OGH 9Ob23/23g

OGH9Ob23/23g26.7.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Annerl in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Linke Wienzeile 18, 1060 Wien, vertreten durch die Kosesnik‑Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei B* GmbH, *, vertreten durch die Proksch & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert: 30.500 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert: 6.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. März 2022, GZ 4 R 129/22b‑22, womit infolge Berufung der beiden Parteien das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 2. Juni 2022, GZ 24 Cg 39/21z‑12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0090OB00023.23G.0726.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Klauselentscheidungen

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.261,40 EUR (darin 376,90 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger ist ein gemäß § 29 KSchG zur Verbandsklage berechtigter Verein.

[2] Die Beklagte ist ein österreichweit tätiges Unternehmen, das Konzerte, Veranstaltungen und Festivals organisiert und durchführt. Sie schließt im Rahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeit laufend mit Verbrauchern Verträge ab, denen sie ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zugrundelegt.

[3] Der Kläger begehrte, die Beklagte schuldig zu erkennen, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie den von ihr geschlossenen Verträgen zu Grunde legt, und/oder in hiebei verwendeten Vertragsformblättern die Verwendung von insgesamt sechs angeführten bzw sinngleichen Klauseln aus ihren AGB sowie die Berufung darauf zu unterlassen; darüber hinaus stellte er ein Urteilsveröffentlichungsbegehren. Die Klauseln verstießen gegen gesetzliche Verbote, seien zudem nicht ausreichend transparent und zum Teil gröblich benachteiligend.

[4] Die Beklagte bestritt und beantragte Klagsabweisung.

[5] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren in Ansehung von fünf Klauseln und dem Veröffentlichungsbegehren statt und wies es in Ansehung einer Klausel ab.

[6] Das Berufungsgericht gab der gegen den klagsabweisenden Teil dieses Urteils gerichteten Berufung des Klägers sowie der gegen den klagestattgebenden Teil gerichteten Berufung der Beklagten nicht Folge. Es ließ die ordentliche Revision zu, weil auch Klauseln zu beurteilen seien, zu denen noch keine (explizite) Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Verbandsverfahren vorliege, diese aber regelmäßig einen größeren Personenkreis beträfen.

[7] Der Inhalt der Klauseln, das nähere Vorbringen der Parteien und die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen werden zur besseren Übersichtlichkeit bei der Behandlung der einzelnen Klauseln dargestellt.

[8] In ihrerRevision beantragt die Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung.

[9] Der Kläger beantragt in seinerRevisionsbeantwortung, die Revision der Beklagten als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig (vgl RS0121516); sie ist aber nicht berechtigt.

[11] Voranzustellen ist, dass das Berufungsgericht die im Verbandsprozess geltenden Grundsätze – zutreffend – dargestellt hat (S 6 bis 8). Diese Rechtsprechung wird von der Beklagten in dieser Allgemeinheit auch nicht in Frage gestellt. Es genügt daher, vorweg darauf zu verweisen.

1. Klausel 2 (Pkt 4 Satz 2 der AGB):

TERMINÄNDERUNGEN AUFGRUND DER COVID-19-PANDEMIE (oder anderer Fälle Höherer Gewalt) gelten jedenfalls dann als zumutbar, geringfügig und sachlich gerechtfertigt, wenn der neue Veranstaltungstermin längstens 18 Monate nach dem ursprünglichen Veranstaltungstermin liegt.

[12] Die Vorinstanzen hielten die Klausel für nichtig, weil sie gegen § 6 Abs 2 Z 3 KSchG verstoße. Diese Regelung schränke die Zulässigkeit einseitiger Leistungsänderungen durch den Unternehmer ein, die nicht im Einzelnen ausgehandelt worden seien. Danach seien Vertragsbestimmungen nicht verbindlich, nach denen der Unternehmer eine von ihm zu erbringende Leistung einseitig ändern oder von ihr abweichen könne, es sei denn, die Änderung bzw Abweichung sei dem Verbraucher zumutbar, besonders weil sie geringfügig und sachlich gerechtfertigt sei. Die Vorschrift diene der Sicherung der Vertragstreue des Unternehmers und schütze das Vertrauen des Verbrauchers in die vertragliche Zusage seines Partners. Es solle verhindert werden, dass sich der Unternehmer das Recht auf weitgehende, den Interessen des Verbrauchers widersprechende, einseitige Leistungsänderungen vorbehalte.

[13] Eine gegen § 6 Abs 2 Z 3 KSchG verstoßende Klausel sei zwar nur dann nichtig, wenn sie nicht im Einzelnen ausgehandelt worden sei, das treffe jedoch grundsätzlich schon dann zu, wenn sie in AGB oder Vertragsformblättern aufscheine oder sonst der Verbraucher keinen Einfluss auf die Gestaltung nehmen habe können. Die Vereinbarung müsse also nach konkreter Erörterung getroffen worden sein, wobei die Judikatur einen strengen Maßstab an das Erfordernis, dass eine Klausel im Einzelnen ausgehandelt worden sei, lege. Das Aushandeln müsse durch die beiden Vertragspartner erfolgen und habe sich auf die einzelne Bestimmung zu beziehen. Die Beweislast dafür, dass eine Vertragsbestimmung im Einzelnen ausgehandelt worden sei, trage schon nach dem Gesetzeswortlaut der Unternehmer. Es genüge dabei nicht, dass die betreffende Bestimmung bloß erörtert und dem Verbraucher bewusst gemacht worden sei. Vielmehr müsse der Unternehmer zu einer Änderung des von ihm verwendeten Textes erkennbar bereit gewesen sein. Um eine erkennbare Bereitschaft zur Änderung der AGB zu zeigen, genüge es aber nicht, auf der Homepage Kontaktdaten und Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme wie eine Service-Hotline, E-Mail-Adresse udgl anzugeben, weil der durchschnittliche Verbraucher die AGB des Unternehmers als üblicherweise im Geschäftsverkehr vorgegeben und nicht verhandelbar ansehe. Gerade bei einem Massengeschäft, wie dem Verkauf von Eintrittskarten für Konzerte, Festivals und sonstige Veranstaltungen, bei dem der Geschäftsabschluss auch nur über Vermittler der sonstige Hilfspersonen zustande komme, der Verbraucher dabei aber weder mit den vertretungsbefugten Organen noch mit sonstigen Repräsentanten des Unternehmens in Kontakt trete, werde der Verbraucher nicht mit der Bereitschaft des Unternehmers rechnen, Bestimmungen aus den AGB über Wunsch des Kunden abzuändern. Solange auf der Homepage daher ein ausdrücklicher Hinweis auf die Bereitschaft der Beklagten zur Änderung einer bestimmten AGB-Klausel fehle, könne die betreffende Klausel von vornherein nicht als „im Einzelnen ausgehandelt“ gelten. Nicht entscheidend sei, ob die behauptete Bereitschaft der Beklagten zur Änderung der Klausel tatsächlich bestehe. Es bedürfe daher auch nicht der von der Beklagten im Rahmen der Beweisrüge angestrebten ergänzenden Feststellung zu dieser Frage.

[14] Eine sachliche Rechtfertigung für das sehr weitgehende Leistungsänderungsrecht, das in der Klausel für den Fall der Verschiebung von Veranstaltungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie oder sonstiger Fälle von höherer Gewalt vorgesehen sei, vermöge die Beklagte nicht aufzuzeigen. Die Klausel würde dazu führen, dass der Verbraucher bei allen auf höhere Gewalt zurückzuführenden Verschiebungen von Veranstaltungen auf einen Ersatztermin in den folgenden 18 Monaten das bereits geleistete (und gerade bei Konzerten oder Festivals regelmäßig über bloße Bagatellbeträge hinausgehende) Entgelt für die Eintrittskarten nicht zurück erhalte, obwohl er anders als bei der ursprünglichen Ticket-Buchung den Ersatztermin nicht frei wählen könne, sondern an den von der Beklagten festgesetzten Ersatztermin gebunden sei. Der Verbraucher erhalte sein Entgelt daher auch dann nicht zurück, wenn er wegen eines nicht verschiebbaren anderen Termins oder aus sonstigen persönlichen Gründen an der Teilnahme verhindert sei oder er in der nicht unbeträchtlichen Zeit von bis zu 18 Monaten bis zum Ersatztermin das Interesse an der Veranstaltung verloren habe. Eine derart weitgehende Befreiung des Unternehmers von seiner Rückzahlungsverpflichtung lasse sich weder sachlich rechtfertigen noch sei ein solcher Eingriff in die Rechte des Verbrauchers geringfügig und diesem in jedem Fall zumutbar.

[15] Ob in Lettland – wie die Beklagte behaupte – eine vergleichbare gesetzliche Regelung bestehe, habe keiner Überprüfung bedurft. Die Zulässigkeit der AGB-Klauseln der Beklagten, die diese ihren Verträgen mit Verbrauchern im Inland zugrunde lege, seien allein anhand der österreichischen Rechtsordnung und den österreichischen verbraucherschutzrechtlichen Bestimmungen zu messen. Etwaige Bestimmungen anderer EU‑Staaten seien auch nicht als Auslegungshilfe für § 6 Abs 2 Z 3 KSchG heranzuziehen.

[16] Die Revisionswerberin meint, das Berufungsgericht verkenne hinsichtlich des Erfordernisses, dass die Klausel „im Einzelnen ausverhandelt“ worden sei, dass nach der Rechtsprechung (2 Ob 22/12t) lediglich die erkennbare Bereitschaft eines AGB-Verwenders zur Änderung des von ihm verwendeten AGB-Textes erforderlich sei. Eine solche erkennbare Bereitschaft liege hier für den Kunden vor, weil ihm insbesondere auch die Möglichkeit gegeben werde, entweder die Beklagte über deren Servicehotline und per E‑Mail bzw das jeweilige Ticketingunternehmen im Falle des Kaufs von Tickets über ein Ticketingunternehmen zu kontaktieren, um über die Bestimmungen der AGB zu verhandeln oder Tickets über eine Telefonhotline zu bestellen und so direkt im Rahmen des Bestellprozesses abweichende Vertragsbestimmungen zu verhandeln. Die Klausel sei sachlich gerechtfertigt, geringfügig und dem Verbraucher auch zumutbar, zumal auch in anderen Ländern der EU – etwa in Lettland – gesetzliche Regelungen getroffen worden seien, welche Veranstalter berechtigen, Veranstaltungen, welche COVID-19 bedingt abgesagt worden seien, zu einem späteren Zeitpunkt durchzuführen.

[17] Der Senat hält diese Ausführungen für nicht stichhältig, erachtet hingegen die Beurteilung des Berufungsgerichts für zutreffend (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Gemäß § 6 Abs 2 Z 3 KSchG sind für den Verbraucher besonders solche Vertragsbestimmungen im Sinn des § 879 ABGB jedenfalls nicht verbindlich, nach denen der Unternehmer eine von ihm zu erbringende Leistung einseitig ändern oder von ihr abweichen kann, es sei denn, die Änderung beziehungsweise Abweichung ist dem Verbraucher zumutbar, besonders weil sie geringfügig und sachlich gerechtfertigt ist. Diese Bestimmung soll verhindern, dass sich der Unternehmer das Recht auf weitgehende, den Interessen des Verbrauchers widersprechende, einseitige Leistungsänderungen vorbehält (RS0111807 [T3]). Nach herrschender Ansicht reicht es nicht aus, dass eine Vertragsbestimmung zwischen den Vertragsparteien bloß erörtert und dem Verbraucher bewusst gemacht wird, vielmehr muss der Unternehmer zu einer Änderung des von ihm verwendeten Textes erkennbar bereit gewesen sein (2 Ob 22/12t Pkt 3.2.1.; RS0121396 [T2]).

[18] Eine auf der Website der Beklagten angegebene Service‑Hotline, E‑Mail‑Adresse oder Telefonhotline wird diesen strengen (vgl Kathrein/Schoditsch in Bydlinski/Perner/Spitzer, ABGB7 § 6 KSchG Rz 23) Anforderung an die Erkennbarkeit für den Verbraucher, dass die Beklagte bereit ist, genau die in der Klausel ihrer AGB vorformulierte Vertragsbestimmung im Einzelfall ändern zu wollen, aber nicht gerecht. Die in der Klausel 2 der Beklagten vorbehaltene einseitige Leistungsänderung ist auch nicht geringfügig und dem Verbraucher zumutbar, weil – so zutreffend die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung – damit die Beklagte das Recht hat, einen beliebigen Termin für die neue Veranstaltung festzusetzen. Verbrauchern kann aber nicht zugemutet werden, dass sie an jedem Tag innerhalb der nächsten 18 Monate und darüber hinaus an einem bestimmten Tag Zeit und auch noch Interesse haben, die abgesagteVeranstaltung zu besuchen. Auch wenn sich die Europäische Union als Wertegemeinschaft definieren mag – so die Revisionswerberin –, bieten andere Regelungen anderer Mitgliedstaaten keinen Anlass, der österreichischen Bestimmung des § 6 Abs 2 Z 3 KSchG – abweichend von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung – einen anderen Inhalt beizumessen.

2. Klausel 3 (Pkt 8 Satz 2 und 3 der AGB):

Im Falle einer Refundierung können allfällige Gebühren nicht rückerstattet werden, da die entsprechenden Leistungen im Rahmen der Vertragsabwicklung bereits erbracht wurden. Die Höhe der Gebühren kann dabei variieren, beträgt aber üblicherweise rund 10%.

[19] Die Vorinstanzen hielten die Klausel übereinstimmend für intransparent im Sinne des § 6 Abs 3 KSchG. Für den Verbraucher bleibe unklar, welche Entgeltbestandteile des von ihm bezahlten Ticketpreises unter den in der Klausel verwendeten Begriff der „allfälligen Gebühren im Rahmen der Vertragsabwicklung“ fielen. Der Verbraucher könnte bei kundenfeindlichster Auslegung den Eindruck erhalten, dass auch die von der Beklagten im Zuge der Organisation der gebuchten Veranstaltung bereits getätigten Auslagen und nicht nur – wie die Beklagte meine – bereits entrichtete Vermittlungsgebühren, von einer Refundierung ausgenommen werden sollten. Auch die Angabe, dass die Gebühren üblicherweise 10 % (des gesamten Ticketpreises) betrügen, trage nicht zur Klarheit bei, fehle doch weiter jede Erklärung, wie der Verbraucher selbst die Höhe der Gebühren feststellen und nachvollziehen könne. Die von der Beklagten behauptete Beschränkung des Anwendungsbereichs der Klausel auf die von externen Anbietern eingehobenen Gebühren (im wesentlichen wohl: Vermittlungsgebühren oder -provisionen) oder auf Kosten für bestimmte bereits erbrachte Zusatzleistungen lassesich der Klausel nicht entnehmen.

[20] Die Klausel seizudem gröblich benachteiligend im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB, weil sie auch für die Rückerstattung von Ticketkosten gelte, wenn die betreffende Veranstaltung aus Verschulden der Beklagten abgesagt worden sei. Damit würde der Verbraucher auch bei grob fahrlässiger oder sogar vorsätzlicher Absage der Veranstaltung durch die Beklagte nicht den gesamten, sondern nur einen im Regelfall um 10 % reduzierten Ticketpreis rückerstattet erhalten, obwohl er selbst keine Leistung in Anspruch nehmen habe können. Auch eine etwaige Vermittlungsleistung des Ticketingunternehmens komme ihm in diesem Fall nicht zugute. Dafür fehle es aber an einer sachlichen Rechtfertigung; eine solche zeige auch die Beklagte nicht auf.

[21] Die Revision der Beklagten führt für die Transparenz der Klausel 3 den Rechtssatz RS0125205 ins Treffen. Gegen die Beurteilung der Klausel 3 als gröblich benachteiligend stellt die Beklagte verschiedene Gebühren und Kosten bei Durchführung der Veranstaltung jenen bei Absage der Veranstaltung gegenüber und kommt dabei zum Schluss, die Rechtsansicht des Berufungsgerichts hätte zur Folge, dass in bestimmten Fällen Kunden durch die Rückerstattung der Gebühren bei einer Absage der Veranstaltung besser gestellt wären als bei dessen Durchführung. Auch bei kundenfeindlichster Auslegung könne der Beklagen nicht unterstellt werden, dass sie berechtigte Ansprüche ihrer Kunden – gesetzwidrig – nicht erfülle.

[22] Der Senat hält die Klausel 3 schon deshalb für gröblich benachteiligend nach § 879 Abs 3 ABGB, weil sie bei kundenfeindlichster Auslegung (RS0016590) eine Refundierung von vom Kunden bezahlter Gebühren auch dann ausschließt, wenn die Veranstaltung aus einem Verschulden der Beklagten abgesagt wurde. Der Einwand der Revisionswerberin, es könne ihr kein gesetzwidriges Verhalten unterstellt werden, stellt darauf ab, dass sie die Klausel 3 in der Praxis anders handhabe. Dieser Einwand ist aber nach der Rechtsprechung unbeachtlich (RS0121943). Auf die übrigen Revisionsausführungen, insbesondere zu § 6 Abs 3 KSchG, musste daher nicht mehr eingegangen werden.

3. Klausel 4 (Pkt 9 Satz 1 bis 3 der AGB) und Klausel 5 (Pkt 11 Satz 1 und 2 der AGB)

Klausel 4:

ABWEICHEND VON PUNKT 8 GILT FÜR VERANSTALTUNGEN, DIE AUFGRUND DER COVID-19-PANDEMIE ODER SONSTIGER FÄLLE HÖHERER GEWALT ENTFALLEN SIND FOLGENDES: Dem Kunden wird anstelle der Rückzahlung des Ticketpreises ein Gutschein über den zu erstattenden Betrag ausgestellt. Hinsichtlich des Wertes des auszustellenden Gutscheines gelten die Bestimmungen des KuKuSpoSiG (sinngemäß).

Klausel 5:

SOFERN EINE VERANSTALTUNG IN FÄLLEN HÖHERER GEWALT ZWAR NICHT GÄNZLICH ABGESAGT WERDEN MUSS, SICH JEDOCH DIE HÖCHSTZULÄSSIGE KAPAZITÄT DER VERANSTALTUNG REDUZIERT (etwa aufgrund von Regelungen zur Einhaltung von Sicherheitsabständen oder der Beschränkungen der höchstzulässigen Besucherzahl) kann der Veranstalter nach eigenem Ermessen entscheiden, welche Kunden zum Besuch einer Veranstaltung berechtigt sind. Für jene Kunden, welche in Folge dieser Entscheidung nicht zum Besuch einer Veranstaltung berechtigt sind, gelten die Regelungen der Punkte 9 und 10 (Gutscheinlösung).

[23] Das Erstgericht erachtete die Klauseln mangels sachlicher Rechtfertigung für die vorgesehene Erstreckung der Gutscheinlösung des KuKuSpoSiG auf alle Fälle höherer Gewalt als gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB. Beim KuKuSpoSiG handle es sich um ein Schutzgesetz zugunsten des Veranstalters, der diesem ermögliche, abweichend vom allgemeinen Zivilrecht in bestimmten Fällen der zufälligen, nachträglichen Unmöglichkeit infolge der COVID-19-Pandemie das bezahlte Entgelt nicht rückzuerstatten, sondern unter bestimmten Voraussetzungen und bis zu einer bestimmten Höhe Rückersatz in Gutscheinform leisten zu dürfen. Die Erstreckung der Gutscheinlösung auf Fälle höherer Gewalt weiche vom allgemeinen Zivilrecht ab. Der Gesetzgeber habe mit der Gutscheinlösung des KuKuSpoSiG den Zweck verfolgt, der Gefahr entgegenzuwirken, Veranstalter in ihrem wirtschaftlichen Bestand zu gefährden, wenn diese zeitgleich sämtliche Rückzahlungsansprüche von Kunden befriedigen müssten, die aufgrund Entfalls zahlreicher Kunst-, Kultur- oder Sportereignisse aufgrund der COVID-19-Pandemie entstanden seien und noch entstehen würden. Die Begünstigung der Veranstalter durch die Gutscheinlösung habe daher ihren Grund nicht nur im fehlenden Verschulden, sondern vor allem darin, dass die COVID-19-Pandemie die Absage sämtlicher Veranstaltungen für einen bestimmten Zeitraum erforderlich mach(t)e und die betroffenen Veranstalter bei Rückerstattung der Ticketpreise in Geld in vielen Fällen von einer Insolvenz betroffen wären. In sonstigen Fällen höherer Gewalt müssten aber keineswegs sämtliche Veranstaltungen der Beklagten betroffen sein; so könnten etwa eine Erkrankung eines Künstlers oder schlechte Wetterverhältnisse an einem bestimmten Freiluft-Veranstaltungsort die Durchführung nur einer bestimmten Veranstaltung unmöglich machen. In solchen Fällen werde die beklagte Veranstalterin weiterhin Einnahmen aus den anderen durchführbaren Veranstaltungen lukrieren, sodass sie durch Rückzahlungspflichten typischerweise nicht in ihrem wirtschaftlichen Bestand gefährdet werde. Es bestehe daher keine ausreichende sachliche Rechtfertigung für die Erstreckung der Gutscheinlösung des KuKuSpoSiG auf sämtliche Fälle höherer Gewalt.

[24] Das Berufungsgericht teilte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts. Soweit die Beklagte die Zulässigkeit der Gutscheinlösung in Ansehung der COVID‑19‑bedingten Absagen oder Kapazitätsreduktionen mit dem Argument verteidige, die Klauseln dienten insofern nur der Klarstellung, so sei zwar richtig, dass der Kläger die Gutscheinlösung in diesem Umfang nicht beanstandet habe. Für die Beklagte sei daraus aber nichts zu gewinnen, bestehe doch für eine geltungserhaltende Reduktion im Verbandsverfahren kein Raum. Bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung sei davon auszugehen, dass in den Klauseln nicht nur auf in ihrer wirtschaftlichen Tragweite einer Pandemie gleichkommende Fälle abgestellt werde, die während eines längeren Zeitraums zumindest einen beträchtlichen Teil von Veranstaltungen beträfen, sondern alle Fälle höherer Gewalt einbezogen werden sollten, also auch Absagen oder Kapazitätsreduktionen bei einer einzelnen Veranstaltung aufgrund von Einzelereignissen, wie etwa der am Veranstaltungstag herrschenden Witterung oder der Erkrankung des auftretenden Künstlers. Gerade in solchen Fällen bestehe aber keine Notwendigkeit für die Anwendung der Gutscheinlösung des KuKuSpoSiG, dessen Zweck sei, Veranstalter vor der Gefährdung in ihrem wirtschaftlichem Bestand zu schützen, die bestünde, müssten sie alle Rückzahlungsverpflichtungen gleichzeitig erfüllen, die ihnen aus dem COVID-19-bedingten Entfall zahlreicher Veranstaltungen entstanden seien und in Zukunft noch entstehen würden.

[25] Die Revisionswerberin argumentiert für die Zulässigkeit der Klauseln 4 und 5 unter anderem damit, dass auch durch diese Klauseln eine Reduktion des Insolvenzrisikos, hervorgerufen etwa durch die Absage einzelner Veranstaltungen und der nicht immer refundierbaren Gagen für Künstler, erreicht werden solle. Es sei daher evident, dass „sonstige Fälle höherer Gewalt“ mit dem sachlichen Anwendungsbereich des KuKuSpoSiG – über den gesamten zeitlichen Anwendungsbereich des KuKuSpoSiG betrachtet – vergleichbar seien. Insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass ausgegebene Gutscheine nach Fristablauf – entsprechend den Bestimmungen des KuKuSpoSiG – an den Kunden wieder in Geld auszuzahlen seien, könne in der sinngemäßen Anwendung der Bestimmungen des KuKuSpoSiG kein auffallendes Missverhältnis zur Rechtsposition des Kunden gemäß dispositivem Recht erblickt werden. Die Klausel 5 verschaffe einem Teil ihrer Kunden zudem die Möglichkeit, die erworbenen Tickets für ihre Wunschveranstaltung zu behalten.

[26] Der erkennende Senat teilt die Rechtsauffassung der Vorinstanzen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Der Entwurf des Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz – KuKuSpoSiG beruht auf einem selbständigen Antrag des Justizausschusses. Die Absicht der Redaktoren dieses Gesetzes hat ihren Niederschlag daher im Bericht und Antrag des Justizausschusses gefunden (142 BlgNR 27. GP  1 f). Wie daraus hervorgeht, soll das Gesetz Kunst-, Kultur- und Sportveranstalter nach COVID‑19‑bedingtem Entfall der Veranstaltungen davor schützen, dass sie durch nahezu zeitgleiche Erfüllung von Rückzahlungspflichten in ihrem wirtschaftlichem Bestand gefährdet werden und möglicherweise in Insolvenz verfallen. Dem soll das Gesetz durch die den Veranstaltern gebotene Möglichkeit entgegenwirken, anstelle der Rückzahlungspflicht Gutscheine auszustellen. Zugleich sollen aber auch die Interessen der Verbraucher angemessen Berücksichtigung finden (9 Ob 8/22z Rz 19 mwN). Zutreffend führt die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung aus, dass der Gesetzgeber im KuKuSpoSiG für einen historisch einmaligen Ausnahmefall, nämlich jenen der Covid‑19‑Pandemie, eine Regelung getroffen hat, die massiv in allgemeines Vertragsrecht und die Interessen der Vertragspartner der Veranstalter eingegriffen hat; insbesondere indem aufgrund der vorgesehenen Gutscheinlösung Verbrauchern massive Insolvenzrisiken hinsichtlich ihrer teils in Gutscheine umgewandelten Ersatzansprüche auferlegt wurden. Eine solche für eine Ausnahmesituation getroffene Regelung für den Entfall zahlreicher Veranstaltungen ist aber nicht verallgemeinerungsfähig und insbesondere nicht mit dem Entfall von Einzelereignissen, wenn auch ebenfalls wegen höherer Gewalt, vergleichbar. Dass der zeitliche Anwendungsbereich des KuKuSpoSiG durch den Gesetzgeber mehrfach verlängert wurde, ändert nichts daran, dass das Gesetz immer nur Fälle der Covid-19-Pandemie regelte.

4. Klausel 6 (Pkt 17 Satz 1 der AGB):

Bei Konzerten kann auf Grund der Lautstärke die Gefahr von Hör- und Gesundheitsschäden bestehen; für diese und sonstige etwaige Sach- und Körperschäden übernimmt der Veranstalter (soweit gesetzlich zulässig) keine Haftung.

[27] Das Erstgericht beurteilte die Klausel als unzulässig nach § 6 Abs 1 Z 9 KSchG, weil sie über einen bloßen Warnhinweis hinausgehe und die Pflicht der Beklagten zum Ersatz von Personenschäden einschränken wolle. Der Haftungsausschluss werde auch nicht auf Gesundheitsschäden beschränkt, die Begleiterscheinungen des typischen Lärmpegels eines Konzertes seien. Von den ganz allgemein angesprochenen „etwaigen Körperschäden“ und damit von der Haftungseinschränkung seien beispielsweise auch Verletzungen infolge Überfüllung oder unzureichender Absicherung des Konzertgeländes durch die Beklagte erfasst. Schließlich widerspreche die Anordnung eines Haftungsausschlusses „soweit gesetzlich zulässig“ als sogenannte salvatorische Klausel nach der Rechtsprechung dem Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG, weil Verbrauchern nicht das Risiko aufgebürdet werden dürfe, die (teilweise) Rechtswidrigkeit der beanstandeten Regelung zu erkennen.

[28] Das Berufungsgericht hielt der Argumentation in der Berufung der Beklagten, die Rechtsprechung sehe sogenannte salvatorische Klauseln mittlerweile gemessen am Transparenzgebot als unbedenklich an, entgegen, dass nach ständiger Rechtsprechung eine salvatorische Klausel dann intransparent im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG sei, wenn sie beispielsweise den AGB nur soweit Geltung zubillige, als ihnen nicht zwingende gesetzliche Bestimmungen entgegenstünden, oder wenn sich der Verbraucher zur Abgabe einer ihm nicht vorhersehbaren Erklärung und Abänderung eines Vertrags verpflichten solle, weil damit die Rechtsposition des Verbrauchers unklar werde und ihm das Risiko aufgebürdet werde, seine Rechte selbst zu erkennen. Gerade der in der Klausel vorgesehene Haftungsausschluss „so weit gesetzlich zulässig“ laufe darauf hinaus, den AGB nur so weit Geltung zuzubilligen, als ihnen nicht zwingende gesetzliche Bestimmungen – wie hier § 6 Abs 1 Z 9 KSchG entgegenstehe. Der durchschnittliche Verbraucher gewinne infolge der Ablehnung jeder Haftungsübernahme für Gesundheitsschäden und sonstige Sach- und Körperschäden durch die Beklagte trotz der Einschränkung „soweit gesetzlich zulässig“ keine Klarheit darüber, dass jede Haftungseinschränkung nach § 6 Abs 1 Z 9 KSchG für Personenschäden sowie bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit ausgeschlossen ist. Demgegenüber sei der von der Beklagten ins Treffen geführte Transparenzverlust bei Anführen genau dieser – in wenige Worte fassbaren – Ausnahmen oder aber bei Formulieren eines Haftungsausschlusses im zulässigen Umfang nicht zu befürchten.

[29] Die Revisionswerberin hält die Klausel 6 weder für unzulässig gemäß § 6 Abs 1 Z 9 KSchG noch für intransparent gemäß § 6 Abs 3 KSchG. Die Klausel sei nicht dazu geeignet Verbraucher von der Geltendmachung ihrer Rechte nach § 6 Abs 1 Z 9 KSchG abzuhalten. Hier zu verlangen, dass der Unternehmer auch noch über die jeweiligen Haftungsmaßstäbe aufklären müsse, wäre überschießend. Ein derart strenges Verständnis des Transparenzgebots würde zu einer enormen „Aufblähung“ der Verträge führen. Auch würde eine solche „Informationsflut“ zu einem Transparenzverlust führen, zumal der Verbraucher den Blick auf das Wesentliche verliere. Mit der Klausel werde lediglich und insofern verbraucherfreundlich vor dem allgemeinen Gesundheitsrisiko eines Konzertbesuchs gewarnt. Dass es bei Konzerten aufgrund erhöhter Lautstärke zu Gesundheitsschäden kommen könne, liege in der Natur von Musikveranstaltungen. Eine Haftungseinschränkung hinsichtlich Personenschäden erfolge durch die Einschränkung „soweit gesetzlich zulässig“ gerade nicht. Die Zulässigkeit dieses Klammerausdrucks ergebe sich insbesondere daraus, dass ein rechtlich unerfahrener Durchschnittsverbraucher auch ohne diese salvatorische Klausel nicht beurteilen könnte, wie weit die betreffende Bestimmung wirksam sei. In Ermangelung der Regelung würden dem Verbraucher nicht einmal die unter Umständen bestehende Notwendigkeit einer Reduktion signalisiert werden.

[30] Dazu hat der Senat erwogen:

[31] Nach § 6 Abs 1 Z 9 KSchG sind für den Verbraucher besonders solche Vertragsbestimmungen im Sinn des § 879 ABGB jedenfalls nicht verbindlich, nach denen eine Pflicht des Unternehmers zum Ersatz eines Schadens an der Person ausgeschlossen oder eingeschränkt wird oder eine Pflicht des Unternehmers zum Ersatz sonstiger Schäden für den Fall ausgeschlossen oder eingeschränkt wird, dass er oder eine Person, für die er einzustehen hat, den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldet hat.

[32] Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, dass die Anordnung eines Haftungsausschlusses „soweit gesetzlich zulässig“ nach ständiger Rechtsprechung (auch) dem Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG widerspricht, weil Verbrauchern nicht das Risiko aufgebürdet werden darf, die (teilweise) Rechtswidrigkeit der beanstandeten Regelung zu erkennen (4 Ob 179/18d Zu Klausel 5 Pkt 2.; 4 Ob 221/06p Pkt 2.23); vgl RS0122045 [T3]). Mit der Klausel wird suggeriert, dass – entgegen § 6 Abs 1 Z 9 KSchG – Ausschlüsse der Haftung für Personenschäden im Verbrauchergeschäft grundsätzlich zulässig wären. Die Klausel zielt erkennbar darauf ab, die Haftung der Beklagten für den Verbraucher zugefügte Personenschäden einzuschränken. Sie kann – entgegen der Rechtsansicht der Revisionswerberin – auch nicht als bloßer Warnhinweis (im Sinne einer Wissenserklärung) verstanden werden, weil sie eine klare Rechtsfolge, nämlich den Ausschluss der Schadenersatzpflicht der Beklagten anordnet (vgl RS0120267).

[33] Der Revision der Beklagten war daher nicht Folge zu geben.

[34] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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