OGH 6Ob81/24s

OGH6Ob81/24s18.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* R*, Selbständige, *, vertreten durch Dr. Andreas Fink und Dr. Christopher Fink, Rechtsanwälte in Imst, wider die beklagte Partei L* Baugesellschaft m.b.H. & Co KG, FN *, vertreten durch Mag. Dominik Heimbach, Rechtsanwalt in Hard, sowie deren Nebenintervenienten 1. DI G* F*, Architekt, 2. DI W* S*, Architekt, beide *, vertreten durch Rechtsanwälte Mandl GmbH in Feldkirch, 3. J.* GesmbH & Co KG, *, vertreten durch Dr. Stefan Hämmerle, Rechtsanwalt in Dornbirn, 4. G* GmbH & Co KG, *, vertreten durch Mag. Andreas Germann, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen 136.723,17 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 3. April 2024, GZ 4 R 20/24h‑131, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00081.24S.0618.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Gemäß § 2 des 1. COVID‑19-JuBG wurde die Zeit vom Inkrafttreten dieses Gesetzes bis zum Ablauf des 30. 4. 2020 in die Zeit, in der bei einem Gericht eine Klage oder ein Antrag zu erheben oder eine Erklärung abzugeben war, nicht eingerechnet. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass von § 2 1. COVID‑19-JuBG auch Verjährungsbestimmungen erfasst waren und es sich bei dieser Bestimmung um eine Fortlaufshemmung handelte, was dahin zu verstehen ist, dass der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt war, in die Verjährungsfrist nicht einzurechnen war und nach dem Fortfall des Hemmungsgrundes der noch nicht abgelaufene Teil der Verjährungszeit abgelaufen sein musste, um die Verjährung herbeizuführen. Bei laufenden Fristen, die während des oder nach dem laufenden Hemmungszeitraum endeten, musste jener Fristteil, der bei Beginn der Hemmung offen war, nach Wegfall der Hemmung noch ablaufen (4 Ob 210/23w [ErwGr 3.1.]).

[2] 2. Gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach § 2 des 1. COVID‑19-JuBG auf die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB anzuwenden war, wendet sich die Revision nicht. Ebenso wenig wird bezweifelt, dass diese Frist im Fall der Berücksichtigung der Fristenhemmung des § 2 1. COVID‑19-JuBG bei Einlangen des Schriftsatzes der Klägerin am 27. 12. 2022, den die Revision als Änderung des Klagebegehrens betrachtet, noch nicht abgelaufen war.

[3] 3.1. Mit ihrem Argument, § 2 1. COVID‑19-JuBG sei mit Ablauf des 30. 6. 2023 außer Kraft getreten (§ 12 Abs 1 1. COVID‑19-JuBG idF BGBl 2022/224), diese Bestimmung sei daher zum relevanten Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz am 20. 9. 2023 nicht mehr in Kraft gewesen und daher auch nicht (mehr) anzuwenden, weshalb mangels Fristenhemmung die Verjährungsfrist am 27. 12. 2022 bereits abgelaufen sei, zeigt die Revision kein Abweichen des Berufungsgerichts von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auf.

[4] 3.2. Zwar hat das Urteil, soweit nicht zwingendes neues Recht rückwirkt, nach der Rechtslage zu ergehen, wie sie sich aufgrund der Verhandlungsergebnisse zur Zeit des Verhandlungsschlusses darstellt; auf Rechtsänderungen nach dem Schluss des Verfahrens erster Instanz ist grundsätzlich nicht Bedacht zu nehmen (RS0008698).

[5] 3.3. Nach § 5 ABGB sind jedoch nur die nach dem Inkrafttreten eines Gesetzes verwirklichten Sachverhalte nach dem neuen Gesetz zu beurteilen, vorher geschehene Handlungen und analog sonstige Sachverhalte aber wie vorher entstandene Rechte weiterhin dem alten Gesetz zu unterwerfen (RS0008715 [T2]; 9 ObA 18/23x [ErwGr 4.2.]; 9 Ob 54/18h [ErwGr I.1.]), sofern der Gesetzgeber nicht eine Rückwirkung anordnet (RS0008715 [T9]; RS0015520).

[6] Die Beurteilung der Unterbrechung der Verjährung durch den – vor Außerkrafttreten des § 2 1. COVID‑19-JuBG bei Gericht eingebrachten – Schriftsatz vom 22. 12. 2022 nach der zum Zeitpunkt seiner Einbringung geltenden Rechtslage entsprach somit den erörterten Rechtsprechungsgrundsätzen.

[7] 3.4. Dazu kommt, dass sich mangels gegenteiliger besonderer Übergangsbestimmung die Verjährungsfrist grundsätzlich nach der Rechtslage richtet, unter der die Verjährung begonnen wurde (vgl Abs 6 Satz 1 des Kundmachungspatents zum ABGB [JGS 1811/946, abgedruckt in Rummel/Lukas 4, Teilband §§ 1–43, 1 f]; 2 Ob 167/19a [ErwGr 4.2.1.]; 6 Ob 208/16f [ErwGr 5.3]; RS0008685). Sofern die jüngere Vorschrift eine kürzere Frist vorsieht, kann sich der Schuldner wahlweise auf diese berufen; die kürzere Frist beginnt dann jedoch frühestens ab Inkrafttreten des neuen Gesetzes zu laufen (Abs 6 Satz 2 KdmPat;  2 Ob 167/19a [ErwGr 4.2.1.]; RS0008685 [T2]). Dieser Grundsatz ist verallgemeinerungsfähig (6 Ob 208/16f [ErwGr 5.3]; 9 ObA 138/15g [ErwGr 2.2.]).

[8] Auch unter diesem Aspekt vermag die Revision mit ihrem bloßen Hinweis auf das Außerkrafttreten des § 2 1. COVID‑19-JuBG mit Ablauf des 30. 6. 2023 nicht darzulegen, weshalb es dadurch zu einer rückwirkenden Verkürzung der durch diese Bestimmung gehemmten Fristen gekommen sein sollte.

[9] 4. Die von der Revision als erheblich angesehene (weitere) Rechtsfrage, ob im vorliegenden Fall die Unterbrechungswirkung der Klage nach § 1497 ABGB auch das mit dem Schriftsatz vom 27. 12. 2022 von Verbesserung der Mängel auf Geldersatz umgestellte Klagebegehren umfasste, ist daher nicht relevant.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte