European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00007.24S.0306.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil lautet:
„1. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 5.571,25 EUR samt 4 % Zinsen ab 7. November 2022 zu zahlen, wird abgewiesen.
2. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 5.261,10 EUR (darin enthalten 876,85 EUR USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit 1.704,12 EUR (darin enthalten 182,52 EUR USt und 609 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 1.513,92 EUR (darin enthalten 125,32 EUR USt und 762 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Der damals 15‑jährige Sohn des Klägers erlitt Anfang September 2022 im Zuge der Teilnahme an einem Fahrsicherheitstraining in einem Trialgarten einen Unfall, bei dem er sich eine Fraktur des Tibiaschaftes am rechten Bein zuzog. Zum Unfallszeitpunkt bestand zwischen den Parteien ein Unfallversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen 2019 (AUVB 2019) zugrunde liegen und im Rahmen dessen für den Versicherungsfall der dauernden Invalidität der Sohn des Klägers auf fremde Rechnung mitversichert war.
[2] Die AUVB 2019 lauten auszugsweise:
„Artikel 21 – Was ist vor Eintritt eines Versicherungsfalles zu beachten? Was ist nach Eintritt eines Versicherungsfalles zu tun?
Obliegenheiten
Als Obliegenheiten werden vereinbart:
1. Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalles:
1.1 Die versicherte Person hat als Lenker eines Kraftfahrzeuges die jeweilige kraftfahrrechtliche Berechtigung, die zum Lenken dieses oder eines typengleichen Kraftfahrzeuges erforderlich wäre, zu besitzen; dies gilt auch dann, wenn dieses Fahrzeug nicht auf Straßen mit öffentlichem Verkehr gelenkt wird.
[...]“
[3] Der Sohn des Klägers verfügte nur über eine Lenkberechtigung für die Klasse AM (§ 2 Abs 1 Z 1 FSG idF BGBl 2021/154: Motorfahrräder/vierrädrige Leichtfahrzeuge), nicht aber über eine solche für Motorräder mit einem Hubraum von 125 Kubikzentimeter.
[4] Die verwendeten Trial‑Motorräder sind leistungsreduzierte Schulungsmotorräder und haben einen Hubraum von 80 Kubikzentimeter und 125 Kubikzentimeter. Sie sind ausschließlich für den Offroad‑Bereich konzipiert, werden nur auf der Wiese gefahren und dienen dem Üben der Fahrtechnik. Sie verfügen über keine Lichter, keine Blinker und auch keinen Sattel (Sitz), sondern werden im Stehen gefahren. Die Handbremse befindet sich auf der rechten Seite. Am Lenker befindet sich auch der Gasgriff. Zusätzlich sind die Motorräder mit einem Sicherheitsschalter in Form eines roten Spiralschlauches („Killswitch“) ausgestattet, der am Handgelenk oder am Gürtel des Fahrers befestigt wird. Im Fall des Auslassens des Motorrades oder eines Sturzes wird das Kabel aus dem Lenker gezogen, wodurch der Motor abstirbt.
[5] Nach einer Unterweisung über die Handhabung der Trial‑Motorräder fuhr der Sohn des Klägers ein paar Runden im Kreis. Nachdem er die Frage des Fahrtrainers, ob er schon mit einem Moped gefahren sei, bejaht hatte, wurde ihm die Fahrt mit einem Trial‑Motorrad mit einem Hubraum von 125 Kubikzentimeter angeboten. Ihm wurde auch erklärt, dass er nur im ersten Gang fahren und nicht zu viel Gas geben dürfe. Mit diesem Motorrad nahm er dann am weiteren Fahrsicherheitstraining teil. Nachdem er zunächst im Kreis Runden gefahren war, fuhr er Schlangenlinien zwischen Verkehrshüten auf der Wiese. Anschließend fuhr er in den Parcours. Nach einer Kurve führte der Weg bergauf, worauf sich der Sohn des Klägers zurücklehnte, am Lenker festhielt und unbewusst Gas gab. Dadurch fiel er aus der Kurve, wobei das Motorrad auf seinem Fuß landete. Die durch den Sturz erlittene Unterschenkeldrehfraktur führte zu einer dauernden Invalidität, die 6 % des Beinwertes beträgt.
[6] Der Kläger begehrte vom beklagten Unfallversicherer zuletzt die Zahlung von 5.571,25 EUR sA an Versicherungsleistung. Obwohl sein Sohn über keine Lenkberechtigung für Motorräder mit einem Hubraum von 125 Kubikzentimeter besitze, liege dennoch keine Leistungsfreiheit der Beklagten aufgrund einer Obliegenheitsverletzung im Sinn des Art 21.1.1 AUVB 2019 vor. Das von seinem Sohn genutzte Trial‑Motorrad sei ein Spezialmotorrad, das für Anfängerkurse konzipiert worden sei, nicht auf Straßen mit öffentlichem Verkehr verwendet werden könne, nicht den Bestimmungen des KFG unterliege und auch nicht zulassungsfähig sei. Die Führerscheinklausel sei nicht auf zulassungsunfähige Motorräder anwendbar, die nur abseits öffentlicher Straßen zu Sport‑ und Freizeitzwecken verwendet werden dürften. Zudem sei für das Lenken eines derartigen Spezialmotorrades keine Lenkberechtigung im Sinn des § 1 FSG erforderlich, weil mit derartigen Fahrzeugen am Übungsgelände typischerweise Übungsfahrten zur Vorbereitung der künftigen Führerscheinprüfung absolviert werden. Überdies sei eine allfällige Obliegenheitsverletzung nicht kausal für den Eintritt des Versicherungsfalls bzw für den Umfang der zu erbringenden Versicherungsleistung gewesen. Der Unfall und die Unfallfolgen wären auch dann eingetreten, wenn sein Sohn über eine entsprechende Lenkberechtigung verfügt hätte.
[7] Die Beklagte wendete ein, der mitversicherte Sohn des Klägers wäre als Lenker eines Kraftfahrzeugs gemäß Art 21 AUVB 2019 verpflichtet gewesen, die jeweilige kraftfahrrechtliche Berechtigung, die zum Lenken dieses oder eines typengleichen Fahrzeugs erforderlich wäre, zu besitzen. Dies gelte auch dann, wenn das Fahrzeug nicht auf Straßen mit öffentlichem Verkehr gelenkt werde. Diese Obliegenheit habe der Versicherte verletzt, indem er ein Kraftfahrzeug ohne die entsprechende Lenkberechtigung gelenkt habe. Diese Obliegenheitsverletzung begründe nach § 6 VersVG ihre Leistungsfreiheit. Ob das konkrete Trial‑Motorrad zulassungsfähig sei, sei für die Anwendbarkeit von Art 21 AUVB 2019 unerheblich.
[8] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Für das vom Sohn des Klägers benutzte Trial‑Motorrad sei schon aufgrund dessen Beschaffenheit und des Verwendungszwecks keine Lenkberechtigung erforderlich. Nach der Definition des § 2 Z 1 KFG gebe es zwei Möglichkeiten ein Fahrzeug als Kraftfahrzeug anzusehen, nämlich einerseits, wenn es ein zur Verwendung auf Straßen bestimmtes Fahrzeug sei oder andererseits, wenn es auf Straßen tatsächlich verwendet werde (unter Bezugnahme auf Judikatur des VwGH). Die Trial‑Motorräder als Schulungsmotorräder würden nur im Parcours auf der Wiese zwecks Übung der Fahrtechnik verwendet, wobei sie auch ausschließlich für eine solche Verwendung bestimmt seien. Mangels Vorliegens einer Straße und der Bestimmung zur Verwendung auf der Straße seien die Trial‑Motorräder keine Kraftfahrzeuge im Sinn des § 2 Z 1 KFG iVm § 2 FSG. Für diese Trial‑Motorräder sei somit keine Lenkberechtigung im Sinn des FSG erforderlich, weshalb es auch nicht schade, dass der minderjährige Sohn des Klägers keine Lenkberechtigung für Motorräder mit einem Hubraum von bis zu 125 Kubikzentimeter (Lenkberechtigung für Klasse A1) besitze.
[9] Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Rechtlich führte es aus, nach § 1 Abs 1a Z 3 FSG seien Kraftfahrzeuge, die bei einer kraftfahrsportlichen Veranstaltung und ihren Trainingsfahrten auf einer für den übrigen Verkehr gesperrten Straße verwendet würden, für die Dauer einer solchen Veranstaltung von der Anwendung der Bestimmungen des FSG ausdrücklich ausgenommen. Der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer verstehe die Führerscheinklausel dahin, dass er, um Versicherungsschutz zu genießen, zum Lenken eines Kraftfahrzeugs über die entsprechende Lenkberechtigung nach dem FSG verfügen müsse. Dass nach den Versicherungsbedingungen entgegen der in § 1 Abs 1a Z 3 FSG bei kraftfahrsportlichen Veranstaltungen bzw bei deren Trainingsfahrten normierten Ausnahme die Führerscheinklausel dennoch gelten solle, sei für den durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer aber nicht erkennbar. Werde mit Trial‑Motorrädern, die gar nicht zulassungsfähig seien, auf einem Trainingsparcours zulässigerweise ohne Lenkberechtigung gefahren, sei für den Versicherungsnehmer nicht erkennbar, dass für den Versicherungsschutz im Rahmen der Unfallversicherung dennoch ein Führerschein notwendig sein solle. Der Beklagten sei damit der von ihr zu erbringende Nachweis der objektiven Verletzung einer Obliegenheit nicht gelungen.
[10] Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision nachträglich gemäß § 508 Abs 3 ZPO doch für zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof mit Fragen der Führerscheinklausel im Zusammenhang mit einem Sportgerät wie einem Trial‑Motorrad, das auf einem Trainings‑ oder Übungsparcours gefahren werde, noch nicht beschäftigt habe.
[11] Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, „die Klage zur Gänze“ abzuweisen.
[12] Der Kläger beantragt in der Revisions‑beantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[13] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und auch berechtigt.
[14] 1. Die Beklagte begründet ihre Leistungsfreiheit mit der Verletzung der Obliegenheit nach Art 21.1.1 AUVB 2019.
[15] 1.1. Mit Art 21.1.1 AUVB 2019 vergleichbare – als „Führerscheinklauseln“ bezeichnete – Bedingungen wurden vom Obersten Gerichtshof bereits mehrfach als Obliegenheiten qualifiziert (7 Ob 19/93 zu § 6 Abs 2 Z 1 AKHB 1988; 7 Ob 162/07k = SZ 2007/134 zu Art 5.2.1 AKIB 2005; 7 Ob 43/11s zu Art 9.2.1 AKHB 1995; 7 Ob 159/18k zu Art 24.1 UB00; 7 Ob 184/21s zu § 14.1. AUVB 2016; 7 Ob 8/22k zu Art 19.1. AUVB 2015).
[16] 1.2. Der Versicherer muss hier die objektive Verletzung der Obliegenheit durch den Versicherungsnehmer (Versicherten), der Versicherungsnehmer (Versicherte) mangelndes Verschulden bzw die mangelnde Kausalität beweisen (vgl RS0043728; 7 Ob 159/18k).
[17] 2.1. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 f ABGB) auszulegen und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RS0050063 [T71]; RS0112256 [T10]; RS0017960). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen. Dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [insbesondere T5, T7, T87]). Unklarheiten gehen zu Lasten der Partei, von der die Formulare stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RS0050063 [T3]).
[18] 2.2. Nach Art 21.1.1 AUVB 2019 muss die versicherte Person als Lenker eines Kraftfahrzeugs die jeweilige kraftfahrrechtliche Berechtigung für das Lenken dieses oder eines typengleichen Fahrzeugs gehabt haben.
[19] Diese Führerscheinklausel hat auch für Fahrten auf nichtöffentlichem Grund Geltung (RS0080941), was in Art 21.1.1 AUVB 2019 ausdrücklich vereinbart ist. Sie zielt darauf ab, den Versicherer nicht dem höheren Risiko durch unerfahrene und ungeschulte Lenker auszusetzen. Das Unfallrisiko eines bloßen Bedienungs‑/Fahrfehlers ist bei diesen Lenkern auf öffentlichen wie auf nichtöffentlichen Flächen gleich hoch. Die Führerscheinklausel stellt darauf ab, ob der Lenker eine (allgemeine) Fahrberechtigung und damit eine gewisse Fahrsicherheit hat, egal auf welcher Fläche er das Fahrzeug lenkt (7 Ob 43/11s). Das fahrerische Können soll bereits vor Antritt der Fahrt in der vom Gesetz formalisierten Weise durch Erhebungen der Behörde und die Fahrprüfung dargetan sein (7 Ob 159/18k mwN).
[20] 2.3. Der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer versteht die Führerscheinklausel dahin, dass er, um Versicherungsschutz zu genießen, zum Lenken eines Kraftfahrzeugs über die entsprechende Lenkberechtigung nach dem Führerscheingesetz (FSG) verfügen muss (7 Ob 159/18k = RS0080941 [T1] = RS0081213 [T1]).
[21] 2.4. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist nicht maßgeblich, dass nach § 1 Abs 1a Z 3 FSG idF BGBl I 2015/74 Kraftfahrzeuge, die bei einer kraftfahrsportlichen Veranstaltung und ihren Trainingsfahrten – was gar nicht feststeht – auf einer für den übrigen Verkehr gesperrten Straße verwendet werden, für die Dauer einer solchen Veranstaltung vom Anwendungsbereich des FSG ausgenommen sind. Zu berücksichtigen ist, dass auch bei Fahrten auf nichtöffentlichem Grund – was sich e contrario aus § 1 Abs 1 FSG ergibt – keine Lenkberechtigung erforderlich ist, diese Fahrten aber dennoch von der Führerscheinklausel nach Art 21.1.1 AUVB 2019 ausdrücklich erfasst sind. Das Fahrtechniktraining fand auf einem Gelände ohne Straßen mit öffentlichem Verkehr statt, was dem Erfordernis einer Lenkberechtigung nicht entgegensteht, sodass es auf die vom Berufungsgericht herangezogene Ausnahme nach § 1 Abs 1a Z 3 FSG nicht ankommt. Auch wenn daher das Verhalten des mitversicherten Sohnes des Klägers gesetzlich nicht verboten gewesen sein mag, resultiert daraus nach der Bedingungslage des Unfallversicherungsvertrags keine Leistungspflicht des Versicherers.
[22] 2.5. Der Sohn des Klägers verletzte sich im Zuge der Teilnahme an einem Fahrsicherheitstraining in einem Trialgarten. Er fuhr mit einem Trial‑Motorrad mit einem Hubraum von 125 Kubikzentimetern, für das er keine Lenkberechtigung besaß, speziell nicht für die Klasse A1 (§ 2 Abs 1 Z 2 lit a FSG: Motorräder mit oder ohne Beiwagen mit einem Hubraum von bis zu 125 ccm, mit einer Motorleistung von nicht mehr als 11 kW und einem Verhältnis von Leistung/Eigengewicht von nicht mehr als 0,1 kW/kg).
[23] Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen kommt es nicht darauf an, dass das konkrete Trial‑Motorrad aufgrund seiner spezifischen Bauweise (keine Lichter und Blinker, kein Sattel, im Stehen zu fahren) nicht zulassungsfähig gewesen war, sondern darauf, dass es sich um ein von Art 21.1.1 AUVB 2019 erfasstes Kraftfahrzeug gehandelt hat.
[24] Nach der Führerscheinklausel hat der Sohn des Klägers als Lenker die jeweilige kraftfahrrechtliche Berechtigung, die zum Lenken dieses Trial‑Motorrades oder eines typengleichen Kraftfahrzeugs erforderlich war, zu besitzen. Mag auch für das gegenständliche Trial‑Motorrad mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 2 Z 1 KFG (iVm § 2 FSG) kein Führerschein erforderlich gewesen sein, kommt es nach Art 21.1.1 AUVB 2019 darauf an, dass dies auch für das „typengleiche Kraftfahrzeug“ gilt.
[25] Zweck dieser Obliegenheit ist (wie zu Punkt 2.2. dargelegt), das Risiko von Versicherungsfällen durch ungeschulte, unerfahrene Kfz‑Lenker auszuschalten, das auch auf Straßen ohne öffentlichen Verkehr besteht. Der Versicherungsnehmer (Versicherte) muss, um Versicherungsschutz zu genießen, zum Lenken eines Kraftfahrzeugs über die entsprechende Lenkberechtigung nach dem FSG verfügen (Punkt 2.3.; 7 Ob 159/18k). Ausgehend von diesem, einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbaren Zweck der Führerscheinklausel ist anknüpfend an § 2 Abs 1 FSG ein typengleiches Kraftfahrzeug wie das Trial‑Motorrad ein (ordnungsgemäß ausgestattetes) Motorrad mit derselben Motorleistung und einem Hubraum von 125 Kubikzentimetern.
[26] 2.6. Ein solches („typengleiches“) Motorrad erfüllt die Definition des § 2 Z 1 KFG idF BGBl I 2020/134, wonach ein Kraftfahrzeug ein zur Verwendung auf Straßen bestimmtes oder auf Straßen verwendetes Fahrzeug ist, das durch technisch freigemachte Energie angetrieben wird und nicht an Gleise gebunden ist, auch wenn seine Antriebsenergie Oberleitungen entnommen wird. Ein Kraftrad ist insbesondere ein Kraftfahrzeug mit zwei Rädern (§ 2 Z 4 KFG). Nach § 2 Z 15 KFG ist ein Motorrad ein nicht unter Z 14 fallendes einspuriges Kraftfahrzeug (Z 4) der Klasse L3e (zweirädriges Kraftrad) im Sinne der Begriffsbestimmung gemäß Art 4 Abs 2 lit c der Verordnung (EU) Nr 168/2013. Art 4 Abs 2 lit c Verordnung (EU) Nr 168/2013 enthält eine nähere Definition für Fahrzeuge der Klasse L3e (zweirädriges Kraftrad).
[27] Nach § 1 Abs 1 FSG gilt dieses Gesetz für das Lenken von Kraftfahrzeugen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr. Dabei sieht dessen Abs 3 vor, dass das Lenken eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich nur mit einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung für die Klasse, in die das Kraftfahrzeug fällt, zulässig ist. § 2 FSG legt die entsprechenden Klassen von Kraftfahrzeugen fest, wobei auf § 2 KFG verwiesen wird. Da ein typengleiches Kraftfahrzeug wie das Trial‑Motorrad – nämlich ein Motorrad, das hinsichtlich Motorleistung und Hubraum von 125 Kubikzentimeter mit diesem übereinstimmt – ein Kraftfahrzeug im Sinn des § 2 Z 1 KFG ist und dafür in Verbindung mit § 2 Abs 1 Z 2 lit a FSG jedenfalls die Lenkberechtigung der Klasse A1 erforderlich wäre, hätte auch der Sohn des Klägers entsprechend Art 21.1.1 AUVB 2019 über diese „kraftfahrrechtliche Berechtigung“ verfügen müssen. Die Lenkberechtigung für die Klasse A1 (oder gar die Klassen A2 und A) besaß er jedoch nicht.
[28] 2.7. Damit ist der Beklagten – entgegen der Ansicht der Vorinstanzen – der Beweis der Verletzung der Obliegenheit nach Art 21.1.1 AUVB 2019 gelungen.
[29] 3.1. Da für das Lenken des Fahrzeugs nach den Versicherungsbedingungen ein Führerschein erforderlich gewesen wäre, hat die Beklagte die objektive Obliegenheitsverletzung nachgewiesen. Die vom Kläger eingewendete Unkenntnis der Versicherungsbedingungen spielt für das Verschulden keine Rolle.
[30] 3.2. Bei der Führerscheinklausel des Art 21.1.1 AUVB 2019 handelt es sich – wie ausgeführt – um eine Obliegenheit im Sinn des § 6 Abs 2 VersVG, sodass dem Versicherungsnehmer grundsätzlich der Nachweis offen steht, dass die Verletzung der Obliegenheit weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls, noch auf die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers Einfluss gehabt hat (RS0116979). Der Gegenbeweis der fehlenden Kausalität ist strikt zu führen (RS0079993); an ihn sind hohe Anforderungen zu stellen und strenge Maßstäbe anzulegen (RS0081313 [T12, T18]).
[31] 3.3. Nach ständiger Rechtsprechung kann das Vorliegen einer Lenkberechtigung nicht durch den Nachweis tatsächlichen Fahrkönnens ersetzt werden. Ebenso wenig ist der Nachweis zulässig, dass der Lenker vor dem Versicherungsfall eine Fahrprüfung bestanden hätte. Für einen Fahrer ohne Lenkberechtigung bleibt demnach nur ein eingeschränkter Kausalitätsgegenbeweis in der Richtung, dass der Unfall durch keinerlei Fahrfehler, etwa durch ein technisches Gebrechen oder das ausschließliche Verschulden eines Dritten verursacht wurde (7 Ob 159/18k mwN; vgl auch RS0081197).
[32] 3.4. Nach den Feststellungen konnte der Kläger den Kausalitätsgegenbeweis nicht erbringen. Der Sturz seines mitversicherten Sohnes mit dem Trial‑Motorrad erfolgte infolge eines Fahrfehlers.
[33] 4. Da der Beklagten der Nachweis der Verletzung der Obliegenheit nach Art 21.1.1 AUVB 2019 gelang und der Kläger nicht den Kausalitätsgegenbeweis erbringen konnte, ist das Klagebegehren abzuweisen.
[34] 5. Der Revision ist daher Folge zu geben.
[35] Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 50 ZPO.
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