OGH 8Ob53/24p

OGH8Ob53/24p22.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann‑Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin C* H*, geboren * 2004, *, vertreten durch die Mag. Günter Novak‑Kaiser Rechtsanwalt GmbH in Murau, gegen den Antragsgegner E* B*, geboren *1972, *, vertreten durch Dr. Erich Moser und Dr. Martin Moser, Rechtsanwälte in Murau, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 23. Jänner 2024, GZ 2 R 188/23f‑34, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Murau vom 14. November 2023, GZ 1 Fam 11/22x‑29, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00053.24P.0522.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Unterhaltsrecht inkl. UVG

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin ist schuldig, dem Antragsgegner binnen 14 Tagen die mit 1.505,40 EUR (darin 250,90 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die am * 2004 geborene Antragstellerin ist die Tochter eines selbstständigen Land‑ und Forstwirts. Dieser verpflichtete sich in einer 2014 nach § 210 Abs 2 ABGB geschlossenen Unterhaltsvereinbarung dazu, für sie monatlich 325 EUR Unterhalt zu leisten.

[2] Die mittlerweile studierende Antragstellerin nimmt ihren Vater nunmehr auf Unterhaltserhöhung und Zahlung rückständigen Unterhalts in Anspruch. Der Antragsgegner trat dem Antrag entgegen.

[3] Das Erstgericht entschied sowohl über das Zahlungs‑ als auch das Erhöhungsbegehren zum Teil stattgebend, zum anderen Teil abweisend. Dabei ging es – unter Übernahme der Ergebnisse eines von ihm eingeholten Gutachtens aus dem Fachgebiet der Betriebsergebnisrechnung sowie jener eines weiteren von ihm eingeholten Gutachtens aus dem Fachgebiet der Land‑ und Forstwirtschaft – davon aus, dass das mögliche betriebliche Einkommen des Antragsgegners im Jahr 2019 4.759 EUR, im Jahr 2020 ‑ 5.066 EUR (Verlustjahr), im Jahr 2021 22.624 EUR und im Jahr 2022 21.356 EUR betrug. Bereits sachverständigenseits war jeweils vom jährlichen Betriebsergebnis ein Abzug „AfA Gebäude und Maschinen“ vorgenommen worden (für 2019 iHv 13.126 EUR, für 2020 iHv 16.175 EUR, für 2021 und 2022 iHv jeweils 18.841 EUR).

[4] In ihrem gegen den erstgerichtlichen Beschluss erhobenen Rekurs bekämpfte die Antragstellerin die Feststellung über das mögliche betriebliche Einkommen des Antragsgegners in den Jahren 2019 bis 2022 mit der Begründung, die AfA stelle eine rein steuerrechtliche Maßnahme dar, die als solche die Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht beeinflusse. Daher sei das jährliche Betriebsergebnis in Wahrheit jeweils um den AfA-Betrag höher.

[5] Das Rekursgericht verwarf diese Tatsachenrüge mit der Begründung, weil die Investitionsausgaben des Antragsgegners nicht als Abzug berücksichtigt worden seien, sei es statthaft, eine AfA in Anschlag zu bringen. Gegen deren Höhe hegte das Rekursgericht – wie aus dem Beschluss auf nachträgliche Zulassung des Revisionsrekurses ersichtlich – deshalb keinen Zweifel, weil der Antragsgegner (unstrittig) in den Jahren 2019 und 2020 unter Inanspruchnahme einer EU‑AMA‑Förderung von 90.000 EUR ein neues Stallgebäude um 520.000 EUR errichtet hatte, das nach den sachverständigen Ausführungen eine Nutzungsdauer von 30 Jahren besitzt, woraus sich rechnerisch bereits für den Stall eine jährliche Abschreibung von 14.300 EUR errechnet. Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs (nachträglich) mit der Begründung zu, sollte es hier anstelle der AfA auf die (nicht festgestellten) Rückzahlungsraten für den für die Errichtung des Stalles aufgenommenen Kredit in Höhe von 430.000 EUR (und allfällige weitere Betriebsausgaben des Antragsgegners) ankommen, so wäre das Verfahren zu ergänzen.

[6] In ihrem wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und – der Bezeichnung nach – „Nichtigkeit“ erhobenen Revisionsrekurs hält die Antragstellerin ihren Standpunkt aufrecht, ein Abzug für AfA sei bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage unstatthaft. Nichtigkeit liege deshalb vor, weil die Antragstellerin im erstinstanzlichen Verfahren die Ladung des (zweiten) Sachverständigen (zwecks Gutachtenserörterung) sowie auch die Einvernahme des Antragsgegners (zu seinen sonstigen Vermögenswerten) beantragt habe, diese Anträge vom Erstgericht aber abgewiesen worden seien.

[7] Der Antragsgegner beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung die Zurückweisung des Rechtsmittels, hilfsweise diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

[8] Der Revisionsrekurs ist mangels Relevierung einer Rechtsfrage von der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität und weil sich die angefochtene Entscheidung im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung hält, nicht zulässig.

I. Zur Frage der AfA:

[9] Ob etwas aus dem Einkommen (der Unterhaltsbemessungsgrundlage) „herauszurechnen“ ist, ist eine Rechtsfrage (vgl 2 Ob 47/04g [aE]; 9 Ob 59/19w [Pkt – richtig – 5.3.]; 6 Ob 182/20p [Pkt 2.]). Die Frage ist damit – im Wege des Rechtsmittelgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung – revisibel. Sie muss aber – um die Anrufung des Obersten Gerichtshofs zu rechtfertigen – über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung haben (vgl 2 Ob 47/04g [aE]). Hieran mangelt es hier.

[10] Es ist anerkannt, dass Aufwendungen des Unterhaltspflichtigen zur Schaffung einer zusätzlichen Erwerbsmöglichkeit die Unterhaltsbemessungsgrundlage verringern können (RS0106933). Aber auch tatsächliche Aufwendungen des Unterhaltsschuldners, die bloß der Sicherung seines Einkommens dienen, bilden Abzugsposten (RS0107943). Die Zinsen und Rückzahlungsraten eines Darlehens, das zur Schaffung oder Sicherung einer Einkommensquelle aufgenommen wurde, mindern die für den Unterhaltsanspruch maßgebenden, aus dieser Quelle erzielten Einkünfte (RS0009532).

[11] Solche Investitionskosten können nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung jedenfalls auch im Sinne einer Absetzung (oder auch: Abschreibung) für Abnutzung (AfA; §§ 6 ff EStG) bei der Unterhaltsbemessungsgrundlage mindernd berücksichtigt werden. Dabei sind für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage die Investitionen des selbstständig tätigen Unterhaltsschuldners, die der Erzielung weiterer oder der Sicherung bereits bestehender Einnahmen dienen und nicht unangemessen hoch sind, auf die gewöhnliche Nutzungsdauer verteilt von den Einkünften abzuziehen. Eine nicht an der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer anknüpfende, auf besonderen Regelungen beruhende steuerliche Abschreibung ist in diesem Sinn zu korrigieren. Einen gleichzeitigen Abzug tatsächlich geleisteter Kreditrückzahlungen schließt diese Vorgangsweise – ansonsten ein Doppelabzug vorläge – freilich aus (grundlegend 4 Ob 218/08z = EF‑Z 2009/124 [zust Gitschthaler] = RS0124600; 4 Ob 20/09h [Pkt 6.]; 2 Ob 1/13f [Pkt 5]; 8 Ob 63/13t [Pkt 4.3. und 4.5.]).

[12] Die hier vom Sachverständigen, dessen Gutachten das Erstgericht im hier interessierenden Punkt übernahm, gewählte Vorgangsweise findet damit in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung Deckung. Ob diese Vorgangsweise („AfA‑Modell“) die einzig richtige ist, ihr somit unbedingt gegenüber dem Abzug der tatsächlichen Kreditrückzahlungsraten („Rückzahlungsmodell“) der Vorzug einzuräumen ist, ist hier nicht zu entscheiden (vgl Gitschthaler, Unterhaltsrecht4 [2019] Rz 218 [Pkt 8 und 9]; ferner Siart in Siart/Pohnert, Handbuch des Buchsachverständigen2 [2023] Rz 7.444).

II. Zur behaupteten „Nichtigkeit“ des erstinstanzlichen Verfahrens:

[13] Nach der Rechtsprechung können nur die in § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG genannten – grundsätzlich den „Nichtigkeiten“ der ZPO entsprechenden (Rassi in Schneider/Verweijen, AußStrG [2019] § 66 Rz 2 mwH) – schweren Mängel auch dann in einem Revisionsrekurs geltend gemacht werden, wenn sie vom Rekursgericht verneint wurden. Eine sonstige, nicht unter § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG subsumierbare und vom Rekursgericht verneinte Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz kann aufgrund der klaren gesetzlichen Anordnung in § 66 Abs 1 Z 2 AußStrG grundsätzlich nicht mehr im Revisionsrekurs geltend gemacht werden (RS0030748 [T14, T15]). Weil hier das Rekursgericht das Vorliegen eines erstinstanzlichen Verfahrensmangels wegen der unterbliebenen Einvernahme des Antragsgegners zu den von der Antragstellerin genannten Themen verneinte, kommt insofern eine Anrufung des Obersten Gerichtshofs nicht in Betracht.

[14] Zu der im Rekurs weiters als „Nichtigkeit“ relevierten unterbliebenen mündlichen Gutachtenserörterung (abgewiesener Antrag auf Ladung des Sachverständigen) enthält die rekursgerichtliche Entscheidung keine deutliche Ausführung. Dieser Mangel des Rekursverfahrens (§ 66 Abs 1 Z 2 AußStrG) wird aber im Revisionsrekurs nicht aufgegriffen, wodurch er geheilt ist.

[15] III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Abs 2 AußStrG. Der Antragsgegner hat in seiner Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen (RS0122774).

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