OGH 7Ob106/14k

OGH7Ob106/14k29.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** AG, *****, vertreten durch Dr. Peter Gatternig, Mag. Karl Gatternig, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1) Dr. J***** F*****, 2) Dr. E***** F*****, beide vertreten durch Dr. Adalbert Laimer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 297.386 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. April 2014, GZ 15 R 39/14m‑38, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien, GZ 4 Cg 1/12i‑19, in der Fassung des Ergänzungsbeschlusses vom 26. Juli 2013, GZ 4 Cg 1/12i‑21, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 2.932,91 EUR (darin enthalten 488,82 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die Parteien schlossen im Juli 2005 einen Fremdwährungskreditvertrag. Mit diesem Kredit wurde ein bei einer anderen Bank aufgenommener Kredit umgeschuldet, mit dem der Erwerb der Wohnung der Beklagten in Wien finanziert worden war. Der Klägerin war der Zweck der Kreditaufnahme bekannt.

Eine Kündigungsbestimmung im Kreditvertrag lautet:

„Kündigung: Außer im Falle einer Fixzinsvereinbarung kann dieses Finanzierungsverhältnis von der Klägerin unter Einhaltung einer dreimonatigen Frist zum Ende der jeweiligen Zinsperiode, vom Kreditnehmer/Schuldner unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Ende der jeweiligen Zinsperiode, ganz oder teilweise zur vorzeitigen Rückzahlung (außerordentlichen Tilgung) gekündigt werden.“

Die dem Kreditvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Klägerin, Stand Juni 2003, lauten auszugsweise:

„G. Beendigung der Geschäftsbedingung

1. Beendigung durch das Kreditinstitut

a) Ordentliche Kündigung

Z 22. Soweit keine Vereinbarung auf eine bestimmte Dauer vorliegt, kann das Kreditinstitut die gesamte Geschäftsverbindung oder einzelne Teile davon jederzeit unter Einhaltung einer angemessenen Frist kündigen.

b) Kündigung aus wichtigem Grund

Z 23.

(1) Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes kann das Kreditinstitut ungeachtet anderweitiger Vereinbarungen die gesamte Geschäftsverbindung oder einzelne Teile davon jederzeit mit sofortiger Wirkung kündigen.

(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor,

wenn eine Verschlechterung oder Gefährdung der Vermögensverhältnisse des Kunden oder eines Mitverpflichteten eintritt und dadurch die Erfüllung von Verbindlichkeiten gegenüber dem Kreditinstitut gefährdet ist;

der Kunde unrichtige Angaben über seine Vermögensverhältnisse oder sonstige wesentliche Umstände macht oder der Kunde die Verpflichtung zur Bestellung oder Verstärkung von Sicherheit nicht erfüllt oder nicht erfüllen kann.

2. Rechtsfolgen

Z 24.

(1) Mit Beendigung der gesamten Geschäftsverbindung oder einzelner Teile davon werden daraus geschuldete Beträge sofort fällig. […]“

Die gleichfalls dem Kreditvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Finanzierungsbedingungen (AFB) der Klägerin lauten auszugsweise wie folgt:

„3. Fälligstellung, Terminsverlust:

3.1 [...] Während der gesamten Laufzeit des Finanzierungsverhältnisses kann die Bank bei Vorliegen eines wichtigen Grundes das Finanzierungsverhältnis mit sofortiger Wirkung kündigen und den aushaftenden Finanzierungsbetrag fällig stellen. Als wichtiger Grund gelten insbesondere die nachstehend unter 3.2 angeführten Kündigungsgründe sowie die in Z 23. (2) der AGB der Klägerin enthaltenen wichtigen Gründe.

3.2 Als wichtige Kündigungsgründe sind insbesondere anzusehen:

a) Der Kunde ist mit mindestens zwei aufeinanderfolgenden Ratenzahlungen ganz oder teilweise in Rückstand, wobei die früher fällige Ratenzahlung seit mindestens 6 Wochen fällig ist und die Bank den Kunden unter Androhung der Kündigung und unter Setzung einer Nachfrist von 2 Wochen erfolglos gemahnt hat. [...]

g) Auf das Vermögen des Kunden werden Exekutionen wegen Forderungen geführt, die 15 % des von der Bank gewährten Finanzierungsrahmens oder EUR 10.000 übersteigen, außer der Kunde hat oder stellt ausreichende (zusätzliche) Sicherheiten zur Verfügung oder die Exekution wird binnen drei Monaten eingestellt. […]“

Mit 21. 1. 2010 erfolgte die Konvertierung des Fremdwährungskredits, der an diesem Tag mit 459.722,60 CHF aushaftete. Der konvertierte Betrag belief sich auf 311.676,34 EUR.

Nach der Konvertierung, mit der die Beklagten nicht einverstanden waren, leisteten sie keine Zahlungen mehr. Auf dem Konto Nr ***** gingen aber aus der Veräußerung von verpfändeten Versicherungen 57.424,31 EUR ein.

Nachdem die Klägerin die P***** GmbH, deren Gesellschafter und Geschäftsführer der Erstbeklagte war, und den Erstbeklagten zu 31 Cg 72/10p des Handelsgerichts Wien geklagt hatte, verpflichteten sich die genannte GmbH und der Erstbeklagte, der Klägerin 41.420 EUR samt 16 % Zinsen seit 16. 1. 2010 und die Prozesskosten von 5.482 EUR zu zahlen. Mangels Zahlung wurde gegen den Erstbeklagten mit Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 21. 12. 2010, 24 E 55/10z, die Zwangsversteigerung der dem Erstbeklagten gehörenden 144/2633‑Anteile an der EZ ***** GB *****, bewilligt. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 14. 9. 2011 wurde die Exekution auf Antrag der Klägerin gemäß § 39 Abs 1 Z 6 EO eingestellt.

Aufgrund des rechtskräftigen Zahlungsbefehls gegen den Erstbeklagten zu GZ 9 Cg 100/11h‑2 des Erstgerichts vom 13. 10. 2011 über 21.329,80 EUR wurde auf Antrag der Klägerin am 2. 1. 2012 zu 24 E 1/12m des Bezirksgerichts Fünfhaus die Versteigerung der dem Erstbeklagten gehörenden 144/2633‑Anteile an der EZ *****, GB *****, bewilligt.

Mit den Beklagten am 15. 9. 2011 zugegangenem Schreiben erklärte die Klägerin die ordentliche Kündigung des Kreditvertrags per 31. 12. 2011.

Zum 31. 12. 2011 hafteten folgende Beträge aus:

1. Kapital 250.136,63 EUR

2. Zinsen laut Kreditvertrag 12.074,09 EUR

3. Zinseszinsen 29.757,08 EUR

4. Spesen 5.415,20 EUR.

Wäre der Kredit von der Klägerin nicht im Jänner 2010 konvertiert worden, hätte sich die zum 31. 12. 2011 aushaftende Kreditsumme unter Berücksichtigung der eingegangenen Erlöse der Jahre 2010 und 2011 wie folgt dargestellt:

1. Kapital 380.357,54 CHF

2. Zinsen 10.198,51 CHF.

Unter Berücksichtigung eines Kurses von 1,2096 im 4. Quartal 2011 wäre somit ein Betrag von 322.880,33 EUR per 31. 12. 2011 aushaftend gewesen.

Mit der am 2. 1. 2012 eingelangten Klage begehrt die Klägerin die Zahlung von 297.386 EUR sA. Im Kreditvertrag sei vorgesehen, dass das Vertragsverhältnis unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Ende der jeweiligen Zinsperiode gekündigt werden könne. Die Zinsperioden seien jeweils mit den Kalenderquartalen festgelegt worden.

Die Klägerin habe gegen den Erstbeklagten zu 24 E 55/10z und zu 24 E 1/12m des Bezirksgerichts Fünfhaus Exekutionsverfahren zur Einbringung von Forderungen über 10.000 EUR eingeleitet. Sie sei daher nach Punkt 3. der AFB berechtigt gewesen, die Forderung aus dem Kredit sofort geltend zu machen und habe zur Sicherheit auch die Kündigung auf Basis der Vereinbarungen im Kreditvertrag zum Jahresende 2011 durchgeführt. Hiedurch habe sie jedoch nicht auf das Recht zur sofortigen Vertragsauflösung verzichtet. Das Kündigungsschreiben sei von beiden Beklagten am 15. 9. 2011 übernommen worden. Die Forderung sei somit jedenfalls zum 31. 12. 2011 fällig.

Die Beklagten beantragen die Abweisung der Klage. Die Klägerin habe den Kredit bereits mit Schreiben vom 17. 12. 2009 ohne rechtliche Grundlage fällig gestellt. Auf Grund dieser Fälligstellung seien Verzugszinsen in Anrechnung gebracht worden, was zu einer unrichtigen Berechnung der Aushaftung und der wiederum von dieser in Anrechnung gebrachten Zinsen geführt habe. Die Klägerin habe unberechtigt am 20. 1. 2010 die Konvertierung durchgeführt. Dies habe ebenfalls zu einer höheren Zinsbelastung geführt. Punkt 75 der AGB sowie Punkt 7.16 der AFB könnten die Zwangskonvertierung nicht begründen, da diese Klauseln intransparent nach § 6 Abs 3 KSchG, gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB und überraschend im Sinn des § 864a ABGB seien. Ebenso sei das Recht zur bedingungslosen Kündigung sittenwidrig, da es eine gröbliche Benachteiligung der Beklagten darstelle.

Die Beklagten wandten insgesamt einen infolge rechtswidriger Eintragung des Erstbeklagten in die Warnliste des Kreditschutzvereins (KSV) verursachten Schaden in Höhe von 260.000 EUR aufrechnungsweise ein.

Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung als mit 297.386 EUR zu Recht bestehend, die Gegenforderung des Erstbeklagten von 260.000 EUR als nicht zu Recht bestehend und verpflichtete die Beklagten zu ungeteilter Hand zur Zahlung des Klagsbetrags samt Anhang und zum Kostenersatz.

Die Beklagten seien mit der Zahlung der Zinsen und Spesen des dritten Quartals in Rückstand gewesen. Sie hätten den Rückstand verspätet, nämlich statt bis zum 4. 2. 2009, erst am 6. 2. 2009 beglichen. Da die Klägerin keine weiteren Schritte eingeleitet habe, hätten die Beklagten darauf vertrauen können, dass mit der Zahlung des Rückstands das Schreiben vom 21. 1. 2009 hinfällig geworden sei.

Mit Jahresende 2009 habe kein Rückstand bestanden. Die Klägerin könne sich daher für die Konvertierung nicht auf einen über zwei Monate bestehenden Rückstand berufen. Selbst wenn man nach Z 75 der AGB eine Erhöhung des Kreditrisikos unterstellte, wäre eine Konvertierung mangels Vorliegens der weiteren Voraussetzungen nicht zulässig. Dies gelte auch für die Fälligstellung des Kredits und damit einhergehend den Eintrag des Erstbeklagten in die Warnliste des KSV.

Nach dem Kreditvertrag stehe es beiden Vertragspartnern frei, den Kredit aufzukündigen. Die Klägerin habe dies unter Einhaltung einer dreimonatigen Frist zum Ende der jeweiligen Zinsperiode zu tun. Die Kündigung per 31. 12. 2011 sei zulässig.

Da allerdings die Konvertierung im Jänner 2010 nicht zulässig gewesen sei, sei für den Klagsanspruch jener Betrag heranzuziehen, der zum 31. 12. 2011 fällig gewesen wäre, wenn der Kredit weiterhin in CHF geführt worden wäre. Der Kapitalbetrag einschließlich der quartalsmäßig zu zahlenden Zinsen belaufe sich auf 322.880,33 EUR. Da die Klägerin 297.386 EUR eingeklagt habe, bestehe der Klagsanspruch zu Recht. Die eingewendete Gegenforderung bestehe hingegen nicht zu Recht.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es das Klagebegehren abwies. Ein ordentliches Kündigungsrecht des Kreditgebers stelle eine Abweichung vom dispositivem Recht dar, weil der Abschluss eines befristeten Kreditverhältnisses gerade den Verzicht auf die Ausübung eines ordentlichen Kündigungsrechts beinhalte. Davon ausgehend sei eine Vertragsbestimmung, die dem Kreditgeber die Möglichkeit einer ‑ wenn auch an die Einhaltung einer an sich angemessenen Kündigungsfrist gebundene ‑ Kündigung ohne Grund einräume, gröblich benachteiligend nach § 879 Abs 3 ABGB. Verpflichteter der beiden festgestellten Exekutionsverfahren sei allein der Erstbeklagte, nicht auch die Zweitbeklagte. Punkt 3.2 lit g AFB spreche von Exekutionsverfahren auf das Vermögen „des Kunden“, ohne Aufschlüsse darüber zu geben, ob bei mehreren Kreditnehmern ‑ wie hier ‑ die Voraussetzung der Exekution über das Vermögen schon eines der Kreditnehmer als erfüllt gelte. Bei sämtlichen übrigen Bestimmungen der AFB seien mit „Kunde“ offensichtlich jeweils sämtliche Kreditnehmer gemeint, weil die jeweiligen Pflichten, insbesondere die Informations‑ und Zahlungspflichten, erkennbar alle Kreditnehmer träfen. Selbst wenn man dieser Auslegung nicht folgen wollte, ergebe sich nach § 915 zweiter Fall ABGB die Auslegung der Formulierung „des Kunden“ in Punkt 3.2 lit g AFB zu Lasten der Klägerin als Verwenderin der AFB dahin, dass die dort formulierten Voraussetzungen für eine Kündigung mit sofortiger Wirkung nur dann als eingetreten gelten sollten, wenn die dort genannten Exekutionen gegen sämtliche Kreditnehmer, hier daher gegen beide Beklagten geführt würden. Die Voraussetzung sei nicht erfüllt, weil gegen die Zweitbeklagte keine Exekutionsverfahren geführt worden seien.

Darüber hinaus gestatte die Bestimmung nach Punkt 3.2 lit g AFB die Vertragsbeendigung auch dann, wenn die Erfüllung des Vertrags durch die Kreditnehmer nicht gefährdet sei. Die Bestimmung habe keinen erkennbaren Bezug zum Kreditverhältnis. Sie verstoße gegen § 6 Abs 2 Z 1 KSchG und § 879 Abs 3 ABGB und sei damit im Verfahren nicht anzuwenden.

Die Klägerin könne sich daher weder auf eine ordentliche noch auf eine außerordentliche Kündigung stützen. Das Klagebegehren sei abzuweisen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Klägerin mit einem Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten begehren in der ihnen freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig. Da Klauseln in AGB einen größeren Personenkreis betreffen, ist ihre Auslegung, sofern dazu ‑ wie im vorliegenden Fall zur Zulässigkeit der Klausel Punkt 3.2 lit g der AFB der Klägerin ‑ nicht bereits Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliegt, revisibel, es sei denn, die betreffende Regelung wäre so eindeutig, dass nur eine Möglichkeit der Beurteilung in Betracht zu ziehen ist (RIS‑Justiz RS0121516). Dies ist hier nicht der Fall. Die Revision ist aber nicht berechtigt.

1. Punkt 3.2 lit g der AFB nennt als wichtigen Kündigungsgrund, dass auf das Vermögen des Kunden Exekutionen wegen Forderungen geführt werden, die 15 % des von der Bank gewährten Finanzierungsrahmens oder 10.000 EUR übersteigen, außer der Kunde hat oder stellt ausreichende (zusätzliche) Sicherheiten zur Verfügung oder die Exekution wird binnen drei Monaten eingestellt.

1.1 Nach Gschnitzer (in Klang² IV/I, 282) kann der Gegner der mehrgliedrigen Partei sein Gestaltungsrecht ausüben, wenn die Voraussetzungen dafür auch nur bei einem Mitgenossen gegeben sind und wenn dessen Verhalten nach Treu und Glauben für die Aufhebung oder Anfechtung des ganzen Schuldverhältnisses als genügender Grund erscheint.

Perner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 888 ABGB Rz 25, 26 führt aus, eine derart allgemeine Aussage sei unzulässig, es seien vielmehr Fallgruppen zu bilden, wobei entweder die Auslegung der Bestimmung, die das Gestaltungsrecht enthält, entscheidend sein (1.) oder die Antwort aus den Bestimmungen über die Mehrheiten im Schuldverhältnis direkt gewonnen werden könne (2.). Die Frage, ob sich Merkmale, die nur in einer Person einträten, auf die anderen Beteiligten auswirkten, sei nicht immer durch die Bestimmungen über die Mehrheiten im Schuldverhältnis geregelt. In den Fällen, in denen die Auswirkung eines in einer Person eintretenden Umstands auf seine Gemeinschafter nicht Gegenstand der Bestimmung über die Mehrheiten sei, seien die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen sorgfältig auszulegen, um die Frage nach dem Bestehen eines Gestaltungsrechts zu klären. In vielen Fällen erscheine oft der Gedanke zutreffend, dass das zum Gestaltungsrecht führende Verhalten zwar formal nur in einer Person eintrete, in Wahrheit aber das gesamte Schuldverhältnis betreffe. So etwa, wenn nur einer der Mitmieter vom Mietgegenstand einen erheblich nachteiligen Gebrauch mache. Zum anderen könne sich aus der Umschreibung der geschuldeten Leistung ergeben, dass Handlungen oder Unterlassungen eines Beteiligten für oder gegen die anderen wirkten.

Auch der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass ganz allgemein auch bei Gesamtschuldverhältnissen Verschulden und Verzug nur gegen den Schuldigen und Säumigen wirken, sofern sich nicht aus der Natur des Schuldverhältnisses anderes ergibt (RIS‑Justiz RS0025091).

Es ist daher durch Auslegung des verwendeten Begriffs „Kunde“ in Punkt 3.2 lit g der AFB zu klären, ob der Kündigungsgrund in Bezug nur auf einen oder auf sämtliche Kreditnehmer erfüllt sein muss.

1.2 Allgemeine Geschäftsbedingungen sind, wenn sie ‑ wie hier ‑ nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, nach ständiger Rechtsprechung unter Beschränkung auf ihren Wortlaut so auszulegen, wie sie sich einem durchschnittlichen Angehörigen aus dem angesprochenen Adressatenkreis erschließen. Unklarheiten gehen im Sinn des § 915 ABGB zu Lasten des Verwenders (RIS‑Justiz RS0018008, RS0008901); hier also der Klägerin. Es ist der einem objektiven Beobachter erkennbare Zweck einer Bestimmung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0017960).

1.3 Im vorliegenden Fall haben sich die Beklagten ‑ freiwillig ‑ zu einer Mehrheit von Schuldnern verbunden. Sie haben demnach auch ihre vertraglichen Verpflichtungen gemeinschaftlich zu erfüllen. Damit boten sie der Klägerin einen Haftungsfonds in Form mehrerer Schuldner an. Sie konnten daher nicht davon ausgehen, dass die Bank den Vertrag in derselben Form auch nur mit einem Schuldner und damit einem geringeren Haftungsfonds abgeschlossen hätte. Vielmehr mussten sie damit rechnen, dass die klagende Klägerin den Vertrag, den sie mit einer Personenmehrheit abschloss, auch nur mit einer Personenmehrheit aufrecht erhalten wollte, die aber mit dem Ausfall eines der Kreditschuldner wegen der konkret genannten Vermögensverschlechterung wegfällt. Dann ist das Restschuldverhältnis für die Bank nicht mehr von Interesse. Für den Fall, dass nämlich auch noch beim verbleibenden Gesamtschuldner eine Vermögensverschlechterung eintritt, wäre dies aus Sicht der Bank gleichbedeutend damit, dass sie allenfalls ihre Forderung gar nicht mehr realisieren könnte. Es ist ihr gegen ihren Willen nicht zuzumuten, dass sie dieses erhöhte Risiko eingeht. Damit ist der erkennbare Zweck der Bestimmung des Punkt 3.2 lit g AFB der, dass der vereinbarte wichtige Grund auch dann vorliegt, wenn er nur bei einem der Kreditnehmer verwirklicht ist.

1.4 Auch in Deutschland ist allgemein anerkannt, dass bei der außerordentlichen Kündigung zur Beendigung des Darlehensverhältnisses bereits ein in der Person eines Gesamtschuldners vorliegender wichtiger Grund, insbesondere die wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse, für die Kündigung gegenüber allen Darlehensnehmern genüge (Mülbert in Staudinger [2011] § 490 BGB Rz 17; Looschelders in Staudinger [2012] § 425 BGB Rz 21 Gehrlein in Bamberger/Roth³ § 425 BGB Rz 3; Berger in MünchenerKomm6 § 490 BGB Rz 3).

Das Oberlandesgericht München (NJW‑RR 1996, 370) sprach ebenfalls aus, dass, wenn ein Darlehen von mehreren Personen in Anspruch genommen werde, es für eine Kündigung nach der genannten Klausel ausreiche, wenn der wichtige Grund in der Person eines Gesamtschuldners vorliege, so wenn bei einem Gesamtschuldner eine wesentliche Verschlechterung seiner Vermögenslage eintrete oder einzutreten drohe. Dieses Ergebnis folge aus der vorzunehmenden Interessenabwägung.

1.5 Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass Punkt 3.2 lit g AFB dahin auszulegen ist, dass der dort genannte wichtige Kündigungsgrund schon dann vorliegt, wenn er in der Person eines Kreditnehmers erfüllt ist.

2. Das Berufungsgericht prüfte weiters die Zulässigkeit dieser Bestimmung nach § 6 Abs 1 Z 2 KSchG und nach § 879 ABGB. Dabei kam es zu dem Ergebnis, dass die Bestimmung die Vertragsbeendigung auch dann gestatte, wenn die Erfüllung des Kreditvertrags nicht gefährdet sei, weshalb sie gegen § 6 Abs 2 Z 1 KSchG und § 879 Abs 3 ABGB verstoße.

Nach § 879 Abs 3 ABGB ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt. Das dadurch geschaffene, sogenannte bewegliche System berücksichtigt einerseits die objektive Äquivalenzstörung und andererseits die sogenannte „verdünnte Willensfreiheit“. Weicht eine Klausel von dispositiven Vorschriften ab, liegt eine gröbliche Benachteiligung eines Vertragspartners im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB schon dann vor, wenn es für die Abweichung keine sachliche Rechtfertigung gibt. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht (RIS‑Justiz RS0016914).

§ 6 Abs 2 Z 1 KSchG untersagt die Vereinbarung eines Rücktritts‑(Kündigungs‑)rechts des Unternehmers ohne sachlichen Grund. In Lehre und Rechtsprechung ist anerkannt, dass Dauerschuldverhältnisse bei Vorliegen wichtiger Gründe vorzeitig aufgelöst werden können, wobei als wichtige Gründe Umstände angesehen werden, die es für eine Partei unzumutbar erscheinen lassen, das Dauerschuldverhältnis weiter aufrecht zu erhalten (Rummel in Rummel ABGB³ § 859 Rz 27, Würth in Rummel ABGB³ § 1118 Rz 21 f RIS‑Justiz RS0027780, RS0018305). Entscheidend ist daher, ob die Fortsetzung des Schuldverhältnisses für den Vertragspartner ‑ insbesondere wegen Gefährdung seiner Rechtsstellung ‑ unzumutbar wird (RIS‑Justiz RS0027780).

In der Entscheidung 4 Ob 179/02f wurde eine Klausel im Sinn des § 6 Abs 2 Z 1 KSchG für unbedenklich erklärt, die den Eintritt der Verschlechterung oder Gefährdung der Vermögensverhältnisse des Kunden oder eines Mitverpflichteten dann als wichtigen Grund für die vorzeitige Vertragsauflösung vorgesehen hatte, wenn dadurch die Erfüllung der Verbindlichkeit gegenüber der Bank gefährdet ist.

In den Entscheidungen 5 Ob 266/02g, 4 Ob 221/06p und 4 Ob 59/09v wurden Klauseln in AGB, wonach das Kreditinstitut zur Kündigung des Kredits berechtigt ist, wenn in den Vermögensverhältnissen eines Kreditnehmers oder eines etwaigen Bürgen eine wesentliche Verschlechterung eintritt, so zB, wenn einer der Genannten seine Zahlungen einstellt, über das Vermögen eines der Genannten Exekution geführt oder ein Insolvenzverfahren eröffnet oder die Einleitung eines solchen mangels Kostendeckung abgewiesen wird, als gegen § 6 Abs 2 Z 1 KSchG verstoßend beurteilt, weil die Vertragsbeendigung auch ohne Gefährdung der Rechtsstellung der Bank ermöglicht werde. Der für eine vorzeitige Beendigung erforderliche wichtige Grund ist erst dann verwirklicht, wenn der in der Klausel angeführte Umstand die Erfüllung der Verbindlichkeiten gegenüber der Bank auch tatsächlich gefährden kann. Dies ist etwa dann nicht der Fall, wenn weitere Sicherheiten vorhanden sind oder von dritter Seite gestellt werden können (4 Ob 221/06b).

Diesen Entscheidungen lagen Verbandsklagen zugrunde. Die mit Verbandsklagen beanstandeten Klauseln waren daher im „kundenfeindlichsten“ Sinn auszulegen (RIS‑Justiz RS0016590). Diese Art der Auslegung ist im Individualprozess aber nicht vorzunehmen (Vonkilch in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 915 ABGB Rz 32 ff). Vielmehr hat die Auslegung nach den bereits dargestellten Grundsätzen der §§ 914, 915 ABGB zu erfolgen.

Punkt 3.2 lit g AFB enthält die Umschreibung der für die Kündigung maßgeblichen Umstände. Diese sind die Führung von Exekutionen über das Vermögen des Kunden, aber nicht generell, sondern hinsichtlich eines in Relation zur Kredithöhe nicht unbeträchtlichen Betrags (15 % der Kreditrahmensumme oder 10.000 EUR übersteigend) über einen längeren Zeitraum (drei Monate). Bei Vorliegen dieser konkret genannten Voraussetzungen manifestiert sich ‑ auch für den durchschnittlichen Kreditnehmer erkennbar ‑ objektiv eine Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse. Dies reicht aber für die Wirksamkeit des Kündigungsgrundes nicht aus, wenn nicht der Umstand berücksichtigt wird, dass durch die genannte Verschlechterung der Vermögensverhältnisse auch die Erfüllung der Verbindlichkeiten der Bank gegenüber gefährdet wird. Dies ist ‑ wie angeführt ‑ dann nicht der Fall, wenn ausreichende Sicherheiten vorhanden sind oder weitere gestellt werden können. Dem trägt die Bestimmung des Punkt 3.2 lit g AFB insoweit Rechnung, als der Kündigungsgrund nur dann gegeben ist, wenn der Kunde keine ausreichenden Sicherheiten hat oder keine zusätzlichen Sicherheiten zur Verfügung stellt. Insoweit rechtfertigt nicht die Führung einer Exekution im genannten Umfang schlechthin die Vertragsbeendigung, sondern nur in dem Fall, in dem die Verschlechterung der Vermögensverhältnisse Einfluss auf das bestehende Kreditverhältnis dadurch nimmt, dass mangels ausreichender (zusätzlicher) Sicherheiten die Erfüllung der Verbindlichkeiten gegenüber der Bank auch tatsächlich gefährdet sein kann. Damit ist die Klausel im Sinn des § 6 Abs 2 Z 1 KSchG und § 879 Abs 3 ABGB unbedenklich.

3. Ein Kreditvertrag begründet im Regelfall ein auf gegenseitige Leistung, nämlich die Zurverfügungstellung von Kredit gegen Vergütung (Zinsen und Provision), gerichtetes Dauerschuldverhältnis (RIS‑Justiz RS0019211).

Die Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund erfolgt durch einseitige empfangsbedürftige Erklärung, die formfrei ist und mit dem Zeitpunkt des Zugangs an den Erklärungsempfänger wirksam wird (RIS‑Justiz RS0027780). Dass der Kreditnehmer den wichtigen Grund in der Auflösungserklärung nennt, ist nicht erforderlich, sofern er nur objektiv gesehen vorlag (1 Ob 536/93 mwN). Die Klage ersetzt die Rücktrittserklärung, wenn nach § 921 ABGB auf Ersatz des Nichterfüllungsschadens geklagt wird oder wenn ein Dauerschuldverhältnis aus wichtigem Grund aufgelöst wird (RIS‑Justiz RS0018258, insbesondere 7 Ob 249/07d).

Im vorliegenden Fall stützt sich die Klägerin ausdrücklich auf die im September 2011 erfolgte Auflösung des Kreditverhältnisses zum 31. 12. 2011. Zu prüfen ist daher das Vorliegen des geltend gemachten Auflösungsgrundes des Punktes 3.2 lit g AFB zum Zeitpunkt des Zugangs der Auflösungserklärung am 15. 9. 2011.

4. Maßgebend für die Beendigung der Geschäftsbedingung aus wichtigen Gründen, insbesondere wegen Eintritts einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögenslage und die sofortige Fälligstellung der Salden ist, dass dem Kreditinstitut nach Abschluss der einzelnen Darlehen oder Kreditverträge Umstände bekannt werden, die das Vertrauen erschüttern. Es kommt nicht gerade darauf an, dass sich die Entwicklung von einem ganz bestimmten Tag auf einen anderen bestimmten Tag ändert, sondern es ist die Gesamtentwicklung von Bedeutung. Bei den die Vertrauenswürdigkeit des Bankkunden beeinträchtigenden beispielhaft aufgezählten Tatsachen der wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse und der erheblichen Vermögensgefährdung sind nicht so sehr streng juristische Maßstäbe, sondern wirtschaftliche Gesichtspunkte und die Verkehrsauffassung bestimmend (RIS‑Justiz RS0105348).

5. Wie ausgeführt, ist Voraussetzung der Wirksamkeit der Bestimmung des Punktes 3.2 lit g AFB, dass durch die dort genannte Verschlechterung der Vermögensverhältnisse die Erfüllung der Verbindlichkeit der Bank gefährdet wird, dem dadurch Rechnung getragen wurde, dass der Kündigungsgrund nur vorliegt, wenn keine ausreichenden Sicherheiten zur Verfügung stehen oder (zusätzliche) zur Verfügung gestellt werden.

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin im erstgerichtlichen Verfahren das Vorliegen dieser Voraussetzung nicht behauptet. Sie hat nicht ausgeführt, dass auf Grund der Exekutionsführung nunmehr die bereits gegebenen Sicherheiten nicht mehr ausreichten, womit auch nicht dargetan wurde, dass allenfalls von den Beklagten zusätzliche Sicherheiten zu stellen gewesen wären.

Hinzu kommt, dass die Klägerin offenbar selbst bei Zugang der Auflösungserklärung auf Grund der zu diesem Zeitpunkt bereits wieder eingestellten Exekution ‑ den Vertragspartnern erkennbar ‑ nicht von der daraus resultierenden Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses ausging; stützte sie ihre Auflösungserklärung doch ausschließlich auf ein ordentliches Kündigungsrecht und nicht auf das Vorliegen des von ihr nunmehr als wichtig angesehenen Auflösungsgrundes des Punktes 3.2 lit g AFB, allenfalls verbunden mit der Aufforderung zur Stellung weiterer Sicherheiten.

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Auflösungsgrundes des Punktes 3.2 lit g AFB zum Zeitpunkt des Zugangs der Auflösungserklärung ist die darauf gegründete Auflösung des Vertragsverhältnisses daher nicht wirksam.

Die erst am 2. 1. 2012 bewilligte und zum Zeitpunkt des Zugangs der Klage erst ungefähr acht Tage anhängige Exekution zu 24 E 1/12m des Bezirksgerichts Fünfhaus ist schon an sich nicht geeignet, die Auflösung des Kreditverhältnisses zum 31. 12. 2011 zu begründen.

6. Auf den Kündigungsgrund der Z 23 der AGB stützte sich die Klägerin im erstgerichtlichen Verfahren nicht. Auf die allfällige Auflösung des Kreditverhältnisses im Zusammenhang mit der Zwangskonvertierung im Jahr 2009 kommt die Klägerin in der Revision nicht mehr zurück. Hier bedarf es keines weiteren Eingehens.

7. Zutreffend sind die Rechtsausführungen des Berufungsgerichts, wonach eine Vertragsbestimmung, die dem Kreditgeber die Möglichkeit einer ‑ wenn auch an die Einhaltung einer an sich angemessenen Kündigungsfrist gebundenen ‑ Kündigung eines befristeten Kreditverhältnisses ohne Grund einräumt, gröblich benachteiligend nach § 879 Abs 3 ABGB ist (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der gesamte Kredit ist am 30. 6. 2025 zur Rückzahlung fällig. Damit ist das Kreditverhältnis auf bestimmte Dauer geschlossen. Entgegen der Ansicht der Klägerin ändert die Vereinbarung des zu überprüfenden Rechts zur vorzeitigen grundlosen Kündigung eines auf bestimmte Dauer geschlossenen Vertragsverhältnisses dieses nicht in ein solches auf unbestimmte Dauer mit der Zulässigkeit dieses Kündigungsrechts.

8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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