OGH 1Ob73/24b

OGH1Ob73/24b27.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen 1. E*, geboren * 2013, und 2. L*, geboren * 2016, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Vaters K*, vertreten durch Mag. Evelyn Heidinger, Rechtsanwältin in Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 18. März 2024, GZ 2 R 44/24f‑60, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Leoben vom 25. Jänner 2024, GZ 2 Pu 103/21y‑50, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00073.24B.0527.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Unterhaltsrecht inkl. UVG

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters, der im Verfahren die Herabsetzung seiner monatlichen Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinen Töchtern anstrebte, nicht, dem Rekurs der Kinder hingegen Folge und verpflichtete den Vater ab 1. 10. 2023 zur Zahlung von monatlich 544 EUR an seine ältere und von 458 EUR an seine jüngere Tochter. Zusammengefasst ging es davon aus, dass der Vater aufgrund seiner Ausbildung zuletzt im Monat durchschnittlich 3.132 EUR verdient, seine berufliche Stellung jedoch aufgegeben habe, um eine schulische Ausbildung (HTL für Wirtschaftsingenieurwesen an einer Abendschule) zu absolvieren. Da nicht absehbar sei, ob und wann er nach seinem Abschluss eine Stelle mit einem deutlich höheren Einkommen als zuletzt erhalten werde, sei er auf sein bisheriges Einkommen anzuspannen, weil seine auf den Unterhalt angewiesenen Kinder nicht auf eine künftige, im Regelfall gar nicht absehbare berufliche Besserstellung verwiesen werden könnten. Änderungen in seinen Lebensverhältnissen, die mit Einschränkungen seiner Unterhaltspflichten verbunden seien, dürfe der Unterhaltspflichtige nur insoweit vornehmen, als dies bei gleicher Sachlage ein pflichtbewusster Familienvater getan hätte. Der Revisionsrekurs sei zulässig, „um eine Überprüfung der Einzelfallgerechtigkeit dieser Entscheidung zu ermöglichen“.

Rechtliche Beurteilung

[2] Der von den Kindern beantwortete Revisionsrekurs des Vaters ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

[3] 1. Nach § 231 Abs 1 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes nach ihren Kräften anteilig beizutragen. Ist ein Elternteil geldunterhaltspflichtig, hängt die Unterhaltsbemessung von den Umständen des Einzelfalls ab, sodass die Entscheidung des Rekursgerichts nicht korrekturbedürftig ist, wenn es nicht erkennbar gesetzliche Bemessungsfaktoren unbeachtet gelassen oder bei deren Beurteilung gegen den Willen des Gesetzgebers verstoßen hat (RS0053263).

[4] 2. Der Unterhaltsschuldner hat alle Kräfte anzuspannen, um seiner Verpflichtung nachkommen zu können. Er muss alle persönlichen Fähigkeiten, insbesondere seine Arbeitskraft so gut wie möglich einsetzen. Tut er dies nicht, wird er so behandelt, als bezöge er Einkünfte, die er bei zumutbarer Erwerbstätigkeit hätte erzielen können (RS0047686). Ob die Voraussetzungen für eine Anspannung im konkreten Fall gegeben sind oder nicht, richtet sich ebenfalls nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls (RS0113751). Eine aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit aufzugreifende Fehlbeurteilung des Rekursgerichts kann der Vater in seinem Rechtsmittel nicht aufzeigen:

[5] 2.1. Nach der Rechtsprechung darf der geldunterhaltspflichtige Elternteil Änderungen in seinen Lebensverhältnissen, die mit Einschränkungen seiner Unterhaltspflichten verbunden wären, nur insoweit vornehmen, als dies bei gleicher Sachlage ein pflichtbewusster Elternteil getan hätte (RS0047590). Ist dies nicht der Fall, ist er im Hinblick auf seine Unterhaltspflicht so zu behandeln, als hätte er seine bisherige Berufstätigkeit nicht aufgegeben (RS0047360 [T9]).

[6] 2.2. Die Entscheidung des Rekursgerichts entspricht diesen Grundsätzen. Warum es einen Unterschied machen soll, dass der Vater seine bisherige berufliche Tätigkeit nicht aufgegeben hat, um in einen anderen (weniger gut bezahlten) Beruf zu wechseln, sondern deshalb, weil er die Matura an einer Abendschule nachholen will, ist nicht zu erkennen. Auch nach den vom Vater zitierten Entscheidungen zu 8 Ob 559/93 und zu 7 Ob 249/00v kommt dem Interesse des Kindes auf angemessene Alimentation grundsätzlich der Vorrang vor dem Interesse des Vaters auf ein Studium zu. Danach kann es zwar im Einzelfall gerechtfertigt sein, dass der Unterhalt nicht mehr vom bisherigen Einkommen als fiktiver Unterhaltsbemessungsgrundlage, sondern vom tatsächlich erzielten Einkommen bemessen wird. Das wäre dann der Fall, wenn die Aufgabe der bisherigen beruflichen Tätigkeit zugunsten eines Studiums (auch) im Interesse des Unterhaltsberechtigten liegt, weil auch er voraussichtlich zukünftig eine Besserstellung erfährt und die Übergangszeit möglichst kurz gehalten wird. Maßgeblich bleiben aber auch nach diesen Entscheidungen stets die Gesamtinteressen des Unterhaltsberechtigten. Inwieweit es den Interessen seiner Töchter entsprechen soll, dass er seine bisherige (gut dotierte) Beschäftigung aufgegeben hat, um die HTL-Matura an einer Abendschule nachzuholen, legt der Vater mit seinem bloßen Verweis auf Vorentscheidungen, denen jeweils anders gelagerte Sachverhalte zugrunde lagen, aber nicht dar und spricht damit in seinem Rechtsmittel auch keine Rechtsfrage gemäß § 62 Abs 1 AußStrG an.

[7] 3. Unterhaltsentscheidungen sind zwar grundsätzlich Ermessensentscheidungen und keine reinen Rechenexempel (RS0047419 [T23]; (RS0057284 [T6; T9; T14]). Ausgehend von der vom Rekursgericht herangezogenen Bemessungsgrundlage von 3.132 EUR und in Anwendung der in der Rechtsprechung entwickelten Prozentsatzmethode (zu dieser: RS0053242; RS0047424) ergeben sich (rein rechnerisch) für beide Töchter Unterhaltsansprüche, die jeweils über den begehrten und auch für berechtigt erkannten Beträgen liegen. Damit ist es im Einzelfall aber auch nicht zu beanstanden, dass das Rekursgericht die Frage dahinstehen ließ, ob die vom Vater für einen Kredit bezahlten Raten teilweise seinen Töchtern zugute kommen, weil die damit angeschaffte Küche auch von ihnen genutzt werde. Eine Minderung seiner Geldunterhaltsverpflichtungen wäre damit nicht verbunden.

[8] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte