OGH 8ObA70/23m

OGH8ObA70/23m22.3.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann‑Prentner als Vorsitzende, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs MMag. Matzka und die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Bernhard Gruber und Dr. Arnaud Berthouals weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei R*, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner RAe GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei S*-GmbH & Co KG, *, vertreten durch Dr. Peter Schaden, Mag. Werner Thurner, Rechtsanwälte in Graz, wegen Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. September 2023, GZ 7 Ra 24/23p‑27, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 23. März 2023, GZ 58 Cga 42/22v‑21 nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:008OBA00070.23M.0322.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben und die Entscheidungen der Vorinstanzen dahingehend abgeändert, dass das Urteil zu lauten hat:

„Das Klagebegehren festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 11. 8. 2022 hinaus fortbesteht, wird abgewiesen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 5.367,80 EUR (darin enthalten 891,30 EUR USt und 20 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz sowie die mit 2.177,52 EUR (darin enthalten 362,92 EUR USt) bestimmten Kosten des Verfahrens zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.409,40 EUR (darin enthalten 313,90 EUR USt und 1.526 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der 1966 geborene Kläger war bei der Beklagten ab 1987 als Arbeiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis ist der Kollektivvertrag für die Papierindustrie anzuwenden. Der Kläger zählt seit 1997 aufgrund einer körperlichen Beeinträchtigung zum Kreis der begünstigt Behinderten im Sinn des Behinderteneinstellungsgesetzes. Mit Schreiben vom 10. 8. 2022 sprach die Beklagte die fristlose Entlassung des Klägers aus.

[2] In den letzten 10 Jahren vor der Entlassung war der Kläger in der Abteilung „Ausrüstung“ eingesetzt. Ab dem Jahr 2007 war der Kläger krankheitsbedingt immer wieder länger vom Dienst abwesend. Aus einem in dieser Zeit eingeholten Gutachten ergab sich unter anderem, dass der Kläger nur bedingt teamfähig ist. Obwohl deshalb ein Alleinarbeitsplatz für den Kläger geschaffen wurde, kam es 2019 wegen unkollegialen Verhaltens des Klägers zu Konflikten mit Kollegen, die an derselben Maschine wie er eingesetzt waren.

[3] In der Abteilung des Klägers sind 325 Männer und 5 Frauen dauernd beschäftigt. Im Sommer werden regelmäßig weibliche Ferialpraktikantinnen aufgenommen. In der Schicht des Klägers sind etwa 20 bis 30 Männer tätig. Unter diesen wird immer wieder „Schmäh“ geführt. Dabei kommt es auch zu sexistischen Äußerungen und Witzen. Das Verhalten des Klägers unterschied sich von dem seiner Kollegen insofern, als er auch gegenüber seinen männlichen Kollegen immer wieder und häufig sexuell konnotierte oder ordinäre Äußerungen tätigte.

[4] Die Beklagte ist bestrebt, auch Frauen als Mitarbeiterinnen zu gewinnen. Zur Hintanhaltung von Belästigungen weiblicher Mitarbeiterinnen und/oder Rassismus haben alle neu eintretenden Mitarbeiter:innen seit einigen Jahren eine Schulung (Ethikkurs) in Form eines Online‑Learning‑Tools zu absolvieren. Darin findet sich auch ein Kapitel zur sexuellen Belästigung. Andere Maßnahmen zur Verhinderung sexueller Belästigungen gibt es nicht.

[5] Die 2004 geborene * T* war im Jahr 2022 Schülerin der HTL und absolvierte im Sommer 2022 ein sechswöchiges Pflichtpraktikum bei der Beklagten. Sie wurde in der Produktionshalle eingesetzt und war – als einzige Frau – der Schichtgruppe zugeteilt, in der auch der Kläger und der Maschinenführer G* tätig waren. Als T* wahrnahm, dass von einigen wenigen Arbeitern sexistische Witze gemacht wurden, ging sie diesen möglichst aus dem Weg. Das Verhalten des Klägers ihr gegenüber empfand sie von Anfang an als unangenehm. Bereits bei ihrer ersten Begegnung fragte der Kläger sie, ob sie einen Freund habe. Als sie das verneinte, wies er – in Anwesenheit G*s – darauf hin, der sei „ja Single“ und sagte zusätzlich „das würde doch gut passen, da könnte ja was gehen“. T* hatte aufgrund dieser Formulierung den Eindruck, er wolle sie mit G* verkuppeln, was ihr sehr unangenehm war, zumal G* wesentlich älter als sie war und ein Kind hat, das nur 4 Jahre jünger ist als T*. G* sagte zum Kläger, er solle das lassen, das gehöre sich nicht.

[6] Einige Tage später kam der Kläger zu einem Zeitpunkt, als G* T* erklärte, wie sie ihre Arbeit ausführen solle, hinzu und fragte sie, ob sie noch Jungfrau sei. Sie antwortete nichts, sondern warf G* nur einen Blick zu. Dieser sagte daraufhin, sie solle mit ihrem Gerät einfach wegfahren. Wiederum war diese Äußerung T* unangenehm. Sie versuchte daher in weiterer Folge, dem Kläger aus dem Weg zu gehen.

[7] Einige Zeit später stand T* mit mehreren Kollegen bei den Produktionsmaschinen zusammen. Der Kläger kam hinzu. Er zog sein T‑Shirt hoch und wischte sich damit den Schweiß vom Gesicht. Daraufhin sagte er – vor allen anderen und für die anderen hörbar – zu T*: „Das ist der obere Teil, wenn du auch den unteren Teil sehen willst, dann müssen wir uns privat treffen.“ Auch das war für T* sehr unangenehm. Sie erwiderte dennoch nichts, weil sie nicht wusste, was man auf so eine Äußerung antworten sollte. Die anderen Kollegen sagten zum Kläger, er sollte T* in Ruhe lassen, das gehöre sich nicht. Der Kläger lachte nur. Man hatte das Gefühl, er fände seine Aussage lustig. Außer ihm lachte jedoch sonst niemand. T* begab sich nach diesem Vorfall in die Umkleidekabine, um sich zu sammeln, weil ihr das Verhalten des Klägers so unangenehm war.

[8] Der letzte Vorfall ereignete sich schließlich am 24. 7. 2022. T* stand wieder mit einigen Kollegen, darunter auch G*, zusammen. Sie sprachen ganz allgemein über das Umkleiden nach der Arbeit, dass man sich nach der Arbeit auch im Betrieb duschen könne, und dass manche sich nicht in der Arbeit duschen, sondern erst daheim. Der Kläger, der ebenfalls dabei stand, sagte sodann zu T*, früher sei es so gewesen, dass die jüngeren „Buam“ mit den älteren Frauen duschen gegangen seien. Jetzt könne man es ja „umgekehrt“ machen. Damit spielte er für alle offensichtlich darauf an, dass T* gemeinsam mit den Männern duschen gehen solle. T* war das wieder sehr peinlich und auch den übrigen Kollegen war es unangenehm, dass der Kläger derartige Dinge zu einer jungen Praktikantin sagt. Der Kläger lachte wieder. Die anderen sagten zu ihm, er solle das lassen, er solle T* in Ruhe lassen, das gehöre sich nicht.

[9] T* vertraute sich zunächst niemandem bei der Beklagten an, weil sie vor dem Ende ihres Praktikums keine Schwierigkeiten haben wollte. Nach dem letzten Vorfall überlegte sie jedoch, ihr Praktikum vorzeitig zu beenden, weil ihr die Situation mit dem Kläger so unangenehm war. Als sie jedoch hörte, dass der Kläger bald auf Urlaub gehen werde, und weil das Ende des Praktikums bevorstand, sodass sie mit dem Kläger nicht mehr zusammentreffen würde, dachte sie sich, dass sie diese letzten zwei Wochen auch noch irgendwie überstehen werde. Sie nahm sich aber vor, die Geschäftsleitung am Ende ihres Praktikums über die Vorfälle zu informieren.

[10] Am 10. 8. 2022 kam es über Ersuchen von T* zu einem Gespräch mit DI F*, der in der Personal-Abteilung der Beklagten unter anderem für Praktikant:innen zuständig war. Diesem Gespräch wurdenauch der Betriebsrat und G* beigezogen. Dabei erzählte T* von den zuvor dargestellten Vorfällen mit dem Kläger. G* bestätigte die Richtigkeit dieser Angaben. Wegen der im Jahr 2007 und danach aufgetretenen Schwierigkeiten, einen für den Kläger geeigneten Arbeitsplatz zu schaffen, dem Konflikten zwischen dem Kläger und seinen Kollegen im Jahr 2019 und schließlich wegen des Umstands, dass die Beklagte im Zusammenhang mit sexueller Belästigung deutliche Signale im Sinne von „Null‑Toleranz“ an potentielle weibliche Interessentinnen an einem Arbeitsplatz bei der Beklagten setzen wollte, entschloss man sich, den Kläger zu entlassen. Das entsprechende Schreiben ging dem Kläger am 11. 8. 2022 zu.

[11] Der Kläger begehrt die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis über den 11. 8. 2022 hinaus fortbesteht. Er habe keine Entlassungsgründe gesetzt und insbesondere keine sexuelle Belästigung begangen und sei vor dem Ausspruch der Entlassung auch nicht verwarnt worden. Die von der Beklagten genannten Gründe rechtfertigten maximal eine Kündigung nach § 8 Abs 4 lit c BEinstG. Mangels Zustimmung des Bundessozialamts sei eine solche Kündigung aber nicht zulässig.

[12] Die Beklagte bestreitet und bringt vor, der Kläger hätte eine Anfechtungsklage einbringen müssen. Die Feststellungsklage sei nicht zulässig. Der Kläger habe darüber hinaus eine Ferialpraktikantin durch verbale Äußerungen sexuell belästigt und damit einen Entlassungsgrund nach § 82 lit g 1. Fall GewO 1859 verwirklicht. Eine vorherige Ermahnung sei nicht erforderlich gewesen. Die weitere Beschäftigung des Klägers sei der Beklagten vor dem Hintergrund, dass der Kläger auch gegenüber seinen männlichen Kollegen immer wieder sozial inadäquate Umgangsformen mit sexistischen und ordinären Aussagen an den Tag lege, Arbeitsanweisungen nicht beachte, Arbeitsleistungen fehlerhaft und mangelhaft erbringe, während der Arbeitszeit Zeitung lese und lange Rauchpausen einlege, unzumutbar. Ein allenfalls bei der Beklagten herrschender „lockerer“ Umgangston führe nicht dazu, dass verbale sexuelle Belästigungen toleriert werden müssten.

[13] Das Erstgericht gab der Klage statt. Die Äußerungen des Klägers gegenüber der Ferialpraktikantin erfüllten den Tatbestand der sexuellen Belästigung bzw der geschlechtsbezogenen Belästigung. Es sei aber nicht erforderlich gewesen, den Kläger sofort ohne vorherige Ermahnung oder Verwarnung zu entlassen, um die belästigte Ferialpraktikantin vor weiteren Übergriffen zu schützen, weil es ohnehin zu keinem weiteren Zusammentreffen der beiden gekommen wäre. Die Beklagte hätte ihren Mitarbeitern mit der entsprechenden Deutlichkeit zur Kenntnis bringen müssen, dass sexuelle Belästigungen mit einer sofortigen Entlassung geahndet würden. Eine Ethik‑Schulung in Form eines Online‑Tools reiche dafür nicht aus. Dem Interesse der Beklagten, den Kläger zur Verhinderung weiterer sexueller Belästigungen zu entlassen, stehe das Bestandsinteresse des Klägers gegenüber. Der Verlust des Arbeitsplatzes habe für ihn weitreichende Folgen. Daher sei die Entlassung im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt. Da dem Kläger die Stellung eines begünstigten Behinderten nach § 2 Abs 1 BEinstG zukomme und keine Zustimmung des Behindertenausschusses vorliege, löse die ungerechtfertigte Entlassung des Klägers das Arbeitsverhältnis nicht auf.

[14] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten gegen diese Entscheidung nicht Folge. Es sei davon auszugehen, dass – unter Berücksichtigung der offensichtlich akzentuierten Persönlichkeit des Klägers, der als Arbeiter in einer unteren Betriebsebene tätig gewesen sei – ihm das Gewicht seiner Handlungen und Äußerungen nicht ausreichend klar gewesen sei. Zwar habe der Kläger erhebliche Dienstpflichtverletzungen zu vertreten. Insgesamt sei dieses aber nicht so schwerwiegend, dass sofort eine Entlassung ohne vorherige Verwarnung angezeigt erscheine. Es gebe keinen Grund anzunehmen, dass der Kläger sein Verhalten nicht aufgrund einer förmlichen Verwarnung geändert hätte. Die Vorfälle 2007 und 2019 seien zwar in die Würdigung des Gesamtverhaltens einzubeziehen, könnten jedoch für sich allein die Entlassung nicht rechtfertigen. Der Kläger sei seit 1987 im Betrieb tätig. Er habe seine – nur für ihn lustigen – Bemerkungen, immer in Anwesenheit von Kollegen geäußert, weshalb es ihm offensichtlich vorderhand darum ging, T* vor diesen bloßzustellen. Die Entlassung hätte nur dann ausgesprochen werden dürfen, wenn mildere und angemessenere Mittel fehlten.

[15] Die Revision sei nicht zulässig, da die Entscheidung von den Umständen des Einzelfalls abhänge.

[16] Gegen diese Entscheidung wendet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahingehend abzuändern, dass die Klage abgewiesen wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[17] Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[18] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts zur Klarstellung zulässig und auch berechtigt.

[19] 1. Das BEinstG sieht keinen besonderen Entlassungsschutz vor. Die Berechtigung der Entlassung eines begünstigten Behinderten ist nach den allgemeinen Bestimmungen des Entlassungsrechts zu beurteilen (RS0108889 [T2]). Wegen der Gefahr der Umgehung des besonderen Kündigungsschutzes begünstigter Behinderter ist aber eine Entlassung ohne wichtigen Grund rechtsunwirksam, löst daher das Arbeitsverhältnis nicht auf (RS0052630).

[20] 2. Die Beklagte stützt sich auf den Entlassungsgrund des § 82 lit g erster Tatbestand GewO 1859. Demnach kann ein Arbeiter entlassen werden, wenn er sich einer groben Ehrenbeleidigung schuldig macht. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Äußerung als erhebliche Ehrverletzung und damit als Entlassungsgrund zu qualifizieren ist, kommt es darauf an, ob die Äußerung objektiv geeignet ist, ehrverletzend zu wirken und in concreto auch diese Wirkung gehabt hat (RS0029845).

[21] 3. Auch eine sexuelle Belästigung fällt unter den Entlassungsgrund der groben Ehrenbeleidigung, da darunter Handlungen und Äußerungen zu verstehen sind, die geeignet sind, die soziale Wertschätzung der Betroffenen durch Verletzung ihrer Intimsphäre und der persönlichen Integrität im Betrieb herabzusetzen und deren Ehrgefühl grob zu verletzen (RS0105952 [T7]).

[22] Sexuelle Belästigung liegt nach § 6 Abs 2 Z 1 GlBG vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt.

[23] 4. Beide Vorinstanzen sind richtig davon ausgegangen, dass das Verhalten des Klägers den Tatbestand der sexuellen Belästigung erfüllt.

[24] Die anzüglichen Äußerungen des Klägers gegenüber einer 18‑jährigen Praktikantin waren jedenfalls unangebracht und anstößig. Dass sein Verhalten nicht nur objektiv geeignet war, eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt zu schaffen, sondern dies auch von der Betroffenen so wahrgenommen wurde, ergibt sich schon daraus, dass T* zunächst versuchte, den Kläger zu meiden, und als das nicht erfolgreich war, sogar überlegte, das Praktikum zu beenden.

[25] 5. Das Auftreten einer sexuellen Belästigung im Betrieb erfordert eine angemessene Reaktion des Arbeitgebers (§ 6 Abs 1 Z 2 GlBG). Welche Maßnahme angemessen ist, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Es gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (RS0113529 [T5]).

[26] Sexuelle Belästigung ist ein wichtiger Grund, der den Arbeitgeber im Einzelfall zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses berechtigen kann (RS0105952 [T6]).

[27] 6. Im vorliegenden Fall kann den Vorinstanzen nicht darin gefolgt werden, dass die festgestellten Vorfälle den Arbeitgeber nicht ohne vorangehende Ermahnung zur Entlassung berechtigt hätten.

[28] Auch wenn es sich beim Kläger um einen langjährigen Mitarbeiter handelt und es im Betrieb, in dem überwiegend Männer arbeiten, häufiger zu sexistischen Witzen und Äußerungen kommt, macht das Verhalten des Klägers seine Weiterbeschäftigung unzumutbar. Der Kläger tätigte seine Äußerung gegenüber einer 18‑jährigen Praktikantin. Dass dies ungehörig ist, musste ihm unabhängig vom Umgangston im Betrieb bewusst sein. Zusätzlich wurde er jeweils von Kollegen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich das nicht gehöre und er T* in Ruhe lassen solle. Dessen ungeachtet setzte der Kläger sein Verhalten fort.

[29] Weder waren die Äußerungen des Klägers aufgrund der Situation oder ihres Inhalts als nicht erheblich anzusehen, noch legt das sonstige Verhalten des Klägers nahe, dass es sich um ein einmaliges Fehlverhalten handelt. Den Vorinstanzen ist daher auch nicht darin zu folgen, dass deswegen, weil das Ende des Praktikums gewährleistet war und es zu keiner weiteren Begegnung im Betrieb kommen würde, eine Entlassung nicht gerechtfertigt war. Auch wenn eine weitere Belästigung von T* ausgeschlossen werden konnte, beschäftigt die Beklagte auch andere weibliche Arbeitskräfte und Praktikantinnen, denen gegenüber sie zur Fürsorge verpflichtet ist. Im Übrigen hielt sich der Kläger mit sexuell anzüglichen Bemerkungen auch nicht gegenüber männlichen Kollegen zurück.

[30] Unabhängig davon, ob die Beklagte im Vorfeld des Vorfalls geeignete Maßnahmen gesetzt hat, um ihre Mitarbeiter und damit auch den Kläger in Hinblick auf das Thema sexuelle Belästigung zu sensibilisieren, durfte der Kläger nicht davon ausgehen, dass so ein Verhalten gegenüber einer 18‑jährigen Praktikantin tolerabel ist oder von der Beklagten toleriert wird.

[31] 7. Unter Berücksichtigung dieser Gesamtumstände war die Beklagte zur Entlassung berechtigt. Der Revision der Beklagten war daher Folge zu geben und die Klage abzuweisen.

[32] 8. Aufgrund der Abänderung in der Hauptsache waren auch die Kosten neu zu bemessen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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