OGH 8Ob112/23p

OGH8Ob112/23p13.12.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn und die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhartals weitere Richter in derRechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch Mag. Julia Eckhart, Rechtsanwältin in Graz, gegen die beklagte Partei H*, vertreten durch Dr. Andreas Huber, Rechtsanwalt in Wien, wegen 22.857,50 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. Juli 2023, GZ 15 R 18/23m‑42, mit welchem das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 25. November 2022, GZ 2 Cg 60/21i‑32, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0080OB00112.23P.1213.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.788,90 EUR (darin 298,15 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger platzierte auf der Website www.bet2win.at in den Jahren 2016 bis 2020 zahlreiche Über-Unter-Wetten auf das Ergebnis von Fußballspielen, wodurch er einen Verlust von 22.857,50 EUR erlitten hat. Nach den auf der Website abrufbaren Allgemeinen Wett- und Geschäftsbedingungen, die der Kläger durch das Anklickeneines Textfeldes akzeptiert hat, wurden die Wettverträge mit der K* GmbH abgeschlossen, deren Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Beklagte ist. Der Beklagte verfügt über eine Bewilligung des Amtes der Tiroler Landesregierung zur gewerbsmäßigen Vermittlung und zum gewerbsmäßigen Abschluss von Wetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen für den Standort Café P* in Brixlegg, wo sich der Server für die Website www.bet2win.at befand.

[2] Der Kläger begehrt 22.857,50 EUR sA. Der Kläger habe im Rahmen von Über-Unter-Wetten auf Teilergebnisse gewettet, nämlich dass bis zum Ende einer Halbzeit des Spiels noch mindestens ein Tor fällt, was als Glücksspiel zu qualifizieren sei, sodass dem Beklagten die erforderliche Bewilligung nach dem Glücksspielgesetz fehle und der Kläger Anspruch auf Rückerstattung des eingesetzten Kapitals habe. Die K* GmbH könne sich auch nicht auf die dem Beklagten erteilte Bewilligung des Amtes der Tiroler Landesregierung berufen. Darüber hinaus sei der Kläger aufgrund seiner Wett- und Spielsucht nicht geschäftsfähig gewesen, sodass ihm auch aus diesem Grund die Einsätze zurückzuerstatten seien.

[3] Der Beklagte wendete ein, dass er über die für die Veranstaltung von Sportwetten notwendige Bewilligung verfüge und die Wettverträge mit der K* GmbH abgeschlossen worden seien.

[4] Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Sportwetten würden nicht dem Glücksspielgesetz unterliegen. Die K* GmbH habe aufgrund der dem Beklagten erteilten Bewilligung der Tiroler Landesregierung Sportwetten auch im Internet anbieten dürfen. Selbst im Fall der Geschäftsunfähigkeit des Klägers könnte er seinen Rückforderungsanspruch nur gegen die K*GmbH richten, die nach den Allgemeinen Wett- und Geschäftsbedingungen Vertragspartner geworden sei. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Abgrenzung der Sportwetten vom Glücksspiel vorliege.

[5] Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, mit welcher er die Abänderung der Entscheidung dahin anstrebt, dass seiner Klage stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[6] Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[7] Die Revision des Klägers ist mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu Über-Unter-Wetten zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

[8] 1. Der Kläger macht geltend, dass der Abschluss von Über-Unter-Wetten aufgrund des Zufallselements dem Glücksspielgesetz zu unterstellen sei. Glücksspiele sind nach der Legaldefinition des § 1 Abs 1 GSpG Spiele, bei denen die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt. Dazu zählen nach § 1 Abs 2 GSpG insbesondere Roulette, Beobachtungsroulette, Poker, Black Jack, Two Aces, Bingo, Keno, Baccarat und Baccarat chemin de fer und deren Spielvarianten. Auch wenn dem Kläger dahin zuzustimmen ist, dass das Ergebnis eines Fußballspiels nicht gänzlich vorhersehbar ist und auch vom Zufall abhängen kann, unterliegen die in den Landesgesetzen geregelten Sportwetten nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht dem Glücksspielgesetz (6 Ob 560/95; 1 Ob 107/98m [verst Senat]; 1 Ob 176/22x). Dabei macht es keinen Unterschied, ob auf den Sieg einer Mannschaft oder im Rahmen von Über-Unter-Wetten auf die Anzahl der Tore gewettet wird, weil es sich jeweils um Wetten auf das nicht gänzlich vorhersehbare Endergebnis eines Spiels handelt.

[9] 2. Das Tiroler Buchmacher- und Totalisateurgesetz enthält keine Bestimmungen über Internet-Wetten, sodass dem Gesetz auch kein Verbot solcher Wetten entnommen werden kann (1 Ob 176/22x). Mit der Erteilung der Bewilligung zum Abschluss von Sportwetten für einen bestimmten Standort ist vielmehr das Recht verbunden, von diesem Standort aus Wettverträge auch über das Internet abzuschließen (Rapani/Kotanko, Online-Wetten, in Zillner [Hrsg]), Kommentar zum Glücksspielgesetz mit ausgewählten Fragen des Wettenrechts [2021] 592 [603]; Muszak, Der Geltungsbereich landesrechtlicher Regelungen für Internetwetten im Lichte verfassungsrechtlicher Vorgaben, ÖZW 2023, 18 [23]). Dies entspricht der Rechtslage nach dem später in Kraft getretenen Tiroler Wettunternehmergesetz LGBl 98/2019, wonach Internetwetten ausdrücklich zulässig sind und jener Ort, von dem aus die Daten für das Medium bereitgestellt werden, nach § 2 Abs 6 leg cit als Betriebsstätte gilt.

[10] 3. § 10 Abs 1 lit a Tiroler Buchmacher- und Totalisateurgesetz verweist hinsichtlich der Ausübung der Tätigkeit durch juristische Personen und Geschäftsführer auf §§ 9 bis 14 und 38 bis 45 GewO. Nach § 9 GewO können juristische Personen ein Gewerbe ausüben, wenn sie einen Geschäftsführer bestellt haben. Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass eine dem Geschäftsführer erteilte Bewilligung ausreichen würde. Das Gewerberecht ist nämlich nach § 38 GewO ein persönliches Recht, das nicht übertragen werden kann. Jede Rechtsperson benötigt damit ihre eigene Gewerbeberechtigung (Köhler in Ennöckl/Raschauer/Wessely, § 38 GewO Rz 2). Auch die Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers nach § 39 GewO setzt eine Gewerbeberechtigung des Gewerbeinhabers voraus (Hanusch, Kommentar zur GewO § 9 Rz 2). Eine Gesellschaft muss deshalb selbst die Berechtigung zur Ausübung des Gewerbes erlangt haben, während die Konzession eines Gesellschafters oder Geschäftsführers nicht ausreicht (RIS‑Justiz RS0060168; VwGH 2193/63; Ra 2022/03/0122; Hanusch, Kommentar zur GewO § 39 Rz 2). In diesem Sinne hat der VwGH zum Vorarlberger Wettengesetz bereits ausgesprochen, dass die Gesellschaft, die Wettverträge abschließt, und nicht etwa deren Geschäftsführer einer behördlichen Bewilligung bedarf (Ra 2015/02/0202). Der Einwand des Klägers, dass sich die K* GmbH beim Abschluss von Wettverträgen nicht auf die dem Beklagten erteilte Bewilligung berufen kann, ist deshalb berechtigt. Damit ist für den Kläger aber nichts gewonnen.

[11] 4. Richtig ist, dass der Eingriff in das Glücksspielmonopol des Bundes nach § 3 GSpG eine Schadenersatzpflicht gegenüber den Spielern, die dabei Verluste erlitten haben, begründen kann (RS0128696). Solche Spiele dürfen nämlich nur vom Bund bzw einer nach § 21 Abs 5 GSpG beschränkten Anzahl von Konzessionären durchgeführt werden, weil der Gesetzgeber den Spieltrieb der Menschen durch das Monopol zum Schutz des einzelnen Spielers in geordnete Bahnen lenken wollte (ErläutRV 1687 BlgNR 17. GP  15). Demgegenüber sind Sportwetten weder vom Gesetzgeber verboten, noch unterliegen sie dem Glücksspielmonopol des Bundes (Stefula in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 §§ 1270–1272 ABGB Rz 103). Dementsprechend ist eine Bewilligung nach § 5 Abs 1 Tiroler Buchmacher- und Totalisateurgesetz jedermann zu erteilen, der die dort angeführten Voraussetzungen erfüllt. Die Bewilligung nach dem Tiroler Buchmacher- und Totalisateurgesetz ist damit einer gewerberechtlichen Bewilligung vergleichbar, deren Fehlen hier nach der Rechtsprechung keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der abgeschlossenen Verträge hat (vgl RS0016765).

[12] 5. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass der Zweck solcher Bewilligungen darin besteht, die Ausübung des Berufes durch ungeeignete Personen zu verhindern, aber nicht die von unbefugten Personen geschlossenen Verträge, die von anderen Personen in gleicher Weise hätten geschlossen werden können, rückgängig machen und dem Vertragspartner damit Vermögensvorteile verschaffen soll (RS0029666). Die K* GmbH hätte nach § 5 Abs 3 Tiroler Buchmacher- und Totalisateurgesetz auch Anspruch auf Erteilung einer Bewilligung zum Abschluss von Sportwettverträgen gehabt, weil der Beklagte als ihr Geschäftsführer die vom Gesetz geforderten Voraussetzungen erfüllt. Nachdem das Tiroler Buchmacher- und Totalisateurgesetz nicht den Zweck hat, Wettkunden vor jenen Vermögensnachteilen zu schützen, wie sie mit dem Abschluss von Sportwettverträgen stets verbunden sein können, kann der Kläger aus der fehlenden Bewilligung keine Schadenersatzansprüche ableiten.

[13] 6. Soweit der Kläger meint, dass die Wettverträge mit dem Beklagten zustande gekommen seien, weil er im Impressum der Website der K* GmbH angeführt werde, ist ihm entgegenzuhalten, dass die Wettverträge nach den von ihm akzeptierten Allgemeinen Wett- und Geschäftsbedingungen mit der K* GmbH abgeschlossen wurden. Der Oberste Gerichtshof hat erst jüngst zu 6 Ob 12/23t ausgesprochen, dass eine solche Regelung in allgemeinen Geschäftsbedingungen – auch wenn der Wettvertrag damit nicht mit der im Impressum angeführten Person abgeschlossen wird – weder ungewöhnlich noch überraschend ist, sodass sich der Kläger auch nicht auf § 864a ABGB berufen kann. Selbst im Fall seiner Geschäftsunfähigkeit könnte der Kläger seinen Rückforderungsanspruch damit nur gegen die K* GmbH richten, weil bei der Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen der Vertragspartner als Leistungsempfänger anzusehen ist (RS0033737).

[14] 7. Schließlich fühlt sich der Kläger dadurch beschwert, dass die Vorinstanzen seinem Antrag auf Bestellung eines Sachverständigen für Glücksspiele nicht nachgekommen sind. Das Berufungsgericht hat eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens mit der Begründung verneint, dass es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis handle. Angebliche Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens, die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt wurden, können im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden (RS0042963; RS0106371).

[15] 8. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte