European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00160.23G.0925.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Sowohl die Revision als auch der Antrag auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art 267 AEUV werden zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 522,66 EUR (darin 92,11 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung nach Kopfteilen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Erstbeklagte entwickelte im Jahr 2019 eine App für die Bewertung von Schulen und Lehrern sowie eine dazu gehörige Bewertungsplattform, die nun, nachdem er sein Einzelunternehmen in die zweitbeklagte GmbH eingebracht hatte, von dieser betrieben werden.
[2] Der Kläger wurde darin versehentlich als Lehrer aufgenommen, obwohl er Schulwart ist. Die Löschung seiner Daten erfolgte am 27. 11. 2020.
[3] Eine Erhebung personenbezogener Daten des Klägers durch die Beklagten im Zug der Installation der App oder während der Verwendung der App einschließlich der Erhebung und Weiterleitung von auf Endgeräten des Klägers gespeicherten Daten oder diesem zugewiesenen Informationen an Dritte, insbesondere an bestimmte Firmen, hat nicht stattgefunden.
[4] Der Kläger begehrte, die Beklagten zur Unterlassung der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten und zur Zahlung von Schadenersatz zu verpflichten. Hinsichtlich der Zweitbeklagten strebte er darüber hinaus die Löschung aller von diesem gespeicherten oder sonst verarbeiteten, und auf die Person des Klägers bezogenen Daten (samt Verständigung davon) an. Die Unterlassungspflicht der Beklagten ergebe sich aus einem Verstoß gegen die Informationspflichten nach Art 12 bis 14 DSGVO. Die dem Kläger als Schulwart zugeordneten personenbezogenen Daten könnten nicht der Bewertung von Lehrkräften dienen. Es fehle jede Berechtigung, den Namen des Klägers zu verarbeiten.
[5] Die Beklagten „anerkannten und verpflichteten“ sich „ausdrücklich“, es „jede für sich zu unterlassen, personenbezogene Daten des Klägers, wie insbesondere Vor‑ und Nachnamen, Arbeitsort‑ und/oder Informationen über dessen berufliche Tätigkeit zum Zweck der öffentlichen Bewertung von Lehrkräften zu verarbeiten, obwohl die klagende Partei keine Lehrkraft ist, Dritte mit solchen Datenverarbeitungen zu beauftragen und vergleichbare Datenverarbeitungen zu ähnlichen Zwecken durchzuführen oder zu veranlassen“, und boten dem Kläger in der Klagebeantwortung „hiermit einen vollstreckbaren Unterlassungsvergleich an“. Sie brachten vor, mit diesem ihrem Anbot sei der Kläger auch hinsichtlich der von ihm begehrten Unterlassung der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten „ohne spätestens einen Monat nach Erhebung dieser personenbezogenen Daten an die klagende Partei gemäß den Artikeln 12–14 DSGVO [...]“ klaglos gestellt, werde doch die Unterlassung derselben Handlungen verfolgt (möge auch die Verpflichtung dazu aus Verletzungen verschiedener Rechtsnormen herrühren).
[6] Zwischen dem Kläger und der Zweitbeklagten wurde ein Teilvergleich über die Verpflichtung, „es zu unterlassen, personenbezogene Daten der klagenden Partei wie insbesondere deren Vor- und Nachnamen, deren Arbeitsort und/oder Informationen über dessen berufliche Tätigkeit zum Zweck der öffentlichen Bewertung von Lehrkräften zu verarbeiten, obwohl die klagende Partei keine Lehrkraft ist, Dritte mit solchen Datenverarbeitungen zu beauftragen und vergleichbare Datenverarbeitungen zu ähnlichen Zwecken durchzuführen oder zu veranlassen“, geschlossen, wobei vom Vergleich die damit im Zusammenhang stehenden Verfahrenskosten nicht umfasst sein sollten.
[7] Der Erstbeklagte wurde zeitlich etwas später gleichlautend mit Teilanerkenntnisurteil im selben Umfang verpflichtet und die Kostenentscheidung der Endentscheidung vorbehalten.
[8] Nach erfolgter Löschung schränkte der Kläger um dieses Teilbegehren (auf Kosten) ein.
[9] Das Erstgericht wies das restliche Klagebegehren ab.
[10] Über die Berufung des Klägers sprach ihm das Berufungsgericht dagegen 500 EUR an Schadenersatz zu, bestätigte das Ersturteil aber im Übrigen. Die ordentliche Revision sah es als zulässig an, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob eine Verletzung der in Art 12 bis 14 DSGVO verankerten Informationspflichten für sich alleine dazu führe, dass sich der Betroffene gegen die zugrunde liegende Datenverarbeitung mit einem Unterlassungsbegehren zur Wehr setzen könne.
[11] Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508 Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision jedoch nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
[12] Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen des Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage, kann sich auf die Ausführungen der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):
[13] 1. In der Revision wendet sich der Kläger nur gegen die Abweisung seines Begehrens auf Unterlassung der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten ohne ausreichende Information (laut Spruchpunkt 2.1 des Berufungsurteils). Die Abweisung eines weiteren (im Verlaufe des Verfahrens gestellten) Unterlassungsbegehrens (der Verwendung von Programmen, SDKs, Skripten und/oder sonstigen näher umschriebenen Diensten der Informationsgesellschaft unter bestimmten Bedingungen und ohne Einwilligung und umfassende Information) sowie die Abweisung des Zahlungsbegehrens im Umfang von 500 EUR sind damit in Rechtskraft erwachsen. Gegenstand im Verfahren dritter Instanz ist nur noch die angestrebte Verpflichtung zur Unterlassung der Verarbeitung personenbezogener Daten, ohne binnen einem Monat die vollständige Datenschutzinformation gemäß den Art 12 bis 14 DSGVO zu erteilen.
[14] 2. Auf die vom Berufungsgericht dazu aufgeworfene Frage kommt es mangels Präjudizialität nicht an, weil dieser Unterlassungsanspruch unabhängig von ihrer Lösung nicht besteht.
[15] 3. Die Informationserteilung nach den Art 12 ff DSGVO ist kein Selbstzweck, sondern steht im Zusammenhang mit einer entsprechenden Datenverarbeitung (deren Unterlassung hier begehrt wird). Ein Unterlassungsanspruch setzt aber ganz allgemein ein „(materielles) Rechtsschutzbedürfnis“ im Sinn eines materiell-rechtlichen schutzwürdigen Interesses (RS0012064) und im Besonderen Wiederholungsgefahr voraus (RS0080143; RS0037664).
[16] Letztere wird zwar nach einer erfolgten Verletzungshandlung vermutet. Die Wiederholungsgefahr kann aber durch ein nach dem Verstoß gesetztes Verhalten wieder wegfallen. Das Angebot eines vollstreckbaren Unterlassungsvergleichs (wenngleich vom Kläger abgelehnt) beseitigt im Regelfall die Wiederholungsgefahr (RS0079899; RS0079966; RS0079962; RS0079898; 4 Ob 77/23m), wobei dafür der Vorbehalt des Kostenersatzes durch den Beklagten nicht schadet (siehe 4 Ob 85/89; RS0079899 [T14]).
[17] Wenn auch im Einzelfall die Umstände gegen einen Wegfall sprechen können, sodass weiterhin Wiederholungsgefahr anzunehmen ist, sind solche Umstände hier nicht erkennbar. Dies umso weniger, als der Kläger überhaupt nur versehentlich in die vom Erstbeklagten gar nicht mehr selbst betriebene Bewertungsplattform und App aufgenommen worden war. Im vorliegenden Fall haben beide Beklagten den Abschluss eines vollstreckbaren Unterlassungsvergleichs hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten des Klägers angeboten. Darüber wurden auch bereits ein Vergleich geschlossen und ein (Teil-)Anerkenntnisurteil gefällt. Mehr kann der Kläger aber – bezogen auf den Umfang der angestrebten zu unterlassenden Handlung (sind beide doch schon mittels vollstreckbarem Titel zur Unterlassung der Verarbeitung der personenenbezogenen Daten verpflichtet) – nicht erreichen, sodass die Wiederholungsgefahr weggefallen ist (vgl 2 Ob 116/23g).
[18] 4. Eine Prozesspartei hat nach ständiger Rechtsprechung keinen verfahrensrechtlichen Anspruch, die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union durch das Gericht zu beantragen, sodass auch der entsprechende Antrag des Klägers zurückzuweisen war (RS0058452). Inhaltlich war ein Vorabentscheidungsersuchen mangels Präjudizialität unionsrechtlicher Fragen auch nicht angezeigt.
[19] 5. Der vom Berufungsgericht ausgesprochene Kostenvorbehalt steht einer Kostenentscheidung im – hier vorliegenden – Zwischenstreit über die Zulässigkeit der Revision nicht entgegen (vgl RS0129365 [T3]). Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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