a Abs 1 ZPO).

[9] 1. Wird die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage im Rechtsmittel nicht releviert, und auch sonst keine erhebliche Rechtsfrage aufgeworfen, so ist das Rechtsmittel unzulässig (vgl RS0080388 [T1]).

[10] 2.1 Der Kläger bestreitet ausdrücklich, dass es sich bei dem von ihm entworfenen Messestand um ein Werk der Baukunst handle (worunter der Oberste Gerichtshof bereitsWerke der Innenarchitektur subsumierte, vgl RS0076878, RS0076855). Vielmehr sei der Messestand, ungeachtet seiner Funktionalität, in seiner Gesamtheit ein Werk der angewandten Kunst nach § 3 Abs 1 UrhG.

[11] 2.2 Nach der nationalen Rechtsprechung muss eine schöpferische Gestaltung, um als Werk nach §§ 1, 3 Abs 1 UrhG urheberrechtlich geschützt zu sein, mit einem gewissen Maß an Originalität verbunden sein und sich vom Alltäglichen, Landläufigen, üblicherweise Hervorgebrachten abheben; es ist eine entsprechende Werkhöhe erforderlich, also eine Gestalt gewordene Idee, die den Stempel der persönlichen Eigenart ihres Schöpfers trägt oder sich zumindest durch eine persönliche Note von anderen Erzeugnissen ähnlicher Art abhebt (vgl RS0076367, RS0076397, RS0115496). Die Bestimmung eines Werkes, also der Zweck, zu dem es geschaffen wurde, ist für die Frage des urheberrechtlichen Schutzes grundsätzlich bedeutungslos; auch ein bloßer Gebrauchszweck schadet nicht (vgl RS0076423, RS0076575). Die individuelle Erarbeitung einer funktionellen und zweckmäßigen technischen Lösung ohne besonderen ästhetischen Gehalt der Planung, in der kein besonderer künstlerisch‑geistiger Formgedanke zum Ausdruck kommt, ist allerdings urheberrechtlich nicht geschützt (RS0076633 [T6]; RS0076654 [T8]). Daher ist zu untersuchen, inwieweit die verwendeten Formelemente technisch bedingt sind und inwieweit sie lediglich der Form halber, aus Gründen des Geschmacks, der Schönheit, der Ästhetik gewählt wurden (vgl RS0076633).

[12] Gegenstand des urheberrechtlichen Schutzes ist schließlich nicht der Stil, die Technik, oder der dem Werk zugrundeliegende, aber noch ungeformte Gedanke, sondern nur die eigenpersönliche körperliche Formung und Festlegung einer schöpferischen Idee (vgl RS0076695, RS0076830 RS0076367).

[13] 2.3 Der Gerichtshof der Europäischen Union hielt zu C‑833/18 , Brompton Bicycle (Rn 22 ff unter Verweis auf C‑683/17 , Cofemel, Rn 23 ff) fest, dass der in den Art 2 bis 5 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft vorgesehene Urheberrechtsschutz auf ein Erzeugnis Anwendung findet, dessen Form, zumindest teilweise, zur Erreichung eines technischen Ergebnisses erforderlich ist, wenn es sich bei diesem Erzeugnis um ein aus einer geistigen Schöpfung entspringendes Originalwerk handelt, weil der Urheber des Werkes mit der Wahl der Form des Erzeugnisses seine schöpferische Fähigkeit in eigenständiger Weise zum Ausdruck bringt, indem er freie und kreative Entscheidungen trifft, so dass diese Form seine Persönlichkeit widerspiegelt.

[14] Der Gerichtshof der Europäischen Union verneint die Schutzfähigkeit von Ideen, Verfahren und Arbeitsweisen; der Werkbegriff impliziere eine (wenn auch nicht zwangsläufig dauerhafte) Ausdrucksform des urheberrechtlichen Schutzobjekts, die das geschützte Werk – nicht zuletzt zur Wahrung der Rechtssicherheit – mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbar werden lasse (vgl C‑310/17 , Levola Hengelo,Rn 39 ff; C‑833/18 , Brompton Bicycle, Rn 2).

[15] 2.4 Die konkrete Ausgestaltung eines Erzeugnisses, aus der sich sein Werkcharakter ergibt, hat grundsätzlich derjenige zu behaupten und zu beweisen, der dafür urheberrechtlichen Schutz in Anspruch nimmt (vgl RS0076587). Dafür können nach der Rechtsprechung die zum Nachweis des Werkcharakters erforderlichen Tatsachen in der Regel durch Vorlage des Werkes oder von Abbildungen dokumentiert werden; ob dadurch ein Werk im Sinne des UrhG verkörpert wird, ist eine vom Gericht zu beurteilende Rechtsfrage (vgl RS0076304, RS0043530).

[16] Ob eine Schöpfung ein urheberrechtlich geschütztes Werk ist, hängt im Übrigen von den Umständen des Einzelfalls ab und hat regelmäßig keine darüber hinausgehende Bedeutung (vgl RS0122254).

[17] 2.5 Davon ausgehend ist die Rechtsansicht der Vorinstanzen vertretbar, dass sich schon aus dem Vorbringen des Klägers kein klar umrissenes, urheberrechtlich geschütztes Gesamtwerk der angewandten Kunst ableiten lasse, das als solches gegen Bearbeitungen geschützt wäre.

[18] Ob Teilen des Messestandes Werkcharakter zuerkannt werden kann, muss daher nicht näher untersucht werden, weil das Klagebegehren darauf abstellt der Beklagten zu verbieten, „das vom Kläger geschaffene Design des Messestandes, wie dieses bei der [Messe] 2015 umgesetzt wurde und [in der Klage] abgebildet ist“, zu bearbeiten. Das (geschaffene und umgesetzte) „Design“ wurde jedoch nicht näher konkretisiert, und aus den Abbildungen ergeben sich nur punktuelle Eindrücke und für einen Messestand übliche und technisch-funktionelle Gestaltungselemente wie Vitrinen, Sideboards, Stehpulte, Bilder, Hochtische, barartige Hocker udgl. Die Idee, die Form der Brillenbügel in die Gestaltung der Regale und Wände einfließen zu lassen, ist wie oben dargelegt als solche nicht schützbar; auch bei (höhenversetzten) Wandboards und (unterschiedlich ausgerichteten) Lamellen handelt es sich um gängigeElemente zur Wanddekoration, Raumteilung und Objektpräsentation.

[19] Aus dem – nicht in das Klagebegehren einbezogenen, aber vom Erstgericht zusätzlich festgestellten – Grundrissplan können zwar Rückschlüsse auf die räumliche Anordnung des Messestands und die in der Revision zusätzlich angesprochenen Merkmale gezogen werden. Eine Unvertretbarkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach hier ein technisch-funktionell vorgegebener Messestand mit (allenfalls) einem zentralen künstlerischen Element vorliege, jedoch aus der Perspektive eines Messebesuchers kein (klar definiertes) Gesamtwerk der bildenden Kunst dargelegt worden sei, das insgesamt gegen Bearbeitungen geschützt wäre, wird auch in der Revision aber nicht aufgezeigt.

[20] 3. Verneint man bereits im Sinne der Vorinstanzen einen urheberrechtlichen Schutz des „Designs des Messestandes“, kommt es auf die weiters in der Revision thematisierten vertraglichen und gesetzlichen Bearbeitungsrechte der Beklagten und die Unterscheidung zwischen unfreien Bearbeitungen nach § 5 Abs 1 UrhG und freien Neuschöpfungen im Sinne des § 5 Abs 2 UrhG nicht mehr an.

[21] Auf andere Rechtsgrundlagen als einen Eingriff in das Bearbeitungs- und Verwertungsrecht nach § 14 Abs 2 UrhG iVm §§ 81, 85, 86 UrhG wird die Revision nicht gestützt.

[22] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO; die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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