OGH 5Ob266/02g

OGH5Ob266/02g20.11.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Linke Wienzeile 18, 1060 Wien, vertreten durch Kosesnik‑Wehrle & Langer, Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Gregor Schett, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 30. Juli 2002, GZ 4 R 91/02k‑17, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 20. Jänner 2002, GZ 10 Cg 69/01d‑9, abgeändert wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2002:0050OB00266.02G.1120.000

 

Spruch:

1.) Die Bezeichnung der beklagten Partei wird auf "B***** AG" berichtigt.

2.) Der Antrag der beklagten Partei auf Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH wird zurückgewiesen.

3.) Der Schriftsatz der beklagten Partei vom 11. 11. 2002 wird zurückgewiesen.

4.) Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.755,80 (darin EUR 459,30 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Der klagende Verein begehrt gemäß § 28 KSchG die Unterlassung der Verwendung bestimmter, in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der beklagten Bank enthaltenen Klauseln wegen Gesetz- und Sittenwidrigkeit sowie die Urteilsveröffentlichung. Die beklagte Partei wendete insbesondere ein, dass die von ihr verwendeten Klauseln zulässig seien.

Für das drittinstanzliche Verfahren sind noch folgende Klauseln der "Bedingungen für Privat‑Kredite" von Bedeutung:

Z 4 betrifft die Anpassung des vereinbarten Kreditzinssatzes. Abs 6 Satz 2 lautet: "Der aus der Änderung errechnete Zinssatz wird auf volle 0,125 Prozentpunkte aufgerundet."

Z 7 betrifft das Recht der Bank, aus wichtigen Gründen den Kredit zur sofortigen Rückzahlung zu kündigen. "Dies gilt insbesondere, wenn

a) in den Vermögensverhältnissen eines Kreditnehmers oder eines etwaigen Bürgen eine wesentliche Verschlechterung eintritt, so zB wenn einer der Genannten seine Zahlungen einstellt, über das Vermögen eines der Genannten Exekution geführt wird etc,

b) ein Kreditnehmer oder Bürge der Bank gegenüber unrichtige Angaben gemacht hat, oder die nach Z 6 zu erstattenden Meldungen unterlässt (nach Z 6 sind Kreditnehmer und etwaige Mitverpflichtete verpflichtet, der Bank einen etwaigen Wechsel des Wohnsitzes oder Aufenthaltes sowie des Dienst‑ oder Arbeitgebers unverzüglich bekannt zu geben),

c) ein Kreditnehmer oder Bürge stirbt."

Z 9 lautet: "Sämtliche im Zusammenhang mit der Kreditwürdigkeit sowie Sicherstellung und Abwicklung des Kredites jetzt und künftig anfallenden Abgaben und Kosten, welcher Art immer sie seien, gehen zu Lasten des Kreditnehmers".

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren hinsichtlich der in Z 4 enthaltenen Rundungsbestimmung und der Kostentragungsregel der Z 9 sowie insoweit auch dem Begehren auf Urteilsveröffentlichung statt. Hinsichtlich zweier weiterer Sätze der Z 4 (unangefochten) sowie Z 7 lit a bis c wies es das Klagebegehren ab.

In rechtlicher Hinsicht erachtete das Erstgericht die Bestimmung über die Kostentragung als den Kreditnehmer im Sinne von § 879 Abs 3 ABGB in Ermangelung jedweder Differenzierung gröblich benachteiligend. Gegen die Zinsgleitklausel bestünden Bedenken nur hinsichtlich der Aufrundung auf volle 0,125 Prozentpunkte. Dadurch würde die mit § 6 Abs 1 Z 5 KSchG angestrebte Gleichstellung beider Vertragsteile unterlaufen. Der daraus resultierende Effekt könne durchaus nicht als gringfügig abgetan werden. Unbedenklich seien die angeführten Gründe für eine vorzeitige Kündigung, die nach herrschender Meinung die sofortige Beendigung eines Dauerschuldverhältnisses rechtfertigen könnten. Davon unbeschadet sei in jedem Einzelfall eine Interessenabwägung vorzunehmen und Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Kündigung zu prüfen. Ein Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z 1 KSchG sei darin nicht zu erkennen. Berechtigt sei auch das Veröffentlichungsbegehren, weil ein nicht unbeträchtlicher, selbst unmittelbar betroffener Personenkreis ein besonderes Interesse an der Aufklärung über die Unzulässigkeit bestimmter Klauseln habe. Diese Aufklärung könne nicht durch bloße Unterlassung der Wiederholung erreicht werden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge, der Berufung der klagenden Partei hingegen Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, dass dem Klagebegehren (soweit es noch nicht rechtskräftig abgewiesen war) zur Gänze stattgegeben wurde. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000,‑- übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei, und führte im Wesentlichen folgendes aus:

Nach ständiger Rechtsprechung sei im Unterlassungsprozess nach § 28 KSchG auf eine etwaige teilweise Zulässigkeit der beanstandeten AGB nicht einzugehen und sei für eine geltungserhaltende Reduktion des Inhaltes dieser Bedingungen im Sinne einer Vertragsanpassung im Sinne des § 879 ABGB kein Raum. Ziel des KSchG sei es, auf einen angemessenen Inhalt der in der Praxis verwendeten allgemeinen Geschäftsbedingungen hinzuwirken. Die für den Kunden ungünstigste mögliche Auslegung der beanstandeten Klausel sei zugrundezulegen. Eine Verschärfung erführen diese Grundsätze nunmehr im Zusammenhang mit dem Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG, der unklar oder unverständlich abgefasste Vertragsbestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern für unwirksam erkläre. Das Transparenzgebot begnüge sich nicht mit formaler Textverständlichkeit, sondern verlange, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher durchschaubar seien. Für den - juristisch typischerweise unkundigen - Verbraucher habe bei Lektüre der Klausel erkennbar zu sein, welchen rechtlich relevanten Inhalt die Klausel nun tatsächlich habe. Das Transparenzgebot mache es erforderlich, dass eine Klausel so formuliert sei, dass der Vertragspartner, der beurteilen möchte, ob die Klausel in einer bestimmten Situation anwendbar sei oder nicht, diese Beurteilung ohne Hinzuziehung eines juristischen Experten selbst durchführen könne. Auch der Oberste Gerichtshof verstehe das Transparenzgebot nicht anders, wenn er auf Art 5 der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, 93/13/EWG , und die deutsche Rechtsprechung, an der sich die Richtlinie bei der Festlegung des Transparenzgebotes orientiert habe, verweise. Danach solle das Transparenzgebot dem Kunden im Rahmen des Möglichen und Überschaubaren ermöglichen, sich aus den allgemeinen Geschäftsbedingungen zuverlässig über seine Rechte und Pflichten bei der Vertragsabwicklung zu informieren, damit er nicht von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten werden könne und ihm nicht unberechtigte Pflichten abverlangt würden. Maßstab für die Transparenz sei das Verständnis des für die jeweilige Vertragsart typischen Durchschnittskunden. Daher könne aus dem Transparenzgebot auch eine Pflicht zur Vollständigkeit folgen, wenn die Auswirkungen einer Klausel für den Kunden andernfalls unklar blieben.

Im Lichte dieser grundsätzlichen Darlegungen ergebe sich, dass die bezughabenden Klauseln nach Z 7 lit a bis c der Bedingungen für Privatkredite dem § 6 Abs 2 Z 1 iVm Abs 3 KSchG widersprächen. Es sei keine Frage, dass sowohl eine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Kreditnehmers oder des Bürgen als auch unrichtige Angaben oder die Unterlassung von Mitteilungen oder auch der Tod des Kreditnehmers oder des Bürgen unter bestimmten Voraussetzungen einen hinlänglich wichtigen Grund darstellen könnten, die sofortige Auflösung des Dauerschuldverhältnisses zu rechtfertigen, etwa bei einer Erschütterung des Vertrauens in die Person des Schuldners. Auch die Verschlechterung der Vermögensverhältnisse könne einen solchen Grund darstellen, wobei aber Voraussetzung zunächst sei, dass der Rücktritt die Interessen des Kreditgebers befriedigen könne, was etwa dann nicht der Fall sei, wenn das Arbeitseinkommen wegfalle und sonstige Vermögenswerte, auf die der Kreditgeber greifen könnte, nicht vorhanden seien. Vermögensverschlechterung beim Kreditnehmer oder beim Bürgen oder ihr Tod würden im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung die Kündigung auch dann nicht rechtfertigen, wenn eine Ersatzsicherheit bestellt würde. Ebenso möge es zwar sein, dass durch unrichtige Angaben oder die Unterlassung von Meldungen das Vertrauen in den Kreditnehmer oder in den Bürgen so schwer erschüttert sei, dass die weitere Aufrechterhaltung des Kreditverhältnisses für die Bank unzumutbar wäre, weil etwa durch ein "Untertauchen" des Kreditnehmers die Einbringlichkeit in Frage gestellt wäre. Es gebe aber hier genügend Fälle, in denen den Angaben oder den Meldungen, zu denen der Kreditnehmer verpflichtet sei, nicht jene Bedeutung zukomme, dass aus ihrer Unrichtigkeit oder Unterlassung eine Gefährdung der Einbringlichkeit des Kredites und damit eine solche Unzumutbarkeit der Aufrechterhaltung des Kreditverhältnisses erwüchse. Die Aufzählung weiterer Beispielsfälle, in denen die Kündigung zur sofortigen Rückzahlung trotz Eintrittes der in den Klauseln genannten Voraussetzungen nach Z 7 lit a bis c der Bedingungen nicht gerechtfertigt wäre, erübrige sich; sie würden von beiden Parteien nicht nur in den in erster Instanz gewechselten Schriftsätzen, sondern auch in ihren Rechtsmittelschriften sehr eingehend behandelt. Dass die Einzelfallprüfung bei Eintritt einer der Bedingungen laut Z 7 lit a bis c zu dem Ergebnis führen könne, dass die sofortige Kündigung nicht gerechtfertigt sei, werde von der Beklagten auch gar nicht bezweifelt. Da die Klauseln aber in keiner Weise differenzierten und einem durchschnittlichen Kreditnehmer die Judikatur zur gebotenen Interessenabwägung in aller Regel nicht geläufig sei, sei er nicht in der Lage, die Tragweite der Klauseln einzuschätzen. Sie seien daher als gegen § 6 Abs 3 KSchG verstoßend zu unterlassen. Daran vermöge es auch nichts zu ändern, dass sich die Beklagte nicht in der Lage sehe, eine allen Möglichkeiten für die Verwirklichung eines wichtigen Grundes Rechnung tragende Klausel zu formulieren.

Die Rundungsbestimmung der Zinsgleitklausel stehe in klarem Widerspruch zu § 6 Abs 1 Z 5 KSchG. Dass Entgeltanpassungen immer zweiseitig auszugestalten seien, werde von der Beklagten auch nicht in Abrede gestellt. Unter Bedachtnahme auf den Normzweck der Regelung werde man davon ausgehen müssen, dass bei Zinsgleitklauseln nach der neuen Rechtslage eine Entgeltsenkung in gleichem Ausmaß und in der gleichen zeitlichen Umsetzung wie eine Entgeltsteigerung zu erfolgen habe, um den Verbraucherschutz zu gewährleisten. Die konkret von der Beklagten verwendete Klausel habe zur Folge, dass sich die Aufrundung mehr oder weniger stark, aber jedenfalls immer zum Nachteil des Kreditnehmers auswirke. Durch die durch Kumulierung der Aufrundungen in Gang gesetzte Aufrundungsspirale sei dieser Nachteil des Kreditnehmers, vor allem bei längerfristigen Krediten nicht bloß als geringfügig zu bezeichnen. Selbst wenn es sich in manchen Fällen "nur" um 1 % der Kreditsumme handle, stelle dies keine vernachlässigbare Größe dar. Das Postulat der Zweiseitigkeit von Entgeltänderungen könne auch nicht dadurch unterlaufen werden, dass durch Rundungsvorschriften erneut eine Benachteiligung des Verbrauchers gleichsam "durch die Hintertür" in den Vertrag einfließe. Dass die Zinsen eine der beiderseitigen Hauptleistungen darstellten, was die Inhaltskontrolle im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB ausschließen würde, treffe ebenfalls nicht zu. Der Begriff der Hauptleistung solle nämlich eher eng verstanden werden. Nur die individuelle, zahlenmäßige Umschreibung der beiderseitigen Leistungen solle von der Inhaltskontrolle ausgeschlossen sein, nicht aber etwa Bestimmungen, welche die Preisberechnung in allgemeiner Form regeln. Bei der Festlegung der Parameter für eine Entgeltänderung und ihrer Berechnungsmethode handle es sich um eine derartige Festlegung der Preisberechnung in allgemeiner Form. Diese unterliege daher der Inhaltskontrolle im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB.

Auch hinsichtlich der Überwälzung sämtlicher Kosten auf den Kreditnehmer seien die Ausführungen des Erstgerichtes zutreffend. Dem Kreditnehmer "sämtliche im Zusammenhang mit der Kreditwürdigkeit sowie Sicherstellung und Abwicklung des Kredites jetzt oder künftig anfallenden Abgaben und Kosten, welcher Art immer sie seien" anzulasten, sei gröblich benachteiligend und intransparent, weil undifferenziert "Abgaben und Kosten, welcher Art immer" auf den Vertragspartner überwälzt würden, dem damit ein von vornherein unabschätzbares Zahlungsrisiko aufgebürdet werde. Dass sich die Regelung nur auf Abgaben im Sinne von Steuern und Gebühren und Kosten im Sinne von Geldleistungen der Bank an Dritte bezöge, sei der Klausel nicht zu entnehmen. Da von der kundenfeindlichsten Auslegung auszugehen sei, verstoße auch sie gegen § 879 Abs 3 ABGB und § 6 Abs 3 KSchG.

Ebensowenig würden auch die Argumente der Beklagten überzeugen, soweit sie sich gegen das Begehren auf Urteilsveröffentlichung ausspreche. § 30 KSchG erkläre § 25 Abs 3 bis 7 UWG für sinngemäß anwendbar. Nach § 25 Abs 3 UWG sei die obsiegende Partei zu ermächtigen, dass Urteil innerhalb bestimmter Frist auf Kosten des Gegners zu veröffentlichen, wenn die obsiegende Partei daran ein berechtigtes Interesse habe. Im Wettbewerbsprozess werde ein berechtigtes Interesse dann bejaht, wenn eine Aufklärung des Publikums für notwendig erachtet werde. Die Urteilsveröffentlichung solle eine durch den Wettbewerbsverstoß hervorgerufene unrichtige Meinung wieder richtigstellen und verhindern, dass die Meinung weiter um sich greife; sie diene der Aufklärung des Publikums über den Gesetzesverstoß, der auch in Zukunft noch nachteilige Auswirkungen besorgen lasse. Normzweck sei demnach das Bedürfnis, den entstandenen Schaden gutzumachen und den Verletzten vor weiteren Nachteilen zu bewahren, nicht hingegen die Bestrafung des Verletzten. Diese Grundsätze seien auch im Bereich der Verbandsklage nach § 28 KSchG anzuwenden. Hier bestehe der die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung rechtfertigende Nachteil darin, dass der Beklagte entweder Verträge mit gesetzwidrigem Inhalt abgeschlossen, oder seine Vertragspartner durch die Verwendung unzulässiger Vertragsbestandteile über ihre Rechte und Pflichten falsch informiert oder zumindest im Unklaren gelassen habe. In all diesen Fällen bestehe ein Bedürfnis, die Öffentlichkeit entsprechend aufzuklären. Durch die Aufklärung werde die Aufmerksamkeit der Verbraucher für die Unzulässigkeit von Vertragsbestandteilen geschärft und es werde ihnen damit erleichtert, ihre Rechte gegenüber der Bank wahrzunehmen. Eben diese Gründe würden auch hier zutreffen. Dass die beiden Tageszeitungen, in denen der klagende Verein die Veröffentlichung begehre, regelmäßig über Belange der Banken berichten würden, wie die Beklagte ausführe, vermöge einem Veröffentlichungsbegehren keineswegs die Grundlage zu entziehen, zumal eine umfassende und objektive Berichterstattung ebensowenig sichergestellt sei, wie der höhere Auffälligkeitswert eines Berichtes im redaktionellen Teil gegenüber der wörtlichen Veröffentlichung eines gerichtlichen Erkenntnisses. Soweit gerichtsbekannt sei die Beklagte eine der größten Banken Österreichs mit einem sehr breit gestreuten Kundenkreis. Das Begehren auf Veröffentlichung in zwei der auflagenstärksten Tagenzeitungen sei daher auch in keiner Weise überzogen.

Bedeutung und Häufigkeit von Klauseln wie den klagsgegenständlichen ließen die Eröffnung des Rechtszuges an den Obersten Gerichtshof angezeigt erscheinen.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Klage zur Gänze abzuweisen. Die beklagte Partei beantragt weiters, ihre Bezeichnung infolge Verschmelzung auf "B***** AG" zu berichtigen sowie dem EuGH eine Reihe von vorformulierten Fragen insbesondere im Zusammenhang mit dem Transparenzgebot zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

 

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1.) Zu Z 4 Abs 6 Satz 2 der Bedingungen (Aufrundung):

§ 6 Abs 1 Z 5 KSchG idF der Novelle BGBl I 1997/6 sieht die Zweiseitigkeit von Preisgleitklauseln vor, sodass der Unternehmer gegebenenfalls auch den Preis herabzusetzen hat (vgl Apathy in Schwimann VI2 § 6 KSchG Rz 19 mwN). Eine solche Verpflichtung muss bestehen, um eine ausgewogene Verteilung der Vor‑ und Nachteile zu gewährleisten und um Regelungen allein zu Lasten des Verbrauchers auszuschließen. Nach dem Normzweck hat bei Zinsgleitklauseln eine Entgeltsenkung im gleichen Ausmaß und in der gleichen zeitlichen Umsetzung wie eine Entgeltsteigerung zu erfolgen, um den Verbraucherschutz zu gewährleisten (Koitz‑Arko, Zinsgleitklauseln bei Verbraucherkrediten, ÖBA 1998, 10).

Der Rechtsmittelwerberin ist zuzugeben, dass § 6 Abs 1 Z 5 KSchG nicht ausdrücklich von Rundungen spricht. Ein Rundungsbestimmung wie die hier zu beurteilende ist aber - entgegen ihrer Auffassung - nicht isoliert, sondern als Teil der gesamten Zinsgleitklausel (Z 4 der Bedingungen) zu betrachten, weshalb auch hier das Gebot der Gleichbehandlung zum Tragen kommt. Eine Rundungsregel hätte daher gesetzeskonform die Möglichkeit einer (kaufmännischen) Auf‑ oder Abrundung vorsehen müssen, wie sie bei einigen wenigen Kreditinstituten auch gebräuchlich ist (vgl die Tabelle bei Koitz‑Arko aaO 14). Auf die besonderen Nachteile der Kumulierung von Aufrundungen hat schon das Berufungsgericht hingewiesen. Gegenteiliges ist im Übrigen auch nicht den von der Rechtsmittelwerberin zitierten Ausführungen von Koitz‑Arko zu entnehmen.

Die Klausel ist somit schon wegen eines Verstoßes gemäß § 6 Abs 1 Z 5 KSchG gesetzwidrig.

2.) Zu Z 7 lit a bis c der Bedingungen (Kündigung aus wichtigen Gründen):

§ 6 Abs 2 Z 1 KSchG untersagt die - nicht ausgehandelte - Vereinbarung eines Rücktrittsrechtes des Unternehmers ohne sachliche Rechtfertigung, insbesondere ohne Leistungsstörung des Verbrauchers (vgl Apathy aaO Rz 54 mwN). Maßgeblich ist schon nach allgemeinen Regeln, ob einem Vertragspartner die Fortsetzung des Schuldverhältnisses - insbesondere wegen Gefährdung seiner Rechtsstellung - unzumutbar wurde (vgl RIS‑Justiz RS0027780; 7 Ob 566/95 = ÖBA 1996, 233; jüngst 4 Ob 179/02f mwN; Koziol in Iro/Koziol, Allgemeine Bedingungen für Bankgeschäfte Z 23 Rz 1).

Die in den lit a bis c der Klausel genannten Umstände können diesen Anforderungen in vielen Fällen durchaus genügen, in anderen aber nicht. So wird es an einer sachlichen Rechtfertigung für eine Kündigung beispielsweise fehlen, wenn für einen zahlungsunfähig gewordenen oder verstorbenen Bürgen eine taugliche Ersatzsicherheit schon vorhanden ist oder gestellt wird, eine geringfügig unrichtige Angabe für die Kreditgewährung gar nicht kausal war oder der nicht "untergetauchte", sondern seine besicherte Kreditverbindlichkeit laufend erfüllende Kreditnehmer aus Vergesslichkeit seine neue Adresse nicht unverzüglich mitgeteilt hat. In all diesen (und zahlreichen anderen vorstellbaren, keineswegs atypischen) Beispielsfällen wären die Vermögensinteressen der Bank in der Regel nicht gefährdet und wäre ihr eine Fortsetzung des Kreditverhältnisses zumutbar.

Indem die mit der Verbandsklage beanstandeten Bedingungen - bei für den Verbraucher ungünstiger Auslegung (RIS‑Justiz RS0016590) – die in lit a bis c genannten Umstände schlechthin und ohne jede differenzierende Einschränkung zu wichtigen Gründen, die eine Kündigung rechtfertigen, erklären, verstoßen sie mangels genereller sachlicher Rechtfertigung des Rücktrittsrechts gegen § 6 Abs 2 Z 1 KSchG (vgl hiezu auch Graf, Probleme der vorzeitigen Kündigung von Konsumentenkreditverträgen durch den Kreditgeber, ÖBA 1989, 959). Eine geltungserhaltende Reduktion hat im Verbandsprozess zu unterbleiben (RIS‑Justiz RS0038205).

In 4 Ob 179/02f - welche Entscheidung in einem zwischen denselben Parteien und Rechtsanwälten geführten Verfahren ergangen ist - wurden zwar jüngst zwei (der Z 7 lit a und b) ähnliche Klauseln (Z 23 Abs 2 erster und zweiter Fall ABB 2000) für unbedenklich erklärt, jedoch enthalten die dort gebrauchten Formulierungen höhere Anforderungen an das vorzeitige Rücktrittsrecht. So setzt die erstgenannte Klausel neben dem Eintritt einer Verschlechterung oder Gefährdung der Vermögenslage auch die Gefährdung der Erfüllung der Verbindlichkeiten gegenüber der Bank voraus (vgl Koziol aaO Z 23 Rz 2 mwN), während hier in Z 7 lit a ein solches Erfordernis fehlt. Dass in dieser Klausel eine "wesentliche" Verschlechterung in den Vermögensverhältnissen genannt wird, reicht nicht aus, weil etwa eine deutliche Verschlechterung der Bonität eines Bürgen durch Stellung einer anderen Sicherheit ausgeglichen werden könnte, sodass es zu keiner Gefährdung der Erfüllung der Kreditverbindlichkeiten kommt. Die zweitgenannte Klausel der ABB 2000 stellt auf die Wesentlichkeit der unrichtigen Angabe ab, was zufolge 4 Ob 179/02f nur in Bezug auf den Abschluss des konkreten Vertragsverhältnisses verstanden werden kann (vgl Koziol aaO Z 23 Rz 4 mwN). Demgegenüber kann die Bank hier gemäß Z 7 lit b jede unrichtige Angabe zum Anlass für eine Kündigung nehmen.

Die in 4 Ob 179/02f gebilligten Bestimmungen zeigen im Übrigen, dass auch im vorliegenden Fall eine gesetzeskonforme Formulierung der einschlägigen Klauseln ohne weiteres möglich gewesen wäre.

3.) Zur Z 9 der Bedingungen (Kostentragung):

Der erkennende Senat hat in 5 Ob 227/98p = SZ 72/42 ausgesprochen, dass eine Vereinbarung über künftig zu tragende Betreibungskosten, die weder Hinweise auf eine mögliche Höhe der Kosten enthält, noch festlegt, dass nur die zur zweckentsprechenden Betreibung oder Einbringung der Forderung notwendigen Kosten zu ersetzen sind, gröblich benachteiligend im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB ist.

In Z 9 handelt es sich nun nicht (nur) um Betreibungskosten, sondern dem Wortlaut nach um sämtliche, jetzt oder künftig anfallende Abgaben und Kosten, welcher Art immer sie seien, im Zusammenhang mit der Kreditwürdigkeit sowie Sicherstellung und Abwicklung des Kredites. Auch hier wird dem Schuldner ein von vornherein unabschätzbares Zahlungsrisiko aufgebürdet und ist der Schuldner der Willkür des Unternehmers ausgeliefert (vgl 2 Ob 9/97f = SZ 71/50; RIS‑Justiz RS0110991). Auch eine derartige umfassende und nicht differenzierende Klausel fällt unter § 879 Abs 3 ABGB.

4.) Sonstiges:

Ob die erwähnten Klauseln nicht nur gegen die jeweils zitierten, sondern auch noch gegen andere Gesetzesbestimmungen verstoßen, kann auf sich beruhen.

Zur Frage der Urteilsveröffentlichung wird auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes und die Beurteilung in 4 Ob 179/02f, wo in einem insoweit gleichgelagerten Fall die Urteilsveröffentlichung in zwei bundesweit erscheinenden Tageszeitungen für gerechtfertigt gehalten wurde, verwiesen.

Da das Berufungsgericht die Rechtsfrage somit richtig gelöst hat, war der Revision ein Erfolg zu versagen.

Was den Antrag auf Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH anlangt, hat hier allein das Gericht von Amts wegen über eine Vorlage zu befinden; die Parteien können ein entsprechendes Ersuchen nur anregen. Der Antrag war daher zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0058452). Zu 4 Ob 179/02f ist ein solches Ersuchen nicht erfolgt. Auch im vorliegenden Fall besteht kein zwingender Grund für eine Befassung des EuGH.

Zurückzuweisen war auch der Schriftsatz der beklagten Partei vom 11. 11. 2002, weil jeder Partei nur eine einzige Rechtsmittelschrift oder Rechtsmittelgegenschrift zusteht; eine Äußerung zur Revisionsbeantwortung ist nicht vorgesehen (RIS‑Justiz RS0041666).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

 

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