OGH 6Ob3/23v

OGH6Ob3/23v25.9.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei A* K*, vertreten durch Mag. Martin Josef Walser, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten und widerklagenden Parteien 1. K* B*, 2. Dr. J*, beide vertreten durch Siemer‑Siegl‑Füreder & Partner Rechtsanwälte (OG) in Wien, wegen Duldung (20 Cg 106/18a) sowie Beseitigung und Unterlassung (24 Cg 118/19x), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. November 2022, GZ 15 R 159/22w‑92, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00003.23V.0925.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Der Oberste Gerichtshof hat zum Grenzüberbau bei Liegenschaften, die verschiedenen Eigentümern gehören, bereits wiederholt Stellung genommen und einen „außerbücherlichen“ Eigentumserwerb eines unredlichen Bauführers verneint (3 Ob 216/15h [ErwGr 1.]; 6 Ob 167/10tRS0108464 [T2]; 1 Ob 239/08s [ErwGr 2.]; 9 Ob 32/02z; 1 Ob 68/99b; vgl auch 7 Ob 8/07p) sowie ausgesprochen, dass dem Eigentümer der überbauten Grundfläche grundsätzlich ein Beseitigungsanspruch zukommt (3 Ob 216/15h [ErwGr 2.]; 9 Ob 32/02z; 1 Ob 265/01d; vgl 6 Ob 167/10t; 1 Ob 239/08s; RS0115858). Er hat sich dabei auch mit den auf Jabornegg (Der Grenzüberbau im österreichischen Recht, in FS Eichler, [1977] 287 ff) und Mader (Der Grenzüberbau in der neueren Judikatur, bbl 1998, 111) zurückgehenden gegenteiligen Ansichten der Literatur auseinandergesetzt und diese abgelehnt (6 Ob 167/10t; 9 Ob 32/02z; vgl 1 Ob 265/01d).

[2] 2. Die Klägerin ließ an der Grenze ihrer Liegenschaft eine Einfriedungsmauer errichten, ohne dass die beklagten Eigentümer der Nachbarliegenschaft einer Grenzüberbauung zugestimmt hatten. Nachträglich stellte sich heraus, dass sich Teile der Mauer auf der Liegenschaft der Beklagten befanden. Nach den (teilweise disloziert in der rechtlichen Beurteilung) getroffenen Feststellungen war der Klägerin bewusst, dass es durch die Bauführung zu Überschreitungen der Grundgrenze kommen kann und auch wird.

[3] 3. Das Berufungsgericht war der Auffassung, die Klägerin könne sich nicht erfolgreich auf einen originären Eigentumserwerb der schlechtgläubig überbauten Flächen stützen. Diese Beurteilung findet Deckung in den erörterten Rechtsprechungsgrundsätzen. Mit dem Hinweis auf die erwähnten gegenteiligen Literaturansichten zeigt die Revision keine aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts auf. Selbst die von ihr angeführtenAutoren gehen überdies überwiegend von einem Beseitigungsanspruch des Grundeigentümers jedenfalls bei grober Fahrlässigkeit des Bauführers aus (etwa Müller in Schwimann/Kodek, ABGB PK5 § 418 Rz 15; Karner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 418 Rz 3 und Rz 9; vgl Holzner, Beseitigungsanspruch gegen den unredlichen Bauführer bei geringfügigem Grenzüberbau JBl 2011, 379).

[4] 4. Ob nach den im Einzelfall gegebenen Umständen Wiederholungsgefahr besteht, ist keine erhebliche Rechtsfrage (RS0042818). Als Indiz für das Vorhandensein einer Wiederholungsgefahr ist es zu werten, wenn der Beklagte – wie auch hier – im Prozess seine Unterlassungspflicht bestreitet und keine Gewähr dafür besteht, dass er Eingriffe in das Eigentum des Klägers in absehbarer Zeit unterlässt (RS0012055).

[5] Auch die Ansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin halte ihren Rechtsstandpunkt aufrecht, Eigentümerin der überbauten Grundfläche geworden zu sein, weshalb die Beklagten die Bebauung zu dulden hätten, die Klägerin habe damit gerade keine Erklärung abgegeben, die zu einer Verneinung der Wiederholungsgefahr führen könnte, bedarf daher keiner Korrektur.

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