European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00078.23Y.1220.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Unternehmens-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 858,06 EUR (darin enthalten 143,01 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger war Kommanditist einer Kommanditgesellschaft (KG), der Beklagte Geschäftsführer der Komplementär‑GmbH der KG.
[2] Der Klägerbegehrt mit am 7. 12. 2020 eingebrachter Klage vom Beklagten 11.191,41 EUR an Schadenersatz. Dieser habe im Jahr 2010 in der Bilanz eine Verbindlichkeit (Darlehen) der KG gegenüber einer Dritten rechtswidrig, aber ertragswirksam ausgebucht. Der damit entstandene Gewinn der KG habe sich beim Kläger als Kommanditisten einkommenserhöhend ausgewirkt, weshalb ihm für das Jahr 2010 ein (Einkommens-)Steuerschaden in Höhe des Klagsbetrags erwachsen sei.
[3] Der Beklagte wandte unter anderem Verjährung ein. Den Kurzfassungen der Jahresabschlüsse zum 31. 12. 2016, 31. 12. 2017 und 31. 12. 2018 seien nur geringfügige Verbindlichkeiten der KG zu entnehmen gewesen. Der Kläger habe daher spätestens seit 15. 9. 2017 davon Kenntnis gehabt, dass die vermeintliche Darlehensforderung jedenfalls seit dem 31. 12. 2016 nicht mehr bilanziert werde. Aus der gleichlautenden Behandlung der Darlehensforderung in den Jahresabschlüssen zum 31. 12. 2010 der KG und der Darlehensgeberin, deren Geschäftsführer der Kläger gewesen sei, ergebe sich überdies zwangsläufig, dass der Kläger von der Ausbuchung der Verbindlichkeit in der Bilanz der KG bereits spätestens mit der Feststellung dieses Jahresabschlusses der Darlehensgeberin Kenntnis gehabt habe.
[4] Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Verjährung ab. Der Kläger habe im Jahr 2011 einen Entwurf des Jahresabschlusses 2010 erhalten, aus dem eindeutig ersichtlich gewesen sei, dass die Darlehensverbindlichkeit nicht mehr aufgeschienen sei. Die dreijährige Frist des § 1489 ABGB sei daher bei Klageeinbringung abgelaufen gewesen.
[5] Das Berufungsgericht verwies die Sache an das Erstgericht zurück und ließ den Rekurs gegen seinen Aufhebungsbeschluss zu. Der Oberste Gerichtshof habe in 6 Ob 189/19s ausgesprochen, dass nach § 25 GmbHG grundsätzlich nur die unmittelbar geschädigte GmbH & Co KG Anspruch auf Schadenersatz gegen den Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft habe. Allerdings habe der Oberste Gerichtshof in der (auch hier) vorliegenden Konstellation einen Fall der Schadensverlagerung von der KG auf den Kommanditisten (Kläger) gesehen. Unmittelbar verletzt sei zwar die Gesellschaft. Da der Gewinn der Gesellschaft nicht bei der Gesellschaft selbst besteuert werde, sondern unmittelbar bei den Gesellschaftern, trete der Vermögensnachteil aber allein beim Kommanditisten ein, wenn ihm aufgrund einer überhöhten Gewinnfeststellung zu hohe Einkommensteuern vorgeschrieben würden.
[6] Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB beginne nicht vor tatsächlichem Eintritt des (ersten) Schadens (Primärschaden) zu laufen. Vor einer steuerlichen Vorschreibung, welche hier den Primärschaden darstelle, habe die Verjährung daher nicht zu laufen beginnen können. Nur auf eine Kenntnis der Ausbuchung der Darlehensforderung als behauptete rechtswidrige Handlung komme es dagegen nicht an, weil dadurch noch kein Schaden im Vermögen des Klägers entstanden sei. Der Beklagte habe dazu in erster Instanz kein Vorbringen erstattet, weshalb sein Verjährungseinwand untauglich, weil unvollständig, geblieben sei. Der Verjährungseinwand sei daher erörterungsbedürftig.
[7] Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig. Es sei denkbar, dass – was höchstgerichtlich nicht geklärt sei – abweichend von der berufungsgerichtlichen Auffassung der Anwendbarkeit der dreijährigen Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB auch für den gegenständlichen Anspruch die fünfjährige Verjährungsfrist nach § 25 Abs 6 GmbHG (analog) anzuwenden sei.
Rechtliche Beurteilung
[8] Der Rekurs des Klägers ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Weder in der Zulassungsbegründung noch im Rekurs wird eine erhebliche, für die Entscheidung auch präjudizielle Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt:
[9] 1. Nach ständiger Rechtsprechung kann von einer unrichtigen Lösung einer Frage des Verfahrensrechts, die für die Rechtssicherheit von erheblicher Bedeutung ist, im Fall der Zurückverweisung der Sache durch das Berufungsgericht an das Erstgericht auch ohne Vorliegen der dafür erforderlichen Voraussetzungen nur dann gesprochen werden, wenn eine Selbstergänzungspflicht nach der ratio des § 496 Abs 3 ZPO geradezu auf der Hand liegt, also eine gravierende Verkennung der Rechtslage vorliegt (8 Ob 145/06s = RS0108072 [T2]; 8 ObA 14/20x; 10 ObS 125/20k). Eine derartige Unvertretbarkeit ist aber anhand des berufungsgerichtlichen Verweises auf noch nicht abzusehende Weitungen des Verfahrens (vgl RS0044905; RS0042125 [T7, T8]) zumindest nicht augenfällig und wird auch im Rekurs nicht behauptet.
[10] 2.1. Der Beklagte ist für den Beginn der Verjährungsfrist beweispflichtig, Unklarheiten im Sachverhalt gehen zu seinen Lasten (RS0034456 [T2]). Derjenige, der die Verjährung einwendet, hat jene Tatsachen, die seine Einrede zunächst einmal schlüssig begründen, vorzubringen und zu beweisen (RS0034326 [T3]; RS0034198 [T1, T4]; vgl auch 1 Ob 85/19k [ErwGr 1.2.]). Den Schadenersatzpflichtigen trifft also die Behauptungs- und Beweislast für den Beginn der Verjährungsfrist und die relevante Kenntnis des Geschädigten zu einem bestimmten Zeitpunkt (RS0034326 [T9]).
[11] 2.2. Die Anleitungspflicht des Gerichts geht in der Regel zwar nicht so weit, den Beklagten auch darüber zu belehren, welche rechtlichen Einwendungen er erheben kann (vgl zur Verjährung 7 Ob 392/56). Dies gilt aber nur, wenn sich aus dem Vorbringen des Beklagten keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er die entsprechenden Einwendungen erheben will; ergibt sich hingegen daraus, dass der Beklagte ein bestimmtes Recht geltend machen will, ist er zur Klarstellung seines Standpunkts aufzufordern (vgl 4 Ob 80/04z; RS0037338; Rassi in Fasching/Konecny 3 II/3 § 182a ZPO Rz 69). Eine Anleitungspflicht besteht nur dort nicht, wo vom Kläger nicht einmal im Ansatz ein bestimmter Rechtsgrund geltend gemacht wird, immer aber dann, wenn es um die Ergänzung eines unvollständigen Vorbringens geht, also um eine Undeutlichkeit in den Einzelheiten (2 Ob 32/22b [Rz 2]; RS0042444 [T5]).
[12] 2.3. Der Beklagte brachte in erster Instanz zum Verjährungseinwand mehrere Zeitpunkte vor, zu denen eine Kenntnis bzw ein Kennenmüssen des Klägers von der ausgebuchten Forderung vorgelegen sein soll. Das Erstgericht verwies in seiner Erörterung zur Verjährung auf die maßgebliche gemeinsame Erstellung des Jahresabschlusses 2010 und hielt fest, dass die Verjährung des Anspruchs im Jahr 2011 begonnen habe. Ausgehend von dieser Erörterung ist im erstinstanzlichen Verfahren die nunmehr vom Berufungsgericht aufgeworfene Rechtsansicht zum fristauslösenden (Schadens-)Ereignis (Steuervorschreibung) unbeachtet geblieben. Die berufungsgerichtliche Annahme einer diesbezüglichen Erörterungspflicht zur Hintanhaltung einer Überraschungsentscheidung ist nicht korrekturbedürftig. Aus der im Rekurs zitierten Rechtsprechung (vgl auch 2.1.) ergibt sich zwar die Behauptungs- und Beweislast des die Verjährung Einwendenden. Die Ansicht des Rekurses, ein (uU auch auf Basis der dem Erstgericht überbundenen Rechtsansicht des Berufungsgerichts) unschlüssiger Verjährungseinwand müsse – entgegen der ganz allgemein dem Gericht aufgetragenen Pflicht zur Erörterung nach §§ 182 f ZPO – mit den Parteien nicht erörtert werden, findet in dieser Rechtsprechung jedoch keine Deckung. Zwar ist – wie der Rekurs zutreffend aufzeigt – eine allenfalls aus anderen Gründen eingetretene Verjährung nicht aufzugreifen (RS0034326 [T7, T8]; siehe auch 1 Ob 13/10h; 4 Ob 193/17m: der Verjährungseinwand war erstinstanzlich auf einen allfälligen Schadenersatzanspruch beschränkt und wurde zum Bereicherungsanspruch erst im Berufungsverfahren erhoben). Ein derartiger Fall liegt aber nicht vor.
[13] 3.1. Der Rekurs wendet sich nicht gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, vor einer Steuervorschreibung, die hier für den Kläger den Primärschaden darstelle, könne die Verjährung nicht zu laufen beginnen (vgl 5 Ob 157/14w; RS0123388). Darauf ist daher nicht mehr einzugehen.
[14] 3.2. Ob im vorliegenden Fall der Schadensverlagerung auf den Kommanditisten (siehe dazu 6 Ob 189/19s) die fünfjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs 6 GmbHG analog anzuwenden ist, wurde vom Obersten Gerichtshof zwar noch nicht beurteilt.
[15] Dem Vorbringen des Beklagten zum Jahresabschluss 2010 ist jedoch zu entnehmen, dass er sich (auch) auf eine bereits im Laufe des Jahres 2011 – im Zuge der Feststellung des Jahresabschlusses 2010 – erlangte Kenntnis des Klägers von der behaupteten schädigenden Handlung des Beklagten stützt. Vor der vom Berufungsgericht angeordneten Erörterung der Verjährungsfrage durch das Erstgericht, allenfalls ergänztem Parteienvorbringen und entsprechenden Feststellungen in erster Instanz, kann angesichts der (erst) am 7. 12. 2020 erfolgten Klagseinbringung somit noch nicht gesagt werden, ob es auf eine allenfalls analoge Anwendung der fünfjährigen Verjährungsfrist nach § 25 Abs 6 GmbHG überhaupt entscheidungswesentlich ankommt. Denn es steht nicht fest, ob der vom Berufungsgericht als maßgeblich erachtete Primärschaden nicht (auch) bereits mehr als fünf Jahre vor Klagseinbringung entstanden ist.
[16] Der Oberste Gerichtshof ist nicht verpflichtet, zu bloß unter Umständen möglichen, aber noch nicht feststellungsmäßig gesicherten Fallgestaltungen Stellung zu nehmen (RS0088931 [T3]). Damit liegt aber die vom Berufungsgericht als erheblich angesehene Rechtsfrage noch nicht vor.
[17] 4. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO (RS0123222). Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen.
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