European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00127.23K.0424.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Finanzstrafsachen
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag. * S* mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG schuldig erkannt.
[2] Danach hat er im Zuständigkeitsbereich des (damaligen) Finanzamts Salzburg Land als Geschäftsführer der V* GmbH vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung an Umsatzsteuer für jeden einzelnen der Kalendermonate September 2016 bis Dezember 2016, April 2017 bis Juni 2018 sowie Jänner 2019 bis Oktober 2019 um (im Ersturteil nach Entrichtungszeiträumen aufgegliedert) insgesamt 285.814,24 Euro bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung (ON 23 S 14) des in der Hauptverhandlung gestellten Antrags des Beschwerdeführers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Psychiatrie zum Beweis dafür, dass der Angeklagte „zumindest während der anklagegegenständlichen Tatzeiträume“ „nicht zurechnungsfähig iSd § 7 FinStrG gewesen ist“ sowie, dass „durch die häufige Wiederholung schwerer Anfälle“ seine „Persönlichkeit“ „so beeinträchtigt worden ist, dass die Zurechnungsfähigkeit dadurch dauernd, also nicht nur für die Zeit der Anfälle aufgehoben worden ist“ (ON 23 S 13), Verteidigungsrechte nicht verletzt:
[5] Deutlich genug war der Antrag (in erster Linie) auf den Nachweis einer tatsächlichen Grundlage für den rechtlichen Schluss auf Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten zur jeweiligen Tatzeit (nach § 7 Abs 1 FinStrG) gerichtet.
[6] Die Beiziehung eines Sachverständigen (soweit eine psychische Krankheit in Rede steht: aus dem Fachgebiet der Psychiatrie – vgl RIS-Justiz RS0099571 [T3] und RS0129734) ist zur Klärung dieser Frage nur dann geboten, wenn das Beweisverfahren konkrete Umstände ergeben hat, die bei Anlegung eines realitätsbezogenen Maßstabs Zweifel daran hervorrufen, dass der Angeklagte zur Tatzeit fähig war, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Ein darauf abzielender Antrag hat diese Indizien anzuführen (RIS‑Justiz RS0097641 [insbesondere T15 und T17]).
[7] Zur Begründung des Antrags bezog sich der Beschwerdeführer auf – nur zum Teil (Beilagen ./II und ./III) auch in die Hauptverhandlung eingeführte (vgl ON 29 S 6) – „Bestätigungen und Krankengeschichten“ zweier Fachärzte vom 5. Juni 2021 (Beilage ./I), vom 4. Mai 2021 (Beilage ./II) und vom 25. Mai 2021 (Beilage ./III) sowie das Privatgutachten eines Facharztes für Psychiatrie vom 30. Mai 2023 (ON 22) und brachte vor, dass eine bipolare affektive Störung, wie sie darin beim Beschwerdeführer (auch) für die Jahre 2016 bis 2019 „diagnostizier[t]“ werde, die Zurechnungsfähigkeit ausschließen „kann“ (ON 23 S 13). Sich aus dem Beweisverfahren ergebende, konkrete Anhaltspunkte dafür, dass infolge einer schweren seelischen Störung seiner Diskretions‑ oder Dispositionsfähigkeit gerade zur jeweiligen Tatzeit – also jeweils bis zum 15. des dem jeweiligen (vom Schuldspruch umfassten) Voranmeldungszeitraum folgenden Kalendermonats (§ 21 Abs 1 UStG) – aufgehoben gewesen sein soll, wurden damit nicht aufgezeigt. Der Antrag ließ demnach nicht erkennen, weshalb die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse, und trug solcherart reinen Erkundungscharakter (RIS‑Justiz RS0118444, vgl auch RS0118421 [T4]).
[8] Soweit der Antrag (darüber hinaus) zum Beweis des Vorliegens einer „Erkrankung“ gestellt wurde, die „zumindest einen besonderen Milderungsgrund iSd § 34 Abs 1 Z 11 StGB dar[stelle]“, betraf er (weder die Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage noch die Strafbefugnisgrenze, sondern) bloß die Ermessensentscheidung bei der Sanktionsfindung und war daher schon von vornherein nicht mit Nichtigkeit bewehrt (RIS‑Justiz RS0114964 sowie Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 321 f).
[9] Im Rechtsmittel nachgetragenes, den Antrag ergänzendes Vorbringen ist ebenso unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618) wie Kritik an der Begründung des abweislichen Zwischenerkenntnisses (RIS-Justiz RS0116749).
[10] Die Tatsachenrüge (Z 5a) bekämpft die sachverhaltsmäßige Verneinung (US 6 f) von Umständen, die die rechtliche Annahme von Zurechnungsunfähigkeit (infolge der in Rede stehenden psychischen Krankheit) nach § 7 Abs 1 FinStrG begründet hätten.
[11] Soweit sie sich auf ein mit Schriftsatz vom 14. Juni 2023 (ON 22) vorgelegtes Privatgutachten des Facharztes für Psychiatrie Univ.‑Doz. Dr. * G* und auf ein Schreiben der Fachärztin für Psychiatrie Dr. * B* (Beilage ./I) stützt, die (aus Z 4 oder – demgegenüber subsidiär [RIS‑Justiz RS0114036 {insbesondere T11}] – Z 5a als Aufklärungsrüge ohnedies unbekämpft) nicht in der Hauptverhandlung vorgekommen (§ 258 Abs 1 StPO) sind (vgl ON 29 S 6), geht sie schon aus diesem Grund ins Leere (RIS‑Justiz RS0117749, 13 Os 84/19f mwN; zum prozessualen Stellenwert von Privatgutachten – die nur im Umfang eines darin enthaltenen Befundes überhaupt als Beweismittel infrage kommen – siehe im Übrigen RIS‑Justiz RS0115646 [insbesondere T5 und T10] sowie RS0098139 [T3]).
[12] Im Weiteren beschränkt sie sich darauf, aus einer Behandlungsbestätigung (Beilage ./II) und einem fachärztlichen Befundbericht (Beilage ./III) Dris. * R*(dazu jeweils US 6 f), der Verantwortung des Angeklagten (dazu US 4 f) und den Aussagen einer Zeugin (dazu US 5 f) anhand eigenständig entwickelter Beweiswerterwägungen von jenen des Schöffengerichts abweichende Schlussfolgerungen einzufordern. Damit wird kein Tatsachenmangel (Z 5a, dazu RIS‑Justiz RS0118780) geltend gemacht, sondern bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld bekämpft.
[13] Die Subsumtionsrüge (Z 10) strebt die rechtliche Unterstellung aller vom Schuldspruch umfassten Taten unter „§ 34 FinStrG“ (anstelle von § 33 Abs 2 lit a FinStrG) an, stellt sich also – weil Finanzvergehen der grob fahrlässigen Abgabenverkürzung nach § 34 (Abs 1 oder 2) FinStrG mangels vorsätzlicher Begehung nicht in die originäre gerichtliche Zuständigkeit fallen (§ 53 Abs 1 erster Satz FinStrG; Lässig in WK2 FinStrG § 34 Rz 1) – der Sache nach als Rechtsrüge nach Z 9 lit a dar.
[14] Indem sie ihre Argumentation nicht auf der Basis der Urteilskonstatierungen (US 3, 4 und 7), sondern aus davon abweichenden Auffassungen entwickelt,verfehlt sie den – im Urteilssachverhalt gelegenen – Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).
[15] Hinzugefügt sei, dass § 34 FinStrG zwar (in Abs 1) zu § 33 Abs 1 FinStrG und (in Abs 2) zu § 33 Abs 4 FinStrG, nicht aber zu § 33 Abs 2 lit a FinStrG ein culposes Gegenstück bildet (vgl RIS-Justiz RS0095976).
[16] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[17] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[18] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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