OGH 6Ob12/23t

OGH6Ob12/23t23.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. P* S*, geboren am *, vertreten durch Mag. Petra Laback, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. b* I* Ltd, FN *, 2. b* E* Ltd, FN *, beide *, Malta, vertreten durch Dr. David Christian Bauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 627.124,65 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. August 2022, GZ 5 R 7/22v‑64, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00012.23T.1023.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der in Österreich wohnhafte Kläger spielte als Konsument im Zeitraum von 2006 bis April 2018 über die Website www.b* diverse Online‑Glücksspiele. Er registrierte sich dort im Jahr 2006 und erklärte sich dabei mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) einverstanden. Deren erster Punkt A.1. lautet:

„A. Allgemeine Bestimmungen:

1. An jeder Wette sind einerseits die b* I* Ltd. mit Sitz in *, Handelsregisternummer C* [die hier Erstbeklagte], die gemäß der ihr erteilten behördlichen Konzession Wetten aus Anlass von sportlichen Veranstaltungen entgegennimmt, und andererseits der Wettende (im Folgenden 'Kunde') beteiligt. Bei den Casino- und Pokerspielen ist Vertragspartner die b* E* Ltd., mit Sitz in *, Handelsregisternummer C* [die hier Zweitbeklagte], welche ebenfalls über die erforderliche maltesische Konzession zum Betrieb von Poker- und Casinospielen verfügt. Die b* I* Ltd. [die hier Erstbeklagte] sowie die b* E* Ltd. [die hier Zweitbeklagte] werden im Folgenden unter der Kurzbezeichnung 'b*' zusammengefasst.“

[2] Der Kläger begehrte von den Beklagten die Rückzahlung des erlittenen Spielverlusts.

[3] Das Berufungsgericht bestätigte die Klagsstattgabe betreffend die Zweitbeklagte und wies die Klage gegen die Erstbeklagte mangels Passivlegitimation ab.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die gegen die Klagsabweisung gerichtete außerordentliche Revision des Klägers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

[5] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des zweitinstanzlichen Verfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Nach der Rechtsprechung ist die Berücksichtigung des Inhalts einer (unstrittig echten) Urkunde im Rahmen der rechtlichen Beurteilung auch ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung zulässig (RS0121557), ist doch unstrittiges Parteienvorbringen, zu dem auch der Inhalt einer von beiden Seiten für bedeutsam angesehenen Urkunde gehört, iSd §§ 266 f ZPO ohne Weiteres der Entscheidung zugrunde zu legen (RS0121557 [T1]). Dies gilt auch im Revisionsverfahren (RS0121557 [T3]).

[6] Die Ergänzung der Feststellungen durch die (weitergehende) Wiedergabe des Wortlauts der AGB der Beklagten aufgrund der unstrittig echten Urkunde durch das Berufungsgericht begegnet deshalb keinen Bedenken.

[7] 2.1. Die vom Berufungsgericht angeführten Rechtsprechungsgrundsätze zur Geltungskontrolle in AGB enthaltener Klauseln gemäß § 864a ABGB (vgl etwa 7 Ob 107/23w [ErwGr 2.3]) werden von der Revision nicht bezweifelt. Danach ist eine Klausel objektiv ungewöhnlich nach § 864a ABGB, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, mit der er also nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Der Klausel muss ein „Überrumpelungseffekt“ innewohnen (RS0014646). Entscheidend ist, ob die Klausel beim entsprechenden Geschäftstyp üblich ist und ob sie den redlichen Verkehrsgewohnheiten entspricht (RS0105643 [T3]). Auf ihren Inhalt allein kommt es aber nicht an. Er spielt vor allem im Zusammenhang mit der Stellung im Gesamtgefüge des Vertragstextes eine Rolle, denn das Ungewöhnliche einer Vertragsbestimmung ergibt sich besonders aus der Art ihrer Einordnung in den AGB (RS0014659 [T2]). Die Bestimmung darf im Text nicht derart „versteckt sein“, dass sie der Vertragspartner – ein durchschnittlich sorgfältiger Leser – dort nicht vermutet, wo sie sich befindet, und dort nicht findet, wo er sie vermuten könnte (RS0014646 [T14]). Die Qualifikation einer Klausel als überraschend und ungewöhnlich iSd § 864a ABGB hängt jeweils von den konkreten Umständen ab (RS0014646 [T7]).

[8] 2.2. Das Berufungsgericht war der Auffassung, die Klausel A.1., laut der zwischen der Erstbeklagten als Anbieterin der Sportwetten und der Zweitbeklagten als Anbieterin der Glücksspiele unterschieden wird, befinde sich bereits im ersten Punkt der AGB in deren allgemeinen Bestimmungen und damit nicht „versteckt“. Daran ändere auch die Anführung beider Beklagter im „Impressum“ der von ihnen gemeinsam betriebenen Website nichts. Es sei auch nicht ungewöhnlich oder überraschend, dass in den AGB zweier Gesellschaften, die eine gemeinsame Homepage betreiben, ausdrücklich klargestellt werde, welche Gesellschaft in Ansehung welcher unterschiedlicher Leistungsangebote, die nicht üblicherweise von einem Anbieter stammten, Vertragspartnerin werden solle. Die Klausel sei daher gültig.

[9] 2.3. Diese Beurteilung ist nicht korrekturbedürftig. Das Berufungsgericht hat ohnehin den (unstrittigen) Wortlaut der gesamten Klausel A.1. berücksichtigt (siehe Punkt 1.), die die Frage, wer Vertragspartner ist regelt. Die weiteren Bestimmungen der AGB geben auf diese Frage nach dem klaren Wortlaut der Klausel A.1. keinen Hinweis (dazu Punkt 3.1. ff). Weshalb auf einer von zwei Gesellschaften betriebenen Website, auf der Glücksspiele und Sportwetten angeboten werden, üblicherweise beide gemeinsam Vertragspartner jedes Kunden werden sollten, legt die Revision nicht dar. Vielmehr wurde in der Rechtsprechung in einer ähnlichen Konstellation nur auf die diesbezüglichen Regelungen in den AGB abgestellt (vgl 4 Ob 57/13f). Den Feststellungen ist auch nicht zu entnehmen, dass der Kläger davon ausging, die Glücksspielverträge mit beiden Beklagten abzuschließen.

[10] 3.1. Nach § 6 Abs 3 KSchG ist eine in AGB oder Vertragsformblättern enthaltende Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist (Transparenzgebot). Die AGB müssen so gestaltet sein, dass der Verbraucher durch ihre Lektüre klare und verlässliche Auskunft über seine Rechtsposition erhält (RS0115217 [T14]). Das Transparenzgebot begnügt sich dabei nicht mit formeller Textverständlichkeit, sondern verlangt, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher „durchschaubar“ sind (RS0122169 [T2, T6]). Es sollen daher auch jene Klauseln beseitigt werden, die dem Verbraucher ein unzutreffendes oder auch nur unklares Bild seiner vertraglichen Position vermitteln. Es soll verhindert werden, dass er dadurch von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird oder ihm unberechtigte Pflichten auferlegt werden. Das setzt die Verwendung von Begriffen voraus, deren Bedeutung dem typischen Verbraucher geläufig sind oder von ihm jedenfalls festgestellt werden können (vgl 3 Ob 222/22a [ErwGr 5.1.]; RS0115217 [T3]).

[11] 3.2. Die Revision zeigt keine Gründe auf, warum die Klausel A.1. den erörterten Rechtsprechungsgrundsätzen nicht genügen sollte. Es ist auch für Verbraucher unschwer erkennbar, ob eine Sportwette vorliegt oder ein Casino- und Pokerspiel. Damit regelt diese (erste) Klausel der AGB klar, welches der hier beklagten Unternehmen bei welchen der angebotenen Verträge Vertragspartner wird. Ebenso ergibt sich aus dem letzten Satz dieser Klausel unmissverständlich, dass die beiden Beklagten in den weiteren Klauseln unter einer Kurzbezeichnung zusammengefasst werden und diese Klauseln daher die Frage, welches der hier beklagten Unternehmen bei welchen der angebotenen Verträge Vertragspartner wird, nicht regeln sollen.

[12] 3.3. Ob andere Regelungsgegenstände enthaltende weitere Klauseln der AGB aufgrund der dortigen einheitlichen Bezeichnung der hier Beklagten allenfalls intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG sein könnten, ist gegenständlich nicht zu beurteilen.

[13] 4. Auf die Argumentation des Berufungsgerichts, wonach sich der Kläger in erster Instanz nicht darauf gestützt habe, dass die Erstbeklagte, ohne Vertragspartnerin gewesen zu sein, die Spieleinsätze entgegengenommen und behalten habe, geht die Revision nicht ein. Sie verabsäumt es dergestalt auch diesbezüglich, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

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