European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0030OB00222.22A.0525.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
I. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird wie aus dem Kopf dieser Entscheidung ersichtlich berichtigt.
II. Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden im Umfang der Klagestattgebung aufgehoben und die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
zu I.:
[1] Nach Fällung der Berufungsentscheidung wurde mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 7. Juli 2022 über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Masseverwalter bestellt. Das aus diesem Grund unterbrochene Verfahren wurde in der Folge auf Antrag der Klägerinnen fortgesetzt; eine Berichtigung der Bezeichnung der beklagten Partei von der Schuldnerin auf den Masseverwalter erfolgte bisher nicht. Dies warnachzuholen.
zu II.:
[2] Die nunmehrige Schuldnerin betrieb bis zur Insolvenzeröffnung das freie Gewerbe der Pfandleiher. Sie begann unter anderem zur Finanzierung der für die Kreditvergabe erforderlichen Mittel ab 2014, qualifizierte Nachrangdarlehen von Investoren aufzunehmen. Im Dezember 2015 gab sie einen Kapitalmarktprospekt gemäß den Bestimmungen des KMG 1991 heraus und übermittelte diesen der Österreichischen Kontrollbank als Meldestelle.
[3] In diesem Prospekt wurde unter anderem festgehalten, dass es sich bei der Veranlagung um die Gewährung eines qualifizierten Nachrangdarlehens durch den Anleger an die Emittentin handle. Die Forderungen des Anlegers seien unbesicherte nachrangige Forderungen, die mit allen anderen gegenwärtigen und zukünftigen unbesicherten nachrangigen Verbindlichkeiten der Emittentin im gleichen Rang stünden. Im Fall der Insolvenz trete der Anleger daher mit seinen nachrangigen Forderungen im Rang hinter sämtliche nicht nachrangigen Forderungen gegenwärtiger und zukünftiger anderer Gläubiger zurück, mit Ausnahme jener Gläubiger, deren Forderungen ebenfalls nachrangig seien (qualifizierter Rangrücktritt). Der Anleger verpflichte sich weiters, außerhalb der Insolvenz die Rückzahlung des Nachrangdarlehens sowie die Zahlung von Zinsen solange und soweit nicht zu verlangen, wie dies bei der Emittentin zu einer die Insolvenzantragspflicht auslösenden Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit führen würde. Die Rückzahlung der Darlehenssumme und die Zahlung von Zinsen an die Anleger sei soweit und solange ausgeschlossen, als diese einen Insolvenzeröffnungsgrund herbeiführen würde. Außerhalb einer Insolvenz könnten die Forderungen der Anleger also nur nachrangig – nach Befriedigung aller Gläubiger mit nicht nachrangigen Forderungen – und nach dem Überwinden einer allfälligen Unternehmenskrise bedient werden. Eine solche Krise liege dann vor, wenn die Eigenmittelquote der Emittentin gemäß § 23 URG weniger als 8 % und die fiktive Schuldentilgungsdauer gemäß § 24 URG über 15 Jahre betrage. Zum 31. Dezember 2014 weise die Bilanz der Emittentin ein positives Eigenkapital in Höhe von 60.488,60 EUR aus. Somit liege aus derzeitiger Sicht kein die Insolvenzantragspflicht auslösender Sachverhalt vor. Es sei geplant, qualifizierte Nachrangdarlehen in Höhe von insgesamt bis zu 30 Millionen EUR bei Anlegern aufzunehmen.
[4] Die Klägerinnen unterfertigten – voneinander unabhängig – jeweils Anträge auf Abschluss eines Darlehensvertrags über ein qualifiziertes Nachrangdarlehen, und zwar die Erstklägerin am 16. Oktober 2018 in Höhe von 10.000 EUR, die Zweitklägerin zunächst am 2. März 2018 und ein weiteres Mal am 10. September 2018 jeweils in Höhe von 10.000 EUR und die Drittklägerin am 10. September 2018 in Höhe von 13.000 EUR, die von der Schuldnerinin der Folge jeweils angenommen wurden. Weiters unterfertigten die Klägerinnen bei ihrer Investition die Darlehensbedingungen, die Belehrungen über die Rücktrittsrechte, das Merkblatt zu den Risikohinweisen und die Risikohinweise für das Gesprächsprotokoll. Die Zahlungen der Klägerinnen gingen in der Folge auf dem Konto der Schuldnerin ein. In den Anträgen war jeweils eine Verzinsung von 7,5 % linear pro Jahr und eine Laufzeit von 24 Monaten vorgesehen.
Die Darlehensbedingungen enthalten unter anderem folgende Bestimmung:
§ 7 Nachrangigkeit
1. Die Forderungen des Darlehensgebers aus diesem Darlehensvertrag sind unbesicherte, nachrangige Forderungen, die mit allen anderen gegenwärtigen und zukünftigen unbesicherten, nachrangigen Verbindlichkeiten der Emittentin gleichrangig sind.
2. Die Rückzahlung des Nachrangdarlehens sowie die Zahlung von Zinsen kann solange und soweit nicht verlangt werden, wie dies bei der Emittentin einen Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens herbeiführen würde. Im Fall der Liquidation oder der Insolvenz der Emittentin dürfen die Forderungen des Darlehensgebers aus diesem Darlehensvertrag erst nach den Forderungen der gegenwärtigen und künftigen nicht nachrangigen Gläubiger der Emittentin befriedigt werden, sodass Zahlungen an den Darlehensgeber so lange nicht geleistet werden, bis die Ansprüche der nicht nachrangigen Gläubiger der Emittentin vollständig befriedigt sind.
[5] Im Jahr 2020 kam es zu einem Einbruch der Geschäftstätigkeit der Schuldnerin, unter anderem aufgrund einer von der Wirtschafts‑ und Korruptionsstaatsanwaltschaft am 19. Februar 2020 angeordneten Sperre ihrer Konten bei einer bestimmten Bank und der Beschlagnahme ihrer Vermögenswerte mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 4. März 2020. Am 25. Jänner 2021 ordnete die Wirtschafts‑ und Korruptionsstaatsanwaltschaft die Aufhebung der Beschlagnahme sämtlicher Vermögenswerte von insgesamt 3.398.085,20 EUR an. An diesem Tag beliefen sich die Forderungen gegen die Schuldnerin bzw deren Verbindlichkeiten aus seit Beginn der Kontosperre ausgelaufenen qualifizierten Nachrangdarlehen auf 8.397.377,35 EUR. Das unter anderem gegen den Geschäftsführer der Schuldnerin wegen des Verdachts des versuchten schweren Betrugs (§§ 146, 147 Abs 3 und § 15 StGB) und gegen die Schuldnerin selbst wegen § 3 VbVG geführte Ermittlungsverfahren wurde am 1. Februar 2021 (teil‑)eingestellt.
[6] Zum Stichtag 13. Jänner 2022 verfügte die Schuldnerin über Vermögen von insgesamt 1.057.963,67 EUR. Per 31. Dezember 2019 hatte sie Forderungen gegen Dritte in Höhe von 8.059.481,07 EUR. In Bezug auf rund 5.500.000 EUR wurden bereits Rechtsanwälte mit der Abwicklung bzw gerichtlichen Geltendmachung beauftragt.
[7] Per 7. Oktober 2021 bestanden Verbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber Darlehensgebern aus qualifizierten Nachrangdarlehen mit abgelaufener Laufzeit in Höhe von mehr als 10 Millionen EUR (inklusive Zinsen und Verzugszinsen). Davon wurden etwas mehr als 3.500.000 EUR von den Kreditgebern bereits eingefordert. Aus noch nicht abgelaufenen Nachrangdarlehen bestanden zum Stichtag 7. Oktober 2021 Zinsforderungen gegen die Schuldnerin im Ausmaß von mehr als einer Million EUR.
[8] Die Schuldnerin zahlte den Klägerinnen nach Ablauf der Darlehenslaufzeit weder das Kapital noch die vereinbarten Zinsen aus dem Kapital.
[9] Die Klägerinnen begehren mit ihren im Juni 2021 eingelangten Klagen jeweils die Rückzahlung der Darlehen samt Zinsen. Die Klägerinnen seien nicht darüber aufgeklärt worden, dass sie die Darlehen angeblich auch nach Fälligkeit nicht zurückverlangen könnten. Einer solchen Vereinbarung, die im Übrigen gröblich benachteiligend und sittenwidrig sei, hätten sie nicht zugestimmt. Sie seien auch nicht über die Provisionszahlungen (Kick‑back‑Zahlungen) an die Vermögensberater für das Vermitteln der Nachrangdarlehen aufgeklärt worden. Entweder liege ein insolvenzrechtlicher Tatbestand vor oder eben nicht. In ersterem Fall wäre die Beklagte zur unverzüglichen Stellung eines Insolvenzantrags verpflichtet, und andernfalls habe sie die Nachrangdarlehen solange zurückzuzahlen, als Barmittel vorhanden seien. Vom Berater seien die Klägerinnen nicht darüber aufgeklärt worden, dass die Nachrangdarlehen primär dazu dienten, die Aufwendungen für Angestellte, Provisionen etc zu verwenden. § 7 Abs 2 des Darlehensvertrags beziehe sich ausdrücklich auf das einzelne vertragsgegenständliche Darlehen und nicht auf andere Darlehensrückforderungen. Diese Klausel sei nicht nur gröblich benachteiligend, sondern auch völlig intransparent, zumal nicht klar sei, welche Parameter bei der Beurteilung der Fälligkeit konkret heranzuziehen seien. Die Beklagte habe offenbar bewusst in Kauf genommen, dass die Nachrangdarlehen nicht zurückgezahlt werden könnten. Ein Nachrangdarlehen unterliege sehr wohl der Inhaltskontrolle gemäß § 879 Abs 3 ABGB. Die Beklagte habe auf ihrer Website auch rechtswidrig mit falschen Aussagen („keine Kursschwankungen aufgrund von Börsenunabhängigkeit“, „Konjunkturunabhängigkeit"“ „automatische Auszahlung nach Ablauf“ etc) geworben. Im Übrigen wäre die Tätigkeit der Beklagten konzessions‑ und prospektpflichtig, die Beklagte verfüge jedoch weder über die erforderliche Bankkonzession noch habe sie die Anleger entsprechend informiert (Prospekthaftpflicht).
[10] Die vormalige Beklagte (nunmehrige Schuldnerin) wendete ein, sie wäre zahlungsunfähig, würden sämtliche Darlehensgeber die Forderungen aus qualifizierten Nachrangdarlehen geltend machen. Daher dürften die Klägerinnen gemäß § 7 Abs 2 der Darlehensbedingungen die Rückzahlung der Darlehen und der Zinsen derzeit nicht verlangen.
[11] Das Erstgericht gab den Begehren der Klägerinnen mit Ausnahme eines unbekämpft abgewiesenen Zinsenmehrbegehrens statt. Nach dem Wortlaut der Darlehensbedingungen sei die Fälligkeit nur dann aufgeschoben, wenn die Rückzahlung des konkret eingeklagten Darlehens die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zur Folge hätte, und nicht bereits dann, wenn die Rückzahlung sämtlicher ausgelaufener Darlehen zur Insolvenz der Beklagten führen würde. Die von der Beklagten präferierte Auslegung der Darlehensbedingungen hätte zur Folge, dass die Rückforderungsansprüche sämtlicher Darlehensgeber nie fällig würden, weil die liquiden Mittel der Beklagten die Summe der aushaftenden Nachrangdarlehen typischerweise nicht erreichten. Es stünde dann auch im Belieben der Beklagten, jederzeit durch Verringerung ihrer liquiden Mittel oder Erhöhung ihrer Verbindlichkeiten die Fälligkeit der Darlehen hinauszuschieben.
[12] Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil. Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder Vertragsformblättern enthaltene Bestimmung sei nach § 6 Abs 3 KSchG unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst sei. Dieses Transparenzgebot solle es dem Kunden ermöglichen, sich aus den AGB oder Vertragsbestandteilen zuverlässig über seine Rechte und Pflichten bei der Vertragsabwicklung zu informieren. Die in § 7 Abs 2 der Darlehensbedingungen enthaltene Wendung, der Darlehensgeber könne die Rückzahlung des Darlehens samt Zinsen solange und soweit nicht verlangen, als damit „ein“ Grund für die Eröffnung „eines“ Insolvenzverfahrens herbeigeführt werde, sei intransparent. Der Konsument könne sich als außerhalb der Gesellschaft stehender Gläubiger keinen Überblick über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Emittentin verschaffen. Die Klausel verschaffe dem Darlehensgeber daher keine Klarheit darüber, ob und wann Gründe für die Insolvenz der Emittentin vorliegen, die einer Rückzahlung entgegen stünden, in welchem Verhältnis er zu anderen Nachrangdarlehensgebern stehe und wann die Unternehmenskrise wieder überwunden sei. Der Klage wäre aber auch dann stattzugeben, wenn die Klausel nicht intransparent wäre. Zu berücksichtigen sei nämlich, dass § 7 Abs 2 Satz 1 der Darlehensbedingungen im Singular nur das (jeweilige) Darlehen des Darlehensgebers nenne, die Rückzahlung (nur) der eingeklagten Darlehen aber keinen Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens darstellen würde.
[13] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil der Auslegung der Darlehensbedingungen im Hinblick auf die Vielzahl anhängiger Verfahren über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.
[14] Mit seiner Revisionstrebt der Beklagte die Abweisung des Klagebegehrens an; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
[15] Die Klägerinnen beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[16] Die Revision ist zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
[17] 1. Gemäß § 113 IO gelten die Bestimmungen der §§ 110 und 112 IO auch für die Fortsetzung und Entscheidung der gegen den Schuldner vor der Insolvenzeröffnung anhängig gewesenen und unterbrochenen Rechtsstreitigkeiten. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Schuldners kann gegen diesen während des Insolvenzverfahrens kein Leistungsurteil erwirkt werden. Durch die Aufnahme des zunächst infolge Insolvenzeröffnung unterbrochenen Verfahrens wird der bisherige gegen den Schuldner geführte Leistungsprozess von Gesetzes wegen zu einem Prüfungsprozess nach § 110 IO (vgl 8 ObA 65/19w mwN). Die – wenn auch erst im Revisionsverfahren erfolgte – Aufnahme des Prozesses durch den Masseverwalter hat zur Folge, dass der Leistungsprozess von Gesetzes wegen zum Prüfungsprozess geworden ist und von Amts wegen auf Feststellung der geltend gemachten Forderung in einer bestimmten Rangordnung im Konkurs zu erkennen ist (RS0041103). Das Leistungsbegehren ist über Antrag oder von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens – auch noch im Rechtsmittelverfahren – auf ein Feststellungsbegehren über Richtigkeit und Rangordnung der angemeldeten Forderung zu ändern (vgl RS0041103 [T3, T7, T8]). Diese Änderung ist deshalb geboten, weil dem Insolvenzgläubiger kein klagbarer Leistungsanspruch gegen die Insolvenzmasse zusteht (Fink in Fasching/Konecny 3 § 159 ZPO Rz 111).
[18] 2. In einem solchen Fall sind die Parteien grundsätzlich an den bei der Unterbrechung bestehenden Stand des Verfahrens gebunden (vgl G. Kodek in Bartsch/Pollak/Buchegger, Insolvenzrecht IV4 § 113 Rz 36 mwN). Inwieweit dessen ungeachtet neue Einreden bestreitender Gläubiger oder des Insolvenzverwalters, die in erster Instanz nicht erhoben wurden, im Rechtsmittelverfahren in Ausnahmefällen doch vorgebracht werden können (vgl etwa 17 Ob 9/21d; Lovrek, Zwischen den Welten, Insolvenzeröffnung nach Schluss der Verhandlung erster Instanz und Prüfungsprozess, in FS Konecny), muss hier nicht weiter geprüft werden, weil sich aus der Insolvenzeröffnung ergebende Änderungen der Sach‑ oder Rechtslage im Revisionsverfahren nicht geltend gemacht wurden.
[19] 3.1. § 2 Z 2 AltFG normierte in der Stammfassung des Gesetzes (idF vor der Novelle BGBl I 2018/48), dass (unter anderem) Nachrangdarlehen als alternative Finanzierungsinstrumente keinen unbedingten Rückzahlungsanspruch gewähren dürfen. § 2 Z 3 AltFG idF vor BGBl I 2018/48 definierte den unbedingten Rückzahlungsanspruch als Anspruch auf Rückzahlung hingegebener Gelder, der ohne Bedingung, insbesondere ungeachtet der wirtschaftlichen Lage des Emittenten, geltend gemacht werden kann. Nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 628 BlgNr 25. GP 4) kann die Geltendmachung der Forderungen des Darlehensgebers aus dem Darlehensvertrag sowohl für den Fall einer Insolvenz oder Liquidation des Darlehensnehmers als auch außerhalb einer Insolvenz vertraglich eingeschränkt werden („qualifizierte Nachrangklausel“).
[20] Dass sich die Legaldefinition des § 2 Z 2 AltFG aF seit der Novelle BGBl I 2018/48 im Gesetz nicht mehr findet, ist nicht auf eine inhaltliche Änderung zurückzuführen, sondern nur darauf, dass es seither keine Unterscheidung zwischen Veranlagungen gemäß KMG, Wertpapieren gemäß KMG und alternativen Finanzinstrumenten gemäß AltFG mehr geben soll; die bisher taxativ aufgezählten Finanzinstrumente verbleiben allerdings im Anwendungsbereich des AltFG, solange sie – wie im Regelfall Nachrangdarlehen – als Veranlagung zu qualifizieren sind (ErläutRV 187 BlgNR 26. GP 3).
[21] 3.2. Eine Nachrangabrede ist daher ein Rechtsgeschäft, bei dem der Gläubiger seine Forderung in der Liquidation oder im Insolvenzfall erst geltend machen kann, wenn alle nicht nachrangigen Gläubiger voll befriedigt wurden („einfache Nachrangabrede“). Ein qualifiziertes Nachrangdarlehen (vgl dazu Pateter/Pirker, Zur Rechtsnatur der Nachrangabrede, ZIK 2015, 217 [219]) ist dadurch gekennzeichnet, dass der Anleger nicht nur im Fall der Insolvenz nachrangig befriedigt wird, sondern auch dann keine Rückzahlung erhält, wenn sich die Gesellschaft in der Krise befindet. Sie bezweckt, dass die betreffende Verbindlichkeit bei der Prüfung der rechnerischen Überschuldung nicht berücksichtigt werden muss (Kriegner, Qualifizierte Nachrangdarlehen und Inhaltskontrolle, VbR 2017/78, FN 3).
[22] 3.3. Zwischen den Parteien wurde eine als „qualifiziertes Nachrangdarlehen“ bezeichnete Vereinbarung getroffen. In den dieser Vereinbarung zugrunde liegenden AGB findet sich die nähere Regelung dazu in § 7 „Nachrangigkeit“.
[23] 4. Im vorliegenden Individualprozess ist die Auslegung – anders als im Verbandsprozess – nicht „im kundenfeindlichsten Sinn“ vorzunehmen. Vielmehr hat sie zunächst nach den Grundsätzen der §§ 914, 915 ABGB zu erfolgen (7 Ob 106/14k = RS0016590 [T32]), und zwar so, wie sie sich einem durchschnittlichen Angehörigen aus dem angesprochenen Adressatenkreis erschließen (RS0008901 [T15]). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [T7, T87]). Unklarheiten gehen zu Lasten des Verwenders (RS0008901 [T41]), hier also der Schuldnerin.
[24] 5.1. Nach § 6 Abs 3 KSchG ist eine in AGB oder Vertragsformblättern enthaltende Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist (Transparenzgebot). Die AGB müssen so gestaltet sein, dass der Verbraucher durch ihre Lektüre klare und verlässliche Auskunft über seine Rechtsposition erhält (RS0115217 [T14]). Das Transparenzgebot begnügt sich dabei nicht mit formeller Textverständlichkeit, sondern verlangt, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher „durchschaubar“ sind (RS0122169 [T2, T6]). Es sollen daher auch jene Klauseln beseitigt werden, die dem Verbraucher ein unzutreffendes oder auch nur unklares Bild seiner vertraglichen Position vermitteln. Es soll verhindert werden, dass er dadurch von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird oder ihm unberechtigte Pflichten auferlegt werden. Das setzt die Verwendung von Begriffen voraus, deren Bedeutung dem typischen Verbraucher geläufig sind oder von ihm jedenfalls festgestellt werden können. Das können naturgemäß auch Fachbegriffe sein, nicht aber Begriffe, die so unbestimmt sind, dass sich ihr Inhalt jeder eindeutigen Festlegung entzieht (vgl RS0115217 [T3]). Daraus kann sich konkret eine Pflicht zur Vollständigkeit ergeben, wenn die Auswirkung einer Klausel sonst unklar bleibt (vgl 4 Ob 110/17f ua).
[25] 5.2. § 7 Abs 2 Satz 1 der Darlehensbedingungen legt – insoweit völlig unmissverständlich – fest, dass der Darlehensgeber trotz Fälligkeit des Darlehens unter bestimmten Umständen keine Zahlung erhält. Zu prüfen bleibt aber, ob diese Umstände mit „Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens“ ausreichend umschrieben sind.
[26] 5.3. Die Allgemeinen Vertragsbedingungen selbst definieren diese Wortfolge nicht näher und enthalten auch keinen Querverweis auf gesetzliche Bestimmungen über die Insolvenzeröffnung oder Vertragsbestimmungen. Wie bereits in Punkt 5.1. dargelegt, führt die Verwendung von (auch juristischen) Fachbegriffen nicht notwendiger Weise zur Intransparenz einer Vertragsbestimmung. Rechtsbegriffe haben in der Rechtssprache nämlich eine bestimmte Bedeutung und sind daher in diesem Sinn auszulegen. Dieser Grundsatz kann allerdings nur dann zur Anwendung kommen, wenn den zu beurteilenden Rechtsinstituten nach herrschender Ansicht ein unstrittiger Inhalt beigemessen wird und sie deshalb in der Rechtssprache eine einvernehmliche Bedeutung haben. Dementsprechendes hat auch für die in AGB verwendeten Rechtsbegriffe zu gelten (vgl RS0123773).
[27] 5.4. Die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens finden sich in §§ 66 f IO. Auch wenn die Klausel nicht auf diese Bestimmungen Bezug nimmt, sind die „Gründe für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens“ im Gesetz definiert, wobei auch der durchschnittliche Verbraucher mit einer Insolvenzeröffnung Überschuldung bzw Zahlungsunfähigkeit verbinden wird, mögen ihm auch die konkreten rechtlichen Details nicht näher bekannt sein. Der vom Berufungsgericht geforderte Hinweis auf konkrete Bestimmungen der Insolvenzordnung, in denen die Voraussetzung für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geregelt werden bzw die Auflistung detaillierter Angaben in der Klausel über die Fälle, in denen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens droht, lassen damit keine zusätzliche Klarheit für den Vertragspartner erwarten. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Parteien in der Darlehensabrede dem Begriff einen anderen als den gesetzlichen Inhalt beilegen wollten.
[28] 5.5. Kann aber eine Rückzahlung dann nicht verlangt werden, wenn und soweit eine solche Zahlung dazu führen würde, dass die nunmehrige Schuldnerin nach dem Gesetz zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gezwungen wäre, kann die Klausel von einem durchschnittlich verständlichen Vertragspartner auch nicht dahin verstanden werden, dass es bei der Beurteilung der drohenden Insolvenz nur auf die Höhe seiner eigenen Forderung ankommt, sondern es muss dabei notwendigerweise die wirtschaftliche Situation des gesamten Unternehmens im Zeitpunkt der Fälligkeit des jeweiligen Darlehens berücksichtigt werden. Dabei kann die Vertragsbestimmung objektiv nur so verstanden werden, dass auch die Verbindlichkeiten aus anderen Nachrangdarlehen, soweit sie zu diesem Zeitpunkt bereits fällig sind, heranzuziehen sind. Dieses Auslegungsergebnis wird auch dem Zweck eines qualifizierten Nachrangdarlehens gerecht, der ja gerade darin liegt, dass der Rückzahlungsanspruch nicht unbedingt zusteht, sondern der Darlehensgeber aufschiebend bedingt mit Eintritt eines negativen Eigenkapitals (bzw des Fehlens eines Bilanzgewinns oder Liquidationsüberschusses) auf die Durchsetzbarkeit des Anspruchs verzichtet; dies wiederum unter der auflösenden Bedingung des Wegfalls des negativen Eigenkapitals bzw des Vorliegens eines Bilanzgewinns oder Liquidationsüberschusses (Pirker, Qualifizierte Nachrangdarlehen als Finanzierungsinstrument, RdW 2016/591, 807 [809]).
[29] 5.6. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist damit nicht von einer Intransparenz der konkreten Klausel auszugehen. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass für den Darlehensgeber die wirtschaftliche Entwicklung und Lage des Darlehensnehmers möglicherweise nicht (leicht) erkennbar ist. Das Wissen um die eigene vertragliche Position (hier als Darlehensgeber eines hochriskanten qualifizierten Nachrangdarlehens) und die Verpflichtungen des Vertragspartners dürfen nicht verwechselt werden mit der Möglichkeit zu überprüfen, ob diese Pflichten vom Darlehensnehmer auch eingehalten werden. Dass, wie die Klägerinnen argumentieren, der Verbraucher sich als außerhalb der Gesellschaft stehender Gläubiger keinen Überblick über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Schuldnerin verschaffen kann, sagt nichts darüber aus, ob ihm als Darlehensgeber zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bewusst war, dass er im Fall einer drohenden Zahlungsunfähigkeit keine Rückzahlung erhalten wird, ihm daher bei Vertragsabschluss die Bedeutung der qualifizierten Nachrangigkeit ausreichend deutlich dargestellt wurde. Dass der durchschnittliche Verbraucher das Risiko des Finanzinstruments mangels Überblicks über die finanzielle Situation des Darlehensnehmers nicht abschätzen habe können – so die Revisionsbeantwortung –, ist daher allenfalls für die Frage der ordnungsgemäßen Aufklärung bei Vertragsabschluss von Bedeutung. Im Übrigen regelt die Klausel auch nicht allfällige Kontrollrechte des Darlehensgebers, sondern definiert nur, was zwischen den Parteien als Nachrangigkeit verstanden wird.
[30] 6.1. Der Oberste Gerichtshof hat im Rahmen eines Verbandsverfahrens bereits dazu Stellung genommen, inwieweit die Vertragsbestimmungen, die die qualifizierte Nachrangigkeit einer Darlehensvereinbarung konkretisieren, die Hauptleistungspflicht betreffen und daher einer inhaltlichen Kontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB entzogen sind (4 Ob 110/17f = VbR 2018/25 [Georg Graf] = ecolex 2018/4 [Sommerauer] = VbR 2019/132 [Mock]). In dieser Entscheidung kam der Oberste Gerichtshof zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass es sich bei der zu beurteilenden qualifizierten Nachrangklausel um ein für den Vertragstypus konstitutives Merkmal handelt, das daher der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB entzogen ist. Das Zurverfügungstellen von Kapital ist die Hauptleistung des Verbrauchers, während der Darlehensnehmer Rückzahlung und Verzinsung schuldet. Der Befriedigungsrang der entsprechenden Forderung des Darlehensgebers ist als Faktor anzusehen, der die Art und Güte der geschuldeten Leistung festlegt, weil davon abhängt, ob das Darlehen als Fremd- oder Mezzaninkapital (eine Mischform zwischen Eigen- und Fremdkapital) anzusehen ist (4 Ob 110/17f Pkt.4.).
[31] 6.2. Auch der erkennende Senat geht davon aus, dass die inkriminierte Klausel (Vertragsbestimmung § 7 Abs 2) die Hauptleistungspflichten der Parteien regelt und daher einer Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB entzogen ist.
[32] 7. In der Entscheidung 4 Ob 110/17f Pkt 4. mwN (zust Pirker, Qualifizierte Nachrangdarlehen als Finanzierungsinstrument, RdW 2016/591, 810) wurde auch bereits ausgesprochen, dass die Entgegennahme von Kapital in Form von Nachrangdarlehen nicht als konzessionspflichtiges Einlagengeschäft gilt (vgl auch Völkel/Marek in König/Mitterecker, Praxishandbuch Sportrecht Kap 30 I.A.3.b) aa); Johannes Reich‑Rohrwig, Crowdfunding und andere Formen der Unternehmensfinanzierung, ecolex 2020, 4; Rolf Majcen, Die neue EU-Crowdfunding Verordnung, ÖBA 2020, 868 [872]).
[33] 8. Zusammenfassend ist daher allein aufgrund des Vertragstextes nicht von einer Unwirksamkeit der Vereinbarung über ein qualifiziertes Nachrangdarlehen auszugehen. Allerdings haben die Vorinstanzen aufgrund ihrer – vom erkennenden Senat nicht geteilten – Rechtsauffassung hinsichtlich der Wirksamkeit der Vereinbarung noch keine Beweise zu den übrigen Einwendungen der Klägerinnen gegen die Wirksamkeit der getroffenen Vereinbarung (insbesondere Sittenwidrigkeit des Geschäftsmodells; mangelhafte Aufklärung, wobei allerdings noch kein Vorbringen zur Zurechenbarkeit des Vermittlers an die Schuldnerin erstattet wurde; irreführende Werbung) aufgenommen. Zu diesem Zweck ist die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen unumgänglich.
[34] 9. Sollte von einem wirksam vereinbarten Nachrangdarlehen auszugehen sein, liegt die Beweislast für den Eintritt des Nachrangfalls bei der Schuldnerin. Dabei werden im fortgesetzten Verfahren allerdings auch durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bedingte Änderungen der Sachlage zu berücksichtigen sein.
[35] 10. Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 ZPO.
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