OGH 5Ob56/24g

OGH5Ob56/24g16.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Erlagsache der Erlegerin N* GmbH, *, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, gegen die Erlagsgegnerin M* GmbH, *, wegen Hinterlegung von 471.906,76 EUR gemäß § 1425 ABGB, AZ 22 Cg 63/23y des Landesgerichts für Zivilrechtsachen Graz, hier: Ablehnung der im Rekursverfahren 2 R 169/23z befassten Mitglieder des zweiten Zivilsenats des Oberlandesgerichts Graz, über den Rekurs der Erlagsgegnerin und Ablehnungswerberin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 22. Jänner 2024, GZ 7 Nc 1/24s‑2, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00056.24G.0416.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

[1] Im Ausgangsverfahren 22 Cg 63/23y nahm das Landegericht für Zivilrechtssachen Graz mit Beschluss vom 11. Juli 2023 den gerichtlichen Erlag der Erlegerin von 471.906,76 EUR als Zahlung gemäß Schiedsspruch vom 31. August 2022 an, lehnte hingegen die von der Erlegerin begehrten, näher bezeichneten Ausfolgungsbedingungen betreffend die Lastenfreistellung näher bezeichneter Liegenschaften ab.

[2] Einen gegen die zuständige Erstrichterin erhobenen Ablehnungsantrag wies der Ablehnungssenat des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz mit Beschluss vom 14. September 2023, 3 Nc 55/23y‑4, als unzulässig zurück, weil die Ablehnungswerberin als einzige Erlagsgegnerin nicht Partei des Hinterlegungsverfahrens sei. Dieser Beschluss ist in Rechtskraft erwachsen.

[3] Einen von der Erlagsgegnerin gemeinsam mit ihrem Verfahrenshilfeantrag erhobenen Rekurs gegen den dem Erlagsantrag stattgebenden Teil des Beschlusses (ON 10), wies die Erstrichterin mit Beschluss vom 16. Oktober 2023, 22 Cg 63/23y‑39, mangels Parteistellung der Erlagsgegnerin zurück. Auch dieser Beschluss ist nach der Aktenlage in Rechtskraft erwachsen.

[4] Gegen den die Aufnahme der Ausfolgungsbedingungen in den Erlagsbeschluss ablehnenden Beschlussteil erhob die Antragstellerin Rekurs. Zuständig für dessen Behandlung war der zweite Zivilsenat des Oberlandesgerichts Graz mit Senatspräsident Dr. K* als Vorsitzenden sowie der Richterin Mag. S* und dem Richter Mag. S* als Senatsmitglieder. Der Rekurssenat gab dem Rekurs der Erlegerin Folge und knüpfte die Ausfolgung des erlegten Betrags an die von der Erlegerin formulierten Erlagsbedingungen betreffend Nachweis der Lastenfreiheit näher bezeichneter Liegenschaften. Das Rekursgericht wies einleitend darauf hin, dass zwar die Erlagsgegnerin gegen den dem Antrag stattgebenden Teil Rekurs erhoben, das Erstgericht diesen allerdings mit Beschluss vom 16. Oktober 2023 rechtskräftig zurückgewiesen habe. Zu beurteilen sei daher nur der Rekurs der Erlegerin. Die Rekursentscheidung wurde der Erlagsgegnerin am 7. Dezember 2023 zugestellt.

[5] Als ON 58.1 liegt im elektronischen Akt des Erstgerichts eine am 22. Dezember 2023 bei der vereinigten Einlaufstelle des Oberlandesgerichts Graz und des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz überreichte Eingabe, die einen Ablehnungsantrag in Bezug auf die im Erlagsverfahren erster Instanz 22 Cg 63/23y zuständige Erstrichterin, andererseits die – namentlich genannten – Mitglieder des Rekurssenats zu 2 R 169/23z des Oberlandesgerichts Graz sowie einen Verfahrenshilfeantrag zur Erhebung eines außerordentlichen Revisionsrekurses gegen den Beschluss des Rekursgerichts im Erlagsverfahren beinhaltet.

[6] Über die Ablehnung der Erstrichterin entschied der Ablehnungssenat des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz mit Beschluss vom 10. Jänner 2024, 3 Nc 80/23z, dahin, dass der Ablehnungsantrag als unzulässig zurückgewiesen wurde. Dagegen erhob die Ablehnungswerberin Rekurs, das Rekursverfahren ist zu 6 R 11/24w des Oberlandesgerichts Graz anhängig.

[7] Über den Ablehnungsantrag betreffend die Mitglieder des Rekurssenats zu 2 R 169/23z des Oberlandesgerichts Graz entschied dieses durch seinen zuständigen Ablehnungssenat mittels des angefochtenen Beschlusses und wies damit den Ablehnungsantrag als unzulässig zurück. Im Wesentlichen wende sich die Erlagsgegnerin und Ablehnungswerberin gegen die Vorgangsweise der Erstrichterin, darüber habe der Ablehnungssenat des Oberlandesgerichts Graz nicht zu entscheiden. Dessen zweiter Zivilsenat sei ausschließlich mit dem Rekurs der Erlegerin betreffenddie begehrten Ausfolgungsbedingungen befasst gewesen, nicht mit dem in Rechtskraft erwachsenen Beschluss des Erstgerichts betreffend die Zurückweisung des Rekurses der Erlagsgegnerin gegen den antragstattgebenden Teil des Erlagsbeschlusses. Ein zu prüfender Befangenheitsgrund der Mitglieder des zweiten Zivilsenats ergebe sich aus dem Ablehnungsantrag nicht. Im Übrigen sei die Entscheidung des zweiten Zivilsenats bereits in Rechtskraft erwachsen, weil der letzte Tag der Rechtsmittelfrist der 21. Dezember 2023 gewesen sei. Mit einem erst am 22. Dezember 2023 überreichten Schriftsatz habe die Rechtsmittelfrist nicht mehr unterbrochen werden können. Auch dies schließe eine erfolgreiche Ablehnung aus.

[8] Gegen diesen Beschluss richtet sich der von der Erlagsgegnerin und Ablehnungswerberin persönlich fristgerecht am 21. Februar 2024 per Telefax eingebrachte und am Folgetag schriftlich bestätigte Rekurs mit dem (erkennbaren) Antrag auf Abänderung dahin, dass die Befangenheit der Mitglieder des zweiten Zivilsenats des Oberlandesgerichts Graz ausgesprochen werde.

Rechtliche Beurteilung

[9] Der Rekurs ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

[10] 1. Vorauszuschicken ist, dass das Oberlandesgericht Graz hier nicht einen Beschluss im Rechtsmittelverfahren gefasst, sondern als Erstgericht entschieden hat. Da es dem Ablehnungsantrag nicht stattgegeben hat, ist dieser Beschluss gemäß § 24 Abs 2 JN uneingeschränkt anfechtbar. Da Gegenstand des Verfahrens die Zurückweisung eines von der Rekurswerberin gestellten Ablehnungsantrags als unzulässig ist und sie die Überprüfung der Richtigkeit dieser Entscheidung anstrebt, ist ihr in Ansehung dieses Rechtsmittelverfahrens im Ablehnungsverfahren jedenfalls Rechtsmittellegitimation zuzugestehen, ohne auf die Frage näher einzugehen, ob die Aufnahme der von der Erlegerin begehrten Ausfolgungsbedingungen in den Erlagsbeschluss durch das Rekursgericht ungeachtet des Umstands, dass die Ablehnungswerberin einzige Erlagsgegnerin ist, geeignet ist, sie in ihrer materiellen Rechtsstellung zu beeinträchtigen und daher materiell zu beschweren (vgl RS0110881 [T11]).

[11] 2. Durch die vom Ablehnungssenat des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz zu 3 Nc 80/23z beim Erstgericht veranlassten Erhebungen stellte sich mittlerweile heraus, dass der Ablehnungsantrag samt Verfahrenshilfeantrag durch Beigebung eines Rechtsanwalts zur Erhebung eines außerordentlichen Revisionsrekurses gegen den Beschluss des Rekursgerichts im Erlagsverfahren tatsächlich bereits am 21. Dezember 2023 mittels Fax beim Erstgericht eingebracht wurde (was anlässlich der Entscheidung des zweiten Zivilsenats des Oberlandesgerichts Graz dem elektronisch geführten erstgerichtlichen Akt noch nicht entnommen werden konnte). Der Hilfsbegründung des Ablehnungssenats, die Entscheidung des zweiten Zivilsenats im Erlagsverfahren sei bereits in Rechtskraft gewachsen und der Ablehnungsantrag deshalb unzulässig, kann daher nicht gefolgt werden.

[12] 3.1. Dass die Rekursschrift nicht von einem Rechtsanwalt gefertigt werden musste, entspricht der ständigen neueren Rechtsprechung, dass das Ablehnungsverfahren – soweit die §§ 19 bis 25 JN keine Sonderregelungen für das Rechtsmittelverfahren in Ablehnungssachen enthalten – nach den Vorschriften jenes Verfahren abzuwickeln ist, in dem die Ablehnung erfolgt. Besteht in diesem Verfahren kein Anwaltszwang, müssen schriftliche Rekurse nicht mit der Unterschrift eines Rechtsanwalts versehen sein (RS0006000).

[13] 3.2. Hier führt die Rückverfolgung der Ablehnungsanträge in das zugrundeliegende Erlags-(daher Außerstreit‑)verfahren. Der Ablehnungssenat des Oberlandesgerichts Graz entschied funktionell als Erstgericht, der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht zu entscheiden. Abzustellen ist darauf, ob sich der Rechtsmittelwerber im Außerstreitverfahren im Rekursverfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen müsste. Im Außerstreitverfahren besteht im Rekursverfahren nur relative Vertretungspflicht (vgl § 6 AußStrG), weshalb der Rekurs nicht der anwaltlichen Unterfertigung bedurfte (vgl 10 Ob 2/10g; 3 Ob 229/11i).

[14] 4.1. Auch wenn man mit der Rekurswerberin davon ausgeht, der von ihr tatsächlich fristgerecht gestellte Verfahrenshilfeantrag auf Beigebung eines Rechtsanwalts zur Erhebung eines außerordentlichen Revisionsrekurses im Erlagsverfahren habe eine ihr allenfalls offenstehende Rechtsmittelfrist unterbrochen, die Entscheidung des zweiten Zivilsenats sei daher noch nicht in Rechtskraft erwachsen, ändert das nichts daran, dass nach der zu billigenden (Haupt-) Begründung des angefochtenen Beschlusses der Ablehnungsantrag betreffend die Mitglieder des zweiten Zivilsenats bei der Entscheidung 2 R 169/23z keine substanziierten Gründe erkennen ließ, aus denen eine Befangenheit abzuleiten wäre.

[15] 4.2. Das Wesen der Befangenheit besteht in der Hemmung einer unparteiischen Entscheidung durch unsachliche psychologische Motive (RS0045975), dient aber nicht der Abwehr einer (vermeintlich) falschen Entscheidung (RS0111290), dafür ist das Rechtsmittelverfahren vorgesehen (RS0111290 [T4]).

[16] 4.3. Der Ablehnungsantrag der Rekurswerberin befasste sich nahezu ausschließlich mit dem Verhalten der Erstrichterin im Erlagsverfahren; die Entscheidung darüber oblag aber dem Ablehnungssenat des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz, der darüber auch mittlerweile (abschlägig) entschieden hat. Einen Rekurs der Ablehnungswerberin betreffend die Zurückweisung ihres Rekurses gegen die Annahme des Erlags hatte der zweite Zivilsenat des Oberlandesgerichts Graz zu 2 R 169/23z nach dessen völlig zutreffender Auffassung nicht zu bearbeiten. Schon deshalb ist nicht nachvollziehbar, weshalb die abgelehnten Richter des Oberlandesgerichts Graz eine „fehlende Anleitung durch das Erstgericht“ erkennen und diese nachholen hätten müssen. Der von den abgelehnten Mitgliedern des Rekurssenats gefasste Beschluss hatte nur die Argumentation der Erlegerin im Rekurs zu bearbeiten und berücksichtigte dabei ohnedies auch die Argumentation der Erlagsgegnerin in ihrer Rekursbeantwortung, die keine Umstände aufzeigte, die gegen die Aufnahme der Ausfolgungsbedingungen in den Erlagsbeschluss sprechen. Dass der Rekurswerberin im Verfahren über die Annahme des Erlags keine Parteistellung zukommt, sprach daher gerade der zweite Zivilsenat des Oberlandesgerichts Graz mit den nun abgelehnten Mitgliedern nicht aus, zumal eine Zurückweisung der Rekursbeantwortung als unzulässig nicht erfolgte.

[17] 4.4. Zusammenfassend war daher nach der zutreffenden Auffassung des Ablehnungssenats des Oberlandesgerichts Graz dem Ablehnungsantrag der Rekurswerberin in Bezug auf die abgelehnten Mitglieder des im Erlagsverfahren zuständigen Rekurssenats kein substanziierter Ablehnungsgrund zu entnehmen, weshalb von einer insgesamt unzulässigen Pauschalablehnung auszugehen ist.

[18] 5. Dem Rekurs war daher der Erfolg zu versagen.

Stichworte