European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00118.23Y.1116.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 1.305,43 EUR (darin 208,43 EUR deutsche USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.316,40 EUR (darin 219,40 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger schloss mit der erstbeklagten Kfz‑Händlerin am 31. 3. 2015 einen Kaufvertrag betreffend den von der Zweitbeklagten hergestellten Pkw VW Touran Karat BMT TDI mit einem Kilometerstand von 22.100 km um einen Kaufpreis von 21.500 EUR. Er leaste das Fahrzeug, Eigentümerin ist nach wie vor die Leasinggeberin, die dem Kläger die Gewährleistungsansprüche, nicht aber die Schadenersatzansprüche gegen die Herstellerin abtrat. Im Fahrzeug ist ein 1,6 Liter Dieselmotor des Typs EA 189 der Abgasklasse EU 5 verbaut, der mit einer Software (in der Folge: Umschaltlogik) ausgeliefert worden war, die bewirkte, dass bei der Emissionsprüfung am Prüfstand (NEFZ) ein Betriebsmodus mit einer höheren Abgasrückführrate zum Einsatz kam als im realen Fahrbetrieb, was den Ausstoß von Stickoxid am Prüfstand optimierend beeinflusste. Nach dem von der Zweitbeklagten auf Veranlassung des deutschen Kraftfahrt‑Bundesamts (KBA) am 3. 1. 2017 durchgeführten Software‑Update wurde die Möglichkeit der Umschaltung beim Durchfahren des NEFZ‑Prüfzyklus mit dem Klagefahrzeug genommen, es kann unabhängig davon, ob es sich am Prüfstand oder im Straßenverkehr befindet, nur mehr im Modus mit erhöhter Abgasrückführrate betrieben werden. Allerdings existiert beim Klagefahrzeug zwischen 15 und 33 Grad Celsius ein „Thermofenster“, das bewirkt, dass es außerhalb dieses Temperaturbereichs zu einer sukzessiven Reduktion der Abgasrückführung kommt. Dies bewirkt, dass es weiterhin außerhalb des Thermofensters zu einer Erhöhung der Stickoxidwerte kommt.
[2] Der Kläger begehrt (zuletzt) von der Erstbeklagten – unter anderem gestützt auf Gewährleistung – die Aufhebung des mit ihr geschlossenen Kaufvertrags sowie von beiden Beklagten – von der Zweitbeklagten gestützt auf deliktischen Schadenersatz – die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich eines von ihm zugestandenen Benützungsentgelts von 3.801,88 EUR für 40.300 gefahrene Kilometer, somit 17.698,12 EUR, jeweils zu Handen der Leasinggeberin Zug um Zug gegen Rückstellung des Fahrzeugs. Hilfsweise begehrt er Preisminderung von 6.000 EUR und stellt ein weiteres Eventualbegehren auf Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand für jeden dem Kläger aus dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung entstehenden Schaden.
[3] Das Erstgericht wies sämtliche Klagebegehren ab.
[4] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge und dem Vertragsaufhebungsbegehren in Ansehung der Erstbeklagten statt. Es stellte die Klageforderung gegen die Erstbeklagte mit 17.698,12 EUR, die Gegenforderung aus dem Titel (weiteren) Benutzungsentgelts mit 2.000 EUR als zu Recht bestehend fest und verpflichtete die Erstbeklagte daher zur Zahlung von 15.698,12 EUR sA zu Handen der Leasinggeberin Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Das Mehrbegehren von 2.000 EUR gegen die Erstbeklagte wies es ab. Die Abweisung sämtlicher Klagebegehren gegen die Zweitbeklagte bestätigte das Berufungsgericht.
[5] Sowohl die „Umschaltlogik“ als auch das „Thermofenster“ seien unzulässige Abschalteinrichtungen iSd Art 3 Abs 10 iVm Art 5 Abs 2 Satz 1 der Verordnung 715/2007/EG . Das Software‑Update habe den Mangel (das Fehlen einer unzulässigen Abschalteinrichtung) nicht behoben, weil das verbliebene „Thermofenster“ die Abgasrückführung nach wie vor so steuere, dass der emissionsmindernde Modus nur bei Außentemperaturen zwischen 15 und 33 Grad Celsius voll wirksam sei. Die verbliebene Abschalteinrichtung sei daher unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres aktiv, sodass es nach der Rechtsprechung des EuGH nicht darauf ankomme, ob die Einrichtung notwendig sei, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten. Die Verbesserung durch das Software‑Update sei daher untauglich gewesen. Dem Kläger stehe bereits bei Misslingen des ersten Verbesserungsversuchs ein Wandlungsanspruch zu. Da der Verbesserungsversuch eine neue zweijährige Gewährleistungsfrist nach § 933 Abs 1 ABGB ausgelöst habe, seien die dem Kläger von der Leasinggeberin abgetretenen Gewährleistungsansprüche nicht verjährt.
[6] In Ansehung der Zweitbeklagten sei die Klage unschlüssig, weil die Beurteilung der Verpflichtung des Leasingnehmers die Feststellung des Inhalts des Leasingvertrags voraussetze, der Kläger aber dazu kein Prozessvorbringen erstattet habe. Die sich daraus für ihn ergebenden Verpflichtungen seien daher nicht beurteilbar. Einen eigenen Schaden habe der Kläger nicht geltend gemacht, zumal diesfalls das Begehren auf Zahlung zu Handen der Leasinggeberin unschlüssig wäre. Ob es durch ein Rechtsverhältnis zu einer Schadensverlagerung vom unmittelbar Geschädigten auf den Kläger gekommen sei, sei mangels Prozessvorbringens zur konkreten Vertragsgestaltung ebenso nicht beurteilbar.
[7] Die Revision ließ das Berufungsgericht zu. Die Beurteilung der Schlüssigkeit der Klage könne sich zwar auf die von ihm zitierten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs stützen, die Entscheidung 8 Ob 22/22a habe aber die Möglichkeit offen gelassen, dass der Kläger, der den Kaufvertrag zunächst selbst abschloss, bereits mit Abschluss des Kaufvertrags unabhängig von der nachfolgenden Finanzierung im Weg eines Leasingvertrags einen eigenen Schaden in Höhe des Kaufpreises erlitten habe. Der Oberste Gerichtshof habe auch noch nicht dazu Stellung genommen, ob von der Geltendmachung eines eigenen Schadens auch dann auszugehen sei, wenn der Kläger Zahlung zuhanden der Leasinggeberin begehre.
Rechtliche Beurteilung
[8] Die Revisionen des Klägers und der Erstbeklagten sind ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig, sie zeigen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
I. Zur Revision des Klägers:
[9] 1. Die Schlüssigkeit einer Klage kann nur anhand der konkreten Behauptungen im Einzelfall geprüft werden; ob eine Klage schlüssig ist, sich also der Anspruch aus dem behaupteten Sachverhalt ergibt, wirft daher grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (RIS‑Justiz RS0037780; RS0116144; jüngst [zum Dieselskandal] 7 Ob 74/23t). Nur eine krasse Fehlbeurteilung könnte die Zulässigkeit der Revision begründen (RS0037780 [T5]). Auf eine solche Fehlbeurteilung beruft sich der Kläger gar nicht, sie ist dem Berufungsgericht auch nicht unterlaufen.
[10] 2. Dessen Auffassung, ohne näheres Prozessvorbringen zum Inhalt des vom Kläger mit der Leasinggeberin abgeschlossenen Leasingvertrags lasse sich nicht beurteilen, ob überhaupt und in welchem Umfang dem Kläger ein Schaden aufgrund der unzulässigen Abschalteinrichtung entstanden sein könnte, ist nicht zu beanstanden. Nach ständiger Rechtsprechung werden Finanzierungsleasingverträge teils als „Sachüberlassungsverträge eigener Art“, teils als „atypische Mietverträge“, aber auch als Verträge mit kauf‑ und kreditvertraglichen Elementen qualifiziert, wobei immer auf die individuelle Vertragsgestaltung abzustellen ist (RS0020007). Je nachdem ist die Frage zu beantworten, ob die Elemente des Kaufs oder der Miete überwiegen oder ob – wegen der herrschenden Vertragsfreiheit denkbar – ein Vertrag „sui generis“ vorliegt (3 Ob 12/09z; 7 Ob 74/23t). Jüngst ging der 7. Senat zu 7 Ob 88/23a in einem vergleichbaren Fall davon aus, der auch dort abgeschlossene Kaufvertrag habe ausschließlich der Spezifikation des Fahrzeugs gedient, das letztlich die Leasinggeberin erwerben und der Klägerin zum Gebrauch überlassen sollte. Ob eine derartige Vertragskonstruktion auch hier zugrunde lag, lässt sich aber nach der nicht korrekturbedürftigen Auffassung des Berufungsgerichts mangels näheren Vorbringens zur „Leasingkonstruktion“ gar nicht beurteilen. Aus welchen Gründen sich aus dem Kaufvertrag zwischen dem Kläger und der Erstbeklagten (Beilage ./HH) ein Schaden des Klägers ergeben sollte, wird aus seinen Revisionsausführungen nicht klar. Die erst in der Revision nachgetragenen Ausführungen zur näheren Ausgestaltung der Leasingkonstruktion widersprechen dem Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO).
[11] 3. In dem zu 8 Ob 22/22a beurteilten Sachverhalt erwarb die Klägerin ein Fahrzeug, wobei sie eine Anzahlung leistete, einen Gebrauchtwagen eintauschte und nachträglich den restlichen Kaufpreis über eine Leasingkonstruktion finanzierte. Zu 2 Ob 29/20h war ein Nutzungsausfallschaden der (Unter‑)Bestandnehmerin eines LKW nach einem Totalschaden in einem Verfahren gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers zu beurteilen, während der Entscheidung 2 Ob 172/22s die Geltendmachung offener Umsatzsteuer aus einer Totalschadensabrechnung nach einem Verkehrsunfall gegenüber Lenker und Halter zugrunde lag, die die Klägerin dort an die Leasinggeberin zu zahlen hatte. Diese Entscheidungen betreffen daher nicht vergleichbare Sachverhalte.
[12] 4. Dass das Berufungsgericht – der Entscheidung 9 Ob 53/20i folgend – das Klagevorbringen mangels jeglicher Prozessbehauptungen zur Ausgestaltung der Leasingkonstruktion als unschlüssig beurteilte, ist daher keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Auf die in der Zulassungsbegründung erwähnte Frage, ob der Umstand, dass der Kläger – obwohl die von ihm zunächst behauptete Abtretung (auch) der Schadenersatzansprüche an ihn nicht erweislich war – unverändert Zahlung zuhanden der Leasinggeberin verlangte, sein Begehren zusätzlich unschlüssig machte, kommt es nicht mehr an.
[13] 5. Die Revision des Klägers war daher zurückzuweisen.
II. Zur Revision der Erstbeklagten:
[14] 1. Das Revisionsinteresse der Erstbeklagten beträgt 15.698,12 EUR. Eines Abänderungsantrags iSd § 508 Abs 1 ZPO bedurfte es aber entgegen der Auffassung des Klägers nicht. Im Spruch des Berufungsurteils wurde die ordentliche Revision – ohne Differenzierung – für zulässig erklärt. Zwar bezog sich die Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts offenbar nur auf den klageabweisenden Teil des Berufungsurteils; dies hat aber nur zur Folge, dass es Sache der Erstbeklagten war, in ihrer Revision eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Dies hat sie versucht, es gelingt ihr aber nicht.
[15] 2. Das Berufungsgericht befasste sich gar nicht mit der Frage, ob die Umstellung des ursprünglichen Zahlungsbegehrens auf Zahlung an die Leasinggeberin (unter ergänzendem Vortrag, diese habe ihm die Ansprüche abgetreten) in der Tagsatzung vom 22. 1. 2018 als Klageänderung iSd § 235 ZPO zu werten wäre. Dem darauf gestützten Verjährungseinwand der Erstbeklagten hielt es entgegen, durch das erst am 3. 1. 2017 am Fahrzeug des Klägers durchgeführte Software‑Update sei eine neue zweijährige Gewährleistungsfrist ausgelöst worden. Da diese Auffassung nicht korrekturbedürftig ist, bedarf es keiner näheren Erörterung der Frage, ob diese Umstellung des Klagebegehrens eine Klageänderung war.
[16] 3. Die Erstbeklagte zieht weder in Zweifel, dass das Software‑Update ein Verbesserungsversuch beider Beklagten war, noch dass danach das „Thermofenster“ mit den vom Erstgericht festgestellten Auswirkungen verblieb. Sie meint nur, der Mangel „Umschaltlogik“ sei durch das Software‑Update verbessert worden, ein Wandlungsbegehren könne darauf nicht mehr gestützt werden. Zum „Thermofenster“ habe der Kläger die Verbesserung nicht verlangt, die Beklagten hätten eine solche daher weder zugesagt noch diesbezüglich einen Verbesserungsversuch unternommen.
[17] 4. Der Oberste Gerichtshof nahm zu 8 Ob 40/23z zur Frage der Verbesserung durch Installation des Software‑Updates bei einem typengleichen Motor bereits dahin Stellung, dass ein Käufer, der in Kenntnis der Betroffenheit seines Fahrzeugs vom „Dieselskandal“ ist und der in diesem Zusammenhang aufgefordert wird, wegen einer – ihm nicht näher erläuterten – Rückrufaktion sein Fahrzeug für ein Software-Update zur Verkäuferin zu bringen, dies typischerweise dahin verstehen muss, dass der Verstoß gegen die geltenden Abgasvorschriften behoben, also sein Auto diesen fortan entsprechen wird. Der 8. Senat ging dort daher von einem – die Verjährung unterbrechenden – deklarativen Anerkenntnis aus. Für eine „Trennung“ der Abschalteinrichtungen „Umschaltlogik“ und „Thermofenster“ bestand kein Anlass, zumal aus dem Sachverhalt nicht erkennbar war, dass das Software‑Update ausschließlich der Beseitigung der „Umschaltlogik“ dienen hätte sollen.
[18] 5. All dies gilt auch für den hier zu beurteilenden Fall. Dass die Verbesserung durch das Software‑Update nur der Beseitigung der „Umschaltlogik“ dienen hätte sollen, hat die Erstbeklagte gar nicht behauptet, dies wurde nicht festgestellt. Die angesprochene „Trennung“ erfordert auch die Feststellung nicht, dass das „Thermofenster“ bereits vor dem Software‑Update installiert gewesen war. Wie sich aus den detaillierten Feststellungen zur Funktionsweise des „Thermofensters“ ergibt, wird es als Abschalteinrichtung (temperaturabhängig) technisch erst dann wirksam, wenn die Umschaltlogik (die bewirkte, dass die Abgasrückführung im Echtbetrieb gar nicht stattfand) durch das Software‑Update beseitigt wird. Wenn das Berufungsgericht davon ausging, das „Thermofenster“ sei nach dem Software‑Update „verblieben“, so brachte es zum Ausdruck, dass die – unzulässige – Abschalteinrichtung „Thermofenster“ überhaupt erst nach dem Software‑Update, das die „Umschaltlogik“ beseitigte, wirken konnte. Der Sachmangel, der in der unzureichenden Abgasrückführung bei gewissen klimatischen Verhältnissen besteht, ergab sich erst durch das Software‑Update. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dieser Verbesserungsversuch habe eine neue zweijährige Verbesserungsfrist ausgelöst (vgl RS0018921 [T7, T8]), ist daher nicht zu beanstanden.
[19] 6. Auf die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage, ob die mit dem Sachmangel „Umschaltlogik“ einhergehende fehlende (unsichere) Rechtsbeständigkeit der Typengenehmigung ein Rechtsmangel sein könnte, bei dem die Gewährleistungsfrist erst mit Kenntnis einsetzen würde, ist mangels rechtlicher Relevanz nicht weiter einzugehen.
[20] 7. Auch die Revision der Erstbeklagten war daher zurückzuweisen.
[21] Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger und die Erstbeklagte haben auf die Unzulässigkeit der Revision ihres Gegners hingewiesen. In den Revisionsverfahren vertraten ihre Rechtsfreunde aber nur eine Partei bzw stand ihnen nur eine Partei gegenüber, sodass kein Streitgenossenzuschlag zusteht. Der ERV‑Zuschlag beträgt für Revisionsbeantwortungen 2,60 EUR. Der Zweitbeklagten steht für die Leistung ihres österreichischen Rechtsanwalts nur der deutsche Umsatzsteuerersatz von 19 % zu (RS0114955).
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