OGH 9Ob11/23t

OGH9Ob11/23t28.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fichtenau als Vorsitzende sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner, die Hofrätin Mag. Korn und den Hofrat Dr. Thunhart als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P* GmbH, *, vertreten durch Dr. Stephan Müller Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei DI B*, vertreten durch Mag. Leopold Kianek, Rechtsanwalt in Wien, wegen 26.460 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 20.000 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Dezember 2022, GZ 11 R 214/22d‑42, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 3. Oktober 2022, GZ 16 Cg 78/21i‑35, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0090OB00011.23T.0628.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.332,54 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 222,09 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin ist gewerbsmäßige Immobilienmaklerin und begehrt vom Beklagten die Bezahlung von 26.460 EUR an Maklerprovision für die Vermittlung des Kaufs einer Wohnung (Top 2).

[2] Der Beklagte wandte dagegen ua ein, dass der Dachaufbau zu einer anderen Wohnung im Haus, der Top 7, nicht den baurechtlichen Bestimmungen entsprochen habe. Darüber sei die Klägerin und die für sie auftretende Mitarbeiterin informiert gewesen, habe diese Information aber nicht an den Beklagten weitergegeben. Bei Kenntnis dieser Rechtsmängel hätte der Beklagte das Objekt nicht gekauft. Dem Beklagten sei ein Schaden von 40.865,28 EUR entstanden, den er im Weg der Aufrechnung gegen das Klagebegehren einwandte.

[3] Das Erstgericht sprach aus, dass die Klageforderung zu Recht, die Gegenforderung hingegen nicht zu Recht bestehe und gab dem Klagebegehren statt. Es stellte ua fest, dass der Geschäftsführer der Klägerin und die für die Klägerin auftretende Mitarbeiterin wussten, dass es bei der Wohnung Top 7 im Dachgeschoß des Hauses ein „baurechtliches Thema mit der Pergola gab, für die es keine Baubewilligung gab“. Die Kaufinteressentin für diese Wohnung (Top 7) wurde darauf hingewiesen und entschied sich in der Folge, die Wohnung nur zu mieten. Die baurechtlichen Probleme in der Top 7 erwähnte die für die Klägerin auftretende Mitarbeiterin dem Beklagten gegenüber aber nicht, weil ihr Kenntnisstand war, dass diese die Top 2 nicht betreffen. Der Beklagte kaufte die Wohnung Top 2 mit Kaufvertrag vom 5. 3. 2021 von der Verkäuferin. Mit Schreiben vom 4. 5. 2022 forderte die zuständige Baubehörde sämtliche Miteigentümer der Liegenschaft auf, den Zubau zur Wohnung Top 7 im Haus zu entfernen, widrigenfalls ein Bauauftrag zur Herstellung des konsensmäßigen Zustands erlassen werde. Ein daraufhin von den Miteigentümern gestelltes Ansuchen um Baubewilligung war nicht genehmigungsfähig. Mittlerweile bietet der Beklagte, der die Reparatur von Mängeln des Parkett‑ und Terrassenbodens um rund 40.000 EUR veranlasste, die Wohnung mit einem Aufschlag von 164.000 EUR auf den ursprünglichen Kaufpreis zum Verkauf an. Rechtlich führte das Erstgericht aus, dass eine Veranlassung zur Mäßigung der Maklerprovision nach § 3 Abs 4 MaklerG nicht bestehe.

[4] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge. Es sprach aus, dass die Klageforderung mit 20.000 EUR zu Recht, die Gegenforderung hingegen nicht zu Recht bestehe und verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von 20.000 EUR sA. Der Klägerin sei als Pflichtverletzung vorzuwerfen, dass sie den Beklagten zumindest allgemein auf den vorschriftswidrigen Zustand im Zusammenhang mit dem nicht genehmigten Aufbau zur Wohnung Top 7 hinweisen und über allfällige daraus resultierende finanzielle Belastungen informieren hätte müssen. Mit dieser Information hätte der Beklagte den Kaufpreis wirtschaftlich näher einzuschätzen oder sich anwaltlich beraten lassen können. Die weiteren der Klägerin vom Beklagten vorgeworfenen Pflichtverletzungen hätten sich im Verfahren nicht erwiesen. Die der Klägerin vorwerfbare Pflichtverletzung sei nicht von ganz untergeordneter Bedeutung und rechtfertige eine Reduktion der Maklerprovision um etwa ein Viertel auf 20.000 EUR. Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich mit der Begründung zu, dass dies der Rechtssicherheit diene, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu einem Fall wie dem vorliegenden fehle.

[5] Gegen diese Entscheidung richtet sich die von der Klägerin beantwortete Revision des Beklagten, mit der er die Minderung des Provisionsanspruchs der Klägerin „auf null, jedenfalls aber um 75 %“ anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

[6] Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch unzulässig.

[7] 1. Allein der Umstand, dass ein völlig gleichgelagerter (oder ähnlicher) Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof noch nicht beurteilt wurde, bedeutet nicht, dass eine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung vorliegt (RS0110702 uva). Das gilt insbesondere dann, wenn – wie hier – die für vergleichbare Sachverhalte entwickelten Grundsätze der Rechtsprechung auf den konkreten Sachverhalt anwendbar sind und angewendet wurden (RS0107773 [T3]), der Streitfall daher also bereits mit Hilfe vorhandener Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung gelöst werden kann und gelöst wurde (RS0042742 [T13]; RS0042656 [T48]).

[8] 2. Der Oberste Gerichtshof hat erst jüngst in der – vom Berufungsgericht zitierten – Entscheidung 8 Ob 82/21y die Rechtsprechung zu § 3 Abs 4 MaklerG dargestellt (Rz 16 ff):

„[16] Voraussetzung für den Provisionsanspruch des Maklers ist der Nachweis einer verdienstlichen, also dem Vermittlungsvertrag entsprechenden Tätigkeit, die geeignet ist Vertragspartner aufzufinden – bei Namhaftmachung für das Zustandekommen nützlich war – bzw zum Vertragsabschluss zu bewegen (RS0062747 [T1]; § 6 Abs 1 MaklerG). Bei der Mäßigung nach § 3 Abs 4 MaklerG handelt es sich um eine Art Vertragsstrafe (Prader, MaklerG 2.17 § 3). Allfällige Ansprüche auf konkreten Schadenersatz bleiben vom Mäßigungsrecht unberührt.

[17] Eine Mäßigung des Provisionsanspruchs nach § 3 Abs 4 MaklerG hat nur dann zu erfolgen, wenn die Verdienstlichkeit des Maklers durch diesen Pflichtverstoß geringer als ohne diesen einzustufen ist (RS0111058). Die Sanktion der Provisionsermäßigung soll unabhängig von einem konkreten beweisbaren Schaden immer schon dann eintreten, wenn wegen Vorliegens einer wesentlichen Pflichtverletzung davon auszugehen ist, dass der Makler nicht voll verdienstlich tätig geworden ist (4 Ob 242/01v).

[18] Das Ausmaß der Mäßigung hängt davon ab, in welchem Maß die Verletzung einer wesentlichen Pflicht die Verdienstlichkeit des Maklers gemindert hat (RS0111058; RS0109995). Die Mäßigung der Provision ist direkt proportional zu den Pflichtverletzungen des Maklers vorzunehmen (4 Ob 135/01h).

[19] Wie sich die Pflichtverletzung auf die Abwicklung des Geschäfts ausgewirkt hat, ist ohne Bedeutung (RS0115514), es kommt auch nicht darauf an, ob durch die Pflichtverletzung ein Schaden eingetreten ist (RS0109995). …“

[9] Das Berufungsgericht hat diese – vom Revisionswerber nicht in Frage gestellten – Grundsätze bei seiner Entscheidung beachtet.

[10] 3.1 Der Revisionswerber begründet die Zulässigkeit der Revision mit dem Vorliegen eines groben Ermessensfehlers bei der vorgenommenen Provisionsminderung. Wenn in der Entscheidung 7 Ob 63/18t eine Minderung der Provision um 50 % als angemessen erachtet worden sei, obwohl die damalige Maklerin keine Kenntnis von der Unrichtigkeit ihrer Angaben gehabt habe, während die Mitarbeiterin der Klägerin um die fehlende Baubewilligung für den Dachzubau bei der Wohnung Top 7 wusste, so müsse die Provisionsminderung im vorliegenden Fall zumindest 75 % betragen.

[11] 3.2 Das Ausmaß der Provisionsminderung nach § 3 Abs 4 MaklerG richtet sich wie dargestellt ausschließlich nach der Schwere der vom Makler begangenen Pflichtenverletzung und kann nach den dargelegten Kriterien immer nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der dem Makler erkennbaren Interessen vorgenommen werden (5 Ob 43/02p; 2 Ob 176/10m mwN; RS0111058 [T6]). Einen die Revision dennoch rechtfertigenden groben Ermessensfehler des Berufungsgerichts (RS0111058 [T1, T7, T13]) zeigt der Revisionswerber nicht auf.

[12] 3.3 Sowohl die positive Kenntnis des Maklers von der Unrichtigkeit von Angaben als auch (allfällige) finanzielle Auswirkungen mangelnder oder falscher Informationen waren bereits Gegenstand der Rechtsprechung. Als nicht korrekturbedürftig sah der Oberste Gerichtshof die Minderung der Provision um 20 % wegen einer unterlassenen Aufklärung über Servituten an (1 Ob 170/20m). Bei wissentlich fiktiver Angabe des Baujahrs eines Vermittlungsobjekts wurde eine Provisionsminderung von 25 % angenommen (2 Ob 176/10m), bei falschen (unvollständigen) Informationen über den Zustand der Heizungsanlage eine Minderung von rund einem Drittel (4 Ob 242/01v) und bei unrichtiger Auskunft über die Beheizbarkeit und den Vollwärmeschutz wurde eine Minderung von rund zwei Dritteln als angemessen erachtet (5 Ob 43/02p). Bei der falschen Angabe des Baujahrs des Vermittlungsobjekts sowie dem fehlenden Hinweis auf verschiedene Mängel – etwa fehlende Benützungsbewilligungen – wurde eine Minderung der Provision von 80 % angenommen (6 Ob 135/16w; vgl zu weiteren Beispielen aus der Rechtsprechung nur Prader Wohnrecht MaklerG2.21 [Stand 1. 4. 2023] § 3 MaklerG E 86 ff; Limberg in GeKo Wohnrecht II [Stand 15. 10. 2018] § 3 MaklerG Rz 50).

[13] 3.4 Davon, dass Unklarheiten über das Bestehen einer Bau‑ bzw Benützungsbewilligung zu jenen Umständen zählen, die für den Abschluss des Immobiliengeschäfts wesentlich sind, ist das Berufungsgericht ohnehin ausgegangen (vgl 1 Ob 28/14w; RS0109996 [T5]). Die vom Berufungsgericht vorgenommene Minderung der Provision der Klägerin um rund 25 % steht im Einklang mit den Wertungen etwa der zitierten Entscheidungen 1 Ob 170/20m und 2 Ob 176/10m. Der vom Revisionswerber für seinen Standpunkt ins Treffen geführten Entscheidung 7 Ob 63/18t liegt kein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. In diesem Fall fehlte der Maklerin zwar die Kenntnis über den wahren Errichtungszeitpunkt des vermittelten Hauses. Davon unabhängig machte sie jedoch unrichtige Angaben über die Zufahrtsstraße und den Zustand des Objekts, wozu gehörte, dass die Wohnungen im gegebenen Zustand nicht rechtskonform vermietet werden konnten. Das Argument des Revisionswerbers, er hätte die Wohnung bei Kenntnis der wahren Sach‑ und Rechtslage nicht erworben, findet in den Feststellungen des Erstgerichts keine Grundlage, sodass die Revision insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt ist. Insbesondere wurde der Kaufvertrag vom Beklagten nicht – etwa wegen Irrtums – angefochten (vgl 4 Ob 242/01v).

[14] Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO war die Revision daher zurückzuweisen.

[15] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO, die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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