OGH 2Ob116/23g

OGH2Ob116/23g27.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*, vertreten durch die Wiedenbauer Mutz Winkler & Partner Rechtsanwälte GmbH, Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei L*, vertreten durch Dr. Franz Zimmermann, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, wegen 149 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 30. März 2023, GZ 1 R 5/23i‑22, mit dem aus Anlass der Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 8. November 2022, GZ 15 C 434/22p‑15, samt dem ihm vorangegangenen Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurden, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020OB00116.23G.0627.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 156,12 EUR (darin 26,02 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte stellte ihr Fahrzeug auf dem Parkplatz der Klägerin ab und wurde dabei von dieser fotografiert. Ein von der Klägerin beauftragter Rechtsanwalt veranlasste anhand der Fotos eine Halterabfrage und forderte die Beklagte als Vertreter der Klägerin zur Zahlung von 149 EUR auf (Kosten für die anwaltliche Vertretung, Barauslagen für die Halteranfrage, pauschale Unkosten der Klägerin für den Aufwand im Zusammenhang mit den Fotos), widrigenfalls eine Besitzstörungsklage eingebracht werde. Die anwaltlich vertretene Beklagte lehnte das Kostenersatzbegehren als schikanös und nicht nachvollziehbar ab. Sie bestritt eine Besitzstörung, erklärte sich aber zu einer Unterlassungserklärung bereit.

[2] Die Klägerin begehrt Zahlung von 149 EUR und brachte vor, dass diese Kosten durch die Besitzstörung der Beklagten verursacht worden seien.

[3] Die Beklagte wandte ein, dass sie den Besitz der Klägerin nicht gestört habe. Die vorliegende Klage erscheine ungewöhnlich. Es werde dabei auf Kosten im Zusammenhang mit einer – angeblichen – Besitzstörungshandlung abgestellt, weil die Klägerin die Frist für die Einbringung einer Besitzstörungsklage wohl versäumt habe.

[4] Das Erstgericht gab der Klage statt. Es bejahte eine Besitzstörung und ging davon aus, dass die Klägerin deshalb Anspruch auf Ersatz der notwendigen Rechtsverfolgungskosten habe. Die geltend gemachten Kosten seien nicht unangemessen hoch.

[5] Das Berufungsgericht hob das Urteil und das ihm vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Es ging davon aus, dass die Klägerin vorprozessuale Kosten geltend mache, wofür der Rechtsweg nicht zulässig sei. Die Klägerin habe zum einen nicht vorgebracht, dass die geltend gemachten Kosten ihre Akzessorietät zum Hauptanspruch verloren hätten. Zudem sei das Verhalten der Beklagten zwiespältig gewesen, sodass das Anbot einer außergerichtlichen Unterlassungserklärung nicht ausreiche, um vom Wegfall der Wiederholungsgefahr auszugehen.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der dagegen von der Klägerin erhobene und von der Beklagten beantwortete Rekurs ist nicht berechtigt.

[7] 1. Nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ist gegen den Beschluss eines Berufungsgerichts, mit dem es die Klage oder die Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen hat, der Rekurs ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und auch unabhängig von der Höhe des Entscheidungsgegenstands zulässig (RS0043882, RS0043886 [T3], RS0043861).

[8] 2.1 Die Klägerin tritt der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass mit der Klage (nur) vorprozessuale Kosten begehrt werden, nicht entgegen.

[9] 2.2 Vorprozessuale Kosten sind bei Akzessorietät zum Hauptanspruch weiterhin als Kosten im Kostenverzeichnis geltend zu machen, sodass ihrer klagsweisen Geltendmachung die Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegensteht (RS0120431). Solche Kosten können erst dann selbständig eingeklagt werden, wenn kein Hauptanspruch mehr besteht (RS0035826; RS0111906) und daher kein Prozess in der Hauptsache mehr eingeleitet werden kann (RS0111906).

[10] 3. Im Zentrum der Rekursausführungen steht das Argument, dass die Wiederholungsgefahr wegen des Angebots der Beklagten auf Abgabe einer Unterlassungserklärung weggefallen sei, sodass der Klägerin wegen der Besitzstörung der Beklagten kein Hauptanspruch (auf Unterlassung) mehr zustehe.

[11] 4. Mit diesen Ausführungen ist die Klägerin nicht im Recht.

[12] 4.1 Dazu ist auf das Verhalten der Beklagten nach dem (ihr als Besitzstörung zur Last gelegten) Parken auf dem Grundstück der Klägerin hinzuweisen.

[13] 4.2 Die von den Streitteilen vorgelegten Urkunden über den nach der (behaupteten) Besitzstörung geführten Schriftverkehr sind ihrem Inhalt nach unstrittig und können daher bei der rechtlichen Beurteilung auch in dritter Instanz verwertet werden (RS0121557). Daraus ergibt sich zum einen, dass die Beklagte zwar zu einer außergerichtlichen Unterlassungserklärung bereit war. Gleichzeitig trat sie aber dem Standpunkt der Klägerin entgegen und stellte eine relevante Besitzstörung wegen der äußerst kurzfristigen Benutzung des Parkplatzes in Abrede. Der darauffolgenden Mail von der Klagsseite, wonach eine Besitzstörung auch bereits verwirklicht sei, wenn die Parkdauer nur rund zwei Minuten betragen hätte, antwortete die Beklagte dahin, dass sie diese Rechtsansicht nicht teile.

[14] 4.3 Bei der Beurteilung des Bestehens der Wiederholungsgefahr ist stets maßgebend, ob dem Verhalten des Beklagten in seiner Gesamtheit gewichtige Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, dass er ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen (RS0012087). Die Abgabe einer bloß außergerichtlichen Unterlassungserklärung, von künftigen Störungen Abstand nehmen zu wollen, reicht nach der Rechtsprechung insbesondere dann nicht aus, wenn der Beklagte ein zwiespältiges Verhalten zeigt (4 Ob 13/20w; 4 Ob 156/20z; RS0080134).

[15] 4.4 Das Verhalten der Beklagten ist deshalb als zwiespältig zu qualifizieren, weil sie trotz der in Aussicht gestellten Unterlassungserklärung den Rechtsstandpunkt der Gegenseite nicht vorbehaltlos anerkannte (6 Ob 120/15p, Pkt 4; 4 Ob 175/17i Pkt 3.2), sondern vielmehr das Vorliegen einer Besitzstörung in Abrede stellte. In einem solchen Fall kann die Wiederholungsgefahr regelmäßig nur verneint werden, wenn dem in seinen Rechten Beeinträchtigten ein vollstreckbarer Exekutionstitel verschafft wird, der ihm all das bietet, was er im Verfahren erreichen kann (RS0079692 [T17]). Derartiges lag hier nicht vor, sodass die angefochtene Entscheidung zutreffend den Wegfall der Wiederholungsgefahr verneint und damit die Akzessorietät der Kosten zum Hauptanspruch bejaht hat.

[16] 5. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Die Klägerin rügt hier, sie habe mangels Erörterung nicht vorbringen können, dass die Beklagte zu einer Unterlassungserklärung bereit gewesen sei. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, kommt es im Ergebnis auf dieses Angebot nicht an, sodass die behauptete Mangelhaftigkeit nicht relevant ist.

[17] 6. Dem Rekurs der Klägerin ist daher ein Erfolg zu versagen.

[18] 7. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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